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Das Buch

Ayrin ahnt nicht im Geringsten, wie sehr die Ereignisse am Drachentor den Hexenfürst beeindruckt haben. Ihr einzigartiges magisches Talent flößt ihm großen Respekt ein. Mehr noch: Kann dieses Mädchen ihm, dem Fürst aller Hexen, sogar gefährlich werden? Nicht wenn er sie auf seine, die dunkle Seite der Magie, ziehen kann! Der Hexenfürst spinnt einen hinterhältigen Plan. Dabei kommt Ayrin den schwarzen Runen der Alben bedrohlich nahe. Kann sie sich so überhaupt noch für die Magie der weißen Runen entscheiden?

Der Autor

© privat

Torsten Fink, Jahrgang 1965, aufgewachsen an der Nordsee und im Nahetal, arbeitete lange als Texter, Journalist und literarischer Kabarettist. Er schreibt und lebt heute in Mainz, am liebsten mit Blick auf den Dom.

Der Verlag

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Viel Spaß beim Lesen!

Der Fürst aller Hexen lag im Sterben. Schon wieder. Ansleyd von Sulbur, seit wenigen Wochen Oberste ihrer Schwesternschaft, stand mit verschränkten Armen an seiner Bettstatt und betrachtete ihn besorgt. Sie war nicht leicht zu erschüttern, aber die Lage schien ihr mehr als ernst.

»Was starrt Ihr so«, fuhr der Namenlose sie unwirsch an, bevor ein Hustenanfall den schwachen Körper durchschüttelte.

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich frage mich, ob Ihr noch stark genug seid, das Ritual durchzuführen, Herr.«

»Im Schlaf und mit verbundenen Augen«, keuchte der Hexenfürst und nahm einen langen Schluck aus der Karaffe, die an seinem Lager stand. Er hielt sich nicht damit auf, das Wasser in den bereitstehenden Becher zu füllen. Das Fieber setzte ihm unübersehbar zu. Ansleyd von Sulbur war keine Heilerin, ganz im Gegenteil, dennoch erkannte sie, dass es nur noch eine Frage von bestenfalls ein oder zwei Tagen war, bis das Leben diesen Körper verlassen würde.

»Habt Ihr endlich einen geeigneten Kandidaten bestimmt, Hexe?«

»Nach reiflicher Überlegung habe ich eine Vorauswahl getroffen, ja. Und alle vier haben aus freien Stücken eingewilligt.«

Der Hexenfürst starrte sie an. »Freiwillige? Habt Ihr ihnen nicht gesagt, um welches Ritual es geht?«

»Es kann sein, dass ich ein oder zwei Kleinigkeiten ausgelassen habe.«

Wieder schüttelte ein Hustenanfall den ausgezehrten Körper. Ansleyd konnte die Rippen zählen. Nachdenklich betrachtete sie ihn. Im Grunde genommen war es ein Wunder, dass der Namenlose überhaupt noch – oder wieder – lebte. Seit dreihundert Jahren war der Fürst in diesem Saal seiner eigenen Festung eingesperrt. Er hatte nur so lange überlebt, weil ihn ein Alb einst in ein dunkles Ritual eingeweiht hatte, mit dessen Hilfe er Seele und Geist in einen anderen Körper übertragen konnte: das Hugr.

Dann, vor einem halben Jahr, hatte es so ausgesehen, als ob der Fürst seinem Kerker entkommen könnte. Die besten seiner Hexen und Zauberer hatten ihn in einer fernen Höhle vor einem Drachenportal beschworen. Dazu hatten sie einen dort schlafenden Drachen geschlachtet, und mit der Kraft seines magiedurchdrungenen Blutes wäre es beinahe gelungen, dem Namenlosen dort einen neuen Leib und seine Freiheit zu verschaffen. Leider hatte es zwei dieser Bestien in der Höhle gegeben, und die andere war erwacht und hatte den Fürsten und fast alle seine Untergebenen zu Asche verbrannt. Zum Glück war das Ritual noch nicht abgeschlossen gewesen. So kehrte der an die Festung gebundene Geist des Hexenfürsten zurück in seinen alten Körper. Doch der war durch die von Drachenfeuer unterbrochene Beschwörung geschwächt worden.

Schwester Ansleyd seufzte. Sie hatten den erstbesten jungen Zauberer, einen Waldländer namens Gurs, gezwungen, das Hugr-Ritual zu durchlaufen. Aber etwas war schiefgegangen. Der junge Mann war fast vom ersten Tag an krank und leidend gewesen – und jetzt lag er im Sterben.

»Bitte?« Der Namenlose hatte sie etwas gefragt, aber sie hatte nicht zugehört.

»Wo seid Ihr mit Euren Gedanken, Ansleyd? Ich fragte, welcher Zauberer in dieser Festung noch nicht von diesem Ritual gehört hat.«

»Nun, jetzt kommen wir zu dem Punkt, der Euch vielleicht nicht gefallen wird, Herr.« Sie holte tief Luft. »Wie Ihr wisst, haben wir viele gute Leute bei dem Verhängnis in der Höhle verloren. Und manche von denen, die entkamen, kehrten nicht hierher zurück, vermutlich, weil sie Euch für tot und Eure Sache für verloren hielten. Als dazu noch offensichtlich wurde, dass Euer gerade erst angenommener Körper bald sterben, also ein neuer gesucht wird, verschwanden weitere.«

»Feiglinge!«, zischte der Fürst.

»Ohne Frage, Herr«, stimmte ihm Ansleyd zu. »Jedenfalls halten sich derzeit gerade noch fünf Zauberer in Eurer Festung auf, und keiner von denen ist unter siebzig. Deshalb«, sie holte noch einmal tief Luft, »habe ich mich entschlossen, etwas Neues zu versuchen.«

Sie deutete auf vier Männer, die an der Tür des riesigen Saals warteten. Selbst aus dieser Entfernung sah die Hexe ihnen an, wie beeindruckt sie von all dem hier waren.

Der Fürst kniff die Augen zusammen. »Wer, bei der Welt der Toten, sind diese Männer? Sind es … Manen?«

»Bergkrieger, ganz recht, Herr. Ich habe ihnen gesagt, dass einem von ihnen die Ehre zuteilwerden kann, Euren Geist für eine Weile zu tragen. Wenn man es wörtlich nimmt, ist das nicht einmal gelogen.«

»Ihr wollt den Geist des größten Zauberers dieser Welt in den dumpfen Verstand eines Wilden einsperren? Seid Ihr von Sinnen?«

»Wenn ich das Ritual richtig verstehe, werden Geist und Seele des Empfängers bei dem Übergang doch ausgelöscht, oder? Es ist vermutlich überflüssig zu erwähnen, dass ich dieses Detail den Freiwilligen gegenüber nicht erwähnt habe. Seht sie Euch an, Herr – kräftige, kampferprobte Männer mit Muskeln aus Stahl. Vielleicht ist so ein Leib ein besseres Gefäß für euren überragenden Geist, als der eines Bücherwurms.«

»Und gleich vier? Alles Freiwillige?«

»Ja, Ihr könnt also sogar einen auswählen, und keiner wird sich verweigern. Sie haben unermessliche Achtung vor Euch, Herr. Ich allerdings würde den Jüngsten und Kräftigsten empfehlen. Möge sein Leib Euch lange dienen.«

Der Hexenmeister schwieg für eine Weile, dann sagte er: »Winkt sie heran. Ich will sie mir ansehen, Ansleyd.«

Sie gab den Männern an der Tür ein Zeichen und sie näherten sich langsam und respektvoll. Schwester Ansleyd reckte sich. Sie war groß, größer als die meisten Männer der Festung und um das noch zu unterstreichen, trug sie ihr hüftlanges blondes Haar als Knotenturm auf dem Kopf. Das, und die schwarze Augenklappe über dem fehlenden linken Auge, waren hilfreich, um jungen Hexen und Zauberern Ehrfurcht einzuflößen.

Der Mane, den sie empfohlen hatte, war der Einzige von den vieren, der noch größer war als sie. Er war jung, trug aber bereits einige Kampfnarben auf der halbnackten Brust. Sie musterte den Kandidaten und fand, dass sie gut gewählt hatte. Endlich ein Körper, der würdig war, den unvergleichlichen Geist des Hexenfürsten zu tragen, dachte sie, und war sehr zufrieden mit sich, als der Namenlose ihrem Vorschlag zustimmte.

Wenige Stunden später standen die beiden Männer aneinandergekettet an einem Pfosten in der Mitte eines Runenkreises. Ansleyd von Sulbur hielt die Spannung kaum noch aus. Nach außen verbreitete sie Zuversicht, aber tausend Dinge konnten schiefgehen. Und wenn es missglückte, wäre es ihre Schuld.

Der Abend war angebrochen. Bronzene Kohlebecken spendeten rötliches Licht. Mit Ansleyd standen drei weitere verhüllte Hexen um den Kreis. Sie hatte die Unterlagen ihrer Vorgänger noch einmal gründlich studiert. Früher hatte man nur den Anwärter eng an den Pfosten fesseln müssen, damit er das Ritual nicht störte, denn bisher hatte sich keiner freiwillig gemeldet. Jetzt war es vor allem der Namenlose selbst, den sie durch zusätzliche Riemen an den steinernen Pfosten binden mussten, einfach, weil er sonst zusammengebrochen wäre.

Er hatte die schwarzen Runen selbst zeichnen wollen, allerdings fehlte ihm dazu die Kraft. Ansleyd von Sulbur hatte diese Arbeit übernommen, zusammen mit den drei zitternden Hexenschwestern, denen sie genau auf die Finger sah, bei allem, was sie taten. Am Ende war sie zufrieden, und doch voller Sorge – ein winziger Fehler, und sie würde dem mächtigsten Zauberer, den die Welt je gesehen hatte, den Tod bringen.

Der Fürst drängte zur Eile, behauptete, die Runen seien gut genug, aber sie bezweifelte, dass er überhaupt erkennen konnte, was die Hexen dort mit Schwarzschwefel und Blut auf den Boden malten. Sie überprüfte den Runenkreis noch einmal. Dies war das wichtigste Ritual ihres Lebens.

Seit Jahren diente sie dem Hexenfürsten, noch länger als der Narr Ortol, der dennoch an ihr vorbei zur rechten Hand des Namenlosen befördert worden war. Und dann hatte Ortol sie zurück an die Schwefelseen geschickt, verbannt, traf es vielleicht eher. Er wusste genau, wie sehr sie die stinkenden Seen, an denen sie geboren war, verabscheute. Es war ihm ganz recht geschehen, in dieser Drachenhöhle zu verbrennen. Sie war sofort in die Schwarze Festung geeilt, als sie davon gehört hatte. Endlich schien der Namenlose ihren Wert zu erkennen. Nun allerdings musste sie sorgfältig sein, sonst würde der Fürst, den sie so verehrte, eines unwürdigen Todes sterben. Er schien mit jedem Atemzug schwächer zu werden, bemerkte kaum, dass sie ihm die Zeichen auf die Brust malten. Sie mussten sich beeilen.

Der Krieger ließ das langwierige Ritual völlig unbewegt über sich ergehen. Selbst, als sie ihm Runen auf die Haut zog, zuckte er nicht. Er stellte auch keine Fragen. Dann waren die Runen vollendet. Schwester Ansleyd verbrannte seltene Kräuter, und Schwester Byrma, eine vielversprechende junge Hexe, rezitierte die alten Bannsprüche in der Albensprache, bevor die Schwestern die Elemente der ersten Welt beschworen: Sie schlugen Eisen auf Eisen, Holz auf Holz, Stein auf Stein und Eis auf Eis. Ansleyd dachte daran, wie viel Mühe es gekostet hatte, von den Bergen genügend Eis herzuschaffen, damit es jetzt, im Sommer, nicht gleich vollständig dahinschmolz. Zum Glück verfügte die Schwarze Festung über tiefe Verliese.

Sie atmete durch und nahm das Messer zur Hand. Nachdenklich betrachtete sie die Klinge. Ein Leben musste enden, damit der Fürst neu erstehen konnte. Und wenn sie einen Fehler gemacht hatte? Sie schüttelte energisch den Kopf. Der alte Leib war todgeweiht, da machte es keinen Unterschied mehr. Sie holte tief Luft, trat an den zitternden Zauberer heran, der sie mit glasigen Augen anstarrte, und setzte den tödlichen Stich in das Herz des Fürsten. Geschickt fing Schwester Byrma das Blut in einer silbergefassten Kristallkaraffe auf.

»Kein Tropfen darf verloren gehen«, mahnte Ansleyd ihre Hexenschwester, während das Leben aus dem Fürsten wich. Sein Blick brach. Sie ließen ihn ausbluten und gaben das Gefäß einer der Hexenschwestern, die rasch Albenkräuter darunter rührte. Endlich trug Ansleyd das Gefäß hinüber zu dem Krieger. Er nahm es ihr aus der Hand und trank, ohne zu zögern.

»Langsam. Das ist kein Met«, mahnte sie ihn, als ihm Fäden von Blut über das Kinn liefen. Er grinste nur noch breiter und leerte die Karaffe bis zur Neige. Dann schleuderte er sie lachend quer durch den großen Saal an eine der schmucklosen Wände, wo sie klirrend zerbarst.

»Bin ich nun der Fürst der Hexen und Zauberer, Weib?«, fragte er herausfordernd. »Dann löst diese Ketten und bringt mir Wein!«

»Noch nicht«, sagte sie lächelnd und trat einen Schritt zurück.

»Was…?« Der Krieger verstummte, erbleichte und ein Zittern lief durch seinen Körper. Er stöhnte erst leise, dann lauter und schließlich begann er zu schreien.

»Der Anfang ist gemacht, Schwestern«, stellte Ansleyd von Sulbur fest. »Kommt, wir ziehen uns zurück, bis die Wandlung abgeschlossen ist.«

»Wie lange dauert das?«, fragte Schwester Byrma mit sorgenvoller Stimme. »Es klingt, als litte er schreckliche Schmerzen.«

»Morgen früh ist es vorbei. Wenn er Glück hat, wird er vorher ohnmächtig. Bruder Gurs, der den Meister zuletzt aufnahm, wurde es jedenfalls.« Sie wusste, dass es noch andere Möglichkeiten gab, zum Beispiel die, dass der Krieger vom Geist des Zauberers überfordert war und starb. Und das alte Gefäß war dann leer und tot. Es gab kein Zurück. Aber das verschwieg Ansleyd von Sulbur ihren Hexenschwestern.

Ayrin hatte ein Glöckchen gehört. Sie war sich ganz sicher. Sie setzte sich auf. Draußen war es schon hell, kein Wunder, so kurz nach Mittsommer. Sie streckte sich und stieß den Fensterladen auf. Das Licht des neuen Tages fiel in ihre Kammer. Es schien ein weiterer, schöner Tag werden zu wollen. Ayrin Rabentochter streckte sich und betrachtete ihr kleines Reich, das im Wesentlichen aus Fächern, Schubladen, Kästchen, Netzen und noch mehr Fächern zu bestehen schien. Keine Handbreit des Wagens blieb ungenutzt, in jedem Winkel hatte Meister Maberic etwas aufzuheben oder zu verbergen. Sie glaubte längst nicht mehr, dass er wirklich wusste, was in jedem dieser Fächer verstaut war, wie er behauptete, aber das war auch nicht wichtig. Sie streckte sich noch einmal und stand endlich auf.

Im schmalen Gang, der zum Eingang des großen Wagens führte, stieß sie sich wieder einmal den Kopf an einer der Pfannen, die dort, neben vielen anderen, oft rätselhaften Dingen, von der Decke baumelten. Doch das konnte ihre gute Laune nicht trüben. Sie trat hinaus an die frische Luft und atmete tief ein. »Herrlich«, murmelte sie, und wusste selbst nicht so genau, was sie meinte. War es die weite Landschaft aus grünen Hügeln und erhabenen Bergen, oder einfach die Tatsache, dass ihr Leben so eine unerwartete und glückliche Wendung genommen hatte? Vor ein paar Monaten war sie noch die Schuldmagd eines böswilligen Gastwirts gewesen und hatte bestenfalls davon träumen dürfen, einmal aus dem Horntal herauszukommen. Nun war sie eine Schülerin der Runen und bereiste das Land.

Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass ihr Meister schon auf den Beinen war. Er stand mit nackten Füßen in einem Bach und schien zu lauschen.

»Guten Morgen, Meister Maberic«, rief sie fröhlich.

»Still doch!«, rief er mit ernster Miene zurück und hob auch noch die Rechte zum Zeichen, dass sie schweigen möge. In der linken Hand hielt er ein kleines Pergament. Ayrin glaubte, eine Rune darauf zu erkennen.

Sie verstand nicht, was er da tat, aber er würde es ihr – vielleicht – noch erklären. Sie begrüßte die vier Zugpferde, die friedlich im Gras weideten und kletterte dann auf das Heck des Wagens, um Eier aus dem Hühnerkäfig zu holen, wie sie es jeden Morgen tat. Die Hühner beäugten sie misstrauisch, ließen sie aber gewähren. Dann fiel ihr wieder der helle Ton ein, der sie geweckt hatte. Da hing eine kleine Glocke außen am Hühnerkäfig, aber die hatte keinen Klöppel. Sie hatte dem Meister einmal vorgeschlagen, sie zu entfernen, da die armen Pferde schon genug zu schleppen hatten, und es auch höchste Zeit sei, den Wagen einmal auszumisten – warum also nicht mit dem Glöckchen anfangen? Da aber hatte sie einen langen Vortrag zu hören bekommen, dass jedes Ding in diesem Gefährt eine Bedeutung und Aufgabe habe, die sie, als Schülerin, noch nicht erfassen könne. »Gerade diese Glocke muss unbedingt bleiben, wo sie ist«, hatte Meister Maberic abschließend gesagt, ohne mehr zu erklären.

Ayrin seufzte. Sie hatte schon viel von ihrem Meister gelernt, mehr, als sie sich vor einem Jahr hätte träumen lassen, allerdings liebte er es leider, ihr manche Dinge zu verschweigen.

»Gute Neuigkeiten«, hörte sie ihn rufen. Er kam aus dem Bach und trocknete seine nassen Füße mit seinem dicken Mantel ab, den er am Ufer abgelegt hatte.

»Wir haben auch Tücher für diesen Zweck, Meister«, merkte Ayrin kritisch an.

»Wie? Ach, wozu die Umstände? Willst du nicht hören, was es für Neuigkeiten sind?«

»Doch, natürlich.«

»Das Treffen findet statt.«

»Welches Treffen?«

»Na, das, das ich vorgeschlagen hatte.«

»Wem vorgeschlagen?«, fragte Ayrin, die kein Wort verstand. Sie hatten in den letzten Wochen viele Höfe und Dörfer mit schützenden Runen versorgt. Und sie hatten Gelegenheit für viele lange Unterhaltungen gehabt, aber von einem Treffen war nie die Rede gewesen.

»Na, mit den anderen Runenmeistern!«, rief er mit einer Geste, die Verzweiflung über ihre Begriffsstutzigkeit ausdrückte.

»Wann habt Ihr …? Und vor allem, wie habt Ihr …?

»Wie? Mit einer Rune natürlich. Oder genauer gesagt, mit einer Runenbotschaft. Die Gewässer der Sturmlande sind zuverlässige und schnelle Boten.«

»Wartet – der Bach? Ihr habt in diesem Bach gerade eine Runenbotschaft empfangen?«

»Das sagte ich ja, oder nicht?«

»Aber – wie?«

»Habe ich dir nie erklärt, wie der kundige Runenmeister mithilfe eines Gewässers eine Botschaft über Hunderte von Meilen schicken kann?«

»Nein, ganz entschieden nein, das habt Ihr nicht, Meister!«, rief Ayrin mit verschränkten Armen. Jetzt war sie doch verstimmt.

»Nun, dann sollte ich das vielleicht bei Gelegenheit tun.« Er sah sie mit einem offenen Lächeln an. »Ich vergesse manchmal, wie viel du noch zu lernen hast, Ayrin Rabentochter.«

»Und wie lautet sie nun?«

»Wer?«

»Die Botschaft, die Euch der Bach überbracht hat!«

»Ach, die … Nun, wie gesagt, es gibt ein Treffen der Runenmeister. Am Thingsee, zu Herbstbeginn. Und das wiederum heißt, wir werden meinen nichtsnutzigen Neffen und deinen Bruder wiedersehen.«

»Das sind wirklich gute Neuigkeiten«, sagte Ayrin, und ihre Verstimmung verflüchtigte sich. Sie vermisste ihren Zwillingsbruder Baren. So oft geschah etwas, bei dem sie ihn nach seiner Meinung gefragt oder von dem sie ihm einfach gerne erzählt hätte. Aber er war nicht da, zog mit dem jungen Meister Thimin durch einen ganz anderen Teil der Sturmlande. Dabei wollte er nicht einmal Runenmeister werden. Bis eben hatte es jedenfalls in den Sternen gestanden, wann sie einander wiedersehen würden. Runenmeister zogen das ganze Jahr durch das Land und boten den Leuten ihre Dienste für wenig Geld an. Jeder hatte sein eigenes Revier und traf nur höchst selten auf ein anderes Mitglied der Bruderschaft. Ayrin kannte überhaupt noch keine anderen Lare als eben Thimin, den Neffen ihres Meisters. Nun also sollte es ein Treffen geben. »Es sind aber noch fast drei Monate bis dahin«, sagte sie jetzt mit einem Seufzer.

»Monate voller Mühen und Plagen, vor allem für mich, da ich mir in meiner Einfalt die schwere Bürde auferlegt habe, dir die heilige Kunst der Runen näherzubringen«, sagte der Meister in sichtbar gespielter Verzweiflung. »Nun denn, eines nach dem anderen. Und das andere ist, dass wir erst einmal frühstücken sollten. Du hast die Eier geholt? Sehr gut. Ich habe großen Appetit auf Rührei.«

»Ich auch«, sagte Ayrin lachend und ging daran, den Speck für die Rühreier zu schneiden. Sie fand, dass das Leben gut zu ihr war. Wenn es nach ihr ging, konnte es ruhig so bleiben.

Ansleyd betrat die hohe Halle erst spät. Sie hatte lange gebraucht, um den nötigen Mut aufzubringen. Die ganze Nacht hatte sie kaum ein Auge zugetan, im sicheren Gefühl, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben. Tausend Dinge konnten bei diesem Ritual schiefgegangen sein: Vielleicht nahm der Körper eines Kriegers den Geist eines Magiers nicht an – oder er verkrüppelte den dunkel strahlenden Geist des Namenlosen mit seiner Primitivität. Jetzt folgte die Oberste der Hexen dem langen Läufer und spähte in die Schatten der Halle. Sie schritt durch die unsichtbare, magische Barriere, die den Fürsten an diesen Ort band. Dann sah sie ihn: Er saß mit gekreuzten Beinen am Pfosten und schien … sich zu langweilen. Ein gutes Zeichen, oder? »Wie geht es Euch, mein Fürst?«, rief sie.

Er nickte ihr zu. »Gut geht es. Ich neige nach jedem Hugr dazu, die Schmerzen schnell zu vergessen, die der Übergang bereitet. Vielleicht, weil sie den alten Geist mehr peinigen als den neuen. Wer weiß das schon?«

»So ist die Übernahme abgeschlossen? Ist der Krieger besiegt?«, fragte sie und näherte sich vorsichtig.

»Nicht ganz.« Er erhob und reckte sich. »Er kämpft noch gegen mich. Taunuras ist sein Name, und sein Wille ist stark. Ihr hattet recht, Ansleyd, diese Kraft, diese Energie in jeder Sehne! Er war eine gute Wahl. Und sein Verstand – er ist nicht dumm, dieser Wilde und im Denken kühner als mancher Zauberer, dessen Leib ich übernahm.« Er warf einen geradezu mitleidigen Blick auf den toten Gurs.

»Ich bin erfreut, das zu hören, Herr«, versicherte Ansleyd. Alles schien glattgegangen zu sein, und das war etwas, was sie erhofft, aber nicht erwartet hatte.

»Dann löst meine Fesseln, Hexe, wir haben viel zu tun.«

Ansleyd löste die Ketten mit vor Aufregung zitternden Fingern.

Kaum fiel die letzte Schelle, als der Fürst sie mit beiden Händen am Hals packte. »Eine Ehre sei es, hast du gesagt, Weib«, zischte er. »Verschwiegen hast du, dass es Sklaverei bedeutet und Auslöschung!« Er schob sie mit erstaunlicher Kraft quer durch die Halle und schnürte ihr mit seinen Händen die Luft ab. Schwester Ansleyd wehrte sich, doch sie war dem Mann nicht gewachsen. Ihr wurde schon schwarz vor Augen, als er sie plötzlich mit einem Schrei losließ und fassungslos auf seine Hände starrte. Sie stürzte zu Boden. Die Barriere!, dachte sie. Der Krieger hatte nicht an die unsichtbare Grenze gedacht, die nur den Hexenfürsten dort drinnen hielt, nicht aber sein Opfer.

»Bei den Göttern …«, begann er, dann taumelte er einen Schritt zurück, schüttelte sich in einem heftigen Krampf und brach halb zusammen, bevor er ebenso langsam wieder auf die Beine kam wie Schwester Ansleyd. Dann straffte er sich. »Ein erstaunlich starker Wille, wie ich bereits sagte.«

»Seid Ihr es, Herr?«

»Ja, jetzt bin ich es. Aber Taunuras wütet noch und tobt. Lassen wir ihn. Kommt, wir haben einiges zu besprechen.«

Ansleyd befühlte ihren Hals. »Wenn es Euch recht ist, würde ich das vorerst lieber von außerhalb des Bannkreises tun, Herr.«

Er schüttelte unwillig den Kopf, dann zuckte er mit den Achseln. »Wenn Ihr Euch fürchtet …« Er reckte und streckte sich. »Mein alter Leib hat lange krank darniedergelegen, und ohne Frage habe ich viel versäumt. Berichtet mir, was es Neues gibt in der Welt.«

Hier hatte Schwester Ansleyd nicht viel Gutes zu berichten: Die Zahl der Hexen und Zauberer, die sich in der Festung aufhielten, hatte beklagenswert abgenommen, und die Welt draußen schien zu spüren, dass die Bedrohung durch die alte Macht des Fürsten gesunken war. »Sie scheinen aufzuatmen, Herr.«

Er winkte unwillig ab. Das schien ihn nicht zu interessieren. »Und – das Mädchen?«, fragte er.

»Ihr meint Ayrin Rabentochter, nehme ich an? Sie reist weiter mit dem Runenmeister. Anscheinend meint sie es ernst damit, die Kunst bei ihm zu erlernen.«

»Dabei hat sie das kaum nötig. Sie war es, die den Drachen geweckt hat. Sie hat das Portal geöffnet, nur einen Spaltbreit, doch strömte genug Magie aus der Drachenwelt, um die Bestie auf mich zu hetzen. Dieses Mädchen besitzt Fähigkeiten, wie ich sie seit Jahrhunderten nicht gesehen habe. Es war, als hätte die Helia selbst mit ihr gesprochen. Ist Eure Hexenschwester Ragne ihr noch auf den Fersen?«

»Ja, Herr.«

»Gut, ich habe Pläne für diese junge Runenmeisterin, große Pläne, Schwester Ansleyd. Ich will, dass sie eine von uns wird!«

»Eine Hexe?«

»Eine Meisterin der schwarzen Runen! Eine, wie sie die Welt seit meinen großen Tagen nicht gesehen hat.«

In Gedanken wiederholte Ansleyd die Worte: Meisterin der schwarzen Runen. »Ich habe noch nie gehört, dass es so etwas gibt, Herr«, wandte sie vorsichtig ein.

Er betrachtete sie und sein Blick erschien ihr geradezu spöttisch. »Ich selbst war Meister dieser Kunst. Was glaubt Ihr, wie es mir gelungen ist, Zwietracht zwischen Menschen und Drachen zu säen? Schwarze Runen haben mir geholfen, den Krieg zu entfesseln. Sie haben die Portale zur Drachenwelt verriegelt, und sie haben diese Barriere errichtet, die nicht einmal Drachenfeuer durchdringen kann.« Er deutete auf die unsichtbare Wand.

»Dann haben Euch diese Runen auch hier eingesperrt?«

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »So ist es, und es ehrt Euch, dass Ihr nicht davor zurückschreckt, mich an meinen Fehler zu erinnern. Früher hätte ich Euch für diese Unverschämtheit vielleicht die Kehle herausgerissen, aber heute? Nun, ich denke, ich habe einen Weg gefunden, diese Scharte auszuwetzen. Ja, ich werde die Barriere bald niederreißen und der Welt die Dunkelheit bringen, die sie braucht, um von der Vergiftung durch die Drachen und ihre Magie zu heilen.«

»Und wie gedenkt Ihr, dieses Kunststück zu vollbringen, Herr?«, fragte Ansleyd skeptisch. »Es ist Euch dreihundert Jahre nicht geglückt.«

»Das Eiserne Buch, Schwester Ansleyd, das ist der Schlüssel. Ihr werdet von diesem Werk vielleicht noch nie gehört haben, denn schon damals wussten nur wenige überhaupt von seiner Existenz, dabei ist es das machtvollste Runenbuch, das je verfasst wurde. Es enthält die schwarzen Runen der Alben, jene Zeichen, mit deren Hilfe ich den Drachenkrieg ausgelöst habe. Und Ayrin Rabentochter, meine vielleicht gefährlichste Feindin, wird mir dieses Buch bringen.«

Die Räder knarrten, die Achsen stöhnten, und der hohe Wagen schwankte immer wieder bedenklich auf der holprigen Straße. Ayrin musterte den Weg vor ihnen mit skeptischer Miene. »Geht das noch lange so weiter, Meister? Ich fange an, mir um die Räder Sorgen zu machen.«

»Ach, das alte Mädchen kann schon einiges vertragen, das solltest du langsam wissen, Ayrin«, sagte der Meister und klopfte mit der Linken auf das Holz des Wagens.

»Trotzdem. Wenn dieser Ort, zu dem wir fahren, so bedeutend und wichtig ist, wie Ihr sagt, sollte man meinen, dass die Wege dorthin in einem anständigen Zustand sein müssten.«

Wieder wurde der Wagen schwer durchgerüttelt.

Meister Maberic stieß einen leisen Fluch aus. »Er ist nicht besser geworden, seit dem letzten Mal, das steht fest«, murmelte er dann. »Ich möchte zu meiner Verteidigung vorbringen, dass der Ort zwar berühmt und bedeutend, vor allem aber alt ist. Früher haben sich am Thingsee die freien Männer der Sturmlande zu Rat und Gericht versammelt, wie es heißt. Später trafen sich dort einmal im Jahr die Fürsten, dann irgendwann niemand mehr, und inzwischen nutzen nur noch wir Runenmeister den Ort für unsere seltenen Treffen, denn er liegt fast genau in der Mitte der Sturmlande. Leider kümmert sich niemand um diese alte Straße. Es ist schade, dass es für Schlaglöcher keine Rune gibt. Du kannst trotzdem aufhören, dich zu beschweren, denn wir sind gleich da.«

Ayrin spähte nach vorne, konnte aber immer noch nichts sehen, was auf den geheimnisvollen Ort hindeutete, über den der Meister so wenig verraten wollte. Die Straße, eigentlich war es nur ein schlechter Feldweg, zog sich durch das hügelige Land in Richtung der schroffen Berge, die, wie ihr der Meister erklärt hatte, die Mittberge genannt wurden. Die spätherbstliche Landschaft erschien ihr karg und wenig anheimelnd. Das kurze Gras war braun, die vereinzelten Kiefern wurden von einem kalten Herbstwind gebeugt und die großen Findlinge, die wie hingestreut auf den Hügeln ruhten, erinnerten sie an ihre Heimat, das Horntal, in das sie vorerst nicht zurückkehren konnte. Davon bekam sie Heimweh. Und dann war da noch etwas anderes: Seit sie die Drachenhöhle hinter sich gelassen hatte, hatte sie das Gefühl, dass sie verfolgt wurden. Meister Maberic glaubte ihr offenbar nicht. Und wenn einmal zwei Reiter in der Ferne auftauchten, tat er das als Zufall ab. Es war ja auch richtig – die Reiter kamen niemals näher, und das Gefühl, dass sie beobachtet wurden, war so unbestimmt, dass sie es sich vielleicht wirklich nur einbildete. Sie blickte zurück. Die braunen Hügel hinter ihr lagen leer und verlassen. Kein Mensch oder Tier war zu sehen.

»Das soll der Mittelpunkt der Sturmlande sein? Es wirkt trostlos«, sagte sie seufzend.

»So, meinst du?« Der Meister zwinkerte ihr zu. Die vier Pferde zogen den Wagen keuchend eine steile Kuppe hinauf.

»Soll ich nicht lieber absteigen und sie führen, Meister? Dann hätten die armen Tiere auch weniger zu ziehen.«

»Deine paar Pfunde bemerken sie kaum. Außerdem ist es die letzte Anstrengung für sie, wenn ich mich nicht irre.«

Kurz darauf erreichte der zweistöckige Wagen die Hügelkuppe und Meister Maberic hielt an. »Siehst du?«, fragte er lächelnd und wies voraus.

Ayrin blieb der Mund offen stehen. Vor ihnen breitete sich ein weites Tal aus und es glich in nichts dem kahlen Land, das sie seit Tagen durchquerten. Ein See schimmerte dort unten, und dahinter erstreckte sich ein bunt verfärbter Buchenwald vor beeindruckenden Bergflanken. Mit Staunen betrachtete sie die riesenhaften Steinsäulen, die unweit des Sees im Kreis angeordnet waren. Doch am meisten entzückte sie der Anblick eines rot bemalten Wagens, der am Ufer abgestellt war. »Sie sind da!«, rief sie. »Baren und Thimin sind hier!« Es hielt sie nicht mehr auf dem Bock. Sie sprang vom Wagen und rannte den Weg hinunter.

Meister Maberic rief ihr etwas hinterher, aber sie achtete nicht darauf. Sie rannte zum See, um ihren Bruder, den sie so lange nicht gesehen hatte, in die Arme zu schließen. »Baren! Baren!«, wiederholte sie immer wieder. Sie nahm weder die beiden anderen Gefährte noch die Menschen am Feuer oder die Pferde am Ufer wahr. Sie hatte nur Augen für den roten Wagen, aus dem jetzt jemand heraustrat. Es war Meister Thimin. Er winkte ihr zu und rief etwas in den Wagen hinein. Dann wurde er zur Seite geschoben. Ja, es war Baren. Er lief ihr ein Stück entgegen und dann lagen sie sich in den Armen. »Mir scheint, du hast mich vermisst«, sagte er mit einem schiefen Grinsen.

Sie löste sich von ihm und boxte ihm gegen den Arm. »Holzkopf!«, schimpfte sie. »Du mich etwa nicht?«

»Deine Schläge auf keinen Fall«, sagte er lachend und nahm sie dann noch einmal in den Arm. »Natürlich habe ich dich vermisst, Schwesterherz.«

»Er hat tatsächlich ein- oder zweimal erwähnt, dass du ihm fehlst, Ayrin Rabentochter«, sagte jemand.

»Meister Thimin! Es tut gut, Euch zu sehen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte er mit einer übertrieben eleganten Verbeugung. »Ihr seid seit unserem Abschied noch schöner geworden, Ayrin Rabentochter.«

Ayrin errötete. »Seit wann so förmlich?«, wehrte sie ab und fiel dann dem jungen Runenmeister um den Hals.

Inzwischen war auch das schwere Gefährt von Meister Maberic näher herangekommen. »Thimin, du Nichtsnutz! Spar dir deine übertriebenen Komplimente und mach dich lieber nützlich mit den Pferden.«

»Onkel Mabi! Ich freue mich auch, dich zu sehen.«

»Ja, ja, meinetwegen«, knurrte es vom Kutschbock. Der Meister zügelte die Pferde, legte die Bremse an und kletterte betont umständlich vom Wagen.

»Maberic, alter Halunke, wird ja auch langsam Zeit!«

Erst jetzt nahm Ayrin wahr, dass noch andere Menschen am See waren. Es waren genau genommen drei. Zwei hielt sie sofort für Runenmeister, einer schien ein Schüler zu sein.

Der, der gesprochen hatte, war nur wenig größer als Meister Maberic, aber deutlich rundlicher. Sein zufriedenes Gesicht erinnerte sie an einen sehr satten Kater, und seine Kleidung wirkte neu und gepflegt.

»Geskar, du Gauner, es ist immer ein Fest, dir zu begegnen«, begrüßte ihn ihr Meister.

Der zweite Meister schien deutlich älter als seine Runenbrüder zu sein. Sein gürtellanger Bart war zwar schlammig braun, sein ebenfalls langes Haar allerdings schneeweiß. Er steckte in einem löchrigen Wollmantel und trug eine ebensolche Mütze. Das, was Ayrin zuerst auffiel, war jedoch der ausgewachsene Kormoran, der auf seiner Schulter saß. Der schwarz gefiederte Vogel schien sie neugierig zu beäugen. Der Runenmeister räusperte sich vernehmlich und sagte dann: »Ist das dein neuer Schüler? Es ist ein Mädchen, oder nicht? Kann es kochen?« Ein leichter Geruch von Moder umwehte ihn.

Ayrin holte empört Luft, aber dann lachte der Alte und sagte: »Nur ein Spaß, junge Frau, nur ein Spaß. Ich habe viel von Euch gehört, wisst Ihr? Ihr vielleicht auch von mir? Oder hat mich der alte Mabi vor Euch verheimlicht? Dann wisset – ich bin Jotur Lennegar Mastus vom Eidfenn, ehrwürdiger Lar der Runen und Beschützer von Myr und dem südlichen Hama!« Er hatte sich regelrecht in Positur geworfen, aber jetzt erschlaffte sein Leib wieder, er zwinkerte ihr zu und sagte schlicht: »Meine Freunde nennen mich Jölm.«

»Ich habe natürlich schon vom berühmten Meister Jölm gehört«, gab Ayrin höflich zurück. Sie wusste noch nicht, was sie von dem Alten und seinem Kormoran halten sollte. Ihr Meister hatte eigentlich wenig mehr als die Namen seiner Runenbrüder verraten und auf Fragen immer nur »wirst schon sehen« gebrummt.

Meister Jölm hatte ihren Blick bemerkt. »Das ist Gata, mein Liebling, wie ich zugeben muss. Wenn Ihr wollt, stelle ich Euch auch die anderen vor, aber nur, wenn Ihr ihnen nicht verratet, was ich gerade gesagt habe. Sie sind schrecklich eifersüchtig.«

»Ihr besitzt mehrere?«

»Anscheinend hat mein alter Freund Maberic doch nicht so viel über mich erzählt.« Er trat näher an sie heran und raunte: »Er hält mich für ein wenig verrückt, fürchte ich. Nicht nur wegen der Kormorane.«

»Verrückt? Na, selbstverständlich! Genau wie wir anderen«, rief Meister Maberic. »Komm her, alter Schlammfuß!« Und dann umarmten sich die beiden Männer herzlich.

»Dein Haar ist grau geworden, alter Mann«, rief Lar Geskar und klopfte Meister Maberic auf die Schulter.

»Und dein Bauch wird immer fetter«, hielt ihm Meister Maberic fröhlich entgegen. »Deine Frau verwöhnt dich zu sehr.«

»Verwöhnen? Da kennst du meine Nima aber schlecht. Ich nehme nur zu, wenn ich nicht zu Hause bin.«

»Dann warst du in letzter Zeit wohl sehr viel unterwegs, wie?«

»Das auch, aber eigentlich ist mein unbegabter Schützling schuld.« Meister Geskar wies mit dem Daumen auf den jungen Mann, der etwas abseits stand und nicht recht zu wissen schien, wie er sich verhalten sollte. »Was die Runen betrifft, ist Nateric noch schwerer von Begriff als gewisse hier anwesende Runenmeister – ich will keine Namen nennen – es in ihrer Jugend waren, aber als Koch ist er ganz brauchbar.« Zufrieden strich er über seinen Bauch.

Die beiden Männer lachten und dann schüttelten sie einander lang und innig die Hände.

»Wirklich, es tut gut, dich zu sehen, Maberic. Und das ist also deine berühmte Schülerin?«

»Ayrin, komm her. Das ist Meister Geskar von Sonhal, ein Mann, der nicht nur die schwierigsten Runen meistert, nein, er hat auch das Kunststück vollbracht, als Runenmeister eine Familie zu gründen.«

»Das war kein Kunststück. Ich hatte das Glück, einer äußerst hartnäckigen Frau in die Arme zu laufen, die sich auch von meiner immer wieder monatelangen Abwesenheit von Haus und Hof nicht abschrecken ließ«, erklärte Geskar lachend.

»Ihr habt sogar ein Haus?«, fragte Ayrin erstaunt.

»Am Molmsee, denn der liegt ungefähr in der Mitte der Ländereien, denen ich den Schutz meiner Runen anbiete.«

»Du bist eben ein Glückskind«, meinte Meister Maberic.

»Ohne Frage«, gab Geskar lächelnd zurück. »Kommt ans Feuer und wärmt euch auf, dieser Herbstwind ist eine echte Plage. Jölms Kormorane haben uns ausreichend Fisch besorgt, und Nateric hat aus ihnen garantiert irgendwas Genießbares gezaubert.«

»Die Kormorane?«, fragte Ayrin ihren Bruder leise, als sie Hand in Hand mit ihm zum Feuer ging.

»Er hat sie abgerichtet.« Baren wies mit einem Nicken zum Ufer, an dem ein winziges Boot lag. Seltsame Stangen ragten aus seiner Bordwand. Auf dreien saßen schwarze Kormorane und starrten hinaus auf den See. »Es ist erstaunlich. Sie fangen Fische für ihn, und eine Schlinge am Hals verhindert, dass sie sie herunterschlucken.«

»Das heißt, wir essen, was diese Vögel schon halb im Bauch hatten?«

»Stell dich nicht so an, Schwester«, sagte Baren und knuffte sie in die Seite.

Bald darauf saßen sie am Feuer, um das sich Nateric, meist kurz Nat gerufen, zu kümmern hatte. Ayrin hatte versucht, sich ihm vorzustellen, aber er hatte nur verdrossen genickt und sich dann wieder um die Fische gekümmert, die, das gab Ayrin gerne zu, hervorragend schmeckten.

Während der Mahlzeit tauschten die Runenmeister Geschichten aus. Meist ging es darum, wer wem wie aus der Patsche geholfen hatte, oder wer vor wie vielen Jahren welche Dummheit begangen hatte. Ayrin wollte wissen, wie sie Runenmeister geworden waren, und es war Meister Geskar, der zu einer weitschweifigen Antwort ausholte. »Im Gegensatz zu den anderen Kindern meines Dorfes war ich wissbegierig. Ich fragte unserem Aba so lange Löcher in den Bauch, bis der nicht mehr weiterwusste und mich Meister Lirbas empfohlen hat. Und bei dem habe ich dann alles gelernt, was ich über Runen weiß.«

»Was weniger ist, als es sein sollte«, stichelte Meister Maberic.

»Das sagt der Richtige«, rief Lar Geskar. »Ihr solltet wissen, dass Meister Mentalf, der Meister von unserem Mabi hier, mehrfach drauf und dran war, ihn davonzujagen, weil er so schwer von Begriff war.«

»Einmal!«, verteidigte sich der Genannte. »Er hat mich genau einmal fortschicken wollen, aber dann eingesehen, dass er einen besseren Schüler nicht finden wird. Er war kein besonders guter Lehrer, doch von Runen, von denen verstand er was.«

Ayrin erfuhr unter den vielen Frotzeleien, die die Lare austauschten, dass sie ungefähr zur gleichen Zeit zu Runenmeistern wurden. »Und als wir endlich zu Laren geweiht waren, hat es noch einmal fünfzehn Jahre gedauert, bis unsere Meister uns genug vertrauten, um uns allein losziehen zu lassen.«

»Bei mir nur zwölf«, meinte Meister Maberic.

Sein Runenbruder seufzte. »Wisst Ihr, Ayrin Rabentochter, früher war es üblich, dass ein Schüler sich nach ein paar Jahren von seinem Meister trennte und ein eigenes Revier bekam, doch unsere Meister waren beide schon alt. Sie setzten sich zur Ruhe und überließen uns die Wagen. Das ist natürlich ein schlechtes Zeichen, denn es zeigt, dass es zu wenige Schüler gab – und immer noch gibt. Es reicht mit knapper Not, die Alten zu ersetzen. Es heißt, in der guten alten Zeit seien die Runenbrüder zu Dutzenden durch die Sturmlande gezogen.« Er ließ den Branntweinkrug kreisen, und die Meister redeten wieder über alte Zeiten.

Ayrin hörte bald nicht mehr zu. Sie fragte ihren Bruder lieber über die vergangenen Monate aus.

»Da gibt es wenig oder sehr viel zu berichten«, antwortete der. »Wenig, weil im Grunde genommen seit unserer Trennung nichts Aufregendes passiert ist, viel, weil ich so ungeheuer viel gelernt habe. Wir waren nämlich in Fleedtbur, einem Städtchen unweit der Sintküste. Dort haben sie über viele Jahrzehnte eine Bibliothek zusammengetragen, die in den Sturmlanden wohl ihresgleichen sucht. Ich habe dort mehr über Astronomie und Geometrie gelernt, als du dir vorstellen kannst. Zum Glück konnte ich auch einige Bände günstig erwerben. Sie haben mir sogar Werke der Sternenmeister von Kandt verkauft!«

»Aha.«

»Was ist? Warum siehst du mich so komisch an, Ayrin?«

»Weil ich kaum ein Wort von dem verstehe, was du sagst, lieber Bruder. Aber ich sehe, dass du glücklich bist.«

»Und du nicht?«

»Oh, auch ich habe viel gelernt. Leider habe ich bisher kaum Gelegenheit gehabt, mein Wissen anzuwenden. Die Leute wollen ihre Runenbeutel lieber von einem Meister als von seiner Schülerin gefertigt haben. Da kann ihnen Meister Maberic noch so oft erklären, dass meine Runen so gut wie seine sind – sie wollen die Runen von ihm.«

»Ach, das gibt sich. Wenn du erst einmal alt und grau bist, werden die Leute dir glauben, dass du dein Handwerk verstehst.«

Sie knuffte ihn wieder. »Alt und grau, ja?«

Und dann lachten sie beide.

Ayrin wurde ernst. »Und – hast du etwas aus Halmat gehört?«

Baren schüttelte den Kopf. »Tim, ich meine, Meister Thimin, will den weiten Umweg nicht auf sich nehmen. Ich habe zwei Briefe an Nurre geschickt, aber bisher keine Antwort erhalten. Ich hoffe, es liegt nur daran, dass wir auf unserer Wanderschaft schwer zu finden sind.«

Ayrin seufzte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, denn sie hatte weniger oft an ihre Ziehmutter gedacht als sie, nach ihrer eigenen Meinung, sollte. »Auch ich habe ihr dreimal geschrieben. Und einmal Lell und Grit. Es kam kein Wort zurück. Sie werden doch nicht …«

»Ach, hör auf. Du weißt selbst, wie zäh Nurre ist. Und Grit und Lell sind bestimmt nur zu beschäftigt damit, den Blauen Drachen am Laufen zu halten. Wenn etwas Schlimmes geschehen wäre, hätten wir eine Nachricht von Aba Brohn erhalten, oder?«

Ayrin nickte. Der Priester von Halmat mochte ein eitler Schwätzer sein, doch bei Fragen von Leben und Tod nahm er seine Pflichten ernst. »Trotzdem ist es beunruhigend«, stellte sie fest. Und dann dachte sie wieder einmal an einen gewissen Leutnant, von dem sie auch nichts gehört hatte, aber über den wollte sie jetzt nicht reden. Eine Weile starrte sie ins Feuer, schließlich fragte sie: »Die Sterne … du sagst, dass du viel über sie gelernt hast. Auch über die Portale.«

Baren nickte. »In den Büchern aus Kandt war viel Wissen über Stern- und Mondbewegung versammelt. Wenn man erst ein paar grundlegende Dinge über die Mechanik des Himmels verstanden hat, ist es gar nicht mehr so schwer, die zukünftigen Konstellationen zu berechnen.«

»Und das heißt?«

»Ich kann bereits heute voraussagen, wo sich in den nächsten fünf Jahren Drachenportale offenbaren werden.«

»Fünf Jahre?«, staunte sie. »Meister Thungal auf der Bärenburg hatte seinerzeit gerade einmal das nächste vorhersagen können.«

Ihr Bruder nickte. »Leider muss ich sagen, dass keines dieser fünf in der Nähe von Halmat liegt. Ich werde weiter rechnen, aber es kann noch Jahrzehnte dauern, bis sich das Tor wieder zeigt, das wir finden müssen.«

Ayrin schwieg betreten. Ihre Mutter, die die Zwillinge in Halmat ausgesetzt hatte, als sie noch kein Jahr alt gewesen waren, hatte sich vermutlich bei einem Drachenportal versteckt. Sie hatte immer noch nicht begriffen, warum. Die Tore zur Drachenwelt waren seit dreihundert Jahren verschlossen. Selbst für die Drachen. Und dann war da wieder der Gedanke an die Höhle, in der es ihr gelungen war, das Portal einen Spaltbreit zu öffnen. Sie hatte Drachenblut für die Rune verwendet, und wusste nicht, wie sie auf die Idee gekommen war. Und woher hatte sie gewusst, welche Rune sie zeichnen musste? Meister Maberic meinte, die Helia müsse ihr das zugeflüstert haben, jene unsichtbare magische Macht, die die Welt umgab wie ein fein gesponnenes Netz. Und wenn ihre Mutter die auch hören konnte?

Der Gedanke an die Höhle ließ Ayrin erschaudern. Blut und Tod hatte sie dort gesehen, und zwar mehr als genug davon für ein ganzes Leben. Sie verfiel in nachdenkliches Schweigen.

Erst nach einer ganzen Weile merkte sie, dass auch die anderen Gespräche verstummt waren. Das Feuer knisterte, der Wind ließ den Herbstwald vor den Bergen rauschen und die Wellen des Sees plätscherten leise ans Ufer. Die Kormorane, schwarze Schatten in der Abenddämmerung, hatten sich stumm auf ihren Stangen zusammengekauert.

Es war Meister Geskar, der die Stille unterbrach: »Nun, da wir uns an unseren Erinnerungen gewärmt haben, solltest du uns erklären, Maberic, warum du uns hergerufen hast, und vor allem solltest du endlich mit der Sprache herausrücken, was in jener Höhle wirklich geschehen ist. Es fällt mir nämlich schwer, die Gerüchte zu glauben, dass du einen Drachen geweckt und auf die armen Bauern in den Riesenhügeln losgelassen hast. Und dein sonst so mitteilsamer Neffe Thimin will darüber nicht reden.«

»Hat er ausnahmsweise mal seinen Mund gehalten? Erstaunlich, aber vielleicht wird er langsam klug.«

»Du weißt schon, dass ich hier sitze, Onkel, oder?«

Meister Maberic murmelte etwas davon, dass er ja nicht blind sei. Dann seufzte er. »Aber vielleicht hast du recht, Geskar. Es wird Zeit, dass ich die Vertreter unserer Zunft einweihe. Allerdings wollte ich damit warten, bis wir vollzählig sind.«

»Ich denke, das sind wir. Meister Tokkart verlässt Gramgath inzwischen gar nicht mehr. Oder hat er auf deine Einladung geantwortet?«

»Nein, das nicht«, gab Maberic zu.

Ayrin war immer noch ein wenig verärgert, weil ihr Meister sie nicht in diese beeindruckende Kunst der Nachrichtenübermittlung einweihen wollte.

»Tokkart kommt also nicht. Das ist vielleicht gar nicht so schlecht. Er hatte ja mehr und mehr die Angewohnheit, sich als unser Erster aufzuspielen«, brummte Lar Maberic.

»Vielleicht, weil er es, rein dem Namen nach, auch ist«, warf Meister Geskar ein.

Ayrins Meister reagierte darauf nur mit einem missbilligenden Knurren. »Und Meister Hondyr?«

»Wurde zuletzt vor drei Jahren gesehen, als er nach Leydh und ins Krähenland ziehen wollte, um die Leute dort mit Runen zu versorgen«, berichtete Geskar. »Er wollte nicht wahrhaben, dass sie dort längst unter den Bann des Bösen geraten sind. Traurigerweise müssen wir uns daher als vollzählig versammelt betrachten. Du hast also keine Ausrede mehr.«

Meister Jölm hob die Hand. »Bevor wir hier aber über die wirklich wichtigen Dinge reden, lasst mich dafür sorgen, dass wir es ungestört und unbelauscht tun.«

»Hier ist doch kein Mensch«, meinte Meister Geskar stirnrunzelnd.

»Da bin ich mir nicht sicher. Der Wind sagt, dass mehr als nur wir sieben in diesem Tal sind.«

Ayrin erhob sich und sah sich beunruhigt um. Die Dämmerung war weit fortgeschritten. Das Feuer flackerte, und die Menschen warfen lange, unruhige Schatten. Am Rande des Lichtkreises standen die schweren Wagen, jeder eigentümlicher gebaut als der andere, und dahinter weideten die Pferde. Ayrin hatte das Gefühl, dass der alte Meister recht hatte. Da? War da nicht eine Bewegung zwischen den Steinen? Nein, das war wohl nur ein Kaninchen, das über das kurze Gras hoppelte.

»Dann tu, was du nicht lassen kannst«, meinte Lar Geskar gleichmütig und nahm sich noch etwas von dem Fisch.

Ayrin fand es hochinteressant, einem anderen Meister bei der Arbeit zuzusehen. Jölm schrieb seine Runen nämlich nicht auf Papier, er ritzte sie mit einem Stock in die Erde und streute dann Drachenstaub darüber. Es waren zwei und Ayrin erkannte eine davon als Nebelrune.

»Nebel und Stille«, erklärte ihr der Lar, obwohl sie gar nicht gefragt hatte.

»Jölm kann sieben Arten von Nebel machen, und darauf ist er sehr stolz«, flüsterte ihr Thimin zu. Sie hörte den Spott in seiner Stimme und war doch beeindruckt. Eine Rune auf Pergament zu zeichnen war schwer genug, aber der Alte schaffte es, all die feinen Verästelungen, die es zu beachten galt, mit einem Stock in die Erde zu kratzen.

Jölm vom Eidfenn wischte sich die Hände ab und sagte zufrieden: »Das sollte genügen.«

Er hatte sich noch nicht wieder am Feuer niedergelassen, als dichter Nebel aus dem Boden aufstieg. Und mit den weißen Schwaden kam lastende Stille. Ayrin hatte das Gefühl, dass es ihr die Luft abschnitt.

»Dass du auch immer so übertreiben musst, Jölm«, knurrte Meister Maberic.

»Es wird jeden ungewollten Zuhörer aussperren«, verteidigte sich der Gescholtene.

»Wahrscheinlich ist hier kein Mensch außer uns. Und ich kann dich kaum noch sehen. Reine Verschwendung von Drachenstaub.«

»Der Wind sagt etwas anderes. Du darfst nicht nur auf die Helia lauschen, alter Freund. Sie ist nicht die Einzige, die zu uns spricht.«

»Es kann auf jeden Fall nicht schaden«, schlichtete Meister Geskar. »Also, Maberic, weihe uns endlich ein, in deine dunklen Geheimnisse.«