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Adipositas im neurowissenschaftlichen Licht

Chancen für erfolgreiche Therapien in der Gewichtsreduktion

 

Autor: Ulrike Dörge

Verlag: FQL Publishing, München

Buch: ISBN 978-3-947104-32-1

eBook: ISBN 978-3-947104-33-8

 

Buchreihe: GEHIRN-WISSEN KOMPAKT

 

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Bild-Nachweis: Das Titelbild und die Abbildungen 3, 7, 11 und 12 stammen von adpic, die restlichen Abbildungen in diesem Buch sind von Shutterstock®.

 

I M P R E S S U M

Adipositas im neurowissenschaftlichen Licht

Chancen für erfolgreiche Therapien in der Gewichtsreduktion

Autor: Ulrike Dörge

© 2019 Ulrike Dörge/FQL Publishing, München

Alle Rechte vorbehalten.

Autor: Ulrike Dörge

FQL Publishing, info@FQL-Publishing.com

ISBN: 978-3-947104-33-8

Autor

Ulrike Dörge

Ulrike Dörge ist Personal Trainerin für körperliche und mentale Beweglichkeit. In ihrer täglichen Arbeit mit Adipositas und neurodegenerativen Erkrankungen konfrontiert, war es ihr ein Anliegen, sich als Master of cognitive Neuroscience (AON) mit den Hintergründen und Präventionsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Dieses Buch vertieft das Verständnis für die Ursachen von Adipositas und ermöglicht einen kritischen Blick auf bisher angewandte Adipositastherapien. Es wird gezeigt, wie bedeutungsvoll eine natürliche, pflanzenbetonte Kost für den störungsfreien Datenaustausch zwischen Darm und Gehirn ist, dass Gene, so auch das Fettsucht-Gen, an- bzw. ausgeschaltet werden können und welche Hoffnungen sich mit der Erforschung des Darmmikrobioms, als Schnittstelle zwischen Darm und Gehirn, verbinden.

Vorwort

Lieber Leser,

wenn die folgenden Seiten dabei helfen, zu erkennen, dass der Focus nicht auf der Reduktion des Körpergewichtes liegen sollte, sondern auf der Versorgung des gesamten menschlichen Systems mit natürlichen, unverarbeiteten Nahrungsmitteln, dann hat sich meine Arbeit gelohnt.

Die wichtigste Erkenntnis, die ich selbst beim Schreiben erlangte, lautet: Adipöse Menschen sind nicht schuld an ihrer übermäßigen Körperfülle, besonders nicht die Kinder!

Dennoch liegt das größte Potential zur persönlichen Veränderung in jedem (adipösen) Menschen selbst.

Ulrike Dörge

Hannover/Langenhagen im März 2019

Danksagung

Mein Dank gilt Torsten Seelbach, dem Gründer der Academy of Neuroscience, für die großartige Idee, gestandene Berufstätige unterschiedlicher Fachgebiete noch einmal auf die Schulbank zu locken, um sich mit den modernen Erkenntnissen der Gehirnforschung auseinanderzusetzen.

Damit gelingt ein genialer Brückenschlag von der Wissenschaft in die Wirtschaft. Ich danke den Professoren, allen voran Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, welche diese Idee mittragen und leidenschaftlich ihr Wissen an uns Lernende weitergegeben haben und dies auch in der Zukunft tun werden.

Danke für die außerordentlich nahbare Lernatmosphäre und den respektvollen Austausch!

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Adipositas als Epidemie des 21. Jahrhunderts

1.2 Lebensstil in modernen Industrienationen

1.3 Problematik für die Gesundheit des Einzelnen, für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem

1.4 Zielstellung der Arbeit und Hypothese

2 Regulationsmechanismen bei der Nahrungsaufnahme

2.1 Regulation hormoneller Funktionen im Zwischenhirn

2.2 Das limbische System – Nahrungsaufnahme und Belohnung

2.3 Interaktion von Darm und Gehirn

2.3.1 Paradigmenwechsel in der Wissenschaft von der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn

2.3.2 Das enterische Nervensystem

2.3.3 Das Mikrobiom und seine Bedeutung für Adipositas

2.3.3.1 Einfluss der Art und Weise der Geburt auf das Mikrobiom

2.3.3.2 Mikrobiom und Ernährung

2.3.3.3 Stuhltransplantation

2.4 Neurobiologische Regulation bei Adipositas

2.4.1 Stress

2.4.2 Depressionen

2.4.3 Die moderne erweiterte Theorie der Emotionen

2.4.4 Psychobiotika

2.4.5 Schlafmangel

2.5 Braunes und weißes Fettgewebe

3 Genetik und Epigenetik

3.1 Monogene und polygene Adipositas

3.2 Epigenetischer Schalter

4 Therapien in der Gewichtsreduktion

4.1 Konservative Adipositastherapie

4.1.1 Ernährungsumstellung

4.1.2 Aktive Bewegung

4.1.3 Verhaltensänderung

4.2 Medikamentöse Therapien

4.3 Formuladiät

4.4 Chirurgische Eingriffe

5 Diskussion

5.1 Haushaltszucker und Isoglukose

5.2 Darmbakterien im Focus der Wissenschaft

5.3 Erbgut

5.4 Gesunder Weg zum Wohlfühlgewicht

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

8 Fußnotenverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Adipositas als Epidemie des 21. Jahrhunderts

Am 11. Oktober begehen Menschen auf verschiedenen Kontinenten den Welt-Adipositas-Tag und erteilen damit einem Problem Aufmerksamkeit, welches sich zu epidemischen Ausmaßen entwickelt hat. 2,8 Millionen Menschen sterben jährlich weltweit an den Folgen von Übergewicht und Fettsucht.1

Laut Weltgesundheitsorganisation ist Adipositas als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts definiert. Sie gilt als chronische Krankheit, welche mit eingeschränkter Lebensqualität und hohem Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko einhergeht und eine langfristige Betreuung erfordert. Als Maßstab für Adipositas ist ein Body-Mass-Index ab 30 kg/m² festgelegt, der sich aus dem Quotienten aus dem Körpergewicht und dem Quadrat der Körpergröße ermittelt.

In den letzten 40 Jahren hat sich die Anzahl der adipösen Kinder und Jugendlichen in der Welt im Alter von 5-19 Jahren verzehnfacht. Aktuell stagnieren die Zahlen bei den adipösen Kindern in den hochentwickelten Industrienationen auf hohem Niveau, während sie in weniger entwickelten Ländern weiter deutlich ansteigen.2

In der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation, so lauten aktuelle Schätzungen, sind 23% der Frauen und 20% der Männer adipös.3 Im November 2006 organisierte das WHO Regionalbüro für Europa eine Ministerkonferenz in Istanbul. Alle Mitgliedsstaaten nahmen die Europäische Charta zur Bekämpfung der Adipositas an. Mit diesen Leitprinzipien und klar umrissenen Handlungsfeldern meinte man die Voraussetzungen geschaffen zu haben, die Ausbreitung der Epidemie, besonders bei Kindern, innerhalb von 10 Jahren einzudämmen.4

Im Jahr 2017 stellte man auf dem Europäischen Kongress zum Thema Adipositas fest, dass die Anstrengungen, vor allem bei den Kindern und Jugendlichen in den Ländern Südeuropas und des Mittelmeerraumes und im Osten der Europäischen Union, nicht wirksam werden. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche aus niedrigeren sozioökonomischen Schichten. Es wird prognostiziert, dass vier von fünf Jugendlichen auch im Erwachsenenalter übergewichtig sein werden und sich somit Armut und Krankheit von Generation zu Generation fortsetzen.5

Im 13. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung heißt es: „Übergewicht und damit verbundene gesundheitliche Folgen und Komplikationen, stellt von der Schwangerschaft, über das Klein- und Schulkindalter, das Jugend- und Erwachsenenalter und bis ins hohe Alter ein zentrales gesellschaftliches und für die Gesundheit bedeutendes Problem dar.“6 Weiter steht geschrieben: „Die vorliegende umfassende Analyse zeigt trotz der unbefriedigenden Datenlage sehr deutlich, dass dringend Handlungsbedarf zur Überwindung der Adipositasepidemie besteht.“7

1.2 Lebensstil in modernen Industrienationen

Das Leben in der modernen zivilisierten Welt ist geprägt von einem ständigen Nahrungsmittelüberfluss. Industriell verarbeitete Nahrungsmittel mit hohem Fett- und Zuckeranteil sind stets verfügbar und bezahlbar, während natürliche, unverarbeitete Nahrung teuer ist. Hoher Leistungsdruck und chronischer Stress gehören für viele Menschen zum Alltag. Die Nahrungsaufnahme erfolgt unterwegs und unter Zeitdruck und nicht selten, um den Stress zu kompensieren.

Körperliche Bewegung ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Fortschrittliche Fahrzeugtechnik, Rolltreppen und Aufzüge führen dazu, dass sich manche Menschen nur wenige hundert Meter am Tag bewegen. Körperlich schwere Arbeit wird den Menschen durch den Einsatz von Maschinen und Automaten kaum noch abverlangt. Der moderne Mensch in der industrialisierten Gesellschaft hat sich zum Jäger und Sammler in Supermarktregalen entwickelt. Neben der ungesunden Ernährung und dem Bewegungsmangel sind viel zu seltene Aufenthalte im Freien und der Konsum künstlicher Getränke kennzeichnend für den Lebensstil.

Hinzu kommt die soziale Ungleichheit, welche sich in einer weit geöffneten Schere zwischen armen und reichen Menschen darstellt. Der technische Fortschritt hat Kommunikationssysteme geschaffen, die ständige Verfügbarkeit von den Teilnehmern abverlangt und das persönliche Aufeinandertreffen und Erleben in menschlicher Gemeinschaft überflüssig macht. Persönliche Werte zu leben und mit den Vorgaben gesellschaftlicher Strukturen zu vereinbaren, überfordert viele Menschen. Im Gegensatz dazu sind Menschen in modernen Gesellschaften unterfordert, wenn sie keinen Arbeitsplatz haben und ihnen damit der Lebenssinn fehlt.8

1.3 Problematik für die Gesundheit des Einzelnen, für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem

Die unter 1.2 beschriebenen Lebensstilfaktoren und die damit einhergehenden Defizite betreffen, von Faktor zu Faktor variierend, 70 bis 90 Prozent der Bevölkerung in den Industrienationen. Etwa die Hälfte der Defizite wirken sich auf den gesamten Organismus aus, die andere Hälfte im Speziellen auf das Gehirn und die Psyche.

Abb. 1: Adipositas erhöht das Risiko von chronischen Krankheiten

Die moderne Gehirnforschung lehrt direkte Zusammenhänge zwischen einem gesunden Körper und einem gesunden Geist in beide Richtungen. Schon ein einzelner Faktor erhöht das Risiko, eine chronische Krankheit zu entwickeln. Treten mehrere Faktoren gleichzeitig auf, multipliziert sich das Risiko.9 Fettleibige Menschen tragen ein erhöhtes Risiko, an Diabetes oder Krebs zu erkranken, Schlaganfälle zu erleiden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln.10 Auch Erkrankungen des Gehirns, wie Depressionen, Alzheimer und Parkinson werden mit Adipositas, insbesondere mit dem Konsum von ungesunden Fetten, in Verbindung gebracht.11

Stigmatisierung und Diskriminierung durch die Gesellschaft gehören zum Alltag und treffen adipöse Menschen tief in ihrer Psyche. Das Selbstwertgefühl dieser Menschen kann folgenschwer geschädigt werden und in völlige Selbstaufgabe gipfeln. Mobbing als Folge von Vorurteilen wiegt besonders für Kinder und Jugendliche schwer und kann dazu führen, dass junge Menschen durch eigenes Wirken ihr Leben beenden.

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