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Deutsche Erstausgabe (ePub) Mai 2019

 

Für die Originalausgabe:

© 2017 by Christina Lee

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Regret«

 

 

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2019 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

 

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

 

ISBN-13: 978-3-95823-757-5

 

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Aus dem Englischen von Vanessa Tockner


 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

Klappentext:

 

Als Brian „Brin“ Schuberts Wohnung plötzlich unter Wasser steht, muss er eine Weile auf dem Sofa eines Kollegen unterkommen. Allerdings erwartet er nicht, dort seiner Vergangenheit zu begegnen: Der Mitbewohner seines Freunds ist niemand anderes als Nicholas Dell, der ihm vor elf Jahren das Herz gebrochen hat. Und sich – wenn Brin das Mädchen an Nicks Arm richtig deutet – offensichtlich immer noch nicht geoutet hat. Brin und Nick versuchen krampfhaft, sich aus dem Weg zu gehen, doch die intensive Anziehung zwischen ihnen lässt sich nicht leugnen. Als sie einander schließlich wieder näherkommen, muss Brin einsehen, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt und dass man mit Liebe und Verständnis auch alte Wunden heilen kann…


 



Für das Kind, dessen Geschichte ich vor Jahren in der Zeitung gelesen habe. Ich habe immer gehofft, dass du die Dunkelheit hinter dir lassen kannst. Das hier ist für dich.

 


 

 

1

 

Brin

 

Ich schob den Schlüssel in das Schloss und sperrte den Glaseingang von Doggie Styles für die Nacht ab. Mein Kollege Elijah hatte unseren letzten Hund auf der Pflegeseite – einen süßen, aber lauten Schnauzer – abkassiert, aber ich saß auf der Betreuungsseite fest und wartete auf den letzten Kunden. Elijah hatte bereits nach meinen Wünschen für chinesisches Essen gefragt, bevor er losgefahren war und Bescheid gesagt hatte, dass ich ihn in einer Stunde wiedersehen würde. Ich atmete tief ein und ging zu meinem Volkswagen, auf dessen Rückbank mehrere meiner Klamotten hoch aufgestapelt waren.

Mein Leben war viel zu viele aufeinanderfolgende Wochen glatt verlaufen und ich wusste, irgendetwas würde es vermasseln. Als ich daher vor einigen Abenden meine Wohnung betreten hatte und meine Füße in stehendes Wasser von einem geplatzten Rohr geplatscht waren, das jeden Zentimeter Boden des gemütlichen Raums bedeckte, dachte ich nur, dass die Zeit wohl gekommen war. Das war der Grund, warum ich keine schönen Dinge haben konnte. Nicht einmal einen respektablen Freund, verdammt noch mal, weshalb ich vor einigen Wochen schließlich meinen Tinder-Account gelöscht hatte. Es war Zeit, mich endlich zusammenzureißen, und dieser Rückschlag war eine deutliche Erinnerung.

Elijah hatte angeboten, dass ich auf der Matratze in seinem Bürozimmer schlafen konnte, bis meine Wohnung wieder trocken und die Böden ausgetauscht waren. Als ich gestern in mein Schlafzimmer gegangen war, um einige lebensnotwendigen Dinge zu holen, waren riesige Industrieventilatoren aufgestellt gewesen, um beim Trocknen zu helfen. Aber der Boden hatte trotzdem geschmatzt, als ich darübergegangen war, und die Wohnung hatte etwas modrig gerochen. Fick mein Leben.

Glücklicherweise war meine Sammlung Marvel- und DC-Comics auf dem höchsten Regalbrett in meinem Schrank gewesen, daher hatte das Wasser die Kiste nicht erreicht. Die meisten stammten von meinem Onkel Rick, der an Aids gestorben war, als ich zehn gewesen war, und gehörten daher zu meinem wertvollsten Besitz. Jetzt lagen sie sicher im Kofferraum dieses Autos.

Ich würde definitiv die Annehmlichkeiten meiner Wohnung vermissen, war aber dankbar für die Hilfe. Ich hätte auch den gesamten Monat bei meinen Eltern im Osten der Stadt bleiben können, was aber einen langen Weg zur Arbeit bedeutet hätte. Wenn ich allerdings ehrlich war, hatte der leere Blick meines Vaters an den letzten Abenden – zusammen mit der offensichtlichen Anspannung um seine Augen – bewirkt, dass ich Elijahs Angebot in ungefähr einer Sekunde angenommen hatte. Mom versuchte immer, die steife Beziehung zwischen meinem Vater und mir aufzulockern, aber ich glaubte nicht, dass ich das noch einen weiteren Tag ertragen konnte.

Ich glitt auf den schwarzen Ledersitz, froh, dass mein Jetta noch in ordentlichem Zustand war – und wenn ich Holz hätte, um darauf zu klopfen, würde ich definitiv auf Nummer sicher gehen. So hatte ich bereits den Großteil des Tages damit verbracht, mit der Versicherung zu telefonieren, während sie den Verlust auswertete. Laut dem Schadensreferent sollte der gesamte Schaden abgedeckt werden, also war wenigstens etwas Positives dabei herausgekommen. Auch wenn es mich noch wochenlang ärgern würde.

Während ich über Seitenstraßen von Rocky River zur Clifton Avenue in Lakewood fuhr, erinnerte ich mich daran, wie sehr ich diese Nachbarschaft mit ihren jahrhundertealten Häusern und der Nähe zum Eriesee mochte. Elijah wohnte in einem urigen und geräumigen Gebäude und hatte einen Mitbewohner, der gestern nicht daheim gewesen war, als ich den Großteil meines Krams abgestellt hatte. Ich würde in dem freien Zimmer schlafen, das zum Büro gemacht worden war, und das sollte gemütlich genug sein, während ich die Reparaturen in meiner Wohnung aussaß. Außerdem wollte ich ihnen auf keinen Fall als Hausgast auf die Nerven fallen, da ich ihnen ohnehin schon Unannehmlichkeiten bereitete.

Ich hatte Nick nie getroffen, würde mich aber auf jeden Fall bei ihm bedanken und für die Umstände entschuldigen, die meine Anwesenheit verursachen könnte. Elijah würde sagen, dass ich aufhören sollte, mich für jede verdammte Kleinigkeit in meinem Leben zu entschuldigen, und dann würde ich die Augen verdrehen und ihm sagen, dass das noch in Arbeit war. Es schien einfach meine Mission im Leben zu sein, mich dafür zu entschuldigen, wer ich war und was ich brauchte.

Schließlich fand ich einen Parkplatz auf der belebten Straße, was nach einigen Tagen sehr lästig werden würde. Elijah und sein Mitbewohner zahlten beide Gebühr für einen Platz in der Parkgarage. Wenn man auf einer belebten Straße in der Nähe einer großen Kreuzung mit mehreren Geschäften und Restaurants wohnen wollte, hatte man keine andere Wahl.

Ich nahm die Kleiderbügel von der Rückbank und legte mir die Kleider vorsichtig über den Arm, bevor ich mich drehte, um die Autotür zu schließen. Als ich bei Apartment 202 klingelte, brauchte Elijah mehrere Sekunden, um mich einzulassen. Er stand schon auf der Türschwelle, als ich die zweite Treppe hinaufkam. Da ich wusste, dass ich direkt ins Büro musste, bevor mein Arm taub wurde, folgte er mir einfach am Badezimmer vorbei zu dem winzigen dritten Zimmer.

»Meinst du, du hast dich jetzt eingerichtet?«, fragte er, als ich die Schranktür mit einer Hand aufschob und dann die Kleiderbügel von meinem anderen Arm hob.

»Ja«, antwortete ich, während ich die T-Shirts in einer mehr oder weniger ordentlichen Reihe anordnete und dann die Tür wieder zuschob. »Wenn ich noch Toilettenartikel brauche, kaufe ich sie einfach.«

»Guter Plan.« Elijah sah über die Schulter, als wir noch zwei Stimmen hörten – von denen eine vermutlich seinem Mitbewohner gehörte.

»Nick ist gerade mit Sarah heimgekommen«, sagte er grinsend. Und flüsterte dann: »Seiner neuesten Freundin

Das Einzige, was ich während des letzten Jahres über Nick gehört hatte, war, dass er ein cooler Kerl war, immer beschäftigt, und einige Frauen datete. Plötzlich war ich froh, dass Nicks und Elijahs Schlafzimmer auf der anderen Seite der Wohnung lagen und Küche und Wohnzimmer uns trennten.

Elijah hatte außerdem unbedingt erwähnen müssen, dass Nick verdammt heiß war, würde jedoch nie wagen, das vor seinem Freund Stewart zu sagen, der ein eifersüchtiger Arsch sein konnte – nicht, dass ich Elijah das jemals in nüchternem Zustand verraten würde.

Ich fragte mich irgendwie, ob Nick dasselbe dachte, denn auch Stewart übernachtete bestimmt oft hier. Offensichtlich machte ihm das Arrangement überwiegend nichts aus, sonst hätte Elijah etwas gesagt. Aber vielleicht auch nicht. Er plapperte jede verdammte Kleinigkeit aus, einzig seine Beziehung mit Stewart betrachtete er als unantastbar.

»Brin, lass mich dir meinen Mitbewohner vorstellen«, sagte Elijah, während ich ihm durch den kurzen Gang ins Wohnzimmer folgte. »Das sind Nick und seine gute Freundin Sarah.«

Sarahs Locken waren fast so blond wie meine und Nicks schwarze Haare waren größtenteils unter einer abgenutzten blauen Baseballkappe verborgen. Beide saßen gemütlich auf dem Sofa, Sarah mit untergeschlagenen Beinen und Nick mit einem Knöchel auf dem Knie des anderen Beins. Sie aßen chinesisches Essen von Papiertellern auf ihren Knien. Sarah winkte nur, da sie Essen im Mund hatte, aber Nick antwortete: »Hey, wie steht's?«, nachdem er etwas geschluckt hatte, das nach Frühlingsrolle aussah.

Der Duft von gebratenem Reis erreichte meine Nase und als zur Antwort mein Magen knurrte, erkannte ich, wie ausgehungert ich war. Ich konnte es kaum erwarten, mich über die zweite braune Tüte auf dem Sofatisch herzumachen, in der wahrscheinlich mein Essen war, wollte jedoch nicht unhöflich sein.

Als Nick sich mit ausgestreckter Hand vorlehnte, blieb mein Blick aus irgendeinem Grund auf seinem ordentlich gepflegten Dreitagebart hängen. Als er das Gesicht neigte, um mir direkt in die Augen zu sehen, und unsere Finger sich umeinander schlossen, erstarrte ich. Ein überraschtes Keuchen entkam meinen Lippen und Nicks Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen, bevor sie abrupt hoch auf seine Stirn wanderten.

Dieselben kirschroten Lippen und das Grübchen mitten auf dem Kinn. Die traurigen, bernsteinfarbenen Augen, die die ganze Welt ausschlossen.

Heilige Scheiße. Elijahs Mitbewohner war Nicholas Dell.

Derselbe Nicholas Dell von der Jefferson Highschool, der mich praktisch für andere Kerle ruiniert hatte.

Derselbe verteufelte Third Baseman, der seinen Mathe-Nachhilfelehrer nach dem Training in der Umkleide angefleht hatte, ihm den Schwanz zu lutschen.

Und wenn ich mir die Frau so ansah, die an seiner Seite saß, war er auch derselbe Nicholas Dell, der immer noch tief im Schrank steckte.


 

2

 

Nick

 

»Heilige Scheiße«, murmelte ich und zog meine Hand dann ungeschickt aus Brins klammem Griff. Meine Finger zitterten und ich begriff nicht einmal, warum. Es war wie viele – elf Jahre her?

Brin – auch bekannt als Brian Schubert. Fuck, Brian Schubert von der Highschool. Der Highschool, auf die ich in der zehnten Klasse und nach dem Vorfall, der mich den Rest meines Lebens verfolgen würde, gewechselt hatte.

»Ihr zwei kennt euch?«, fragte Sarah hinter mir. Ich traf mich erst seit einigen Wochen mit ihr und sie war toll, aber in diesem Moment konnte ich nichts außer weißem Rauschen gebrauchen, um nachzudenken.

»Äh, ja. Von der Schule.« Ich warf einen Blick zu Brin und gab mir verdammt große Mühe, ihn nicht von oben bis unten zu mustern, scheiterte jedoch kläglich. Er war jetzt noch niedlicher – seine hellen, blonden Locken waren immer noch zerzaust, seine hohen Wangenknochen noch betonter. Unter seinen Augen war schwarzer Eyeliner, in beiden Ohrläppchen steckten kleine Silberringe, und wenn ich mir den finsteren Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht so ansah, hasste er mich immer noch total.

Nun, da war er nicht der Einzige. Der Mistkerl hatte mir nicht einmal eine Minute gegeben, um mich zu erklären oder dafür zu entschuldigen, dass ich ihn an jenem Tag in der Umkleide nicht verteidigt hatte. Ich erinnerte mich immer noch daran, wie sein Gesichtsausdruck sich verändert und sein Kiefer sich verkrampft hatte, bevor er hinausgestürmt war. Ja, ich hatte Brian Schubert mächtig enttäuscht. Aber jemand anderen hätte ich noch mächtiger im Stich gelassen. Und das konnte ich nicht ertragen – nicht mal für eine Sekunde –, denn ich hatte sein Leben bereits ruiniert. Das Leben von allen.

»Im Ernst?«, fragte Elijah und wirkte beinahe ebenso vom Donner gerührt wie Brin. »Warum habt ihr das nicht gesagt?«

»Was denn gesagt?«, erwiderte Brin und seine Nasenflügel blähten sich auf. »Ich hatte keine Ahnung, dass ich ihn wiedersehen würde.«

Sein Tonfall verriet, dass er verdammt noch mal gehofft hatte, es wäre nicht geschehen. Nun ja, mir ging es nicht anders. Jener Tag gehörte nicht zu meinen stolzesten Momenten. Ich hatte in meinem Leben eine Menge wiedergutzumachen, daher hatte ich jenen Vorfall lediglich zu meiner langen Liste hinzugefügt.

»Also, äh, wie ist es dir ergangen?«, fragte ich, nur um irgendetwas zu sagen oder wenigstens die Spannung zu zerstreuen – aber auch weil ich über die Jahre hinweg durchaus an ihn gedacht hatte, obwohl es unangenehm war, darüber nachzudenken. Nicht so schwer wie andere Dinge, aber schmerzhaft genug.

Als Brin mich abrupt ansah, flehte ich ihn mit meinem Blick an, cool zu sein, wenigstens vorerst. Wenn er mir die Zähne einschlagen wollte, hatte er später immer noch Zeit dafür. Tatsächlich mehrere Wochen – falls er nach allem überhaupt beschloss, hierzubleiben.

»Gut«, antwortete er steif. Mein Blick zoomte an seinen roten Schmollmund heran. Dieselben vollen Lippen, die ganz ungeschickt und chaotisch und bestenfalls amateurhaft die Spitze meines Schwanzes gelutscht hatten – aber immer noch sündhaft heiß waren. Dieselben Lippen, an die ich seitdem in mehreren schlaflosen Nächten gedacht hatte.

Um noch Salz in die Wunde zu reiben, kribbelte meine Haut bei der Erinnerung – was zum Teufel stimmte nicht mit mir? Ich trat einen Schritt zurück und pflanzte meinen Hintern neben dem Mädchen, das ich verdammt noch mal eingeladen hatte, auf das Sofa.

»Du weißt ja, dass Brin mit mir bei Doggie Styles arbeitet.« Elijah reichte Brin einen Papierteller und griff nach den Essensboxen, bevor er etwas gebratenen Reis auf ihre beiden Teller verteilte. Als Brin sich auf der anderen Seite des Raums einen Platz suchte, räusperte Elijah sich und warf uns jeweils einen strengen Blick zu, wie ein Kindergartenerzieher, der uns zwang, nett zueinander zu sein. »Und seine Wohnung... ich bin sicher, das kann er dir selbst erzählen...«

Brins Kiefer verkrampfte sich noch mehr, als wollte er kein weiteres Stück von sich preisgeben. Aber wir waren durch Zufall in diese heikle Situation geschlittert, daher mussten wir das Beste daraus machen.

Außerdem: Hatte er über die Jahre nie an mich gedacht? Das war wohl Wunschdenken. Ich hatte ihn verletzt und er war ohne einen weiteren Blick zurück gegangen. So lief mein Leben. Ich hatte eine Menge Leute verletzt, denen ich gerne näher gewesen wäre.

Plötzlich setzte Brin die Gabel ab und fand seine Stimme wieder. »Ach, ja, meine Wohnung ist nach einem Rohrbruch überflutet und äh, danke, dass ich hier eine Weile bleiben darf.« Unsere Blicke trafen sich quer durch den Raum und ich schenkte ihm ein kurzes Nicken, erleichtert, dass er beschlossen hatte, das nicht peinlicher zu machen als es ohnehin schon war.

Früher hatte ich mich während der Nachhilfestunden in Trigonometrie und dann bei den paar Mal, die er auf die Knie gegangen war und mit geweiteten Pupillen zu mir hochgesehen hatte, in diesen himmelblauen Augen verloren. Fuck. Glücklicherweise rettete seine nächste Frage mich davor, wieder in Erinnerungen zu versinken. »Also, Elijah hat erwähnt, dass du irgendein Unternehmen führst?«

»Gravuren. Heartfelt Impressions«, murmelte ich geradezu. Den Namen laut auszusprechen klang sogar in meinen eigenen Ohren falsch. Aber der Großteil meines Lebens war künstlich, was machte schon eine weitere Sache? Meine Mom hatte dem Geschäft offenbar den Namen gegeben, schon bevor ich geboren worden war, und es war jahrelang eine solide Einkommensquelle für meine Eltern gewesen. »Es war das Unternehmen meines Dads. Ich habe es übernommen, nachdem er vor fast fünf Jahren gestorben ist.«

Brins Gabel hielt auf dem Weg zu seinem Mund inne. Ich konnte sehen, dass diese Offenbarung ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, vermutlich weil er sich an meinen Dad aus der Schulzeit erinnerte – das taten alle. Er war bei Sportveranstaltungen, Feiern und Spendenaktionen allgegenwärtig gewesen. »Es... tut mir leid, das zu hören.«

Mein Vater hatte Coach Parker von meiner Baseball-Mannschaft nahegestanden und Heartfelt Impressions fertigte Trophäen für jeden Schulsport in der Gegend an. Mein Dad war ein viel zu großer Teil meines Lebens gewesen und damals hatte ich ihm das auf keinen Fall verwehren können.

Nachdem meine Schwester gestorben war, hatte er sich mit vollem Einsatz engagiert und ich hatte mir große Mühe gegeben, ihm ein Sohn zu sein, auf den er stolz sein konnte – nicht nur weil Baseball seine Lieblingsbeschäftigung war, sondern weil ich es ihm schuldig war. Ich würde meinen Eltern mein Leben lang etwas schuldig sein. Ich hatte sogar hier an der CSU in der Mannschaft gespielt und strebte die Amateurliga an, obwohl ich wusste, dass ich nie mehr schaffen würde.

»Ja, danke.« Ich rückte die abgenutzte Kappe auf meinem Kopf zurecht. Sie war die liebste meines Vaters gewesen. »Ich bin gerne eingesprungen und habe geholfen.«

Ich würde Brin nicht erzählen, dass gravierte Plaketten heutzutage leicht mit dem Computer bestellt werden konnten und das Unternehmen stetig Geld verlor. Ich hatte eine Onlinepräsenz für das Unternehmen geschaffen, damit wir nicht auf der Strecke blieben, aber es war schwer. Ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, mich für etwas zu begeistern, für das ich keine Leidenschaft hegte, aber ich gab jeden einzelnen Tag mein Bestes.

Um sie stolz zu machen. Obwohl sie sich vermutlich wünschten, dass ich an ihrer Stelle gestorben wäre. Der Gedanke setzte mir am meisten zu. Plagte mich jahrelang in rastlosen Nächten, bis eine Panikattacke mir schließlich einen Termin bei Dr. Penny und ein Rezept für Zoloft eingebracht hatte.

Als sich erneut peinliches Schweigen über den Raum senkte, war es Sarah, die es brach. Ich hatte beinahe vergessen, dass sie da war, so tief war ich in Erinnerungen versunken. »Ich kann nicht mehr. Wer möchte einen Glückskeks?«

Während sie sie verteilte, traf ich quer durch den Raum erneut auf Brins Blick. Er verengte die Augen und sah weg. Ich machte mir nicht die Mühe, den süßen Keks zu öffnen und den Spruch zu lesen, denn ich wusste bereits, was das Leben für mich bereithielt. Mehr von dem, was ich ohnehin hatte.

Glücklicherweise war Elijah redselig und plapperte weiter von seinem Tag.

Ich stellte meinen leeren Teller auf den Sofatisch, lehnte mich zurück und legte den Arm um Sarah, um ihr zu zeigen, dass ich anwesend war – denn Gott, es hatte mich aus der Bahn geworfen, Brin wiederzusehen.

Aus dem Augenwinkel merkte ich, wie Brins Miene sich noch mehr verfinsterte. Das war ein solcher Kontrast dazu, was mich ursprünglich zu ihm hingezogen hatte – seine tiefliegenden blauen Augen und das fröhliche Lächeln. Seine gutmütige und geduldige Stimme vermischt mit trockenem Humor. Er hatte mir in einer so unglaublich schweren Zeit in meinem Leben ein leichteres Gefühl gegeben. Aber in unseren intimsten Momenten hatte es kein Gelächter gegeben, höchstens hier und da mal ein Grinsen. Und nachdem ich alles ruiniert hatte, hatte er sich geweigert, je wieder in meine Richtung zu blicken. Und es war, als hätte er die Sonne aufgesaugt und durch dicke schwarze Wolken ersetzt.

Wahrscheinlich war er in Stimmung zu verkünden, dass ich ihn einst darum angefleht hatte, mich mit den Lippen zu bearbeiten. Und ein Teil von mir wünschte, er würde es verraten. Vielleicht würde das wettmachen, was ich ihm angetan hatte, wenn auch nur ein Stück weit. Könnte sogar dabei helfen, den hartnäckigen Druck zu lösen, der sich stetig in meiner Brust aufbaute.

 


 

3

 

Brin

 

»Was zum Teufel war vorhin mit dir los?«, fragte Elijah, während er über die Schulter ins Wohnzimmer deutete, wo wir Nick und Sarah vor dem Fernseher zurückgelassen hatten. Meine Brust fühlte sich so eng an, dass ich den gebratenen Reis kaum herunterbekommen hatte, obwohl ich nur wenige Minuten zuvor am Verhungern gewesen war.

Ich dachte, ich wäre darüber hinweg, was mit dem Kerl, in den ich heftig verknallt gewesen war, in der zwölften Klasse geschehen war, aber das war ich wohl nicht. Fuck, wie lächerlich.

»Ich glaube nicht, dass ich hierbleiben kann«, antwortete ich und griff zerstreut nach der Tasche, in der ich einige Pflegeartikel mitgebracht hatte. »Ich werde mir etwas anderes einfallen lassen. Vielleicht Tristans Wohnung am See.«

Selbst in meinen eigenen Ohren klang ich leicht verrückt und sehr unvernünftig, aber ich konnte auf keinen Fall mit ihm in dieser Wohnung bleiben. Mit diesen whiskeyfarbenen Augen, dem sexy schwarzen Bartschatten und der engen Jeans, in der sich dieser verdammt lange Schwanz abzeichnete. Auf keinen Fall dasselbe Material wie die dünnen weißen Baseballshorts, die so leicht hinuntergezogen werden konnten. Mein Gott.

»Wovon zum Teufel redest du?«, fragte Elijah mit gesenkter Stimme, während er mir durch den Raum folgte. »Erstens hat Tristan nur ein Schlafzimmer und zweitens – liegt es daran, dass du Nick kennst?«

Ich antwortete nicht, warf einfach weiterhin wahllos irgendwelche Gegenstände in die Tasche.

»Ist etwas zwischen euch passiert?«

Das ließ mich innehalten. »Was? Nein.«

Fuck, ich wollte auf keinen Fall zugeben, dass ich Nicholas Dell einen geblasen hatte, als ich siebzehn, fast achtzehn gewesen war. Es war das Ende der zwölften Klasse gewesen, er hatte bessere Noten gebraucht, um seinen Abschluss machen zu können, und nachdem er eine Vereinbarung mit dem Mathelehrer getroffen hatte, hatte der Coach mich gebeten, mit einigen seiner Spieler zu arbeiten. Nicholas Dell war mein erster Blowjob gewesen – und mein zweiter. Und ich hätte es ihm weiterhin besorgt, solange er mich gelassen hätte, wenn nicht bei jenem letzten Mal jemand in den Raum gekommen wäre und uns beinahe erwischt hätte.

Es war vielleicht verrückt, aber ich wollte Elijahs Zusammenwohnen mit Nick nicht ruinieren; ich wollte nur verdammt noch mal von hier verschwinden und nicht mehr an diese verletzliche Zeit in meinem Leben denken müssen.

Elijah verschränkte die Arme und kniff die Augen zusammen. »Warst du in der Schule vielleicht... in ihn verknallt oder so etwas?«

Das war irgendwie leichter zuzugeben und könnte ihm helfen zu verstehen, warum ich gehen musste. »Vielleicht. Und er war ein richtiger Arsch. War immer bei den Sportskanonen dabei und... du weißt schon.« Den letzten Teil musste ich einfach hinzufügen, es fühlte sich gut an, es herauszulassen.

Elijah fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, ganz offensichtlich frustriert von mir. »Das war vor was – zehn, elf Jahren? Leute werden erwachsen und ändern sich. Er ist wirklich ein guter Kerl. Ich hatte keine Probleme mit ihm als Mitbewohner.«

Meine Schultern sackten nach unten. »Trotzdem kann ich einfach nicht...«

»Gib ihm doch eine Chance. Wenigstens vierundzwanzig Stunden«, schlug Elijah vor, nahm mir die Tasche aus der Hand und stellte sie auf den Boden. »Außer du bist noch nicht über ihn hinweg?«

»Natürlich bin ich das!«, antwortete ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Gut«, sagte er mit einem langen Seufzer. »Denn es ist beschissen, einem Hetero hinterherzuschmachten.«

Ich schnaubte beinahe laut auf, konnte mich jedoch beherrschen. Ich würde sein Geheimnis nicht verraten, obwohl er ein riesiger Idiot war. »Weißt du, es hat mich einfach überrascht. Vielleicht brauche ich nur eine gute Mütze Schlaf.«

Elijah nickte, während er rückwärts den Raum verließ und die Vergangenheit aussperrte, die unerwartet in mein Leben getreten war. Allerdings schloss die Tür nicht nahtlos an den Rahmen – vermutlich weil es ein altes Gebäude war und Holz die Tendenz hatte, sich mit der Zeit zu verziehen. Die harten Winter und brutalen Sommer in dieser Stadt halfen auch nicht gerade. Was ich nicht dafür geben würde, mit allen Annehmlichkeiten – außer natürlich Abdichtung gegen Wasser – in meiner modernen Wohnung zu sein. Hab Geduld, sagte ich mir.

Ich legte mich auf das provisorische Bett, zog meinen Laptop auf die Knie und gab mir große Mühe, nicht auf die verdammten Stimmen im Nebenzimmer zu lauschen. Nicks tiefes, beruhigendes Brummen und ihre – wie hieß sie gleich – freundliche und ruhige Stimme. Würg.

Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren, was endlich half, alles bis auf die Geräusche in meinem Kopf auszublenden. Die Erinnerungen, die jetzt alle meine Sinne überfluteten, konnte ich nicht vertreiben. Wie weich sein melancholischer Blick während unserer Nachhilfestunden werden konnte und wie es mein Ziel wurde, ihn zum Lächeln zu bringen. Dasselbe schiefe Grinsen, wenn er mich in der Cafeteria entdeckte, die Sehnsucht in seinem Blick, die meine spiegelte. Wie seine feuchten, dunklen Haare an seiner Stirn klebten, als er mit hypnotisierenden Augen voller Lust, aber auch Staunen zu mir herabsah.

 

»Warum bist du hier drin?«, fragte Nicholas, gerade als sein Handtuch zu Boden fiel. Sein Schwanz lag schwer auf seinem breiten Oberschenkel, ragte aus dem Nest dunkler Haare in seinem Schritt hervor.

»Ich weiß nicht, es ist nur... der Coach hat mich geschickt, um dir zu sagen, dass du dir mehr Mühe geben sollst. Mit Lewis bin ich schon fertig.« Lewis war dumm wie ein Sack Kartoffeln, anders als Nicholas. Der bemühte sich, gute Noten zu bekommen und seinen Abschluss zu machen. Ich spürte eine Art unterschwelliger Anspannung, wenn ich bei ihm war, und fragte mich manchmal, ob sein Vater ein Mistkerl war und ihm wegen seiner Noten gedroht hatte. Allerdings wirkte der gar nicht so, wenn er mit dem Coach redete oder bei den Spielen am Rand stand. Und Nicholas schien auch keine Angst vor ihm zu haben. Ich hatte nichts dafür übrig, bei Heimspielen auf den Tribünen zu sitzen, aber mein damals einziger schwuler Freund zerrte mich immer mit und flehte mich an, ihm alles über bestimmte Spieler zu erzählen.

»Ich kann einfach draußen warten«, fuhr ich fort und zwang mich, nicht wieder auf seinen Schwanz zu schauen.

»Nein, schon gut«, sagte er und griff nach seinem Deo. »Es dauert nur eine Sekunde.«

Unsere Blicke trafen sich und hielten einander für eine viel zu lange Sekunde. Als er scharf einatmete, wanderte mein Blick hinab, wo das Blut in seinen Schwanz strömte, und Röte sich auf seine Wangen stahl. Seine Finger tasteten nach seinen Shorts, die mit der Innenseite nach außen auf der Bank lagen, während er versuchte, sich zu bedecken und seine Erektion zu verbergen.

»Nicht.« Meine flehende Stimme hallte in dem leeren Raum wider. »Bitte.«

Er straffte die Schultern, während der Stoff zu Boden fiel, und regte sich nicht mehr, beobachtete mich nur. Die Röte hatte sich über seinen Hals auf die Brust ausgebreitet und als ich den Blick tiefer wandern ließ, war sein Schaft völlig steif und ragte gerade hoch. Lang und üppig und verdammt heiß. Heilige Scheiße, es war, als wären alle meine Fantasien wahr geworden.

Mein Herz hämmerte in meinen Ohren, während ich wartete, und meine Knie fühlten sich weich und wacklig an.

Sein Blick huschte in der Umkleide umher und als er sicher war, dass wir immer noch alleine waren, legte er die Faust um seinen Schwanz, der hart geworden war wie ein Baseballschläger. Ich trat näher, griff mit zitternden Fingern nach seiner Länge und tat so, als wüsste ich, was zum Teufel ich da machte.

Nicholas schauderte, als ich seine Länge nahm und sie vom Ansatz bis zur Spitze streichelte, genau wie ich es am Tag zuvor unter der Dusche mit meinem eigenen Schwanz getan hatte. Er schloss die Augen und sein Kopf fiel nach vorn, seinen Atem ließ er in harten Stößen ausströmen. Adrenalin durchströmte mich, nicht nur weil ich endlich eine Chance bekam, seine seidig warme Haut zu berühren, sondern auch weil es ihn ebenso anmachte wie mich.

Mein Schwanz tropfte in meiner Hose, aber ich ignorierte ihn in dem Wissen, dass ich mir das für heute Abend im Bett aufheben würde. Es brauchte nur wenige Bewegungen, bevor er meine Schulter packte – fest. Er keuchte und stöhnte dann tief und lange, bevor er über meine ganze Faust spritzte. Diesen Laut würde ich noch jahrelang nicht vergessen.

Als er danach wieder zur Besinnung kam, wirkte er völlig panisch und wich zurück, um sich fertig anzuziehen. Während der Nachhilfestunde direkt danach sah er mir kaum in die Augen, aber als unsere Knie sich unter dem Tisch streiften, schauderte er.

Beim zweiten Mal ging ich auf die Knie und kostete zum ersten Mal einen Schwanz. Seine Lusttropfen waren warm und salzig und als ich seinen seifigen, verschwitzten Geruch einatmete, dachte ich, ich wäre im Himmel.

Ich stellte mich verdammt ungeschickt an, aber seinem Stöhnen nach zu urteilen, schien es ihm nichts auszumachen. Bei jenem ersten Mal hatte ich Probleme, seinen Samen zu schlucken, denn er tröpfelte über mein Kinn und aus meinen Mundwinkeln, aber später am selben Abend spielte ich alles in meinem Kopf wieder ab, während ich heftig in meine eigene Faust kam.

 

In der Woche darauf geschah es ein letztes Mal.

 

»Du wirst langsam gut darin. Fuck.« Ich blies ihm gründlich einen und seine Finger, die tief in meine Haare griffen, waren das wert.

»Beeil dich, bevor jemand reinkommt. Nächstes Mal bin ich an der Reihe und...«

Aber er konnte seinen Satz nie beenden, denn die Tür schwang in den leeren Raum auf und erschreckte uns.

 

Als ich eine Stunde später vorsichtig die Kopfhörer abnahm, war es still im Haus und ich atmete erleichtert aus. Da ich annahm, dass alle bereits hinter geschlossenen Schlafzimmertüren waren, streifte ich endlich mein T-Shirt ab, ließ jedoch die Jeans an, bevor ich für einen Schluck Wasser in die Küche tappte. Ich lehnte mich an die Spüle und stürzte die kühle Flüssigkeit herunter, erhitzt von meinen postpubertären Erinnerungen.

Unerwartet kam Nick zur Wohnungstür herein. Er musste Sarah zu ihrem Auto begleitet haben. Sein Blick schweifte gierig über meine nackte Brust und plötzlich wurde ich verlegen, weil ich kaum nennenswerte Muskelmasse hatte. Fick dich.

»Mach doch ein gottverdammtes Foto«, presste ich heraus, während ich ihn niederstarrte. »Noch besser, hol dein Jahrbuch von der zwölften Klasse heraus und schwärm von den guten alten Zeiten.«

»Mistkerl. War ja nicht meine Absicht, dass es so kommt«, antwortete er und griff in den Schrank, um sich ebenfalls ein Glas zu nehmen. »Dass du einfach so in meiner Wohnung auftauchst.«

Ich richtete mich auf. »Ich kann definitiv gehen...«

»Nein, das habe ich nicht gemeint.« Er warf einen Blick über die Schulter und ich konnte nur vermuten, dass er nicht wollte, dass Elijah unser Gespräch hörte. »Wir können damit umgehen wie Erwachsene, oder?«

Ich zuckte mit den Schultern wie ein bockiges Kind, wollte ihm die Genugtuung nicht geben.

»Es sind nur ein paar Wochen, dann bin ich weg«, antwortete ich und versuchte mir gleichzeitig selbst Mut zu machen. »Ich schätze, ich kann damit umgehen, wenn du es kannst.«

Ich füllte mein Glas noch einmal mit Wasser aus der Leitung auf und wir standen trinkend nebeneinander, unsere Arme streiften einander beinahe, bis ich zurückwich, um nicht allzu deutlich zu zeigen, wie sehr er mich durcheinanderbrachte.

Er warf mir einen schnellen Seitenblick zu. »Also, warum der Namenswechsel?«

Ich war schon mein ganzes Erwachsenenleben lang als Brin bekannt, daher warf seine Frage mich kurz aus der Bahn. »Mein erster Account auf einer Dating-Website – ich hab beschlossen, mal etwas anderes zu versuchen. Ich schätze, der ist irgendwie hängen geblieben.« Er weitete die Augen, offenbar etwas überrascht. Bestimmt hatte er nie Tinder oder Grindr benutzt.

»Er gefällt mir«, erwiderte er leise, nachdem er sein Wasser ausgetrunken hatte. Aus irgendeinem Grund schoss Adrenalin durch mich, bevor es rasch von Übelkeit vertrieben wurde. »Hör mal, ich will nicht, dass Elijah weiß...«

»Was? Dass du insgeheim ein schwuler Junge bist?«, presste ich hervor und stellte mein leeres Glas in die Spüle. Ich würde Elijah später nach dem Geschirrspüler und anderen Routinen fragen. Außer ich beschloss, nicht zu bleiben. Vierundzwanzig Stunden. Gib dem Ganzen einfach Zeit.

»Ich bin nicht... Fuck, weißt du, was?«, antwortete er kopfschüttelnd. »Erzähl ihm ruhig alles. Damals war ich ein Arsch. Ich hatte mit einer Menge Mist zu kämpfen...«

»Warte kurz, ich hole meine Violine«, erwiderte ich und mimte Spielbewegungen mit den Händen.

»Es tut mir leid, okay?« Seine Stimme war voller Frust. »Ich hoffe, ich bin jetzt ein besserer Mensch, aber vielleicht auch nicht – vielleicht werde ich das nie sein...«

Dieselbe Trostlosigkeit, die schon vor Jahren scheinbar allgegenwärtig gewesen war, kehrte in seine Züge zurück und ich bekam den Eindruck, dass er weit mehr meinte als das, was zwischen uns passiert war.

Fuck, nein. Ich würde kein Mitleid mit ihm bekommen.

Meine Schultern versteiften sich, als eine andere Erinnerung in mir aufstieg.

Was bist du, eine verdammte Schwuchtel?

Auch ich hatte es damals nicht leicht gehabt. Nick war nur einer von vielen Männern, die mich nicht genug geschätzt hatten, um zu mir zu stehen. Und als ich schließlich von zu Hause ausgezogen war, um zu studieren, war ich mehr oder weniger für jeden dahergelaufenen Kerl auf die Knie gefallen, der mir Aufmerksamkeit schenkte. Nie wieder.

»Schön, dass du dein Leben wieder in den Griff bekommen hast oder was auch immer es ist«, sagte ich und schob mich an ihm vorbei. »Aber ich muss deine rührselige Geschichte nicht hören.«

Ich hörte sein schweres Seufzen sogar quer durch den Raum. »Ich werde versuchen, dir aus dem Weg zu gehen.«