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STAR TREK

DEEP SPACE NINE

MYSTERIEN

UNA McCORMACK

Based on

Star Trek and Star Trek: The Next Generation

created by Gene Roddenberry

and

Star Trek: Deep Space Nine

created by Rick Berman & Michael Piller

Ins Deutsche übertragen von

René Ulmer

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Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – DEEP SPACE NINE: MYSTERIEN
wird herausgegeben von Cross-Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: René Ulmer;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust;
Korrektorat: André Piotrowski; Satz: Rowan Rüster; Cover-Illustration: Martin Frei;
Print-Ausgabe gedruckt von CPI Moravia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice.
Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – DEEP SPACE NINE: ENIGMA TALES

German translation copyright © 2020 by Cross Cult.

Original English language edition copyright © 2017 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2020 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All rights reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-148-4 (März 2020) · E-Book ISBN 978-3-96658-009-0 (März 2020)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Für Ina

Inhalt

Historische Anmerkung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Danksagungen

Über die Autorin

Historische Anmerkung

Diese Geschichte spielt im Jahr 2386, sieben Jahre nach dem Aufeinandertreffen der U.S.S. Enterprise-E mit dem romulanischen Praetor Shinzon (STAR TREK – NEMESIS) und ein Jahr nach dem Besuch der Athene Donald auf Deep Space 9 (STAR TREK – DEEP SPACE NINE »Misstrauen«). Diese Ereignisse tragen sich nur wenige Wochen nach Julian Bashirs Mission zu, die zur explosiven Enthüllung von Sektion 31 und ihrer verborgenen Machenschaften durch die von Trill stammende Reporterin Ozla Graniv geführt haben (STAR TREK »Sektion 31 – Kontrolle«).

Ein Roman über die Vergangenheit,
die Zukunft und alles, was dazwischenliegt
.

Mein lieber Doktor,

ich stelle mir oft vor, wie Ihr erster Besuch auf Cardassia Prime wohl wäre. Bei unserer ersten Begegnung habe ich mir vorgestellt, wie wir durch die Hauptstadt schlendern und Abkühlung im Schatten der großen, uralten Ithianen, die den Tarlak Boulevard säumen, suchen, in den Eckhäusern von Torr bitteren Gelat trinken und zusammen auf den höchsten Punkt in Coranum steigen, um die Pracht meiner Stadt, des Herzens des Imperiums, das ich so sehr geliebt und dem ich gedient habe, zu bewundern. Ich habe mir ausgemalt, wie wir in die ländlichen Gegenden reisen, zu einem der großen Häuser, damit Sie unsere Welt in all ihrer strahlenden Schönheit erleben können und verstehen, wie uns das Land geformt und was es uns abverlangt hat.

Ein schöner Wunschtraum und einer, der mir während meiner ersten Tage des Exils beachtlichen Trost gespendet hat. Als Cardassia mir für alle Zeiten verloren schien und Sie einer meiner wenigen Freunde waren. Über die Jahre habe ich die Geschichte immer wieder angepasst und Cardassia wurde für mich mehr und mehr zu einem Mythos, einem Ort, von dem ich kaum glauben konnte, dass er wirklich existierte. Ganz zu schweigen davon, dass ich dorthin zurückkehren könnte.

Letztendlich bin ich zurückgekehrt, aber nicht auf das Cardassia, das ich kannte.

Ich war froh, dass Sie damals nicht gekommen sind. Ich wollte nicht, dass Sie unsere Ruinen und unsere Schande sehen. Ich wollte nicht, dass Sie sehen, wie wir dem Rest des Quadranten bettelnd eine Schüssel entgegenstrecken. Und ich wusste, würden Sie kommen, würden Sie alles sehen wollen. Sie würden sich nicht zurückhalten und versuchen zu helfen. Sie sind nicht in der Lage, untätig danebenzustehen. Ich wollte nicht, dass Sie Hunger, Entbehrung und Angst sehen. Ich wollte nicht, dass Sie mit ansehen, wie wir während der Staubstürme leiden, für Wasser anstehen und mit letzter Kraft Leichen bergen, um sie dann zu beerdigen. Das alles wollte ich Ihnen nicht zeigen. Ich wollte Ihre Hilfe nicht.

Dann, eines Tages, wachte ich auf und es war Frühling. Die Sonne schien. Die Kinder lebten, anstatt zu sterben. Die Gebäude ragten hoch hinauf und alles war geschäftig und lag nicht verlassen und in Trümmern da. Es gab Leben. Es gab Hoffnung. Leute ändern sich, sagt der Dichter, und lächeln. Ich hoffte, Sie würden kommen und uns lächeln sehen.

Jetzt sind Sie hier, Julian, und es ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Trotzdem wünschte ich mir, ich könnte Ihnen Cardassia zeigen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendetwas zeigen.

Ihr Freund

Garak

[nicht gesendet]

Eins

Es gibt nichts, was sich mit der Ankunft auf einer neuen Welt vergleichen lässt. Wenn das Schiff in den Orbit einschwenkt, unterbricht selbst der Erfahrenste seine Lektüre oder das Staubansetzen und sieht zu, wie der Planet langsam in Reichweite rückt. Fragen beginnen Form anzunehmen: Was werde ich Neues sehen? Werde ich etwas lernen? Werde ich überrascht werden? Wird mich mein Besuch auf irgendeine winzige, unbedeutende Weise verändern? Wenn es so weit ist, geht man an Bord des Landeshuttles und eine Weile sieht man kaum mehr als sein Innenleben und hört wenig mehr als das Summen der Triebwerke, während man in Richtung des Planeten stürzt. Aber bald darauf ist man unten, die Sicherheitsgurte werden gelöst, man steht auf, streckt sich, schnappt sich sein Gepäck und endlich betritt man den Raumhafen mit seinem Durcheinander aus Geräuschen und tausend Fremden aller möglichen Spezies, die mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind und sich nicht für deine Sorgen interessieren. Sie haben Angst, ihren Anschluss zu verpassen, suchen Freunde oder wollen einfach nur nach Hause. Langsam findest du dich zurecht. Deine Reise in eine neue Welt beginnt. Du bist angekommen.

Nein, nichts kommt dem auch nur nahe. Du bist erschöpft. Du bist desorientiert. Und du bist aufgeregt. Es fällt dir schwer zu entscheiden, was du zuerst tun sollst. Und wenn es sich bei der fraglichen Welt um Cardassia Prime handelt, liegt ein Schleier des Mysteriösen über deiner Ankunft. Du weißt, dass zwischen Cardassia und dem Rest des Quadranten seit über einem Jahrzehnt Frieden herrscht und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es auch so bleibt. Du weißt, es herrscht jetzt eine Allianz, eine besondere Beziehung, zwischen diesem Volk und deinem, aber letztendlich bleibt es eine fremde Welt und man kann nie vorsichtig genug sein. Das alles weißt du, aber der Krieg ist noch immer Teil deiner Erinnerungen und dahinter lauert die Besatzung, eine Narbe, die nie ganz verheilt ist. Du weißt, die cardassianische Gesetzgebung und Rechtsprechung wird als die transparenteste, gerechteste und effizienteste im ganzen Quadranten betrachtet. Und du verstehst, der Polizeidienst heutzutage ist der Inbegriff von Ehrlichkeit und Fairness. Bildung, Gesundheitswesen, Sozialfürsorge – alles blüht und gedeiht unter der Philosophie, die die Fürsorge über die damit verbundenen Kosten stellt. Und das Allerwichtigste: Heutzutage leidet niemand in der Cardassianischen Union Hunger, und auch wenn es für die abgelegeneren Gegenden auf Prime oder den Randwelten immer noch robusterer Leute bedarf, die mit Entbehrungen besser zurechtkommen, wird niemand den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Du versuchst, deine Zweifel abzuschütteln. Das ist eine neue Welt. Und trotzdem bewahrt Cardassia Prime einen düsteren Zauber, das anhaltende Gefühl, dass sich in den Schatten nach wie vor etwas Grausames verbergen könnte. Vielleicht fragst du dich, ob du hier sicher bist. Vielleicht ist es gut, dass du dir diese Frage stellst.

Katherine Pulaski war nicht immun gegen diese Art von Zauber, aber wie die meisten Dinge musste er sich verdammt viel Mühe geben, um sie in seinen Bann zu ziehen. Ganz als würde es einen würdigen Gegner spüren, gab Cardassia Prime alles, was es zu bieten hatte. Der frühlingshafte Sonnenaufgang jenseits der Wände und Decken aus transparentem Aluminium des Raumhafens war die reinste Farbensymphonie. Eine Basslinie aus rosigem Pink wärmte den Himmel. Sanfte Akkorde aus Gelb durchwoben ihn und begegneten dabei klar abgegrenzten, plötzlichen Leitmotiven in Lila. Das Ganze öffnete sich zu einem makellosen, finalen Reigen: dem unendlichen, ungebrochenen Blau des Frühlings über der cardassianischen Hauptstadt. Willkommen, Katherine Pulaski!, schien ihr Cardassia Prime zuzurufen. Tada! Diese Welt ist einzigartig. Genießen Sie Ihren Aufenthalt hier. Wir versprechen Ihnen die Reise Ihres Lebens.

Pulaski gähnte, streckte und kratzte sich. »Sieh mal«, sagte sie zu ihrem Reisegefährten und wies nach vorne. »Kaffee. Verdammt, Peter, wir sind also doch noch in der Zivilisation.«

Ihr Begleiter, ein schlanker Mann Mitte dreißig mit schwarzem Haar und von der Reise genauso erschöpft wie sie, sah über den Rand seiner dunklen Sonnenbrille hinweg und murmelte: »Gott sei’s gelobt.« Er hieß Doktor Peter Alden, und er und Pulaski waren Kollegen und manchmal, bei Besprechungen, Erzfeinde. Mit ihren Reisetaschen durchquerten sie die Empfangshalle zu dem kleinen Café, das Pulaski entdeckt hatte. Sie wartete, bis sich Alden mit ihrem Gepäck an einen Tisch gesetzt hatte. Dann bestellte sie bei einem jungen Cardassianer, der begeistert war, zwei Menschen als Gäste zu haben, und freudig von dem menschlichen Lehrer, der in seiner Kindheit an seiner Schule unterrichtet hatte, erzählte. Pulaski nickte lächelnd und schaffte es, freundlich zu bleiben – etwas, das ihr nicht besonders schwerfiel. Als sie ihre Bestellung bekamen, tranken sie und Alden schweigend, bis er fertig war, sich zurücklehnte und die Sonnenbrille abnahm.

»Natürlich«, sagte er, »ist es uns zu verdanken, dass es hier Kaffee gibt.«

»Was? Ich bin ja bereit, für vieles die Lorbeeren einzuheimsen, aber ich wüsste nicht, wie ich das jetzt rechtfertigen könnte.«

»Die Sternenflotte – die Föderation –, wir haben Jahre hier verbracht. Der Wiederaufbau. Dass wir uns unter die Einheimischen gemischt haben – wie der junge Mann, der uns gerade unsere Getränke gebracht hat. Ich wette, wir werden problemlos menschliche Speisen und Getränke finden.« Er wirkte nachdenklich. »Ich könnte ein Curry verschlingen.«

Pulaski lächelte. »Wenn du mir eine Analyse anbietest und Hunger hast, gehe ich mal davon aus, dass du dich langsam von den Reisestrapazen erholt hast.«

Alden streckte sich und richtete seinen Blick auf die durchsichtige Decke. »Nun, es ist ein schöner Morgen.«

»Geradezu herrlich. Wer hätte das auf Cardassia Prime erwartet?«

Alden schnaubte. »Vermutlich hat es seinen Charme.«

Pulaski musterte ihren Begleiter, als er sich vorlehnte und mit den glasierten Brötchen, die sie zusammen mit dem Kaffee gekauft hatte, kurzen Prozess machte. Pulaski war aktuell auf einem wissenschaftlichen Forschungsschiff stationiert, der Athene Donald. Natürlich gab es in der Föderation viele Wissenschaftsschiffe, aber die Athene Donald war etwas Besonderes. Ihre Besatzung war die vielfältigste, die es gab, und bestand nicht nur aus Spezies der Föderation, sondern auch aus Vertretern verbündeter und nicht ganz so verbündeter Welten. Ferengi, Cardassianer, sogar Tzenkethi bewegten sich ungezwungen unter den Menschen, Trill und Vulkaniern. Der Gedanke dahinter war, dass eine uneingeschränkte Gemeinschaft aus Wissenschaftlern zusammenarbeiten konnte, ohne sich von diplomatischen Notwendigkeiten und Zwängen behindern zu lassen. Es war eine wahrhaftig utopische Vision. Und selbstverständlich hatte es diverse Komplikationen gegeben. Aber Pulaskis Meinung nach war eine der nervenaufreibendsten gleich zu Beginn der Mission des Schiffs in der Gestalt von Peter Alden vom Geheimdienst der Sternenflotte an Bord gekommen.

Pulaski wollte keine Spione an Bord ihres Schiffs haben. Sie mochte ihre Spielchen nicht und ihrer Ansicht nach machte das ihre ganze Mission zu einer Farce. Alden kam dennoch. Allerdings war er gegen Ende ihrer ersten Reise »geheilt«, wie Pulaski es nannte. Er reichte seinen Abschied beim Geheimdienst ein, heuerte auf der Athene Donald an und machte mit der Hilfe von Beratern der Ferengi und Tzenkethi in Rekordzeit seinen Doktor in Xenosoziolinguistik. Seitdem genossen Pulaski und Alden, wann immer sie konnten, ihre kleinen Geplänkel. Als man sie nach Cardassia Prime eingeladen hatte, hatte sie ihn eingeladen, sie zu begleiten. Zur allgemeinen Belustigung ihrer Kollegen hatte Alden augenblicklich eingewilligt. Keiner von beiden wusste, dass es auf dem Schiff einen Wettpool gab, wie bald sie ihn zum vierten Mr. Pulaski machen würde. Es gab noch einen weiteren Pool (von dem sie zwangsläufig auch nichts wussten), wie schnell sie sich wieder von ihm scheiden lassen würde.

Ihr stilles, stärkendes Frühstück wurde plötzlich unterbrochen, als ein etwas heruntergekommen aussehender Cardassianer zu ihrem Tisch gestürzt kam. Er war außer Atem und hielt in der Hand ein Stück Pappe, auf dem in großen Blockbuchstaben PULASKI stand.

»Doktor Pulaski!«, rief er. »Doktor Pulaski!«

»Pass auf, Kitty«, warnte Alden. »Ich glaube, da will jemand ein Autogramm.«

Der Cardassianer blieb abrupt neben ihr stehen. »Was für ein Glück!«, japste er. »Ich hatte befürchtet, ich hätte Sie verpasst.«

»Nun, Söhnchen, keine Bange«, beruhigte ihn Pulaski. »Jetzt haben Sie mich ja gefunden.«

»Was für ein Glück!«

Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Wer genau sind Sie?«

»Ich? Oh ja, ich heiße Metok Efheny. Der oberste Studienleiter der Universität schickt mich. Man hat mich damit beauftragt, Sie während Ihres Aufenthalts zu begleiten, und ich bin hergekommen, um Sie in die Stadt zu bringen. Wir haben alles …« Nervös warf er einen Blick in ihre Tassen. »Meine Güte, bestimmt finden wir etwas Besseres für Sie zu trinken als dieses widerliche Gebräu … Na ja, auf alle Fälle bin ich froh, dass ich Sie gefunden habe. Professor Therok wäre außer sich, wenn ich Sie verpasst hätte.«

»Sonst hätte er Sie einen Kopf kürzer gemacht, hm?«, fragte Pulaski.

Efheny wurde bleich. Hastig widersprach er: »Ich kann Ihnen versichern, Doktor, heutzutage wird auf Cardassia nicht …«

Alden verbarg sein Lachen. Geduldig erklärte Pulaski: »Das ist nur eine Redewendung. Ich rechne nicht mit der Todesstrafe – zumindest nicht so kurz nach unserer Ankunft.«

»Wirklich, wir machen so was nicht, nicht mehr …«

»Söhnchen«, bat Pulaski, »beruhigen Sie sich. Das ist ein toller Empfang, der Kaffee ist klasse und Sie machen das ganz großartig.«

Das half, Efheny wirkte entspannter und sehr dankbar. Pulaski stand auf und Alden folgte ihrem Beispiel. Es entstand etwas Unruhe, als Efheny ihr Gepäck einsammelte und seine Gäste dann in den strahlenden Morgen hinausführte. Alden setzte seine Sonnenbrille wieder auf, Pulaski hingegen genoss die warme Sonne auf ihrer Haut. Sie hatte die letzten Monate zu viel Zeit an Bord von Schiffen verbracht.

»Was für ein großartiger Morgen!«, erklärte sie und Efheny lächelte zufrieden. Netter Junge.

Mit noch etwas mehr Aufruhr brachte Efheny sie zu ihrem Skimmer, verstaute das Gepäck und verfrachtete sie auf die Rückbank. Zufrieden stellte Pulaski fest, dass es sich um einen sehr hübschen Skimmer handelte. Ausreichend Platz für sie drei, wobei Alden und sie Efheny gegenübersaßen und eine Barriere sie vom Fahrer trennte. Eine wichtige Persönlichkeit zu sein, war sehr angenehm, fand Pulaski. Alden stieß sie an und sie bemerkte, wie Efheny sie beunruhigt ansah. »Sag was Nettes«, murmelte Alden.

»Herrlicher Skimmer«, lobte sie. »Ich fühle mich wie eine Berühmtheit.«

Efheny wurde vor Freude ganz bleich. »Sie sind in der Tat ein hochgeschätzter Gast. Was Sie geleistet haben, um die genetische Krise der Andorianer …«

Das war Pulaski peinlich. »Nun, das war eine Gemeinschaftsarbeit«, stellte sie brüsk klar. Um ganz ehrlich zu sein, wusste sie nicht, warum ausgerechnet sie auf Cardassia Prime war. Aber die Unionsuniversität wollte jemandem eine Medaille anstecken, und da Julian Bashir … Katherine Pulaski war immer bereit, sich für das Team zu opfern. Eine Grundsatzrede über biomedizinische Ethik, eine Medaillenverleihung, ein paar Empfänge und Abendessen – es gab Schlimmeres. Allerdings wusste sie, eigentlich gebührte diese Ehrung Julian Bashir.

»Die Medaille für herausragende Leistungen ist die höchste Ehrung, die einem die Universität verleihen kann«, erklärte Efheny. »Ich hoffe, wir können Ihnen und Ihrer Arbeit gerecht werden.«

»Ich weiß, das werden Sie«, versicherte ihm Pulaski. Sie blätterte durch den Reiseplan, den Efheny an ihr Padd geschickt hatte. »Ich hatte gehofft, ich könnte Julian Bashir besuchen. Sehen, wie es ihm geht.«

Sie hob den Blick. Efheny öffnete und schloss wie ein Fisch auf dem Trockenen den Mund. »Ich fürchte, dass ich … ich bin mir nicht sicher, ob ich …«

Pulaski bemerkte Aldens Hand auf ihrem Arm. »Ich vermute«, sagte er, »dass wir auch darüber mit dem obersten Studienleiter reden können. Oder vielleicht mit dem Kastellan selbst, sobald wir ihn sehen.«

Efheny schenkte Alden einen dankbaren Blick, während dieser Pulaski erneut am Ellbogen anstieß.

»Natürlich«, lenkte sie ein. »Na schön, Söhnchen. Dann sehen wir uns mal an, was Sie für mich vorbereitet haben.«

Professor Natima Lang hob den Blick von ihrem Padd und brachte ihren Vortrag zu Ende. »Und daran erkennen wir, dass die Rätselgeschichte eine komplexere, verstörendere Gattung darstellt, als wir vielleicht vermuten würden, und eine, die auf alle Fälle an der Schwelle entscheidender Veränderungen steht. Eine Gattung, die sich wie keine andere mit einem bestimmten cardassianischen Charakterzug befasst – Schuld.«

Ihr Publikum lachte wissend. Lang lächelte ihnen entgegen. Dies war der letzte in ihrer Reihe von Vorträgen über zeitgenössische Literatur und, wie jedes Mal, war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Langs Vorträge weckten nicht nur das Interesse ihrer Studenten. Sie sah Kollegen, die auf ihren eigenen Gebieten hohes Ansehen genossen und jede Woche gekommen waren, um zu hören, was Lang über die Bücher, die sie las, zu sagen hatte. Sie freute sich über den Gedanken, dass ihre Zivilisation an einem Punkt angekommen war, an dem Überlegungen über Literatur solches Interesse und lebhafte Reaktionen hervorrufen konnten anstatt Misstrauen und offen zur Schau gestellten Hass. Sie platzte fast vor Stolz über die Verwandlung, die ihr Volk durchlaufen hatte.

»In der Rätselgeschichte, wie wir sie gekannt haben«, fuhr sie fort, »haben wir den Beweis dafür, dass Literatur – dass Kunst – trotz der Versuche, sie auszumerzen, Kritik an der Welt übt, in der sie geschaffen wurde. In den Rätselgeschichten haben die Autoren versucht – durch das Medium des Rätsels –, das anzusprechen, worüber wir öffentlich nicht reden konnten: die Natur unserer Schuld, ihre Rolle in unserer Vergangenheit und ihre Auswirkung auf unsere Zukunft.«

Sie machte eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken. Fast geschafft. Aber sie wollte, dass man ihr bis zum Schluss zuhörte – wirklich zuhörte. Darum wartete sie noch etwas länger und räusperte sich leise. Als sie sich sicher war, die volle Aufmerksamkeit zu genießen, sprach sie weiter. »Literatur wie diese erschafft innerhalb ihrer Grenzen einen Mikrokosmos der Gesellschaft. In den Landhäusern der Zweiten Republik, den Herrenhäusern in Coranum oder«, verschmitzt deutete sie auf ihre Umgebung, »den Vorlesungssälen und Versammlungsräumen der Universität erkennen wir unsere Welt wieder. Die Verbrechen und die Vergehen der größeren Welt, die Verbrecher und Straftäter werden zusammengefasst und unserer Betrachtung überlassen.«

Sie lächelten. Sie stimmten ihr zu.

»Aber Cardassia hat sich verändert, fast bis zur Unkenntlichkeit verändert. Zugegeben, ein paar von uns alten Schurken sind noch da.« Lachend tippte sie sich auf die Brust. »Aber meine Frage lautet jetzt: Wie könnte eine Rätselgeschichte in diesem neuen Zeitalter aussehen? Wir haben nun gesehen, früher lautete die Frage nicht, welche der Figuren der Schuldige ist, sondern was hat sich jeder Einzelne zuschulden kommen lassen? Ist es möglich, dass Rätselgeschichten in Zukunft eine Figur enthalten, die – es fällt mir schwer, mir das überhaupt vorzustellen – unschuldig ist?«

Mehr Lachen. Gut.

»Die cardassianische Lebensart hat sehr lange beinhaltet, dass wir uns alle auf die eine oder andere Art schuldig gefühlt haben. Wie wir einander behandelt haben, was wir auf Bajor getan haben, unsere Niederträchtigkeit während des Dominion-Kriegs. Aber wird das in Zukunft verblassen? Und nachdem wir uns erfolgreich und ehrlich mit unserer Vergangenheit befasst haben – wohin könnte uns das führen? Wohin könnte das unsere Kultur, unsere Geschichten, uns selbst – und unsere Union – führen? Was ist der nächste Schritt für die Rätselgeschichte – für die Union?«

Sie schlug die letzte Seite auf und legte die Hände auf ihr Padd. »Im Moment habe ich keine Antwort auf diese Fragen. Ich kann sie nur an Sie weitergeben.« Lang ließ den Blick über ihr Publikum schweifen – dass die meisten von ihnen noch so jung waren und eine konstruktive Zukunft vor sich hatten, ließ sie lächeln. »Ich denke, es wird Ihre Aufgabe sein, diese Fragen zu beantworten. Bis es so weit ist – danke für Ihre Aufmerksamkeit.«

Sie erntete stürmischen Applaus. Lang war das fast peinlich. Ihrer Meinung nach war ihr Vortrag eine gute Leistung, aber keinesfalls ihre beste. Die hatte sie vor Jahren abgeliefert, im Schatten der alten Union, als sie sich jeden Tag vor dem Klopfen an der Tür, der Verhaftung, Folter, Zwangsarbeit und vielleicht sogar der Hinrichtung gefürchtet hatte. Auf keinen Fall wünschte sie sich diese Tage zurück. Aber sie wusste, ihre beste Arbeit hatte sie damals geschrieben. Die Verzweiflung über die Notlage der Union und das Wissen, dass die Selbstzerstörung unausweichlich war, hatten sie dazu angetrieben zu schreiben, als würde das Leben aller davon abhängen. Viele hatten diese Schriften, diese Worte gelesen und sie hatten viele bewegt. Es hieß, sogar der Kastellan habe ihre Arbeiten im Regal stehen – andererseits hieß es aber auch, dass er sehr belesen sei.

Lang hob die Hand, um den Applaus zum Verstummen zu bringen, und sah zum Chronometer an der Wand. Fast Mittag. Sie hatte diese jungen Leute lange genug festgehalten. Sie mussten müde und hungrig sein. Sie war es auf jeden Fall. Aber ein paar Hände warteten bereits darauf, sich zu heben. »Nur ein paar Fragen.«

Acht oder neun Hände schossen in die Höhe und sie nahm sie nacheinander dran, womit sie ihre Zeit ein wenig überzog. Niemand ging. Der Tiefgang der Fragen und die aufrichtige Auseinandersetzung mit ihren Worten und Ideen beeindruckten Lang. Sie dachte an ihre eigene Zeit an der Unionsuni zurück und wie schwer es ihr gefallen war, innerhalb der gestatteten Ansichten ihre eigene Stimme zu finden. Sie war stolz, Teil dieses neuen Erblühens von Ideen und Freiheit zu sein. Diese neue Generation, dachte sie. Wir sind ihrer wahrlich nicht würdig.

Aber irgendwann waren sie fertig und Lang beendete den Vortrag unter weiterem stürmischen Applaus. Ein paar der zurückhaltenderen Studenten blieben, um ihre Fragen zu stellen, die Lang zur Gänze und freundlich beantwortete, während sie sie behutsam zur Tür führte. Bald darauf war auch das geschafft und sie rannte die Stufen des Studiengebäudes hinunter und auf den Hauptplatz des Campus. Es war ein schöner Frühlingstag, den man draußen verbringen sollte, bevor die sommerlichen Staubstürme die Berge heruntergerollt kamen. Die Mittagssonne stand hoch am Himmel und überall saßen Studenten und genossen ihr Mittagessen und die Gesellschaft. Auf einer Seite des Platzes zeigte ein großer Bildschirm aktuelle Nachrichten. Mehr als alles andere – mehr als den Wetterbericht, sogar noch mehr als Hunderennen – liebten Cardassianer Nachrichten. Das Novum einer freien Presse hatte seinen Reiz noch nicht verloren.

Selbstverständlich war der Campus heute ganz anders als damals, als Lang hier studiert hatte. Zum einen hatte man seine Lage innerhalb der Stadt ein wenig verändert. Während der letzten Tage des Dominion-Kriegs hatten die Studenten eine mutige, wenn auch tollkühne Verteidigung ihrer Universität gegen die vorrückenden Jem’Hadar auf die Beine gestellt. Die Jem’Hadar hatten Befehl für einen besonders blutrünstigen Gegenschlag bekommen. Das Ergebnis war ein schreckliches Massaker gewesen, das durch die Tatsache, dass so viele der Toten noch so jung gewesen waren, umso schlimmer wurde. Zudem hatte man den Großteil der Universitätsgebäude eingerissen und der Einsatz von Chemikalien hatte große Teile des einstigen Campus unbrauchbar zurückgelassen. Lang war Teil des zuständigen Gremiums und wusste darum, dass die Entgiftung unerwartet gut voranschritt und das Land innerhalb der nächsten Jahre der Universität wieder zur Verfügung stehen würde. Das Gebiet wäre praktisch für eine Ausdehnung des Geländes und würde schon bald benötigt werden. Die Geburtenrate auf Cardassia war während der letzten Jahre anhaltend gestiegen, ein weiterer Beweis dafür, dass die Leute wieder optimistisch in die Zukunft blickten. Die Zukunft der Unionsuni schien strahlend. Es war eine Zukunft, von der Lang hoffte, sie würde an ihrer Gestaltung teilhaben.

Sie nahm den üblichen Weg zum Skimmerparkplatz, der sie an einer hohen Hecke entlangführte. Dieser folgte sie bis zu einem Tor, durch das man in einen kleinen, abgeschiedenen Garten kam. Als sie durch das Tor getreten war, schloss sie es leise hinter sich. Der Garten selbst war voller Frühlingsblumen: Isca mit ihren winzigen, sternförmigen Blüten, Gruppen blassblauer Caroci und ein paar übrig gebliebene Nhemeni, deren strahlend gelbe Blüten das erste Anzeichen für das nahende Ende des Winters waren. In der Mitte des Gartens befand sich ein Teich, dessen stille Oberfläche mit Meya-Lilien bedeckt war. In der Mitte des Teichs stand auf einem Stein ein Mahnmal in Gedenken an die von den Jem’Hadar ermordeten Studenten.

Lang blieb stehen, um es sich anzusehen. Es handelte sich um ein ungewöhnliches Stück, zwei solide Blöcke aus schwarzem Stein, höher als sie selbst, und jeder war mit Symbolen verziert, die Wissen repräsentierten: Gleichungen, Formeln, Teile alter Schriftstücke, hebitianische Zeichen, bekannte Zitate. Auf den Steinen ruhte ein Stück graues Metall in der Form des Unendlichkeitssymbols und verband sie miteinander. Und darum herum waren die Worte der regimekritischen Studentin und Poetin Lim P’Mar eingelassen, die auf Cardassia IV in einem Arbeitslager ums Leben gekommen war:

Sie werden nicht alt, aber die Erinnerung
an ihr Opfer wird nie vergehen
An ihr niemals endendes Opfer
.

Lang hatte P’Mar gekannt. Sie hatte sie unterrichtet. Fast hätte sie sie gerettet, aber sie war zu spät gekommen. Täglich musste sie an sie denken und sie hatte sich dafür eingesetzt, dass ihre Worte nun Teil dieses Mahnmals waren. Viele Jahre lang hatte Cardassia seine Jüngsten und Brillantesten geopfert. So etwas, hoffte sie, würde es nie wieder tun. Lang legte sich eine Hand auf die Brust und neigte den Kopf. Sie war nicht religiös – wie der Großteil der Cardassianer –, aber sie stand inmitten ihrer eigenen Vergangenheit und der stille Grabgarten bewegte sie wie kaum ein anderer Ort. An den meisten Tagen verbrachte sie ein paar Momente hier, dachte an die Vergangenheit und hoffte auf die Zukunft.

Ein kleiner Londub, ein schwarzer Vogel mit strahlenden Augen, hüpfte an ihr vorbei und sah dabei zu ihr auf. Sie schenkte ihm ein Lächeln, bevor sie den Garten verließ und dem Weg folgte, der daran entlang zum Skimmerparkplatz führte. Während sie so ging, hörte sie hinter sich Schritte. Als sie über die Schulter zurückblickte, entdeckte sie eine Gestalt, die auf sie zueilte. »Professor Lang!«

Lang seufzte. Sie wollte wirklich etwas zu Mittag essen. Aber sie nahm sich grundsätzlich die Zeit, um mit einem Studenten zu reden. Das war ihre Aufgabe. Sie blieb stehen und wartete, bis der junge Mann sie eingeholt hatte.

»Danke!«, keuchte er. »Ich dachte schon, ich hätte Sie verpasst.«

Sie wartete geduldig, während er wieder zu Atem kam, und im nächsten Moment hielt er ihr einen Holorekorder ins Gesicht.

»Studentennachrichten«, erklärte er. »Wir haben heute Morgen gehört, dass der oberste Studienleiter Enek Therok zum Ende dieses Semesters zurücktreten will. Ist etwas an dem Gerücht dran, dass Sie vorhaben, sich um die Stelle zu bewerben?«

Lang betrachtete das Aufnahmegerät. »Das ist ein ziemlich teures Gerät für die Studentennachrichten.«

Er sah sie verschlagen an. »Nun, ich werde auch für sie einen Artikel schreiben. Vermutlich.«

Sie lächelte, nickte und drehte sich um, um zu gehen. Dieser junge Mann machte ein Praktikum bei einem der herkömmlichen Nachrichtenkanäle. Vermutlich hoffte er auf eine Festanstellung nach seinem Abschluss. Aber das musste er schaffen, ohne sie zu einer Exklusivgeschichte zu machen. »Kein Kommentar.«

»Aber Professor Lang!«

»Junger Mann, ich bewundere Ihren Einsatz, Ihre Hingabe für die Presse und Ihren Wunsch, einen beeindruckenden Lebenslauf zusammenzustellen. Aber glauben Sie wirklich, dass sich irgendwer außerhalb dieses Campus für die Verwaltung interessiert?«

»Bei allem Respekt, Professor Lang«, sagte der junge Mann und sein ernster Tonfall ließ sie stehen bleiben, »glauben Sie das nicht?«

Sie drehte sich wieder zu ihm um. »Wie meinen Sie das?«

Er deutete über seine Schulter. »Das Mahnmal. Die Leute besuchen es nicht oft, aber sie denken die ganze Zeit daran. Leute, die diesen Campus nie besuchen – das ist das Einzige, was sie über die Unionsuni wissen. Das Massaker. Und es bricht ihnen das Herz. Einhundertneunundvierzig junge Cardassianer, am Anfang ihres Erwachsenenlebens, ermordet durch die Jem’Hadar. Die Bevölkerung liebt die Unionsuni, Professor Lang. Sie lieben es, die Studenten auf den Straßen dieser Stadt zu sehen. Sie lieben unsere Freiheit und unseren Enthusiasmus – sie lieben sogar unsere Dummheiten! Wir sind der Beweis, dass sich die Dinge wirklich zum Besseren gewendet haben. Oh ja«, erklärte er lächelnd, »die Leute werden wissen wollen, wer das Sagen haben wird.«

Lang sah zur Hecke zurück, die das Mahnmal umgab. Die Bögen des Unendlichkeitssymbols überragten sie gerade so. Sie spürte das Kribbeln von Tränen in den Augen. Sie war froh, dass sie für diesen jungen Mann stehen geblieben war. Ihr ganzes Leben hatte sie diese Universität geliebt, aber genauso hatte sie befürchtet, dass es aus reiner Selbstgefälligkeit war. Jetzt wusste sie, mehr Leute, als sie je erwartet hätte, empfanden genauso.

Ein Grund mehr, diesem jungen Mann nicht ihr Kotra-Blatt zu zeigen. »Danke. Das freut mich zu hören. Wirklich. Aber trotzdem, kein Kommentar.«

Sie ging weiter. Er hielt Schritt. »Wie wäre es, wenn ich daraus eine Exklusivgeschichte für die Studentennachrichten mache?«

Das war fast verlockend. Aber nicht verlockend genug. Sie ging weiter zu ihrem Skimmer. »Danke für Ihr Interesse. Viel Glück mit der Geschichte.«

Er folgte ihr nicht, rief ihr aber ein letztes Mal hinterher: »Wissen Sie, Professor Lang, Sie sind eine Figur des öffentlichen Lebens. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, die Leute interessieren sich für Sie!«

Ein schrecklicher Gedanke, aber Lang ließ sich davon nicht das Mittagessen oder ihren Mittagsschlaf verderben und genauso wenig die Zeit am frühen Abend, die sie sich zum Schreiben nahm.

Doktor Elima Antok hatte den Tag in der herrlichen Einsamkeit der Universitätsarchive verbracht. Man hatte den Eindruck, sich in einem Heiligtum aufzuhalten: Die Zerstörung der Hauptstadt während der allerletzten Tage des Dominion-Kriegs hatte dazu geführt, dass die alten, höhlenartigen Bibliotheken und Archive zerstört worden waren, und die neuen, kleinen Archive, die sich gerade im Bau befanden – auch wenn sie schön ausgelegt waren und makellos geführt wurden –, fühlten sich manchmal leer und bedauerlich an. Aufzeichnungen von vor dem Krieg waren selten, und was überlebt hatte, war wertvoll. Dennoch schaffte es Antok mühelos, bei ihrer Arbeit die Zeit zu vergessen, und das bruchstückhafte Material, mit dem sie arbeitete, zog sie nur tiefer in seinen Bann. Sie behandelte es wie ein Rätsel, ein großes Mysterium, setzte die Überreste zusammen und versuchte, aus den aus den Ruinen geretteten Fragmenten eine Geschichte zu weben.

Antok sah auf die Uhr. Es wurde langsam später Nachmittag und heute Abend freute sie sich besonders darauf, nach Hause zu kommen. Sie machte sich ein paar grobe Notizen, worum sie sich bei ihrem nächsten Aufenthalt kümmern musste, bevor sie ihre Dateien speicherte und schloss. Sie stand auf, streckte sich, dachte an die bevorstehenden Feierlichkeiten an diesem Abend und lächelte beim Gedanken an die Begeisterung ihrer Jungs. Dann bemerkte sie verdrossen, dass sie ihre Tasche im Büro liegen gelassen hatte. Darin befand sich der Großteil dessen, was sie für den Abend benötigten (nun, abgesehen von dem Essen, das man vor ein paar Tagen besorgt hatte und das gerade zu Hause vorbereitet wurde, um das Fasten der Familie an diesem Tag zu beenden), aber darin waren die Kerzen, die Lichter, die letzten Dekorationsstücke. Sie eilte aus dem Archivgebäude und am nördlichen Rand des Campus entlang zu ihrem Fakultätsgebäude.

Elima Antok war Geschichtsgelehrte, Expertin für die Besatzungszeit Bajors und spezialisiert auf die Auswirkungen, die die Besatzung auf das Leben in der Cardassianischen Union mit sich gebracht hatte. Ihre Doktorarbeit hatte sich mit den Leben der geringen, aber trotzdem bedeutenden Zahl bajoranischer Trostfrauen und ihrer Kinder befasst, die man nach Prime gebracht hatte. Und das Buch, das aus diesen Nachforschungen hervorgegangen war, hatte auf ihrem Fachgebiet einen bedeutenden Preis gewonnen. Alles in allem ein sehr vielversprechender Beginn ihrer akademischen Laufbahn, und der Erfolg hatte ihr eine Stelle an der Unionsuni eingebracht. Sie hatte Glück, dass ihr Thema nicht nur Aufmerksamkeit geweckt hatte, sondern auch als wichtig für das Nachkriegscardassia betrachtet wurde, da eine Untersuchung der Vergangenheit als genauso bedeutend wie der Wiederaufbau der Gebäude angesehen wurde. Niemand wollte das Buch der erst kürzlich zurückliegenden Geschichte jetzt schon schließen. Es gab ein eindeutiges Gefühl, dass es noch viel aufzudecken galt. Darum befand sich Antok, die gute Arbeit leistete, in der beneidenswerten Position, eine Arbeit zu machen, für die sich die Öffentlichkeit interessierte und, noch wichtiger, die finanziell unterstützt wurde. Für einen kürzlich zurückliegenden Bericht der Versammlung, der sich mit Kriegsverbrechen während der bajoranischen Besatzung befasste, hatte sie die Beweise geliefert. Sie hatte einen beachtlichen Zuschuss für die Durchsuchung der Archive erhalten, um die Rolle der Institution während der Besatzung festzustellen. Zudem hatte auch eine der drei großen Nachrichtenagenturen herumgeschnüffelt. Es gab Gerüchte über eine Dokumentarserie. Antok hatte einen angenehmen, informativen und nicht konfrontativen Vortragsstil, der aber trotz allem Autorität ausstrahlte. Alles in allem gefiel ihr das Leben auf dem neuen Cardassia.

Sie eilte in ihr Büro, hoffte, niemandem zu begegnen, der sie in ein Gespräch verwickeln könnte, und schnappte sich vom Stuhl an ihrem Schreibtisch ihre Tasche. Gerade als sie sich zum Gehen wandte, meldete sich das Kommunikationssystem auf ihrem Schreibtisch. Antok ächzte. War das nicht immer so? Gerade wenn man zur Tür hinauswollte, kam noch eine Nachricht herein und verlangte nach Aufmerksamkeit. Sie dachte darüber nach, so zu tun, als wäre sie nicht da, aber obwohl das Piepsen so leise war, war es beharrlich. Mit einem Seufzen stellte sie die Tasche ab und ging zum Gerät, während sie sich fest vornahm, welche Nachrichten sie während ihrer Abwesenheit auch sonst noch verpasst haben mochte, sie würde sich nicht davon vereinnahmen lassen.

Wie sich herausstellte, stammte die Nachricht vom obersten Studienleiter Enek Therok. Sie enthielt die Vermerke DRINGEND und ZUR KENNTNISNAHME DER BELEGSCHAFT, also las Antok sie pflichtbewusst. Sie war voller Rührseligkeiten und Prahlerei, was für Therok etwas ganz Normales war, aber die Kernaussage war, dass er in den Ruhestand ging. Antok markierte die Nachricht als gelesen, schaltete ihre Kommunikationsanlage ab und lächelte. Für Therok war das ohne Zweifel eine wichtige Neuigkeit, aber Antok hätte es gereicht, das erst am nächsten Morgen zu erfahren. Sie schnappte sich ihre Tasche und eilte hinaus. Sie dachte bereits darüber nach, wie sie diese Entwicklung für sich nutzen könnte. Bestimmt wollten jetzt viele mit den Experten der Unionsuni sprechen, um Theroks Laufbahn einen Kontext zu geben. Er war ewig hier gewesen.

Sie erreichte ihren Skimmer und verließ das Campusgelände. Mit etwas Glück konnte sie die Ringstraße hinter sich gelassen haben, bevor der Feierabendverkehr wirklich dicht wurde. Beim Fahren ließ sie sich, wie alle Cardassianer, vom Gemurmel eines Nachrichtensenders berieseln. Es war wie eine bevölkerungsweite Sucht. Ausgerechnet über Therok gab es einen kurzen Bericht und Spekulationen darüber, wer seine Nachfolge antreten könnte. Glücklicherweise schien Natima Lang die besten Aussichten zu haben und Antok nickte zustimmend. Wenn jemandem diese Ehre gebührte, dann Lang, die sich schon Jahre vor dem Dominion-Krieg für die Verteidigung der Freiheit eingesetzt hatte. Der Bericht ging weiter und befasste sich mit der Ankunft von ein paar wichtigen Besuchern der Föderation. Antoks Aufmerksamkeit schweifte ab. Heute Abend würden sie und ihre Familie Ha’mara feiern.

Ha’mara: das bajoranische Lichterfest, mit dem die Ankunft des Abgesandten gefeiert wurde. Ein Fest der Dankbarkeit, des Danks an die Propheten für ihre besondere Liebe für das bajoranische Volk, ihre Gaben und ihre Hilfe während einer langen, dunklen Vergangenheit. Antok hielt an, damit Fußgänger vorbeikonnten, und betrachtete wie so oft ihre Gesichter. Dabei fragte sie sich, wer sonst noch ihre Herkunft teilte, wer auf Cardassia Prime sonst noch feiern würde.

Vor der Schule fuhr sie an den Straßenrand und winkte den beiden kleinen Gestalten am Eingang zu. Sie erwiderten das Winken und eilten zu ihr. Ihre Jungs. Zu einem Achtel Bajoraner, da Antok selbst Viertelbajoranerin war. Man hatte ihre Großmutter väterlicherseits gegen Ende der Besatzung als Geliebte eines Guls nach Cardassia gebracht. Man hatte sie versteckt, aber sie war wichtig gewesen, weil sie einem Sohn das Leben geschenkt hatte – einem Sohn, der ohne jeden Zweifel cardassianisch aussah. Sie sahen alle cardassianisch aus: Antok, ihre beiden Söhne, ihr Bruder, seine drei Töchter. Niemand würde jemals etwas anderes vermuten. Die Frage heutzutage war: Würde das überhaupt jemanden interessieren?

Die Jungs kletterten auf die Rückbank. »Ich hab’s geschafft, Ma!«, sagte Evrek, acht Jahre alt und der Ältere von beiden. »Ich hab den ganzen Tag gefastet.« Verächtlich sah er seinen kleinen Bruder an, der sich sorgfältig anschnallte. »Velek hat was zu Mittag gegessen«, verriet er düster, als wäre das ein unverzeihlicher Verrat. Nachdem er sich sicher angeschnallt hatte, sah Velek gelassen nach vorne. »Ich hatte Hunger.«

Elima Antok fädelte sich wieder in den Verkehr ein. »Nun, weißt du«, erklärte sie, »Kinder müssen nicht fasten.«

»Bajoranische Kinder hatten gar keine Wahl.« Evrek sah seinen kleinen Bruder noch immer böse an. »Bajoranische Kinder hatten nicht genug zu essen.«

Velek ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. »Ich bin nur ein bisschen bajoranisch. Und ich hatte Hunger

»Ich bin stolz auf dich, Evrek«, lobte sie. »Und auf dich auch, Velek, dass du weißt, wann du etwas essen solltest.« Sie sah, wie Evrek wegen dieser elterlichen Neutralität die Augen verdrehte, und erschauderte leicht bei diesem kurzen Vorboten der Pubertät. »Wenn wir zu Hause sind, gibt es Abendessen für alle«, kündigte sie an, und als hinter ihr Jubel ausbrach, ergänzte sie: »Und Kuchen.«

Sie lenkte den Skimmer auf die Ringstraße. Sobald sie und die Jungs zu Hause waren, würden sie und ihr Lebensgefährte Mikor die Jalousien schließen, die Raumtemperatur senken und das Licht löschen, um das ganze Haus gemütlich zu machen. Dann würden sie Kerzen anzünden, Dankgebete sprechen und ihr ungewöhnliches, selbst gekochtes Essen verzehren, bis sie satt, zufrieden und von Liebe erfüllt waren. Mikor war reinrassiger Cardassianer, aber er mochte die Feier. Tatsächlich war er froh, dass er daran teilhaben durfte.

Elima Antok sah nach hinten und ihr ging das Herz auf. Diese beiden Wesen, dachte sie, wie unwahrscheinlich, wie unmöglich sie doch waren. Wie erstaunlich, dass ihre Großmutter überlebt hatte. Wie erstaunlich, dass ihr Sohn – Antoks Vater – eine Tochter gezeugt hatte, bevor er im Krieg umgekommen war. Und wie dankbar sie war, dass sie, Elima Antok, in den letzten Tagen des Dominion-Kriegs verschont geblieben war, um diese beiden Jungs zu zeugen und ein Cardassia miterleben zu können, auf dem sie ihre bajoranischen Wurzeln erkunden konnten, ohne Repressalien fürchten zu müssen. Sie war der Meinung, sie hatte viel, wofür sie dankbar sein musste. Und während sie weiterfuhr, dankte sie den Propheten für ihre Gaben.

Der Tag war fast vorüber und Elim Garak hatte noch nicht einmal mit der Arbeit begonnen. Trotzdem war sein Tag geschäftig gewesen. In einer abgelegenen nördlichen Provinz hatte es eine Festlichkeit zur Eröffnung der ersten technischen Hochschule gegeben, die es jemals in dieser Region gegeben hatte. Er war rechtzeitig in die Hauptstadt zurückgebeamt, um ein angenehmes Arbeitsmittagessen mit dem Vorsitzenden der größten Partei der Versammlung zu genießen. Dann war da noch ein privates Treffen mit einer Abordnung Vedeks gewesen, die in der Stadt einen bajoranischen Tempel eröffnen wollten. Und am späten Nachmittag hatte es noch eine zufriedenstellende Beilegung eines kleinen Handelsdisputs mit den Ferengi gegeben, der schon seit einigen Monaten vor sich hin geschwelt hatte (jeder hatte sein Gesicht wahren können und dabei nicht draufgezahlt). Trotzdem hatte er seine Hauptaufgabe des Tages nicht in Angriff genommen. Der Bericht – den er sorgfältig verschlüsselt auf seinem gesicherten Padd empfangen hatte – war noch ungeöffnet. Er fürchtete, was er darin lesen würde, und der Gedanke an den Inhalt hatte wie ein Schatten über allen Erfolgen des Tages gelegen.

Nach drei Jahren versah Garak sein Amt als Kastellan mühelos und mit beachtlichem Stil. Er war die Aufgabe angegangen, als wäre er ein Reithund, den man auf den ausschweifenden Veletur-Ebenen laufen ließ, hatte die Theatralik, die Geschäftigkeit und das, wie er es nannte, »vielseitige und abwechslungsreiche Lesematerial« genossen. Als er sich dieses Projekts angenommen hatte, hatte er gedacht, dass ihm bestimmte Bereiche dieser Tätigkeit gefallen könnten – auf alle Fälle hatte er die Ansicht vertreten, es wäre seine Pflicht, dieses Amt anzunehmen –, aber nie hätte er erwartet, es so sehr zu genießen. Zudem schien den Leuten zu gefallen, was er tat. Seine Berater – eine Gruppe aus schrecklich jungen und einsatzfreudigen Personen – sagten die ganze Zeit Dinge wie: »Hervorragende Arbeit!«, »Beeindruckend!« und »Kastellan, Sie sind einzigartig!« Und sie hatten diese irritierende Angewohnheit, eine Umgangssprache zu benutzen, durch die er sich alt fühlte. Nachrichtenkommentatoren murmelten manchmal Phrasen wie: »Bevorstehendes Goldenes Zeitalter«, und er war beliebt. Und manchmal, manchmal sagte Kelas Parmak: »Das war gute Arbeit, Elim«, und Garak lächelte und war zufrieden.

An diesem Abend gefiel dem Kastellan allerdings nicht, was sein Amt von ihm verlangte, und er tat alles, um seine Arbeit vor sich herzuschieben. Er lief im Raum auf und ab – einem persönlichen Büro im zweiten Stock des offiziellen Wohnkomplexes des Kastellans mit einem Bereich, in dem man sich auch zu zwanglosen Gesprächen zusammensetzen konnte – und entdeckte eine Flasche Kanar. Er schenkte sich etwas ein und nahm ein, zwei Schlucke. Dann ließ er das Getränk stehen und ging wieder auf und ab. Er blätterte durch Bücher. Er ordnete Kissen. Schließlich blieb er stehen und sah aus dem Fenster. Der Sonnenuntergang war wunderschön und sehr melancholisch.

Garak fummelte an den Vorhängen herum. Selbstverständlich hatte er Farbe und Material selbst ausgesucht, aber er war sich nicht mehr so sicher damit. Er hatte sich nicht besonders auf den Umzug in diesen neuen Wohnkomplex gefreut. Sein Privathaus lag in Coranum, einem Distrikt auf den Hügeln, der einst der Standort der Herrenhäuser der wohlhabendsten Bürger der Union gewesen war. Nach dem Krieg hatte Garak den Ort besucht und festgestellt, dass das Haus seines Vaters nur noch eine Ruine war. Aus den Trümmern hatte er eine Zuflucht errichtet. Er hatte auch Mahnmale aufgestellt, als Erinnerung daran, wo Geschichte geschrieben worden war, und einen Garten angelegt, auf den er stolz war. Aber die Sicherheitsteams wollten nichts von dem rührseligen Unsinn wissen, dass man an seinem Zuhause hängen könnte. Garak war nun das Staatsoberhaupt – der Regierungschef einer Großmacht des Quadranten – und eine baufällige Ansammlung aus Zimmern an einem Hügel war ihrer Ansicht nach nicht sicher genug, ungeachtet dessen, wie Garak darüber dachte.

Er dachte an das Treffen mit dem leitenden Sicherheitsoffizier, als das Thema eines möglichen Attentats auf ihn aufkam.

»Niemand«, hatte Garak entschieden erklärt, »will mich tot sehen. Ganz bestimmt keiner von unseren Verbündeten. Tatsächlich bezweifle ich, dass Sie unter unseren Feinden jemanden auftreiben könnten, der meinen Tod will. Ich will mich nicht selbst beweihräuchern, wenn ich behaupte, das würde Cardassia ins Chaos stürzen. Sehen Sie doch nur, wo das das letzte Mal hingeführt hat. Nein, ich muss wohl das einzige Staatsoberhaupt im ganzen Quadranten sein, das sich keine Sorgen machen muss.«

Man musste dem Sicherheitsoffizier zugutehalten, dass er standhaft geblieben war. »Dann wäre da noch die Angelegenheit persönlicher Animositäten Ihnen gegenüber«, hatte er festgestellt. Garaks Meinung nach ziemlich unverblümt. (Die Manieren waren nicht mehr, was sie einmal gewesen waren, allerdings gab es auch nicht länger den Obsidianischen Orden, der einem ständig über die Schulter sah. Niemand war unhöflich zur Geheimpolizei.) Aber er musste zugeben, er hatte recht. Während seines Lebens war Garak vielen Personen begegnet, die ihn tot sehen wollten, und bedauerlicherweise hatten die meisten davon guten Grund dazu. Also hatte Garak pflichtbewusst seine bescheidene Habe eingepackt – hauptsächlich Bücher und Bilder – und war in seinen neuen Wohnsitz umgezogen. Eines Tages, dachte er sich, würde er das alles hinter sich lassen – würde das Amt des Kastellans aufgeben – und in seinen Garten zurückkehren, wo jeder, der noch am Leben und verzweifelt genug war, ein Attentat auf ihn zu versuchen, endlich die Gelegenheit dazu haben würde. Wenn sie so lange gewartet hatten, hatten sie sich das vermutlich verdient.

Die Sonne war fast verblasst, als Parmak hereinkam. Mit einem Blick begriff er die Situation – die abgeschaltete Kommunikationskonsole, das Glas Kanar und das grübelnde Staatsoberhaupt am Fenster. »Du hast noch nicht einmal angefangen, oder?«

Garak, der gehört hatte, wie er hereingekommen war, und genau wusste, um wen es sich handelte, entgegnete: »Zu dieser Tageszeit wäre mir eine leichtere Lektüre lieber. Hast du gewusst, dass Sayak eine neue Rätselgeschichten-Anthologie veröffentlichen wird? Man hat mir ein Vorabexemplar zukommen lassen.« Er ging zu einem Tisch in der Nähe, auf dem ein hübsches, schlankes, dunkelgrün gebundenes Buch lag, nahm es an sich und blätterte darin. »Mir gefallen die Annehmlichkeiten dieser Aufgabe …«

»Rätselgeschichten sind keine leichte Lektüre«, stellte Parmak fest und nahm Garak das Buch aus den Händen. »Schuld, mehr Schuld, Tod. Morde. Gerichtsverfahren, Hinrichtungen. Mehr Schuld …«

»Aber die Umstände!« Garaks Augen schimmerten verschlagen. »Immer so grotesk. Das macht doch erst den Reiz von Rätselgeschichten aus, findest du nicht?«

»Das sehe ich anders und ich glaube auch nicht, dass du das denkst.«

Garak öffnete den Mund, um zu widersprechen.

»Ich bin bereit zuzugeben, dass du sie gerne liest«, räumte Parmak ein. »Du bist seltsam anspruchslos.«

»Ich habe nicht deine teure Ausbildung genossen.«

»Aber ich bin nicht bereit zuzugeben, sie wären gut.«

»Popkultur«, sagte Garak bedeutungsschwer, »kann uns viel über eine Gesellschaft verraten. Das weiß ich, weil Natima Lang das gesagt hat. Erst heute, um genau zu sein.«

»Vielleicht kann sie das. Dasselbe gilt aber auch für einen wichtigen Bericht über das Handeln des Militärs auf Bajor während der Besatzung. Den du noch nicht gelesen hast.«

Garak seufzte. Sanft schob ihn Parmak zu seinem Sessel hinüber.