Carson800

Impressum

Autor: Dietmar Kuegler
Titel: Ich ziehe mit den Adlern
Kit Carson - Ein amerikanischer Held

ISBN: 978-3-945248-28-7

Erschienen im:

Semitarius Verlag - Inh. Andreas Schumann
Rudolf-Dietz-Straße 38
65232 Taunusstein
© 2017 - Alle Rechte vorbehalten

Weitere Print und eBook-Varianten finden Sie unter www.semitarius.com

Dieses Buch ist die eBook-Version des gleichnamigen Buchs aus dem Jahr 2016,
erschienen im:

©2016 by Dietmar Kuegler und Verlag für Amerikanistik, P. O. Box 1332,
D-25931 Wyk auf Foehr

Alle Bilder Sammlung und Archiv des Autors, wenn nicht anders angegeben.
Alle aktuellen Fotos vom Autor. © 2016 - Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: Alfred Jacob Miller (1810-1874), „Rendezvous“ (1858/60)

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Ein Wort zuvor

„Die Beschäftigung mit Geschichte ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.“
Dr. Marc Simmons, 2010

Vor Jahren sagte mir ein amerikanischer Freund: „In den USA kannst Du zum Helden werden, zum Schurken absinken und wieder zum Helden aufsteigen, und das sogar mehrfach in Deinem Leben.“ (R. L. Wilson, persönl. Gespräch, 2003)

Christopher Houston Carson, allgemein bekannt als „Kit“, wurde dieses Auf und Ab erst posthum zuteil. Zu Lebzeiten bereits eine Legende und unantastbarer Nationalheld, wurde er Jahrzehnte nach seinem Tod regelrecht von seinem Sockel gestürzt und verdammt. Dann wurde er erneut als leuchtendes Vorbild in den Pioniermythos Amerikas eingepasst, nur um ein weiteres Mal ins Zwielicht gerückt zu werden. Aus diesem Status versank er zeitweilig nahezu in Vergessenheit, sodass einer der prominentesten Pionierzeithistoriker, Paul Andrew Hutton, fassungslos eine Broschüre über ihn betitelte: „Why Is This Man Forgotten?“

Erst in den letzten Jahren wird sein Name wieder in die Reihe bekannter Vorkämpfer der Westbesiedelung gestellt, aber – wie bei allen anderen herausragenden Gestalten dieser Epoche – mit gebührenden Einschränkungen versehen. Jedenfalls ist das Verhältnis zu ihm nicht unbelastet und im Zuge der „political correctness“-Welle eher fragil geworden.

Es ist die für Amerika nicht untypische Kompromisslosigkeit, die zu so extremen Ausschlägen führt. Ein Mensch wird uneingeschränkt geliebt und bewundert, oder genauso uneingeschränkt gehasst und verachtet. Die Zwischentöne fehlen. Aber erst die Schattierungen machen den Menschen aus. Den Menschen und sein Leben in seiner Vielschichtigkeit, in seinem Gut und Böse, seinen oft unverständlichen, sich widersprechenden Eigenschaften, die letztlich aber seine Persönlichkeit formen und ihn – je nach Gemengelage – anziehend oder abstoßend machen.

Das Problem mit Personen wie Kit Carson ist – und das trifft auch auf vergleichbare andere Figuren der Geschichte zu –, dass sie frühzeitig in der öffentlichen Wahrnehmung zu makellosen Heroen erhoben wurden. Der kleinste Kratzer in dieser glänzenden Fassade führte zum Zerbröckeln und zum totalen Zusammenbruch dieses irrealen Bildes.

Die Erkenntnis, dass auch ein Held nur ein Mensch ist, dass auch ein Held aus Stärken und Schwächen besteht und zu falschen Handlungen fähig ist, führt zu kaum reparabler Frustration.

Hintergrund ist die menschliche Eigenart, sich Leitbilder zu schaffen, die makellos und ohne Fehl und Tadel sein sollen, weil der Mensch sich im Grunde seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst ist. Seine Vorbilder sollen frei davon sein. Sie sollen dem Ideal entsprechen, das man selbst sein möchte – von dem man aber im Grunde weiß, dass es auf dieser Welt nicht existiert.

In Amerika ist diese Überlegung besonders radikal, weil der amerikanische Nationalmythos auf der Überzeugung basiert, dass die „Neue Welt“ dem globalen Rest insgesamt weit überlegen ist. Zeigt einer der nationalen Helden Schwächen, bricht diese Vorstellung in sich zusammen.

In diesem Kontext ist Kit Carsons Aufstieg, Fall und erneuter Aufstieg exemplarisch.

Die Erkenntnis, dass der Fackelträger menschlicher Ideale auch nur eine fehlbare Kreatur ist, führt zur Enttäuschung. Aber dann zeigt sich eine andere, sympathische Eigenart des amerikanischen Nationalcharakters: Jeder erhält eine zweite, dritte oder vierte Chance. Wer stürzt, muß nicht und darf nicht liegen bleiben. Er kann wieder aufstehen und sich erneut bewähren. Darin wird dann ein neues Element der Stärke gesehen, die dem Durchschnittsmenschen nicht gegeben ist. Ein weiteres Charakteristikum, das den Helden aus der Masse hervorhebt.

Kit Carson als historische Gestalt konnte diese Chance nicht selbst nutzen. Zu Lebzeiten war er unangetastet. Kontrovers wurde er erst Jahrzehnte nach seinem Tod. Es lag also in den Händen von Historikern, ihn zu verdammen oder zu rehabilitieren, und in dieser Beziehung war er mehrfach bestens geeignet.

„Das Sprichwort, dass der Held im eigenen Land nichts gilt, hat im Fall Carsons keine Bedeutung. Sein Ruhm verfestigte sich zunächst unter seinen eigenen Freunden, den Mountain Men, Jahre bevor die Welt außerhalb überhaupt nur von ihm hörte. Und bis zum Tag seines Todes bewahrten seine Nachbarn, Rote wie Weiße, Freunde und Gegner, neidlos große Achtung vor seinen bemerkenswerten charakterlichen Eigenschaften und Führungsqualitäten.“ (Milo Milton Quaife, 1935: xi-xii)

Wie tief solche Gestalten in der amerikanischen Volksseele verankert sind, wie groß die Emotionen sein können, die sie im Negativen wie im Positiven auslösen können, zeigt in solchen Fällen die Heftigkeit der Diskussionen, die sie bei der Nachwelt auslösen, sodass selbst mehrere Generationen später noch glühende Zuneigung und wütende Ablehnung aufeinanderprallen, als ginge es um eine existenzielle Frage.

Und tatsächlich: Genau darum geht es.

Die Identität und Selbstachtung eines Volkes ist verknüpft mit der Aufarbeitung der eigenen Tradition und Geschichte. Die Ehrlichkeit der Anerkennung eigenen Fehlverhaltens und der Stolz auf nationale Leistungen sind Stabilitätsfaktoren einer Nation – nicht anders als beim einzelnen Menschen, der Kraft und Ausstrahlung gewinnt, indem er sich zu seinen Schwächen bekennt und sich auf seine Stärken beruft. Aber das ist ein schwieriger Prozeß.

Dazu gehört die Selbsterkenntnis – ob für den Einzelnen oder für ein ganzes Volk –, dass Ideale nur Ziele sind, die man anstreben kann, aber nur selten eine Realität, die wirklich erreichbar ist.

Kit Carson war im öffentlichen Ansehen das Idealbild des amerikanischen Pioniers. Aber er war auch nur ein fehlbarer Mensch. Der Verlust einer nationalen Lichtgestalt trifft ein ganzes Volk ins Mark. Um der Verurteilung durch andere vorzubeugen, nimmt man eine Selbstreinigung vor, verdammt den einstigen Helden selbst und wendet sich von ihm ab. Aber es bleibt eine nicht füllbare Lücke.

Daher wandelt sich die Abneigung irgendwann wieder, und die Faszination an der Lebensleistung des wieder entdeckten Helden wächst und überlagert seine Schwächen.

Kit Carson mußte dieses Wechselspiel zu seinen Lebzeiten nicht erfahren. Seine natürliche Autorität sorgte für Achtung, wo immer er auftrat. Inzwischen verdrängen seine unbestreitbaren Leistungen die Schatten, die zeitweise auf ihm lagen. Ebenso wie sein Zeitgenosse und zeitweiliger Freund Jim Bridger, hatte Carson der amerikanischen Nation das Tor zum Westen aufgestoßen, hatte die Wege durch die Wildnis zu neuen Horizonten gewiesen.

„Er hatte das Aufbrechen des amerikanischen Westens mit seinem berstenden Lebenshunger und seiner Brutalität erlebt. Indem er ständig unterwegs war, war er mit nahezu allen bedeutenden Stammesgruppen oder wichtigen Menschen zusammengetroffen. Er hatte den Westen mit einer Unmittelbarkeit erfahren wie nur wenige andere Männer. …

Als Pelzjäger, Scout und Entdecker war er Tausende von Meilen durch die Rockies, das Große Becken, durch die Sierra Nevada, die Wind River Berge, die Tetons und die Küstengebirge von Oregon gezogen. Als Jäger hatte er die großen Ebenen durchkreuzt und war den gewaltigen Bisonherden gefolgt. Er hatte den Pacific gesehen, war tief nach Mexiko und in die von Briten beherrschten Gebiete im Nordwesten vorgedrungen. Er hatte die Sonora, die Chihuahua und die Mojave Wüsten durchquert, hatte am Rand des Grand Canyons gestanden und den Großen Salzsee gesehen. … Er war allen großen Strömen des amerikanischen Westens gefolgt – dem Colorado, dem Platte, dem Sacramento, dem San Joaquin, dem Columbia, dem Green River, dem Arkansas, dem Gila, dem Missouri, dem Powder River, dem Big Horn, dem Snake, dem Salmon, dem Yellowstone und dem Rio Grande. Es schien so, als sei Carson schon bei der Erschaffung der Welt anwesend gewesen.“ (Sides, 2006: 7)

Carson setzte Marksteine. Allein das hob ihn aus der Masse heraus. Und er hinterließ Spuren, die teilweise bis heute nicht verweht sind. Er führte die Expeditionen, die den Oregon Trail erforschten, auf dem hunderttausend Planwagen nach Westen rollten. Er war am Aufstand der kalifornischen Siedler beteiligt, um dieses Gebiet Mexiko zu entreißen. Er half im Bürgerkrieg mit, die Südstaaten aus dem amerikanischen Südwesten zu verdrängen und bewahrte dieses reiche Gebiet für die Union. Er – und hier setzt die meiste Kritik an ihm an – unterwarf die Navajo-Indianer in einem der umstrittensten, aber auch einem der am Verzerrtesten dargestellten Feldzüge der Indianerkriege. Er war am Abschluss mehrerer Friedensverträge mit Indianerstämmen beteiligt und sorgte für eine Reservation der Ute-Indianer und für zahlreiche Privilegien für dieses Volk.

Es gab Zeitgenossen von ihm, die mit nur einem Bruchteil seiner Leistungen in die Öffentlichkeit drängten; Carson dagegen blieb meist bescheiden im Hintergrund. Er kommentierte Berichte über sich, von denen er erfuhr, nur selten, und zu seiner Autobiografie musste er gedrängt werden.

Er hatte in seiner Zeit als Trapper und Scout immer wieder Menschen das Leben gerettet, ohne davon Aufhebens zu machen – und gelegentlich hat er sich auch als schwach erwiesen und sich die Hände schmutzig gemacht.

Als wortkarg bekannt, trafen seine Sätze in der Regel auf den Punkt und alle, die mit ihm zu tun hatten, beschrieben ihn als ehrlich, unverstellt, loyal und freundlich.

Seine Zurückhaltung war häufig mit einem trockenen Humor versehen, so etwa, als sich ein junger Offizier bei ihm in Fort Garland vorstellte und respektvoll bemerkte: „Sie sind der berühmte Kit Carson, der so viele Indianer zum Rennen gebracht hat.“ Carson erwiderte: „Richtig. Manchmal war ich hinter ihnen her, aber meistens sind sie hinter mir hergerannt.“

Obwohl er genau wußte, wer er war und welche Rolle er in der Öffentlichkeit spielte, schlug sein Selbstbewusstsein niemals in Arroganz um, nahm er sich selbst nie so wichtig, blieb er für alle, die ihn kannten, der Mensch Carson, der an sich selbst lediglich den Anspruch hatte, ein ehrlicher Mann zu sein – dieses scheinbar simple Ziel wird von vielen verfehlt.

Weil Carson ehrlich zu sich selbst und gegenüber anderen war, muß er nicht weißgewaschen werden. Er war keine abgehobene Lichtgestalt, sondern blieb in all seinen Facetten ein Mensch; gut und gelegentlich auch böse. Gerade das macht sein Leben und seine Leistungen so besonders.

Santa Fe Trail

Für Kit muß bereits der Weg durch die südwestlichen Plains eine Offenbarung gewesen sein: Hinaus aus der Enge einer kolonialzeitlichen Siedlung, aus dem täglichen Einerlei einer Sattlerwerkstatt, in ein Gebiet, in dem es keine Grenzen zu geben schien. Der Horizont war endlos. Der Blick verlor sich in der Weite. Die Arbeit war nicht weniger hart, aber sie war anders. Die Tage begannen und endeten mit der Versorgung der Maultiergespanne, dem Ein- und Ausschirren, der Reparatur von Wagenrädern und Geschirrteilen, der Suche nach Wasserstellen und der Anlage von Lagerplätzen.

Wachsamkeit war nötig, gegen Indianergruppen, die geisterhaft aus den weiten Ebenen auftauchen, zuschlagen und wieder verschwinden konnten, aber auch gegen Räuberbanden, die sich an der wertvollen Fracht des Trecks bereichern wollten.

Auch hier gab es eiserne Disziplin, eine klar geordnete Hierarchie, aber der junge Carson genoß die Freiheit des Landes, die Nächte unter dem Sternenhimmel, den Geruch von Salbei und Sweetgras, und die Gesellschaft der rauen Muleskinners, den unübertroffenen Experten im Umgang mit den Maultiergespannen und dem Steuern der hoch beladenen Conestoga-Schoner.

In seiner Autobiographie schildert Kit Carson nur einen bemerkenswerten Zwischenfall seiner ersten Reise über die Plains. Ein Mann der Begleitmannschaft hatte einen schweren Unfall. Als er sein Gewehr am Lauf aus einem Wagen zog, löste sich ein Schuss und zerfetzte seinen rechten Arm.

„Wir hatten keinen Mediziner bei uns, und er litt furchtbar. Sein Arm wurde brandig. Uns war allen klar, dass eine Amputation nötig war. Einer aus unserer Gruppe sagte, dass er es tun könne. … Er schnitt das Fleisch mit einem Rasiermesser weg und sägte den Knochen mit einer alten Säge durch. Die Adern wurden abgeschnitten, und um die Blutung zu stillen, wurde ein eiserner Bolzen von einem der Wagen im Feuer glühend gemacht und die betroffenen Körperteile ausgebrannt. Dann wurde die Wunde mit einem Pflaster aus Teer von einem der Wagenräder verschmiert. Bevor wir in New Mexico eintrafen, hatte sich der Patient vollständig erholt.“ (Carson, 5-6)

Offensichtlich beeinträchtigte dieses Erlebnis den jungen Carson in keiner Weise, obwohl ihm drastisch vor Augen geführt worden war, dass er sich in eine Region begeben hatte, in der man nur mit Stärke und Härte gegen sich selbst überleben konnte und mit Schwäche gnadenlos unterging.

Im November 1826 traf Kit in Santa Fe ein und ging von hier aus mit Pelzjägern weiter nach Taos, eine kleine Siedlung unweit des gleichnamigen Indianerpueblos, ein beliebter Platz amerikanischer Mountain Men in den kalten Wintermonaten. Kit hatte sich Mathew Kinkead (Kinkade) angeschlossen, einem Trapper, der Kits ältere Brüder kannte. Kinkead nahm das junge Greenhorn unter seine Fittiche und lehrte ihn die ersten Fertigkeiten, in der Wildnis zu überleben. Kit überwinterte mit Kinkead in Taos und lernte die spanische Sprache. Bald sollten auch einige Indianersprachen dazu kommen – eine gute Voraussetzung für das Leben im amerikanischen Westen.

„Carson lernte fließend Spanisch und Französisch, und er eignete sich gute Kenntnisse in Navajo, Ute, Comanche, Cheyenne, Arapaho, Crow, Blackfoot, Shoshone und Paiute an, sowie in einigen anderen Stammessprachen. Ferner beherrschte er die indianische Zeichensprache und konnte somit in irgendeiner Form mit den meisten Stämmen im Westen kommunizieren.“ (Sides, 9)

In den folgenden zwei Jahren verdingte Kit Carson sich als Wagenlenker, arbeitete als Koch für Frachtwagenmannschaften und machte sich sein Sprachtalent zunutze, indem er als Übersetzer tätig war.

Pelzjagd

Offenbar ging Kit 1828, mit 19 Jahren, erstmals mit einer Trapperbrigade in die Berge, um Biberpelze zu jagen. Er traf mit Männern wie Jim Bridger, den Sublettes, Old Bill William, Thomas Fitzpatrick und anderen Mountain Men zusammen, die den amerikanischen Pelzhandel prägen sollten.

1829 gehörte er zur Trappermannschaft von Ewing Young, einem erfahrenen Pelzjäger, mit dem er zum Gila River zog. Die Gruppe wurde hier von Apachen angegriffen. Zum ersten Mal kämpfte Carson gegen Indianer.

Die Männer erreichten das spanische Kalifornien, verkauften ihre Pelze in Sacramento und zogen schließlich den Colorado River aufwärts. Im April 1830 trafen sie wieder in Taos ein. Aus dem „Winterer“, wie die jungen Trapper in der Sprache des Pelzhandels genannt wurden, die erstmals einen Winter in der Wildnis verbracht hatten, war ein erfahrener Mountaineer geworden.

In Taos schloß Carson sich sofort einer Gruppe Männer an, die zur Verstärkung eines von Norden heranziehenden Wagentrecks ausrückte, der von Wegelagerern bedroht wurde. Der Treck wurde sicher nach Santa Fe geleitet, und Carson beeindruckte die anderen Männer mit seinen reiterlichen Fähigkeiten.

Im darauffolgenden Jahr war er wieder Mitglied einer Trapperbrigade, die in die Rocky Mountains zog. Die Führung übernahm mit Thomas Fitzpatrick ein erfahrener Mountain Man, der schon die allerersten Jagdexpeditionen in Rocky Mountains mitgemacht hatte.

„Im Herbst 1831 schloß ich mich einer Party unter Fitzpatrick an. …Wir zogen nach Norden, bis wir den Platte River erreichten und bewegten uns dann weiter bis zum Sweetwater, einem Nebenfluß des Platte. Wir stellten unsere Fallen bis zur Quelle des Sweetwater, dann am Green River, und schließlich gingen wir zum Jackson’s Hole an eine Gabel des Columbia River, von dort ins Quellgebiet des Salmon River. … Während des Winters [am Salmon River] verloren wir vier oder fünf Männer, die auf Bisonjagd gegangen waren. Sie waren von Blackfoot-Indianern getötet worden.

Im April 1832 nahmen wir unsere Jagd erneut auf. Wir stellten Fallen am Bear River, dem Hauptstrom, der in den großen Salzsee fließt.“ (Carson, 22 – 23)

Im Januar 1833, als Carson abermals mit einer Trapperbrigade unterwegs war, schlichen sich 50 Crow-Indianer in das Lager der Mountain Men und trieben 9 Pferde weg. Am Morgen nahmen mehrere Trapper trotz eisigen Windes und starken Schneefalls die Verfolgung auf. Da die Indianer wegen des hohen Schnees nur langsam vorangekommen waren, holten die Trapper sie bald ein. Die Jäger beobachteten, wie die Crow ihren erfolgreichen Beutezug feierten. Geduldig warteten sie auf die nächste Nacht.

„Als wir sicher waren, dass sie alle schliefen, krochen sechs von uns in Richtung auf unsere Pferde. Die anderen blieben zurück, um uns zu helfen, falls wir keinen Erfolg haben sollten. … Wir erreichten die Pferde, schnitten die Halteseile durch und warfen Schneebälle auf sie, um sie in Richtung auf unser Lager zu treiben.“

Jene Trapper, die ihre Pferde zurückerhalten hatten, wollten sich sofort aus dem Staub machen. Die anderen aber wollten Rache für den Überfall nehmen. Sie schlichen zurück und griffen das Camp der Crow an. Carson erzählte in seiner Autobiografie: „Jede Kugel traf ihr Ziel. Wir töteten fast jeden Indianer.“ (Carson, 27). Das war eine maßlose Übertreibung. Der berühmte Ethnologe George Bird Grinnell beschrieb diesen Kampf in seinem Text „Bent’s Old Fort and Its Builders“. Danach war Carsons Trappergruppe von einigen Cheyenne-Indianern begleitet worden, bittere Feinde der Crow, die sich an dem Angriff auf das Lager der Pferdediebe beteiligten. Einer dieser Cheyenne-Krieger, Black Whiteman, berichtete Grinnell, dass lediglich zwei Crow-Krieger getötet wurden. (Quaife, 28, Fn. 22)

In den nächsten 10 Jahren wurde Kit zum erfolgreichen Fallensteller und Jäger, der sich in der Welt der Mountain Men großen Respekt erwarb. Auch die Indianer, mit denen er zu tun hatte, achteten ihn. Bei den Cheyenne hieß er „Little Chief“. (Vestal, 67-71)

Der Pelzhandel entwickelte sich zu einer eigenen Welt mit eigenen Regeln und einer Kultur, die sich von den Lebensverhältnissen im Rest der Vereinigten Staaten erheblich unterschied. Es war eine multiethnische Gesellschaft, in der Menschen aus aller Herren Länder zusammen kamen. Der Pelzhandel beutete den ersten großen Reichtum der Neuen Welt aus, lange bevor Bodenschätze entdeckt wurden. Das „braune Gold“ – der Biberpelz – war ein globaler Wirtschaftsfaktor, der unschätzbare Vermögen bewegte.

Die Biberjagd öffnete den amerikanischen Westen und wies den nachfolgenden Pionieren die Wege. Für die Indianervölker dieser Region wurde er zum zweischneidigen Schwert: Einerseits brachte ihnen der Handel mit den Pelzkompanien begehrte Waren aus der Welt des weißen Mannes, andererseits öffnete sich damit ihr Land den Kolonisten, die die indianischen Kulturen nach und nach verdrängten.

Der Historiker LeRoy Hafen schätzte, dass es in der Blütezeit des amerikanischen Pelzhandels vielleicht 3.000 Trapper und Mountain Men gab, andere setzten diese Zahl noch niedriger an. Zu diesem exklusiven Kreis gehörte in den 1830er Jahren auch Kit Carson.

Diese Männer waren im frühen 19. Jahrhundert die besten Kenner des Landes westlich des Missouri. Sie durchstreiften Gebiete von gewaltiger Größe, lernten die Pfade der Indianervölker kennen, lebten entweder allein in den einsamen Wäldern und Bergen, oder freundeten sich mit Indianern an, heirateten indianische Frauen, wurden Teil der Stammeswelt, die in jener Zeit im Westen verankert war. Sie entfernten sich in der Regel von der Zivilisation und Kultur, aus der sie kamen, und passten sich ihrer Umwelt an. Sie lernten von den Indianern, und sie wurden zu verbindenden Gliedern zwischen der Lebensweise im Osten und jener im Westen, wobei sie Letzterer näher waren.

Für die Gesellschaft ihrer Herkunft wurden sie selbst zu „Wilden“. Viele von ihnen ertrugen nach einigen Jahren das Leben in den Siedlungen im Osten nicht mehr. Wenn sie ein Haus betraten, fühlten sie sich eingeengt. Sie schliefen lieber auf dem Fußboden als in weichen Betten, und sie zogen es vor, den Sternenhimmel über sich zu haben, als die Decke eines geschlossenen Raums.

Von dem großen Entdecker Jim Bridger ist die Geschichte bekannt, dass er in St. Louis nachts aus dem Fenster seiner Pension stieg, um im Garten unter freiem Himmel zu schlafen, und von Kit Carson gibt es ähnliche Erzählungen. Mountain Men aßen oft jahrelang kein Brot, trugen statt schwerem Schuhwerk indianische Mokassins und zogen hirngegerbte Lederkleidung gewebtem Stoff und Wolle vor.

Leben in dieser Welt bedeutete Kampf. Die Natur war mitleidlos. Der Westen Amerikas war ein Land der Extreme. Wer hier bestehen wollte, musste tagtäglich stark sein und Härte beweisen. Gegen andere, aber auch gegen sich selbst. Schwäche bedeutete Untergang.

Kit Carson war in einer Welt aufgewachsen, in der ihm diese Prinzipien zwar nicht ganz fremd waren, aber im Westen waren sie eherne Norm. Er hatte harte Lektionen zu lernen, um hier bestehen zu können. Es gelang ihm, und er erwarb sich den Respekt der Männer, die dieses Leben mit ihm teilten.

Wenn gute Biberjagdgründe gefunden waren, galt es, sich eine Unterkunft zu schaffen. Dann wateten die Trapper stundenlang durch eisiges Wasser, um Fallen zu setzen. Wenn die Fallen gelehrt waren, mussten die Biber gehäutet und die Felle gereinigt werden. Nach dem Trocknen wurden sie zu Bündeln gepresst, und sie mussten sicher verwahrt werden; denn es gab andere Pelzjäger und Indianer, die sich nicht scheuten, den Trapper seiner wertvollen Beute zu berauben.

Daneben musste ein Mountain Man sich selbst versorgen. Er ging auf die Jagd, er ging Fischen. Er kochte. Wenn er verletzt war, versorgte er seine Wunden selbst – sofern ihm das möglich war. Nicht wenige Männer starben an Infektionen und Wundbrand.

Hatte er eine indianische Familie, erging es ihm besser. Dann hatte er eine Frau, die für ihn sorgte, und er hatte Hilfe durch seinen Stamm, wenn er bedroht wurde. Diese Männer passten sich den Eigenarten ihrer neuen Familien an. Sie wurden Teil des Rituallebens, übernahmen neben der Sprache auch Sitten und Bräuche.

Kindheit und Jugend

„Ich wurde am 24. Dezember 1809 im Madison County, Kentucky, geboren. Meine Eltern zogen nach Missouri, als ich ein Jahr alt war, und ließen sich in einer Gegend nieder, die heute das Howard County bildet.“

Mit diesen Sätzen beginnt die Autobiografie eines der bemerkenswertesten Männer der amerikanischen Pioniergeschichte. Er diktierte seine Erinnerungen; denn bis ins reife Mannesalter war er Analphabet, und später blieben seine Fähigkeiten zu Lesen und zu Schreiben allenfalls marginal. Darunter litt er, vor allem, als er zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Gleichwohl wurde an seinem Scharfsinn, seiner Intelligenz und seiner Menschenführung niemals gezweifelt.

Kit Carson war in jeder Beziehung ein Mann mit erstaunlichen Begabungen. Ganz gleich, wohin er kam, welche Aufgabe ihm übertragen wurde – er versuchte immer, an seine Grenzen zu gehen.

Sein Vater war Lindsay Carson, der vermutlich 1755 in Schottland geboren worden war und in North Carolina aufwuchs. Er hatte während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges in George Washingtons Continental Army gekämpft und 1793 seine erste Frau verloren. 1797 hatte er Rebecca Robinson geheiratet. Das Paar hatte 15 Kinder; Christopher Houston war das Elfte (Hutton, 3). In jenen Regionen und zu dieser Zeit bedeuteten viele Kinder Reichtum, weil sie ihren Beitrag zur Ernährung der Familie leisteten, sowie sie laufen und ihre Hände gebrauchen konnten. Farmen wurden von Familien bewirtschaftet; fremde Arbeitskräfte kosteten Geld, das ein Kolonist in der Regel nicht hatte.

Das Leben an der Wildnisgrenze war hart und gefährlich. In den Jahren um 1800 hatten die Vereinigten Staaten von Amerika gerade einmal 5 Millionen Einwohner, die sich im Wesentlichen auf einen Landstreifen von rund 50 km Breite am Atlantik konzentrierten. Westlich davon begannen tiefe Wälder und unwegsame Gebirge.

Der legendäre Daniel Boone gehörte zu den Ersten, die Wege in diese Wildnis bahnten, Ländereien vermaßen und Kolonisten überredeten, ihm zu folgen, um Siedlungen zu gründen und damit die „Frontier“, diesen in der amerikanischen Geschichte fast mystischen Begriff der „Grenze“ zwischen Zivilisation und Wildnis, nach Westen rückten.

Die Carsons hatten sich um 1811 im sogenannten „Franklin Township“ im heutigen Missouri in der Nähe von Boone’s Lick auf Land niedergelassen, das die Söhne Daniel Boones von der spanischen Regierung erworben hatten. Die Familien Carson und Boone waren gut miteinander bekannt. Kits ältester Bruder, William, heiratete Millie Boone, eine Großnichte des legendären Daniel.

In diesen westlichen Kolonien waren Indianerüberfälle noch immer an der Tagesordnung. Die Farmer bildeten daher Schutzgemeinschaften, die in der Nähe ihrer Felder kleine Palisadenfestungen errichteten, in die sie sich notfalls in Sicherheit bringen konnten. Sie lebten und arbeiteten „fortred“ (befestigt), wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß – ein heute fast vollständig aus der amerikanischen Sprache verschwundener Begriff. Die Palisade nahe der Carsons hieß „Fort Hempstead“, und alle männlichen Mitglieder einer Kolonistenfamilie wurden als Wachtposten oder Milizmänner gelistet, sowie sie imstande waren, ein Gewehr zu halten.

1818 verlor der gerade neunjährige Christopher seinen Vater. Allerdings nicht durch einen Indianerüberfall: Lindsay Carson wurde beim Holzfällen von einem herabstürzenden Ast erschlagen. Rebecca musste mit ihren Kindern die kleine Wildnisfarm allein weiter bewirtschaften. Erstaunlicherweise dauerte es vier Jahre, bis sie ihren zweiten Mann, Joseph Martin, heiratete, der ebenfalls Witwer war und mehrere Kinder mit in die Ehe brachte. Normalerweise ließen sich Kolonisten – ob Männer oder Frauen – nicht so viel Zeit, einen neuen Partner zu finden. Das Leben in den Wäldern westlich der Zivilisationsgrenze forderte seinen Preis. Für romantische Gefühle war wenig Platz. Pragmatismus verlangte eine intakte Familie, um überleben zu können. Fiel ein Partner aus, zumal als Familienoberhaupt, musste er schnell ersetzt werden, um die Existenz zu sichern.

Christopher „Kit“ wurde frühzeitig mit den Anforderungen einer Wildnisfarm konfrontiert. Sowie er laufen konnte, musste er mit aufs Feld. Er musste Unkraut jäten, Saat ausbringen, bei der Ernte helfen, Holz sammeln und seinen Eltern und Geschwistern bei jeder Tätigkeit zur Hand gehen. Früh lernte er auch ein Gewehr zu gebrauchen, um bei der Jagd auf Kleinwild den Speisezettel der Familie zu bereichern. Er war allerdings, wie Zeitzeugen später gelegentlich berichteten, etwas aus der Art geschlagen, war wild und ungebärdig, passte sich nicht an, wie seine Geschwister, hatte schon als Kind seinen eigenen Kopf und bereitete seiner Mutter nicht unbeträchtliche Sorgen. Er haßte die Farmarbeit, und mit seinem Stiefvater verstand er sich überhaupt nicht, sodass die Mutter ihn mit 15 Jahren aus dem Haus in eine Sattlerlehre gab. Aber auch dieses Handwerk gefiel ihm nicht. Kit behagten die Aussichten auf ein bescheidenes, eingeengtes Leben in der kleinen Missouri-Siedlung nicht im geringsten. In seiner Autobiographie bemerkte er: „David Workmann [sein Lehrherr] … war ein guter Mann, und ich erinnere mich oft an seine Freundlichkeit, die er mir zuteil werden ließ. Aber der Gedanke, bei ihm zu bleiben, meine Lehrjahre abzudienen und mein Leben mit dieser Arbeit zu vertun, schmeckte mir nicht. Ich sehnte mich danach, auf Reisen zu gehen, um das Land kennenzulernen, also beschloß ich, mich der ersten Gruppe anzuschließen, die zu den Rocky Mountains zog.“ (Carson, 4-5)

Die Chancen dafür waren gut; denn der Santa Fe Trail verlief an der Gemeinde vorbei, eine 800 Meilen lange Handelsroute, die vom Missouri bis ins mexikanische Santa Fe führte. 1821 war William Becknell, ein fast bankrotter Geschäftsmann aus Missouri, mit dem ersten Warentransport nach New Mexico gezogen. Er hatte damit Kopf und Kragen riskiert und alles auf eine Karte gesetzt. Innerhalb weniger Jahre hatte er nicht nur seine Schulden bezahlt, sondern war zum wohlhabenden Mann geworden. Damit hatte er die erfolgreichste Handelsroute der amerikanischen Pionierzeit eröffnet. Ab 1822 rollten Jahr um Jahr wachsende Frachtwagenkarawanen durch die Ebenen von Kansas und transportierten begehrte Waren in die nördlichste mexikanische Provinz.

Im August 1826 lief Kit aus einer Lehre fort und schloß sich einem Händlertreck an. Was und wohin er genau wollte, wußte er vermutlich selbst nicht. Er wußte nur, dass er nicht in Franklin bleiben wollte. Dafür war ihm jedes Mittel recht. Er verdingte sich als Handlanger bei dem Wagentreck, verdiente damit sein tägliches Essen und ein kleines Taschengeld.

Er war knapp 17, und das große Abenteuer hatte für ihn begonnen. Wenige Tage später erschien in der Zeitung von Franklin diese Mitteilung:

„Hiermit wird allen, die dies lesen, mitgeteilt, dass Christopher Carson, ein Junge von etwa vierzehn Jahren [sic], klein für sein Alter, aber stämmig, helles Haar, am oder um den 1. September aus dem Haus des Unterzeichneten fortgelaufen ist, … dem er zur Erlernung des Sattlerhandwerks anvertraut wurde. Jedem, der den besagten Jungen zurückbringt, wird eine Belohnung von 1 Cent bezahlt. David Workman.“ (zitiert in Hutton, 3)

Der ausgelobte Cent blieb in Workmans Tasche. Niemand brachte Kit Carson zurück, und er wurde in den nächsten Jahren auch nicht mehr in Franklin gesehen.

Sand Creek

Am 29. November 1864 fiel die 3. Colorado Freiwilligen-Kavallerie unter Führung von Colonel John Chivington am Sand Creek über ein Lager von Cheyenne-Indianern unter Häuptling Black Kettle her. Diese Cheyenne waren friedlich, hatten sich unter den Schutz der Armee begeben und zum Zeichen ihrer Friedfertigkeit die amerikanische Flagge gehißt. Gleichwohl ließ Chivington das Lager auf bestialische Weise niedermetzeln.

Danach ließ er sich in Denver als Held feiern, bis einige verantwortungsvolle Offiziere, die sich geweigert hatten, das Massaker zu unterstützen, die Tatsachen an die Öffentlichkeit brachten. Das amerikanische Militär und das Parlament leiteten eine Untersuchung ein, die zu dem Ergebnis kam, dass es sich um einen Akt der Barbarei gehandelt habe, der durch nichts zu rechtfertigen gewesen war.

Kit Carson, zu dieser Zeit Colonel der 1. New Mexico Freiwilligen, war der prominenteste Sprecher, der gegenüber dem Vorsitzenden der Untersuchungskommission des Senats eine Stellungnahme abgab und sich in einem Gespräch mit einem Vertreter der Armeeführung äußerte:

„Wenn ich an diesen Hundsfot Chivington und seine Meute bei Sand Creek denke! Wann hat man jemals davon gehört, dass Christenmenschen so etwas tun können. Die armen Indianer hatten unsere Flagge gehisst, die alten Stars und Stripes, die wir alle lieben und ehren. Und man hatte ihnen in Denver gesagt, dass sie sich sicher fühlen können, solange diese Flagge über ihnen weht. Well, und dann kommt dieser verfluchte Chivington mit seinen Kerlen. Sie waren ausgezogen, um kriegerische Indianer zu jagen und konnten keine finden – und wenn sie welche gefunden hätten, wären sie vor ihnen davongelaufen, darauf können Sie wetten! Also stürmten sie in dieses freundliche Lager und massakrierten alle! Jawohl, Sir, buchstäblich m-a-s-s-a-k-r-i-e-r-t! Kaltblütig! Trotz unserer Flagge über ihnen. Sogar Frauen und kleine Kinder! Warum? Senator Foster hat mir persönlich erzählt – er und sein Komitee haben die Sache untersucht, wie Sie wissen –, dass dieser verdammte Schurke und seine Männer Frauen niedergeschossen und das Gehirn aus unschuldigen kleinen Kindern herausgeschlagen haben. Sie haben sogar Babies in den Armen ihrer toten Mütter mit Revolvern erschossen und Schlimmeres getan! Und sie nennen sich ‚zivilisierte’ Menschen, Christen – und die Indianer sind ‚Wilde’?“

Kit Carson, September 1866 in Fort Garland zu Brigadegeneral James F. Rusling (Across America, 1874: 135)

Danksagung

Niemand schreibt ein Buch ganz allein, schon gar nicht ein Buch mit fachlichem Anspruch. Kein Mensch ist allwissend, und selbst wenn man sich mit „seinem Thema“ gut auskennt, ist man immer in Gefahr, manches zu übersehen, anderes für selbstverständlich zu halten und zu vernachlässigen, und einen verengten Blickwinkel zu entwickeln, sodass interessante Aspekte, die ein Thema gründlicher ausleuchten, ausgeklammert werden.

Dafür gibt es zum Glück Freunde, Bekannte und Ratgeber, die über Spezialwissen verfügen und ihren Beitrag leisten. Manchmal umfassend, manchmal durch vertiefende Gespräche, manchmal durch Hinweise auf Quellen, die man noch nicht entdeckt hatte, manchmal auch einfach durch völlig unbefangene Fragen. Es ist ein Puzzle, das zu einem großen Ganzen führt, und dafür sollte man als Autor dankbar sein.

Auch bei diesem Buch haben viele mitgeholfen, damit es so und nicht anders entstehen konnte.

An erster Stelle möchte ich John Carson nennen, den Urenkel von Kit Carson.

Uns verbindet seit Jahren eine gute Freundschaft. John ist ein bescheidener Mann, der sich nichts darauf einbildet, direkter Nachkomme eines Nationalhelden zu sein. Und John ist ein kenntnisreicher Mann. Historiker. Nationalpark-Ranger. Reenactor. Er hat das Glück – zumindest empfindet er es so – in Bent’s Old Fort Colorado, wo sein Urgroßvater zeitweise als Jäger angestellt war, arbeiten zu können und seinen Vorfahren darstellen zu dürfen. Er macht das so hervorragend, dass ich bei jeder Begegnung den Eindruck habe, den echten Kit Carson vor mir zu haben.

John ist ein exzellenter Kenner der Geschichte seiner Familie, der mit allen Facetten des Lebens von Kit Carson vertraut ist. Ich verdanke ihm tiefe Einsichten in die Carson-Familie und Interpretationen von Kit Carsons Charakter. Die Gespräche mit ihm sind für mich immer fachlich wie menschlich bereichernd.

Der zweite Freund, der mir wichtige Erkenntnisse über Kit Carson geliefert hat, ist Rick Manzanares, der langjährige Direktor von Fort Garland (Colorado), dem letzten Kommandoposten Carsons.

Rick konnte in mehrfacher Hinsicht zu meinen Überlegungen über Carson beitragen, weil er nicht nur die Geschichte von Kit hervorragend kennt, sondern weil er mit seinem eigenen mexikanischen Familienhintergrund auch bezüglich des Lebens von Carson mit seiner mexikanischen Familie in Colorado und New Mexico persönliche Erfahrungen beisteuern konnte. Hierzu haben auch Gespräche mit Michael King, Deputy Director der „Rancho de las Golondrinas“ bei Santa Fe beigetragen.

Danken möchte ich einem weiteren Freund, Gerald Faust, hingebungsvoller Lokalhistoriker aus Las Animas (Colorado), der mein Interesse an Kit Carson unterstützte, der mich nach Fort Lyon fuhr, wo Carson gestorben ist, und der mich mit John Carson zusammenbrachte. Gerald war Inhaber eines Hotels, 10 Meilen von Bent’s Old Fort entfernt, und hat mich mit der Umgebung, in der Kit Carson seine letzten Jahre verbrachte, vertraut gemacht.

Zu jenen, die mich seit Jahrzehnten über die Geschichte des amerikanischen Pelzhandels informieren, gehören Mike Casler aus Williston (North Dakota) und Jim Hanson (genannt „Mr. Furtrade“, der beste Kenner der Pelzhandelsgeschichte weltweit) aus Nebraska. Sie sind nicht nur gute Freunde, sondern absolute Fachleute auf ihrem Gebiet.

Die Geschichte von Bent’s Fort habe ich wieder und wieder mit Dr. David Halaas erörtert, dem ehemaligen Staatshistoriker von Colorado und großen Freund der Cheyenne-Indianer.

Carsons Leben als Pelzjäger und als Angestellter in einem Pelzhandelsposten war Gegenstand unzähliger Gespräche mit Menschen wie Bill Gwaltney, Henry Crawford, John Luzader, Greg Holt, Martin Knife Chief, Kimberly Wageman-Prack, Ed Aragon, Tom Kamuta, Billy Bob Bailey, Dave Newell, Don Troyer, u. a. Sie sind als Angestellte, bzw. Reenactors in „Bent’s Old Fort National Historic Site“ auf das Intimste mit den historischen Verhältnissen vertraut.

Über Carsons Rolle im Amerikanischen Bürgerkrieg und die Kämpfe im Südwesten, etwa die Schlacht von Valverde, waren Informationen von Dr. Andrew Masich unverzichtbar.

Natürlich muß ich auch Professor Dr. Paul A. Hutton erwähnen, einen der führenden Experten für die Geschichte der Westbesiedelung, der maßgebliche Schriften über Kit Carson verfasst hat. Die Begegnungen mit ihm waren eindrucksvoll und respekteinflößend, obwohl er ein bescheidener, zurückhaltender Mann ist, der sein enormes Wissen völlig unaufdringlich und fast beiläufig zu erkennen gibt.

Wer heute den Spuren Kit Carson folgt und mit einem klimatisierten Auto den amerikanischen Westen, die großen Ebenen, die Rocky Mountains und die Wüsten des Südwestens durchquert, bekommt eine Ahnung davon, was für ein Leben Carson geführt hat. Zu seiner Zeit gab es keine festen Wege; die Radspuren der Frachtwagen, die sich in den trockenen Boden geprägt hatten, markante natürliche Merkmale, außergewöhnlich geformte Felsformationen, Flüsse, Wasserstellen gaben die Richtung vor. Die Entfernungen stellten sich anders dar, wenn man zu Pferde oder gar zu Fuß unterwegs war. Sein Urenkel John sagte bei einer Gelegenheit: „Ich mag so aussehen wie Kit, und ich stelle ihn dar, aber ich habe weder seinen Mut, noch seine Ausdauer, noch könnte ich ein Leben führen wie er. Einen Kit Carson gab es nur einmal.“

„Wenn der durchschnittliche Amerikaner an die Pioniere denkt, die die Appalachen gekreuzt und um das reiche Land des frühen Westens gegen die Indianer gekämpft haben, denkt er an Daniel Boone. Wenn er sich den Grenzern zuwendet, die die Rocky Mountains überquerten und den Weg zum Pacific fanden, ist es der Name Kit Carsons, der ihm in den Sinn kommt.

Historiker mögen bemerken, dass vor Boone schon andere in Kentucky waren und das Carson nicht der Erste war, der den Fernen Westen entdeckt hat, so wie sie sich darin gefallen, die populäre Wertschätzung von Boone und Carson herunterzuspielen. Aber deren Stellung ist gesichert, und das wird sich niemals ändern. Obwohl beide Männer ihre hervorragende Stellung in der öffentlichen Meinung der Tatsache schulden, dass über sie erfolgreicher geschrieben und publiziert wurde als über andere, mit denen sie verbunden waren, kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass weder Boone noch Carson darauf aus waren, solchen Ruhm zu erhalten. Darüberhinaus nahmen beide Männer diesen öffentlichen Beifall zur Kenntnis, ohne ihre Persönlichkeit oder ihre Lebenssicht zu verändern. Es ist diese Charakteristik, die sie beim amerikanischen Volk in so anhaltender Weise beliebt gemacht hat. … Keiner von beiden besaß in markanter Weise die Eigenschaft eines Führers, obwohl Carson in seinen späten Jahren diese Fähigkeiten zu einem gewissen Grad entwickelte. Beide Männer zeigten eine erheblich größere Neigung, zugunsten anderer zu handeln als zum eigenen Vorteil. … Der wirkliche Schlüssel zum Charakter dieser beiden Männer lag in ihrer Schlichtheit, im besten und bewundernswertesten Sinn dieses Wortes.“ Harvey Lewis Carter, 1968: 179-180

„Kit Carson war ein Musterexemplar einer Klasse von Männern, die in ihrer Zeit von größtem Nutzen war, aber heute sind sie so antiquiert wie Jason mit dem Goldenen Flies, Ulysses von Troja, der Chevalier La Salle von den Seen, Daniel Boone in Kentucky … sie alle gehören einer dahingeschiedenen Vergangenheit an.“

General William T. Sherman, 1868

„Kit Carson war ein Mann unter Männern, der Typus des echten amerikanischen Pioniers, nicht nur furchtlos, sondern mit klarem Sinn, und so freundlich, wie er auch stark war. Alle, die Carson gut kannten, werden, wenn sie von ihm sprechen, nicht nur seiner gedenken als eines tapferen Mannes, eines großen Jägers, oder eines kaltblütigen, scharfsinnigen, bewundernswerten Führers, sondern zuerst und zärtlich an ‚den lieben alten Kit’.“

Jessie Fremont, 1868

RendezvousBegruessung

„The Greeting“ bei Beginn eines Trapper-Rendezvous. Gemälde von Alfred Jacob Miller, ca. 1858.

Die Rendezvous und das Ende der Mountain Men

Ab 1825 kam es an den Ufern des Green River zu den großen „Rocky Mountain Rendezvous“, den alljährlichen Treffen der Pelzhändler, Mountain Men und Indianer.

Die Rendezvous waren der spektakuläre Ausdruck der eigenen Kultur und Lebensart, die der amerikanische Pelzhandel entwickelte. Hier inmitten der Wildnis trafen sich Tausende von Menschen: Händler zogen mit den begehrten Tauschwaren von Osten heran. Trapper und Indianer der unterschiedlichsten Stämme brachten das erbeutete Pelzwerk, das sie wochenlang auf Maultierrücken oder auf den eigenen Schultern durch die Berge geschleppt hatten, um es zu verkaufen.

Die Trapper feilschten um die Preise, und sie versorgten sich mit frischen Lebensmitteln, die es in der Wildnis nicht gab – wie Kaffee, Tee, Zucker, Mehl, Tabak – und Ausrüstungen.

Bei diesen Treffen wurden Nachrichten ausgetauscht und neue Vereinbarungen geschlossen. Partnerschaften wurden geschmiedet oder gingen auseinander. Rivalitäten wurden ausgekämpft. Es wurde Musik gemacht und getanzt, es wurden Glücksspiele gespielt und Freundschaften geschlossen.

(Drury 1997: 64)