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Stefania Blackthorne

Vampires of New York 5

Hexenjagd


Impressum Texte: © Copyright by Stefania Blackthorne Umschlag: © Copyright by Stefania Blackthorne www.deviantart.com/blacklady999 Models: Shutterstock Hintergrund: AshenSorrow Designs


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vampires of New York 5 - Hexenjagd

Vampires of New York

Band 5

 

Hexenjagd

Kapitel 1

Kapitel 1

 

Lara

 

In einer warmen Sommernacht schlenderte ich mit meiner besten Freundin Sasha durch die Docks von New York City. Wir waren auf dem Weg zum Black Heaven, unserem Stammclub. Einiges hatte sich verändert in letzter Zeit: Ich war nun mit André zusammen. Mit Julian hatte ich Schluss gemacht, weil er mich mit der Vampirhexe Jessica Rutherford betrog. Er sagte zwar, es täte ihm leid und Jessica bedeutete ihm nichts, jedoch hatte Julian mich geschlagen, als er erfuhr, dass André und ich uns vor einiger Zeit näher gekommen waren. Deshalb wollte ich mit Julian nichts mehr zu tun haben.

Lilith wurde von der Göttin Hekate besiegt und sie hatte ihre Seele zu sich zurückgenommen. Luna war nun die wahrhaftige, von Hekate begünstigte, Besitzerin des Pendels und sie war zur Königin der Vampire ausgestiegen und dazu bestimmt, unsere Art zu führen und das Gleichgewicht zwischen den Welten zu wahren. So vieles hatte sich in dieser Nacht in der St. Patricks Cathedral offenbart:

Lilith war die erste Nachtdämonin und Ur-Vampirin – und somit die Mutter aller Vampire dieser Welt. Lunas Erzählungen Zufolge, versuchte Lilith vor Tausenden von Jahren, zusammen mit einer Gruppe anderer Nachtdamönen, aus denen sich alle heute bekannten Clans gebildet hatten, die Sterblichen zu unterwerfen. Dieses Vorgehen rief Hekate auf den Plan, die als Behüterin aller Lebewesen, Lilith an einen Schwur band. Sie sicherte der Göttin zu, dass sie die Vampire dieser Welt führen und schützen würde, und es nie wieder dazu kommen ließ, dass sich die Unsterblichen den Sterblichen überlegen fühlten. Andererseits würde Hekate die Rasse der Vampire vollständig vernichten. Hekate erachtete Luna und den Black Moon Clan jedoch als würdig, diese Aufgabe zu übernehmen. Deshalb stellte sie Luna in ihre Gunst.

Noch etwas Anderes hatte sich in dieser Nacht offenbart:

Adrian war zurückgekehrt. Mir lag diese Begegnung immer noch schwer im Magen. Ich fragte mich, wie er es geschafft hatte, Lucians Hinrichtung damals zu entgehen und wo er sich all die Jahrhunderte versteckt hatte? Seit jenem Abend war er mir jedoch nicht mehr begegnet. André erzählte ich davon nichts, weil ich ihm versprochen hatte, in dieser Nacht nicht zur St. Patricks Cathedral zu gehen, um Luna im Kampf gegen Lilith zu unterstützen. Doch ich hatte mich ihm widersetzt und war heimlich mit einer Gruppe von Black Moon Vampiren dort hingegangen. Nie im Leben rechnete ich damit, Adrian dort anzutreffen, der versuchte, Lucian zu töten. Dies hatte ich glücklicherweise verhindert.

"Woran denkst du, Lara?" Sashas Stimme ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken.

"Ach, weißt du. Ich muss immerzu an die Begegnung mit Adrian denken."

"Ich kann es selbst kaum fassen, dass er noch am Leben ist", meinte die blonde Vampirin mit den topasblauen Augen. "Was glaubst du, will er hier?"

"Er ist meinetwegen hier."

"Woher weißt du das so genau?"

"Kannst du dich noch daran erinnern, dass ich länger in der Kathedrale geblieben bin?"

Sasha nickte.

"Da habe ich ihn ein weiteres Mal getroffen. Er war noch dort. Ich bin geblieben, weil ich ihn gespürt habe. Ich wollte mit ihm reden."

"Er ist also noch immer hinter dir her", stellte Sasha fest. "Aber warum wollte er Lucian töten?"

"Um Rache zu nehmen, weil Lucian ihn zum Tode verurteilt hat."

"Denkst du, er versucht es wieder?", fragte Sasha.

Ich hob die Schultern.

"Ich habe keine Ahnung. Seit dieser Begegnung habe ich ihn nicht wieder gesehen. Es scheint, dass er vom Erdboden verschluckt ist."

"Wirst du André von ihm erzählen? Er ist immerhin sein Oberhaupt. Vielleicht könnte er ihn etwas zurechtrücken", meinte Sasha.

"Ich kann ihm nicht davon erzählen. Du weißt, dass er mir verboten hat, zu der Kathedrale zu gehen. Wenn er herausfindet, dass ich trotzdem dorthin gegangen bin, wird er stinksauer sein", entgegnete ich und verdrehte die Augen.

"Seit wann lässt du dir eigentlich etwas von ihm sagen? Es scheint, ein Teil von dir hätte ihn doch bereits als Oberhaupt akzeptiert."

"Nein, so ist es nicht, Sasha. Es ging ihm nicht darum, mir etwas verbieten zu wollen. Er wollte mich beschützen."

"Wovor denn?"

"Vor den Vampirhexen. Sie haben ihn bedroht, dass sie mir etwas antun würden", erklärte ich.

"Dir etwas antun? Wieso das denn?", hakte Sasha überrascht nach.

Ich vergaß, dass Sasha ja gar keine Ahnung von all dem hatte. Die Vampirhexen hatten André dazu gezwungen, ihnen das Vampirpendel auszuhändigen – und das alles nur, weil sie ihm drohten, mir etwas anzutun, wenn er dies nicht tat. Er stand in deren Schuld, da sie ihm vor langer Zeit das Leben retteten. Als die Smith-Schwestern zum ersten Mal versuchten, die Macht des Pendels zu erwecken, hatte André ihnen heimlich entlockt, an welchem Ort sie vorhatten das zu tun. Und er hatte dies dem Black Moon Clan verraten, welche deren Vorhaben schließlich dadurch verhindern konnten. Der Blood Witch Clan fühlte sich aufgrund dessen von André verraten.

"Das ist eine komplizierte Geschichte, Sasha", erwiderte ich gedehnt.

Sie zwinkerte mir zu.

"Nun. Bis zum Black Heaven ist es noch ein Stück. Ich habe Zeit."

"Versprichst du mir, dass du André nicht in einem schlechten Licht sehen wirst, wenn ich dir das erzähle?"

"Ich verspreche es."

 

 

Julian

 

Julian Dawson lag auf dem Bett, das er vor Kurzem noch mit Lara Chase geteilt hatte. Es war bereits eine ganze Weile her, seit sie ihn verlassen hatte. Er trauerte ihr noch immer hinterher. Er wollte sie zurückhaben, aber Lara war jetzt mit André Phillippe zusammen – dem Vampir, den Julian am allermeisten hasste. Denn André war einzig und alleine Schuld daran, dass Lara gegangen war. Er hatte die Vampirhexe Jessica Rutherford auf ihn angesetzt, damit sie ihn in seinen Bann zog und eine Affäre mit ihr begann. Julian schwor sich, dass dies noch ein Nachspiel haben würde. Er würde Lara beweisen, dass André zwielichtig und hinterhältig war.

Er stieß einen tiefen Seufzer aus, als es an der Tür klingelte. Der schwarzhaarige Vampir schrak aus seinen Gedanken auf. Wer konnte das sein? Für einen Moment hoffte er, dass es Lara sein würde, aber diese hatte einen Schlüssel. Schließlich war dies ihre Wohnung. Julian hatte eigentlich Glück, dass sie ihn noch nicht hinausgeworfen hatte. Er erhob sich vom Bett und trottete zur Tür. Als er diese öffnete, blieb ihm der Mund vor Verwunderung offen stehen. Vor ihm stand seine ehemalige Highschool-Freundin Amanda Wallace. Sie hatte mit ihm Schluss gemacht, als sie auf das California Institute of Arts in Valencia gegangen war. Ja, sie beide waren sehr kunstinteressierte Menschen gewesen. Auch Julian hatte Kunst an der New York Academy of Art studiert, bevor Evelyn Clayton ihn in einen Vampir verwandelt hatte. Und nach all der Zeit stand Amanda vor ihm – mit einer Reisetasche in der Hand. Sie hatte sich kaum verändert seit damals. Ihre Haare waren noch immer schwarz und schulterlang. Sie hatte den Kopf leicht schief gelegt und grinste ihn an.

"Hallo, Julian. Hat es dir die Sprache verschlagen?", meinte sie spitzbübisch.

Julian löste sich aus seiner Erstarrung und blinzelte.

"Hi, Amanda."

"Kann ich reinkommen?"

Julian nickte und trat zur Seite, damit sie eintreten konnte. Sie folgte ihm ins Wohnzimmer.

"Was machst du hier? Müsstest du nicht in Valencia sein?", fragte Julian stirnrunzelnd.

"Es sind Semesterferien, Julian. Das solltest du eigentlich wissen. Immerhin studierst du ebenfalls", erwiderte sie, während sie sich umsah. "Nett hast du es hier." Dann brach sie in lautes Lachen aus und schüttelte verstohlen den Kopf.

"Vergiss, was ich gesagt habe – ich hab mein Studium geschmissen", sagte sie, warf betont lässig ihre Reisetasche auf die Couch und setzte sich daneben. Julian ließ sich neben ihr nieder.

"Wieso?", wollte er wissen.

Amanda überlegte eine Weile.

"Ich weiß auch nicht. Irgendwie habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. Und jetzt habe ich keine Wohnung", erwiderte sie und sah ihn mitleiderregend an.

"Und da dachtest du, du gehst zum guten alten Julian, deinem Ex?"

Sie lächelte verschmitzt.

"Ja."

"Wie hast du herausgefunden, wo ich wohne?"

"Deine Schwester Cordelia sagte mir, du wohnst jetzt hier. Also was ist? Kann ich bleiben?"

Julian überlegte einen Moment.

"Ich weiß, dass es vielleicht so aussieht, dass ich nur hergekommen bin, um bei dir zu wohnen. Aber so ist es nicht, glaub mir. Ich hab dich nämlich vermisst, Julian. Es gab seit unserer Trennung keinen Tag, an dem ich nicht an dich gedacht hätte..."

Sie zog einen Schmollmund – und zwar genau den, dem Julian schon früher alles hatte durchgehen lassen.

"Tja", meinte er. "Da du schon mal hier bist.. Herzlich Willkommen."

Amanda fiel ihm vor Freude um den Hals.

"Vielen Dank. Du bist der Beste, Sweetheart!"

Julian schloss seine Arme um sie. Es war schön, sie wieder im Arm zu halten. Die Trennung von ihr hatte ihn damals sehr geschmerzt und er hatte sie lange Zeit wirklich vermisst. Sie löste sich von ihm und sah ihm in die Augen.

"Gibt es eine Andere in deinem Leben mittlerweile, Julian? Hast du zur Zeit eine Freundin?"

Julian presste die Lippen aufeinander.

"Nicht mehr. Es ist vorbei."

"Das tut mir sehr leid...", sagte Amanda mitfühlend. "Du hast sie bestimmt sehr geliebt. Wenn du liebst, dann von ganzem Herzen. Ich weiß, wovon ich rede."

Julian zuckte nur die Achseln.

"Das stimmt wohl. Ja, ich habe Lara sehr geliebt – und das tue ich noch immer."

Amanda nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis. Sie fragte sich, ob Julian vielleicht irgendwo in einem kleinen Teil seines Herzens noch Gefühle für sie hatte? Sie jedenfalls empfand noch eine ganze Menge für ihn.

 

 

Carlita

 

Die Oberhäuptin des Draconian Clans stieg die Treppen zu ihrem Keller hinunter, der nur spärlich beleuchtet war. Als sie unten angekommen war, vernahm sie sein ungeduldiges Knurren. Carlita trat an seinen riesigen Käfig heran, der in einer dunklen Ecke untergebracht war, in die nur wenig Licht fiel. Er knurrte wieder.

"Sei geduldig", sagte Carlita sanft, als redete sie mit einem kleinen Kind. Er war hungrig.

"Bald – schon sehr bald wirst du deinen Hunger stillen dürfen."

Er kam in die Ecke des Geheges, die ein wenig mehr von dem spärlichen Kellerlicht erleuchtet wurde. Carlita sah den von Kopf bis Fuß behaarten Dämon, der abermals knurrte. Sie ging schnell nach oben in ihre Wohnung, um ihm etwas rohes Fleisch zu bringen. Unten warf sie es durch die Gitterstäbe und es landete direkt vor dem Ungetüm.

"Ich weiß, das ist nicht, wonach du Verlangen hast. Aber ich verspreche dir, bald darfst du deinen Hunger befriedigen und du wirst endlich bekommen, wonach es dir gelüstet", sagte Carlita, während er zufrieden das Fleisch fraß. "Und zwar erstklassiges Fleisch – Hexenfleisch! Schließlich bist du Aeshma, der Hexenfresser! Du wirst unser Rachedamön sein!"

Aeshma knurrte zufrieden – und auch Carlita war es. Bald würde der Blood Witch Clan ausgelöscht und die Rache des Draconian Clans, der Vampiramazonen, vollendet sein!

Die dunkelhäutige Vampirin mit den blonden Haaren verzog die Lippen zu einem siegessicheren Grinsen.

Kapitel 2

Kapitel 2

 

Lara

 

"Mann, das ist ja wirklich hart", meinte Sasha als wir am Black Heaven angekommen waren. Ich hatte ihr die ganze Geschichte erzählt, dass André den Vampirhexen das Vampirpendel freiwillig überlassen hatte, weil sie ihn dazu gezwungen hatten.

"Ja, das ist es", erwiderte ich gedehnt.

"Wirst du es Luna erzählen?"

"Besser nicht. Es ist sowieso jetzt nicht mehr wichtig. Lilith wurde vernichtet und das Pendel befindet sich wieder in Lunas Händen."

"Hallo, ihr Zwei."

Sasha und ich drehten uns um. André stand vor uns – und bei ihm war eine Gruppe von sechs männlichen Vampiren, die hinter ihm an ihren Motorrädern lehnten. Ihre Aura war mir unbekannt. Sie hatten eisblaue stechende Augen - wie die von Wölfen.

"Hey André, was machst du denn hier?", fragte ich ihn und begrüßte ihn mit einem Kuss.

"Ich wollte mal sehen, was die Konkurrenz so treibt", meinte er zwinkernd.

"Wer sind deine Freunde?"

"Sie kommen aus einem ziemlich jungen Clan. Sie nennen sich die Lords. Wir sind schon seit einiger Zeit gut befreundet", erwiderte André. "Sie sind der Wolfs-Clan, was bedeutet, dass sie die Gestalt von Wölfen annehmen können."

Ich erfuhr, dass David DiAngelo das Oberhaupt der Lords war. Er hatte eine ziemlich verrückte Frisur: Ganz zerzauste, strubbelige schwarze Haare, die mit blauen Strähnen durchzogen waren.

"Hey, André. Wer ist das?", fragte David in meine Richtung.

"Das ist Lara Chase, meine Freundin", erwiderte André und der Stolz in seiner Stimme war nicht zu überhören.

David kam auf uns zu.

"Mein Name ist David", stellte er sich mir vor und musterte mich eingehend mit seinen durchdringenden, eisblauen Augen. Ich nahm es mit einem Nicken zur Kenntnis. Dann stellten sich die anderen Fünf vor.

Greg und Maximilian Boreanaz waren beide dunkelhäutig und Brüder. Channon Lake hatte schwarze, nach oben gegelte Haare und trug einen Drei-Tage-Bart. Mir entging nicht, dass sein Blick an Sasha hing und er sie von oben bis unten musterte. Julius Gilberts Haare waren braun und etwas länger, zudem war er ziemlich unrasiert. Kevin Cohannick trug seine Haare ebenfalls schwarz und hatte einen Bart. Nachdem wir uns alle gegenseitig vorgestellt hatten, betraten wir das Black Heaven.

 

 

 

André

 

André stand mit David DiAngelo und Channon Lake an der Bar. Sie beobachteten Sasha und Lara beim Tanzen. André entging nicht, dass Davids Blick an seiner Freundin hing, wie er sie förmlich mit seinen Augen verschlang.

"Was siehst du da so Faszinierendes?", fragte er ihn.

David grinste ihn an.

"Diese Lara wäre genau die Richtige für mich", meinte er, während der lässig am Bartresen lehnte und von seinem Whiskey trank.

"Sie ist tabu!", entgegnete André streng und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

"War ja klar, dass du sie dir gekrallt hast, Adrian", meinte David belustigt.

"Bitte nenne meinen wahren Namen nicht in der Öffentlichkeit", wies André ihn zurecht.

"Oh, Entschuldige. Ich vergaß...", erwiderte David schuldbewusst.

"Wie ist die Kleine denn im Bett?", fügte er feixend hinzu.

Andrés Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln.

"Ich hatte nie eine, die besser war."

"Ausprobieren is´ nich?", meinte David zwinkernd.

André lachte laut auf und schlug dem Oberhaupt der Lords freundschaftlich auf die Schulter. Er wusste, dass dieser nur Scherze machte.

Da täuschte André sich allerdings gewaltig. David DiAngelo war fasziniert von Lara Chase. Seine Blicke hingen an ihren Bewegungen, als sie tanzte. Sie war wirklich sehr sexy in ihrer knappen Lacklederhose und dem bauchfreien schwarzen Top. Sie bewegte ihre Hüften verführerisch zu dem Lied, das gerade gespielt wurde. David musste sich eingestehen, dass André einen ausgezeichneten Geschmack hatte.

"Die kleine Blonde wäre genau mein Typ", meldete sich Channon zu Wort. André beäugte ihn belustigt.

"Sasha ist genauso tabu wie Lara."

"Wie? Ist die etwa auch mit dir zusammen?", fragte Channon verwundert.

"Nein, aber sie ist vergeben. Lass lieber die Pfoten von ihr."

"Lass mich selbst herausfinden, ob ich mir an ihr die Pfoten verbrenne", entgegnete Channon und lief geradewegs zur Tanzfläche.

 

 

 

Julian

 

Amanda hatte Julian über ihre Zeit am College erzählt, während sie gemeinsam ihre Reisetasche auspackten. Jetzt, da er alleine in dem Appartement wohnte, war in dem Kleiderschrank genügend Platz. Amanda erblickte eingerahmte Porträts an der Wand. Julian hatte alle Zeichnungen, die er einst von Lara angefertigt hatte, aufgehangen.

"Oh, zeichnest du noch immer?"

Er bejahte. Er zeichnete nicht nur noch immer, er verkaufte mittlerweile auch Gemälde an eine Kunstgalerie. Doch die Porträts von Lara waren seine Privatsache, wie ein geheiligter Schatz, den er niemals aus der Hand geben würde.

"Ob du es glaubst oder nicht: Ich besitze immer noch alle Porträts, die du einmal von mir angefertigt hast", meinte Amanda und trat näher an die Bilder heran, um diese zu betrachten. "Ist das deine Ex-Freundin?"

Julian nickte stumm.

"Sie ist hübsch", gab sie zu. "Hübscher als ich. Oder was meinst du?"

Sie drehte sich zu Julian um und musterte ihn fragend.

"Ich gehe nicht nach dem Äußeren. Mir ist der Charakter eines Mädchens wichtig", erwiderte Julian und trat neben Amanda. Dann stieß er einen Seufzer aus. "Ich hätte sie längst abhängen sollen."

 

ξ

 

Als die beiden damit fertig waren, Amandas Reisetasche auszuräumen, saßen die beiden im Wohnzimmer.

"Und was fangen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend an?", wollte sie wissen.

"Gehen wir aus?", entgegnete Julian.

"Das wäre cool! Los geht´s!", meinte Amanda freudig. "Wo gehen wir hin? Existiert das Black Heaven noch?"

"Ja, aber sicher."

"Cool. Ich zieh mir nur schnell etwas Anderes an!"

Dann war sie blitzschnell im Schlafzimmer verschwunden.

Als sie einige Minuten später wieder im Wohnzimmer erschien, trug sie ein schwarzes enges Miniträgerkleid, schwarze Spitzenstrumpfhosen und schwarze kniehohe Lederboots. Um ihren Hals trug sie eine Kette mit Kreuzanhänger. Julian musste unwillkürlich nach Luft schnappen, als er sie erblickte. Er fand sie durchaus noch immer attraktiv und sexy.

"Bereit?", fragte Amanda zwinkernd.

"Lass uns gehen", erwiderte Julian und die beiden verließen das Appartement.

 

 

 

Lara

 

Wir tanzten ausgelassen, als Channon plötzlich hinter Sasha auftauchte, sie von hinten antanzte und einen Arm um ihre Hüfte legte. Sie wich erschrocken von ihm weg.

"Oh, entschuldige bitte. Habe ich dich erschreckt? Das war nicht meine Absicht", meinte er entschuldigend zu ihr. "Hey, hast du vielleicht Lust mit mir zu tanzen?"

Sasha beäugte den dunkelhaarigen Vampir abschätzig.

"Tut mir leid, aber ich bin vergeben."

"Wie Schade", entgegnete er und seine eisblauen Augen flackerten kurz auf. Dann verschwand Channon zurück an die Bar.

"Da scheint jemand auf dich zu stehen", stellte ich fest.

"Er kommt mir irgendwie komisch vor. Hast du den Ausdruck in seinen Augen gesehen? Wie ein Wolf, der seine Beute gewittert hat und gleich angreift", sagte Sasha und schüttelte sich.

Ich lachte laut los.

"Du hast ja gehört, was André gesagt hat: Die Lords sind der Wolfsclan. Sie können ihre Gestalt verändern und zu Wölfen werden", meinte ich zwinkernd.

"Ich finde so ein Verhalten wirklich nervig", erwiderte meine beste Freundin und verdrehte die Augen.

Später kehrten wir zu André und den Lords an die Bar zurück.

"Da bist du ja wieder", meinte André und zog mich an sich. Ich gab ihm einen Kuss.

"Ihr seid beide wieder hier. Wie schön", sagte Channon anzüglich und beäugte Sasha dabei. "Darf ich dich auf einen Drink einladen, Sasha?"

"Nein, Danke", erwiderte diese freundlich, aber bestimmt. Ich trat an sie heran und flüsterte ihr ins Ohr:

"Nun sei doch nicht so unhöflich zu ihm. Er möchte sich vielleicht entschuldigen für die Sache eben auf der Tanzfläche..."

"Na gut, in Ordnung", gab Sasha schließlich nach. Channon grinste über beide Ohren und seine wolfsblauen Augen leuchteten schelmisch.

"Ich brauche auch einen Drink", meinte ich zwinkernd. "Aber das gute Zeug verkaufen die hier nicht." Damit meinte ich natürlich Menschenblut. Daher machte ich mich auf den Weg zur Damentoilette, um mir ein williges Opfer zu suchen. Auf dem Weg dorthin stutzte ich, als ich Julian erblickte – in Begleitung einer dunkelhaarigen menschlichen Frau. Die beiden standen in einer Ecke und unterhielten sich angeregt. Sie schienen sich sehr vertraut zu sein. Ich wusste nicht recht, ob beide nur Freunde waren oder ob mehr zwischen den beiden war. Ich spürte nur, dass sie eine starke Zuneigung für Julian hegte und ihre Gedanken verrieten es mir ebenfalls. Mir sollte es recht sein, wenn er eine neue Freundin hatte. Dann würde er mich wenigstens in Ruhe lassen. Trotzdem fragte ich mich, wer sie war – und das wollte ich herausfinden. Aber zunächst verschwand ich in die Damentoilette und traf glücklicherweise ein junges Mädchen ganz alleine an, das sich gerade vor dem Spiegel die Lippen nachzog. Ich stellte mich neben sie und tat es ihr gleich. Unsere Blicke trafen sich für einen Moment .Sie lächelte mich an.

"Schöner Lippenstift", meinte sie.

"Möchtest du ihn dir mal genauer ansehen?", fragte ich sie.

"Oh ja, sehr gerne. Welche Marke ist das?"

"Vampire Red von Manic Panic."

"Echt tolle Farbe!"

Wir sahen uns in die Augen und ich hypnotisierte sie mit meinem Blick.

"Folge mir", sagte ich und bugsierte sie in eine der Kabinen. Dort drückte ich sie gegen die Wand und schlug meine Zähne in ihre Halsschlagader. Durch meine Manipulation ihrer Gedanken ergab sie sich vollkommen freiwillig. Nachdem ich satt getrunken war, sah ich ihr erneut tief in die Augen.

"Du vergisst alles, was eben passiert ist. Wir haben uns nie gesehen."

"Ja", sagte sie tonlos und mit starrem Blick. Die Bisswunden an ihrem Hals verschwanden kurze Zeit darauf von selbst wieder. Wir waren eine Art von Vampiren, die keine Spuren hinterließ. Bevor ich die Toilette verließ, warf ich noch einen prüfenden Blick in den Spiegel, ob noch Blutreste an meinen Mundwinkeln hingen. Alles war perfekt – nicht einmal der Lippenstift war verschmiert. Dann verließ ich den Waschraum und hielt erneut nach Julian und seiner Begleiterin Ausschau. Er stand noch immer in der gleichen Ecke. Sie hatte sich auf den Weg zur Bar gemacht. Ich lief auf ihn zu und als er mich erblickte, wurden seine Augen riesengroß.

"Neue Freundin?", sagte ich zu ihm.

"Eifersüchtig?", erwiderte er. Davon träumte er auch nur.

"Nicht doch, Julian", entgegnete ich kühl. "Nur neugierig."

Im Augenwinkel sah ich, dass seine Begleiterin, mit zwei Gläsern in der Hand, sich wieder auf den Weg zurück zu Julian machte. Ich beobachtete sie und unsere Blicke trafen sich. In ihrem Gesicht schien sich Verwunderung breit zu machen. Ganz so, als sei sie schockiert mich zu sehen. Doch ich war mir sicher, dass wir uns nie begegnet waren.

"Hier, Julian", sagte die Dunkelhaarige und überreichte ihm sein Whiskey-Glas.

"Willst du mich nicht vorstellen?", meinte ich betont freundlich lächelnd. Julian räusperte sich und verschluckte sich fast an seinem Whiskey.

"Amanda , das ist Lara. Lara , das ist Amanda."

"Hi, Lara", erwiderte Amanda.

"Freut mich, Amanda. Nun... Ich muss dann mal wieder weiter. Viel Spaß euch beiden noch."

Mein Tonfall klang sarkastisch. Ich wusste selbst nicht warum.

 

 

 

ξ

 

"Scheint, als hätte dein Ex eine neue Freundin", sagte André, als ich zurück an die Bar kam.

"Scheint so", erwiderte ich knapp und nippte an meinem Bier.

"Bist du nicht eifersüchtig?"

"Warum fragt mich das jeder? Es kümmert mich einen Dreck, was Julian macht", gab ich etwas unwirsch zurück.

"Und warum bist du dann gleich zu ihm hingerannt?", bohrte André.

Ich verdrehte die Augen.

"Ich war neugierig, ok?"

"Lass das bitte sein!", hörte ich Sasha plötzlich neben mir keifen. Erschrocken drehte ich mich zu ihr um. Sie hatte soeben Channon von sich weggestoßen, der beschwichtigend die Hände hob.

"Hey... Nun hab dich nicht so, Süße!"

"Wer hat dir erlaubt, mir an den Hintern zu fassen?!"

Ehe er sich versah, hatte sie ihm ihr Glas Whiskey ins Gesicht geschüttet und lief davon.

Channon stand mit weit aufgerissenen Augen da und blickte uns an.

"Hey!", sagte ich zu ihm."Was war das eben?"

"Hab ich dir nicht gesagt, sie ist tabu?", meldete sich André zu Wort.

"Man wird doch wohl mal noch ein bisschen Spaß haben dürfen!"

"Ich gehe Sasha suchen", meinte ich und warf Channon einen missbilligenden Blick zu. David DiAngelo stellte sich mir in den Weg.

"Hey, Lara. Es tut mir echt leid, was Channon getan hat. Bitte seid nicht sauer auf ihn. Er ist eben so", entschuldigte er sich für seinen Freund.

"Er soll sich selbst bei ihr entschuldigen", erwiderte ich schroff und ging an ihm vorbei. Ich suchte den ganzen Club nach meiner besten Freundin ab und fand sie schließlich in der Toilette. Sie stand mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und schaute finster drein.

"Da bist du ja."

"Was für ein mieser Dreckskerl!", empörte Sasha sich und schnaubte. Ihre topasblauen Augen blitzten vernichtend. "Was der für eine Masche abzieht, ist ja wohl das Letzte!"

"Wenn du willst, dann lass uns nach Hause gehen."

"Liebend gerne."

In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich zog es aus meiner Tasche und schaute aufs Display. Es war Luna.

"Hey, Luna. Was gibt es?"

Kurzzeitig fragte ich mich, ob es wohl noch angebracht war, sie einfach "Luna" zu nennen. Jetzt, wo sie die Königin der Vampire war. Aber sie hier in aller Öffentlichkeit "Ihre Majestät" oder Sonstiges zu nennen, kam mir ziemlich abwegig vor.

"Lara, ich möchte, dass du und André bitte zu uns in die Villa kommt. Ich möchte etwas besprechen", erwiderte sie in ernstem Tonfall.

"Ist etwas passiert?"

"Bitte kommt vorbei", entgegnete sie und legte auf. Ich blickte verstohlen mit gerunzelter Stirn das Display an.

"Was ist los?", wollte Sasha wissen.

"Luna will mit André und mir etwas besprechen", erwiderte ich, während ich das Mobiltelefon wieder in meiner Handtasche verstaute.

 

 

 

Lucians Anwesen

 

 

"Was gibt es denn so Wichtiges?", fragte ich, als wir im Wohnzimmer Platz nahmen. Lucian und Luna saßen uns gegenüber auf dem Sofa, während André und ich jeweils in einem der Ohrensessel Platz genommen hatten.

"Ich möchte mit André über etwas sprechen", erwiderte Luna.

Dieser blickte die Oberhäuptin des Black Moon Clans erwartungsvoll an.

"Ich bin ganz Ohr."

"André. Es gab da einen Vorfall in der St. Patricks Church, als Lilith von mir verlangte, dass ich den Schutzzauber des Vampirpendels entferne", begann Luna zu sprechen.

"Was weißt du über Adrian?", fragte Luna und musterte André eingehend.

Luna nahm dies mit einem Nicken zur Kenntnis und schien kurz nachzudenken.

André hob fragend die Brauen.

"Ja. Und deshalb fragen wir dich: Wusstest du, dass er noch lebt? Kannst du uns irgendetwas sagen, wo er sich aufhält?", wollte Luna wissen.

"Ja!", rutschte es mir plötzlich heraus und ich schlug mir die Hand vor den Mund. André musterte mich fragend.

"Ich habe Adrian gesehen. Ich war dort", gab ich kleinlaut zurück. Sein Blick schwang in Missbilligung um.

"In Ordnung", meinte André. "Was erwartet ihr nun von mir in dieser Angelegenheit zu tun?"

"Er ist Mitglied deines Clans. Es ist deine Verantwortung, ihn aufzuspüren. Wenn er nicht vorher euch aufspürt, denn ich weiß, dass er von Lara besessen war. Wenn er kommt, dann in jedem Fall zu ihr. Und dann möchte ich, dass ihr ihn zu mir schickt. Lucian und ich haben einige Dinge mit ihm zu bereden."

"Ich habe verstanden."

 

 

dachte er bei sich selbst.

nievorgehabt hatte. Kurz nachdem die Vampirhexen ihn vor dem Tod bewahrt hatten, hatte er diese Rachegedanken gehabt und diese bis vor Kurzem auch noch umsetzen wollen. Aber wenn er Lara ansah und wie sehr sie Luna und Lucian verehrte, dann konnte er es einfach nicht. Und das wurmte ihn innerlich. Durch seine Liebe zu ihr, konnte er nicht Adrian sein, der er eigentlich war. Und gleichzeitig wünschte er sich, dass Lara so sehr verehrte wie ihre Oberhäupter. Wobei André eigentlich ihr Oberhaupt war, dem sie normalerweise Folge zu leisten hatte. Doch sie hatte ihren ganz eigenen Kopf, denn sie hatte sich ihm bereits einmal widersetzt. André war klar, dass er wirklich vorsichtig sein musste. Lara war bereits mehrere Male ihm gegenüber misstrauisch geworden und hatte Fragen gestellt. Bisher hatte er sich immer raus winden können.

 

 

"Ich frage mich, wie lange Adrian schon in der Stadt ist", meinte ich und runzelte die Stirn.

"Ja, das ist wahr.", sagte ich.

"Was möchtest du mich fragen?"

"Mehr oder weniger ja", erwiderte er ohne eine Miene zu verziehen. Luna und Lucian wollten etwas sagen, aber ich hob abwehrend die Hände.

meinetwegen

"Was meinst du damit, Lara?", wollte Lucian wissen.

michzu schützen. Deshalb ist alles nur meine Schuld! Wenn ihr jemanden dafür bestrafen wollt, dann mich!"

"Ist das wahr, André?", fragte Luna ihn.

Lucian richtete das Wort an mich:

Ich sah ihn mit großen Augen an.

Luna seufzte laut und tief.

Nichts mehr zu Schulden kommen lassen... Ich musste unwillkürlich schlucken, als ich daran dachte, was im Untergeschoss von Andrés Club vor sich ging. Dort trafen sich Vampire mit Menschen und veranstalteten regelrechte Blut – und Sexorgien. Zwar alles auf gegenseitigem Einverständnis, doch die Sache war und blieb ein Risiko für uns. Sollte diese Sache jemals nach außen dringen, riefe das mit Sicherheit erneut die Vampirjäger auf den Plan. Das war allerdings etwas, das ich mir nicht ausmalen wollte.

Luna und Lucian hatten keine Einwände.