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Die Herausgeber

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Maria Wasner ist Kommunikationswissenschaftlerin und Psychoonkologin. Seit 2008 ist sie Inhaberin der Professur für Soziale Arbeit in Palliative Care an der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH) und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kinderpalliativzentrum der LMU München. Sie ist Mitglied der Taskforce Social Work der European Association for Palliative Care (EAPC) und war von 2012 bis 2018 Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP).

Prof. Dr. rer. biol. hum. Maria Wasner
Professorin für Soziale Arbeit in Palliative Care
Katholische Stiftungshochschule München und Kinderpalliativzentrum am
Dr. v. Haunerschen Kinderspital, LMU München
E-Mail: Maria.Wasner@ksh-m.de

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Josef Raischl ist Diplom-Sozialpädagoge und Diplom-Theologe. Er arbeitet seit 1992 beim Christophorus Hospiz Verein e. V. (CHV) in München, dessen ambulantes Hospiz und Palliative Care-Team er aufbaute und viele Jahre leitete. Darüber hinaus leitet er das Christophorus Hospiz Institut für Bildung und Begegnung und ist seit dem Jahr 2012 fachliche Gesamtleitung des Christophorus-Hauses München, einschließlich eines SAPV-Teams und eines stationären Hospizes. Seit 2006 ist er zudem stellvertretender Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Landesvertretung Bayern, und im Lenkungskreis des Münchner Hospiz- und Palliativnetzwerkes (www.mhpn.de) aktiv.

Dipl. Theol. Dipl. Sozialpäd. Josef Raischl
Fachliche Leitung Christophorus-Haus München, Christophorus Hospiz Verein
e. V. München
E-Mail: raischl@chv.org

Maria Wasner Josef Raischl (Hrsg.)

Kultursensibilität am Lebensende

Identität – Kommunikation – Begleitung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034639-0

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-034640-6

epub:     ISBN 978-3-17-034641-3

mobi:     ISBN 978-3-17-034642-0

 

Autorenverzeichnis

 

 

 

Abdallah-Steinkopff, Barbara

Dipl.-Psychologin, Psychotherapeutin, PPT

Refugio München

transfer – Fortbildungs- und Forschungsakademie, München

Barbara.Abdallah-Steinkopff@refugio-muenchen.de

Al Halabi, Muhammad Zouhair Safar, Dr. med. (Syr)

Arzt für Innere Medizin, Strahlentherapie und Palliativmedizin, Düren

Zentralrat der Muslime in Deutschland, Beauftragter für medizinische Ethik, Tierschutz und Umwelt

dr.halabi@gmx.de

Allgaier, Thomas

Dipl.-Theologe

Einrichtungsleiter Haus an der Waakirchner Straße

Katholischer Männerfürsorgeverein München e. V. (KMFV), München

thomas.allgaier@kmfv.de

Bergmann, Lia

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Geschäftsstelle Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V., Berlin

lia.bergmann@palliativmedizin.de

Brinkmann, David, M. A.

Ethnologe

Ethnomedizinisches Zentrum e. V., Hannover

dbrinkmann@ethnomed.com

Bükki, Johannes, PD Dr. med.

Leitender Arzt

SAPV Hospizdienst DaSein e. V., München

dr.j.buekki@hospiz-da-sein.de

El-Bakri, Riad

Heilpraktiker, Astrologe, Mediator in Gesundheitsthemen

München

astromedikus@hotmail.com

Fuchs, Christoph, Dr. phil.

Leitender Arzt

Akutgeriatrie Spital Zofingen ag, Zofingen

christoph.fuchs@spitalzofingen.ch

Gavranidou, Maria, Dr. phil.

Dipl.-Psychologin

PPT, Zentrum für Psychische Gesundheit, München

Maria.Gavranidou@web.de

Goldmann, Jürgen

Dipl.-Sozialpädagoge

Bonn Lighthouse – Verein für Hospizarbeit e. V., Bonn

goldmann@bonn-lighthouse.de

Hein, Kerstin. Dr. phil.

Licenciado en Psicologia (Univ. Diego Portales), Forschungskoordination

Kinderpalliativzentrum am Dr. v. Haunerschen Kinderspital, LMU München, München

Kerstin_Karen.Hein@med.uni-muenchen.de

Hirsmüller, Susanne, Dr. med.

M.Sc. Palliative Care, M. A., Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Psychoonkologin

Hospiz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf, Düsseldorf

info@medizinethikteam.de

Hummel, Kerstin, B. A.

Sozialpädagogin

Ambulanter Hospizdienst, Palliativ-Geriatrischer Dienst, Christophorus Hospiz Verein e. V., München

hummel@chv.org

Jox, Ralf J., Prof. Dr. med. Dr. phil.

Palliativmediziner und Medizinethiker

Geriatrische Palliative Care und Institut für Medical Humanities, Centre

Hospitalier Universitaire Vaudois und Universität Lausanne, Lausanne, Schweiz

ralf.jox@chuv.ch

Kilian, Anna

Fachdienst erweiterte Bedarfe und Organisationsentwicklung, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Palliativfachkraft

Helfende Hände gemeinnützige GmbH zur Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener, München

anna.kilian@helfende-haende.org

Kóródi, Katalin

Interkulturelle Trainerin, systemische Beraterin (SG), München

kkorodi@gmail.com

Kromm-Kostjuk, Elena

Dipl.-Psychologin

Ethnomedizinisches Zentrum e. V., Hannover

Ekromm-kostjuk@ethnomed.com

Krupp, Silvia

Gerontologin (FH)

Lebensgestaltung Demenz, München

Silvia.krupp@lebensgestaltungdemenz.de

Kühlmeyer, Katja, Dr. rer. biol. hum.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU München, München

Katja.Kuehlmeyer@med.uni-muenchen.de

Milbradt, Robert

Dipl.-Sozialpädagoge

Systemischer Berater

Ambulantes Hospiz- und Palliative Care-Team, Christophorus Hospiz Verein e. V., München

milbradt@chv.org

Peuten, Sarah, M. A.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung (ZIG), Universität Augsburg, Augsburg

sarah.peuten@phil.uni-augsburg.de

Rabben-Storch, Annette

Dipl.-Sozialpädagogin

Fachstelle für häusliche Versorgung

Landeshauptstadt München

rabben-storch@gmx.de

Randak, Gabriele

Supervision und Coaching, München

www.gabriele-randak.de

Reichelt, Sandra

Dipl.-Sozialpädagogin

Master of Science in Social Work

Kinderpalliativzentrum am Dr. v. Haunerschen Kinderspital, LMU München, München

Sandra.Reichelt@med.uni-muenchen.de

Reindl, Birgit

Dipl.-Sozialpädagogin

Systemische Therapeutin (SG), Fachbereichsleitung Soziale Arbeit und ehrenamtliche Begleitung

Ambulantes Hospiz- und Palliative Care-Team, Christophorus Hospiz Verein e. V., München

reindl@chv.org

Salman, Ramazan

Dipl.-Sozialwissenschaftler

Medizinsoziologe

Ethnomedizinisches Zentrum e. V., Hannover

ethno@salman.info

Schellhammer, Barbara, PD Dr. phil.

Dozentin für Interkulturelle Bildung

Hochschule für Philosophie München, München

barbara.schellhammer@hfph.de

Schneider, Werner, Prof. Dr. phil.

Professur für Soziologie

Universität Augsburg, Augsburg

Werner.Schneider@phil.uni-augsburg.de

Schröer, Margit

Dipl.-Psychologin

Medizinethikteam Düsseldorf, Düsseldorf

info@medizinethikteam.de

Theißing, Katarina

Altenpflegerin, MAS Palliative Care

Stationäres Christophorus Hospiz und Christophorus Hospiz Verein e. V., München

Institut für Bildung und Begegnung

theissing@chv.org

Trautwein, Eva-Maria

Pädagogisch-psychologischer Dienst, Leitung Fachdienst Erwachsene, Palliativfachkraft

Helfende Hände gemeinnützige GmbH zur Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener, München

evamaria.trautwein@helfende-haende.org

Wagner, Leonhard

Dipl.-Sozialwirt (univ.)

Geschäftsführer des Christophorus Hospiz Verein e. V. und der Christophorus Hospiz Verwaltungs GmbH, München

www.chv.org

Zenker, Dinah

Pflegedienstleitung

Saul Eisenberg Seniorenheim der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, München

pdl-ses@awo-muenchen.de

 

Inhalt

 

 

 

  1. Autorenverzeichnis
  2. Vorwort
  3. Geleitwort
  4. I Kultur – Begriffsklärung und Abgrenzung
  5. 1 Was ist Kultur?
  6. Kerstin Hein
  7. 1.1 Historische Entwicklung des Kulturbegriffs
  8. 1.1.1 Klassische Grundbedeutung: Natur versus Kultur
  9. 1.1.2 Zivilisation als normatives Kulturkonzept
  10. 1.1.3 Kultur als Lebensweise eines Volks
  11. 1.1.4 Kultur und Klasse
  12. 1.2 Die Interpretation von Kultur
  13. 1.2.1 Kultur als Lebenswelt
  14. 1.2.2 Kultur als Struktur
  15. 1.3 Kulturelle Begegnungen und die Kritik an essentialistischen Kulturkonzepten
  16. 1.4 Was ist nun Kultur?
  17. 1.5 Kultur und Begleitungen am Lebensende
  18. 2 Die Begegnung mit Fremdem als Grenzerfahrung: Zur Bedeutung der Selbstsorge für die kultursensible Kommunikation
  19. Barbara Schellhammer
  20. 2.1 Verschiedene Umgangsformen mit Fremdheit und die Umwendung zu sich selbst
  21. 2.2 Zur Bedeutung der Selbstkultivierung für die Begegnung mit Fremdem
  22. 2.3 Kultursensible Kommunikation zwischen Selbstvergewisserung und Fremdheit: Selbstsorge heißt Sterben lernen
  23. 2.4 Fazit
  24. 3 Kultur und andere Perspektiven: Eine Handreichung für die Beratungspraxis
  25. Katalin Kóródi
  26. 3.1 Kulturelle Kontexte
  27. 3.2 Ein multiperspektivisches Analysemodell
  28. 3.2.1 Die individuelle Dimension
  29. 3.2.2 Die gesellschaftlichen und sozialen Kontexte
  30. 3.2.3 Zwischenfazit
  31. 3.3 Selbstreflexion der eigenen Kontexte
  32. 3.3.1 Kultureller Kontext
  33. 3.3.2 Soziale Kontexte
  34. 3.3.3 Der gesellschaftliche Kontext
  35. 3.4 Fazit
  36. II Kultur und Identität
  37. 4 »Wäre ich in der Heimat geblieben, würde ich schon nicht mehr leben« – Bedürfnisse von Migrantinnen am Lebensende
  38. Johannes Bükki
  39. 4.1 Bestehen Barrieren gegenüber einer palliativen Versorgung? 68
  40. 4.2 Wie stellen sich die Patientinnen die Versorgung am Lebensende vor?
  41. 4.3 Welche persönlichen Wünsche und Sorgen äußern Patientinnen?
  42. 4.4 Welche Themen werden eher von Menschen mit Migrationshintergrund genannt?
  43. 4.5 Was ist zu tun?
  44. 4.6 Zusammenfassung
  45. 5 Besondere Situation von Flüchtlingen
  46. Dr. Maria Gavranidou
  47. 5.1 Migrantinnen und Migranten mit Fluchthintergrund
  48. 5.2 Fluchterfahrungen
  49. 5.3 Migrationserfahrungen
  50. 5.4 Traumatisierungen
  51. 5.5 Implikationen für die Begleitung von Flüchtlingen am Lebensende
  52. 6 Eingedenk der unverlierbaren Würde: Menschen mit besonderen sozialen Herausforderungen
  53. Annette Rabben-Storch, Birgit Reindl und Robert Milbradt
  54. 6.1 Der Zusammenhang von Lebenslage und Gesundheit
  55. 6.2 Leben mit besonderen sozialen Herausforderungen
  56. 6.3 Krankheit und Sterben von Menschen mit besonderen sozialen Herausforderungen
  57. 6.4 Herausforderungen und Ansätze in der Praxis
  58. 6.4.1 Existenzielle Versorgung sichern
  59. 6.4.2 Vernetzung von Hilfen und Angeboten
  60. 6.4.3 Individualität wahrnehmen
  61. 6.4.4 Selbstbestimmung und Autonomie achten
  62. 6.4.5 Die Bedeutung von mitmenschlichem Beistand und Zuwendung
  63. 6.5 Fazit
  64. 7 Menschen mit Demenz
  65. Silvia Krupp und Kerstin Hummel
  66. 7.1 Grundlagen zur Demenz
  67. 7.2 Vom Fremdsein und Anderssein
  68. 7.2.1 Der Tod »kommt und geht auch wieder« – Perspektive von Menschen mit Demenz
  69. 7.2.2 »Das ist nicht mehr mein Werner« – Perspektive der An- und Zugehörigen
  70. 7.2.3 Fremd in der Heimat, fremd in der Fremde – Migranten mit Demenz
  71. 7.2.4 Was ist bei Demenzen anders? – Herausforderungen für das Versorgungssystem
  72. 7.3 Menschen mit Demenz begleiten
  73. 7.4 Was ist in der Begegnung und Begleitung von Menschen mit Demenz unterstützend?
  74. 8 Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen bis zum Ende des Lebens begleiten
  75. Anna Kilian und Eva-Maria Trautwein
  76. 8.1 Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft
  77. 8.2 Auch Menschen mit Behinderungen werden älter
  78. 8.3 Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen
  79. 8.4 Gesundheitliche Krisen und fortschreitendes Alter
  80. 8.5 Sterbebegleitung im Wohnheim – Neue Wege
  81. 8.6 Der palliative Weg
  82. 8.7 Abschied nehmen und Trauern
  83. 8.8 Der systemische Ansatz als Voraussetzung und Chance für ein gelingendes Miteinander
  84. 8.9 Aufbau einer Palliativ- und Hospizkultur als Aufgabe der gesamten Institution
  85. 9 Palliative Care für Wohnungslose
  86. Thomas Allgaier
  87. 9.1 »Gestorben wird immer und überall« – In der Mitte und am Rande der Gesellschaft
  88. 9.2 Wohnungslosigkeit
  89. 9.2.1 Wohnungslosigkeit – Eine formalbegriffliche Annäherung
  90. 9.2.2 Wohnungslosigkeit – Eine inhaltliche Weitung
  91. 9.2.3 Lebenslage alt und wohnungslos
  92. 9.3 Gute Praxis von Wohnungslosenhilfe und Hospizversorgung
  93. 9.4 Erfahrungswerte aus der Praxis
  94. 9.4.1 Ältere wohnungslose Menschen – Es wird Bilanz gezogen
  95. 9.4.2 Angehörigenarbeit in der Wohnungslosenhilfe – Können Sie mir zu meinem Verwandten etwas sagen?
  96. 9.4.3 Qualifikation der Mitarbeitenden – Was braucht es für eine gute Begleitung sterbender Menschen?
  97. 9.5 Personenzentrierte Haltung und Kommunikation
  98. 9.5.1 Aktives Hören
  99. 9.5.2 Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit
  100. 9.5.3 Sterben, Tod und Trauer einen Raum und ein Zuhause geben
  101. 9.6 Was in der Sterbebegleitung wohnungsloser Menschen den Weg weist
  102. 9.7 Entwicklungen
  103. 10 Palliativversorgung im Strafvollzug
  104. Lia Bergmann
  105. 10.1 Alte Menschen im Justizvollzug: Steigender Bedarf an Versorgungsangeboten
  106. 10.2 Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung im Strafvollzug
  107. 10.3 Externe Versorgung am Lebensende
  108. 10.4 Versorgung am Lebensende im Vollzug
  109. 10.4.1 Einschränkung in der Zugänglichkeit
  110. 10.4.2 Versorgendes Personal und soziale Bindungen
  111. 10.4.3 Mangel an Gestaltungs- und Beschäftigungs- möglichkeiten
  112. 10.5 Schlussbemerkung
  113. 11 Knockin’ on Heaven’s Door – Begleitung von schwer und langzeitsuchtmittelabhängigen Menschen
  114. Jürgen Goldmann
  115. 11.1 Betreutes Wohnen von Bonn Lighthouse – Verein für Hospizarbeit e. V.
  116. 11.2 Mögliche Aspekte in der Begleitung und Versorgung von opiatabhängigen Menschen
  117. 11.3 Lebensqualität Rausch
  118. 11.4 Alternative Substitution?
  119. 11.5 Haltung, Kompetenzen und Instrumente des Begleitungsteams
  120. 11.6 Perspektiven
  121. 12 Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität – LSBT*I (k)ein Thema?
  122. Susanne Hirsmüller und Margit Schröer
  123. 12.1 Begriffsklärung
  124. 12.2 Grundlegendes
  125. 12.2.1 Heteronormativität und Homonegativität
  126. 12.2.2 Auswirkungen der Biographie auf die Versorgung am Lebensende
  127. 12.3 Wissenschaftliche Fundierung
  128. 12.4 Fazit und praxisrelevante Informationen
  129. III Herausforderungen in der kultursensiblen Begleitung
  130. 13 Kultursensible Palliative Care und Hospizarbeit: Zur Frage nach der Zugangsgerechtigkeit
  131. Sarah Peuten und Werner Schneider
  132. 13.1 Sterben als Gestaltungsproblem
  133. 13.2 Würde und Selbstbestimmung als Frage nach dem Selbst (im Leben und) im Sterben
  134. 13.3 Zugangsrelevante Rhetoriken als diskursive Inklusions-/ Exklusionspraktiken
  135. 13.4 Gefährdete Zugangsgerechtigkeit durch Selbstbestimmung?
  136. 13.5 Fazit
  137. 14 »Ich weiß, dass ich nicht weiß« – Transkulturelle Kompetenz in der Palliativpflege
  138. Katarina Theißing
  139. 14.1 Die Begegnung mit dem Fremden – Herausforderung in der Pflege
  140. 14.2 Interkulturelle Pflege nach Leininger
  141. 14.3 Transkulturelle Kompetenz nach Domenig
  142. 14.4 Transkulturelle Kompetenz – Ein Prozess
  143. 14.5 Fallbeispiel – Frau R. aus Eritrea kommt ins Hospiz
  144. 14.6 Sind radikale Betroffenen-Orientierung und transkulturelle Kompetenz das Gleiche?
  145. 14.7 Frau R. aus Eritrea – Und was wir daraus lernen können
  146. 14.8 Fazit
  147. 15 Umgang mit Flüssigkeit und Ernährung am Lebensende
  148. Christoph Fuchs
  149. 15.1 Die spezielle Situation der Betagten
  150. 15.2 Akut oder chronisch neurologisch erkrankte Menschen und die Aspekte von Ernährung und Flüssigkeitsgabe
  151. 15.3 Onkologische Patientinnen und das Thema Ernährung und Flüssigkeitsgabe
  152. 15.4 Allgemeine Aspekte der »end of life care« und Flüssigkeits-/Ernährungstherapie
  153. 15.5 Kulturspezifische, spirituell und religiös verankerte »Widerstände« zum Thema Flüssigkeitsgabe und Ernährung am Lebensende
  154. 15.6 Fazit
  155. 16 Behandlungsentscheidungen aus muslimischer Perspektive
  156. Muhammad Zouhair Safar Al Halabi
  157. 16.1 Aufklärung über Erkrankung, Behandlung und/oder Prognose
  158. 16.2 Behandlungsentscheidungen und Palliative Care
  159. 16.3 Verantwortung für Leben und Gesundheit
  160. 16.4 Stellung von Leben und Tod sowie von Gesundheit und Krankheit
  161. 16.5 Umgang mit Medikamenten
  162. 16.6 Unterstützung durch das Pflegeteam und Behandlung auf der Palliativstation oder im Hospiz
  163. 16.7 Ernährung
  164. 16.8 Muslimische Seelsorge und Sterbebegleitung?
  165. 16.9 Bedeutung des Krankenbesuchs?
  166. 16.10 Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
  167. 16.11 Organspende
  168. 16.12 Kommunikation über Tod und Trauer?
  169. 16.13 Der Tod aus islamischer Sicht
  170. 16.14 Muslimische Rituale beim Tod
  171. 16.15 Trauer der Familie
  172. 16.16 Abschließende Worte
  173. 17 Behandlungsentscheidungen aus jüdischer Perspektive
  174. Dinah Zenker
  175. 17.1 Jüdische Grundlagen von Behandlungsentscheidungen
  176. 17.1.1 Heiligkeit des Lebens
  177. 17.1.2 Der Wert des Lebens
  178. 17.1.3 Der menschliche Körper als Eigentum G’ttes
  179. 17.1.4 Lebenserhaltung bei Lebensgefahr
  180. 17.2 Fallbeispiele
  181. 17.3 Fazit
  182. 18 Sterbeentscheidungen aus interkultureller Sicht
  183. Ralf J. Jox
  184. 18.1 Kultur und Ethik
  185. 18.2 Empirische Erkenntnisse
  186. 18.3 Umgang mit interkulturellen Moraldifferenzen
  187. 18.3.1 Differenzen innerhalb eines Behandlungsteams
  188. 18.3.2 Differenzen zwischen Behandlungsteam und Patientin
  189. 18.4 Differenzen innerhalb der Familie
  190. 18.5 Fazit
  191. 19 Besonderheiten der kultursensiblen pädiatrischen Palliativversorgung
  192. Sandra Reichelt und Katja Kühlmeyer
  193. 19.1 Pädiatrische Palliativversorgung (PPV)
  194. 19.2 Besonderheiten in der pädiatrischen Palliativversorgung (PPV) von Menschen mit Verständigungsschwierigkeiten
  195. 19.3 Ansätze interkultureller Öffnung von Einrichtungen des Gesundheitswesens
  196. 19.4 Besonderheiten in der pädiatrischen Palliativversorgung von kulturell vielfältigen Familien
  197. 19.4.1 Vorstellungen vom Angebot der Kinderpalliativ- versorgung
  198. 19.4.2 Familienkonstellationen
  199. 19.4.3 Die Bedeutung von Schmerz und Leiden
  200. 19.4.4 Ursache und Sinn von Krankheit, Sterben und Tod
  201. 19.4.5 Religion, Glaube und Spiritualität und der Einbezug von Fachkräften in spirituellen Belangen
  202. 19.4.6 Behandlungsentscheidungen
  203. 19.4.7 Kommunikationen über Tod und Sterben
  204. 19.5 Kulturelle Sensibilität und kulturelle Kompetenz in der Kinderpalliativversorgung
  205. 19.6 Fazit
  206. 20 Teamkultur
  207. Gabriele Randak
  208. 20.1 Team – »Toll, ein anderer macht’s!«?
  209. 20.1.1 Team-Definition
  210. 20.1.2 Wesentliche Voraussetzungen für gut funktionierende Teams
  211. 20.2 Besondere Teamvoraussetzungen bei der Begleitung am Lebensende
  212. 20.2.1 Ganzheit am Arbeitsplatz
  213. 20.2.2 Sicherheit im Team: Der geschützte Raum
  214. 20.2.3 Klima des Vertrauens
  215. 20.2.4 Reflexions- und Konfliktfähigkeit
  216. 20.2.5 Spiritualität: Gibt es ein Leben nach dem Tod?
  217. 20.3 Fazit
  218. 21 Kultursensibilität als Führungsaufgabe in Hospiz und Palliative Care
  219. Leonhard Wagner und Josef Raischl
  220. 21.1 Führungsstrukturen in Palliative Care
  221. 21.2 Kultur und Sensibilität
  222. 21.3 Mögliche konkrete Maßnahmen der Führungsebene
  223. 21.3.1 Bestandsaufnahme
  224. 21.3.2 Ziele setzen und Umsetzung planen
  225. 21.3.3 Strukturen schaffen
  226. 21.3.4 Personalentwicklung
  227. 21.3.5 Öffentlichkeitsarbeit
  228. 21.3.6 Kooperationen eingehen
  229. IV Hilfreiche Ansätze und Angebote
  230. 22 Kultursensible Kommunikation und Begleitung am Lebensende: Das Interkulturelle Pendeln
  231. Barbara Abdallah-Steinkopff
  232. 22.1 Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun
  233. 22.2 Kultur- und migrationsspezifisches Wissen in der Versorgung von geflüchteten Menschen
  234. 22.2.1 Selbstdefinitionen im Vergleich
  235. 22.2.2 Gesellschaftspolitische Faktoren
  236. 22.3 Kultursensible Haltung in der Versorgung von geflüchteten Menschen
  237. 22.4 Die Methode des Interkulturellen Pendelns
  238. 22.5 Direktivität versus Nondirektivität
  239. 22.6 Praktische Umsetzung des »Nichtwissens« in der Beratung
  240. 23 Transkulturelle Anamnese
  241. Maria Wasner
  242. 23.1 Von der Interkulturellen zur Transkulturellen Kompetenz
  243. 23.2 Was versteht man konkret unter transkultureller Kompetenz?
  244. 23.3 Transkulturelle Anamnese
  245. 23.4 Grenzen der Umsetzung
  246. 23.5 Fazit
  247. 24 »Der Erste-Klasse-Wagon im fahrenden Zug« – Erfahrungsbericht eines Dolmetschers
  248. Riad El-Bakri
  249. 24.1 Palliative Begleitung
  250. 24.2 Dolmetschen
  251. 24.3 Grundbegriffe
  252. 24.3.1 Was ist Kultur?
  253. 24.3.2 Was ist Religion?
  254. 24.4 Erfahrungsbericht
  255. 25 Mit Migranten für Migranten (MiMi) – Wissensvermittlung zur Hospiz- und Palliativversorgung durch interkulturelle Mediation
  256. David Brinkmann, Elena Kromm-Kostjuk und Ramazan Salman
  257. 25.1 Bayerische Informationskampagne mit Migranten für Migranten
  258. 25.1.1 Capacity Building für Menschen mit Migrations- hintergrund
  259. 25.1.2 Verbesserung der Health Literacy
  260. 25.1.3 Wegweiserbroschüre für Migrantinnen in Bayern
  261. 25.2 Fazit und Ausblick
  262. V Fazit und Ausblick
  263. Maria Wasner und Josef Raischl
  264. Literatur
  265. Sachwortverzeichnis

Vorwort

 

 

 

Die Wanderbewegung von Millionen von Menschen weltweit hat mit großer Wucht nun auch Zentraleuropa erreicht. Bürgerkriege, bewaffnete Auseinandersetzungen und Konflikte, Verfolgung und Vertreibung von Minderheiten und Andersgläubigen, soziale, kulturelle und politische Spannungen sowie nicht zuletzt wirtschaftliche Not und Verelendung führen dazu, dass Menschen etwas vom Grundlegendsten, was sie besitzen, aufgeben: ihre Heimat. Diese Bewegung hat in der Auseinandersetzung der Länder Europas die Frage nach der eigenen und fremden Kultur neu belebt und auch zugespitzt. Die Angst vor dem Fremden und den Fremden, die gar eigenen Besitz, Gewohntes und Geliebtes in Frage stellen, hat einen seit Kriegszeiten ungeahnten Höhepunkt erreicht. Angst bringt Abwehr hervor. Abwehr kann zu Abschottung, zu Mauern und Zäunen, zu Ausgrenzung und Absonderung führen.

Zuwanderer und Zuwanderinnen aus vielen Kulturkreisen sind auch Klientinnen, Patientinnen oder Mitarbeitende in Beratungsstellen, Krankenhäusern, Altenpflege- und sozialen Einrichtungen. Unterschiedliche Religionen, Sprachen und Kulturen treffen aufeinander. Ganz neue Dimensionen erreicht diese Begegnung mit dem Fremden insbesondere in der Pflege, die einen ihrer vielen kritischen Höhepunkte in der Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg erlebt. In München haben wir Pflegeheime, die nur noch mithilfe von ausländischen Fach- und Hilfskräften getragen werden können. Zum Teil haben wir einen Anteil von 75 % an ausländischen Pflegekräften im Jahr 2018. Und auf der anderen Seite wird in der Gesundheits- und Pflegeszene heftig über die zunehmende Technisierung, Tele-Medizin, Roboter in der Pflege usw. diskutiert. Die Zahl der Hochbetagten und Pflegebedürftigen nimmt in den nächsten Jahren weiter drastisch zu.

Diese »Bedrohung« durch das Fremde gilt aber nicht nur für die »Fremden«, sondern auch für die vielen fremden Kulturen und Subkulturen in unserem eigenen Land, in unserer Gesellschaft. Man denke dabei an Personen aus anderen sozialen Schichten oder Menschen mit besonderen (sozialen) Bedürfnissen, beispielsweise wohnungslose oder suchtmittelabhängige Menschen.

Das sind gesellschaftliche und gesundheitspolitische Entwicklungen, die natürlich auch die Versorgung von Schwerkranken und Sterbenden unmittelbar berühren. Mitarbeitende in Palliative Care- und Hospizeinrichtungen werden nach einer nunmehr über 30-jährigen Geschichte in Deutschland mit durchaus »anderen« und »fremden« Menschen und Zugehörigen-Systemen konfrontiert. Die Konzentration galt natürlicherweise der Spezialisierung und Etablierung von Fachkenntnissen, von Qualitätsstandards und der überschaubaren Umsetzung dieser Expertise. Das Gesundheitssystem hat in diesen Jahren vieles in diese neue und dynamische Szene delegiert.

Nun sind wir in den »Niederungen« der Realität angekommen und das Hospiz- und Palliativgesetz des Jahres 2015 brachte insbesondere die Kehrtwende hin zur allgemeinen Versorgung, zur Bearbeitung der Schnittstellen und zur Vernetzung. »Ihr im Hospiz habt gut reden!« (Motto des Palliativpflege-Fachtags an der Katholischen Stiftungshochschule im Februar 2018). Diese viel gehörte Aussage bezeichnet präzise die Herausforderung: Kann dieser Ansatz re-integriert werden in das allgemeine Versorgungssystem? In der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland wird genau in diesem Sinne gefordert: »Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt.« (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. et al. 2010, S. 11). Inmitten dieser großen systemischen Prozesse ist die Frage nach der Kultursensibilität am Ende des Lebens und in der Sorge-Welt am Ende des Lebens von zentraler Bedeutung für die Realisierung dieser Forderung.

Was dies meint, welche Aspekte darunter fallen und wie dies ganz praktisch aussehen kann, versuchen wir in diesem Band aufzuzeigen. Dabei gehen wir von einem weiten Kulturverständnis aus, das Kultur als Lebenswelt versteht. Lebenswelt meint dabei die Welt, die jede Person in ihrem Alltag vorfindet. Werte, Normen und Regeln werden zumeist als unabänderlich erlebt und nicht hinterfragt.

Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Beteiligung an diesem Buch. Unterschiedliche Charaktere zeichnen die Beiträge in diesem Buch aus, von wissenschaftlichen bis hin zu eher erfahrungsbezogenen Berichten. Des Weiteren wollen wir den Menschen danken, die uns bei der Erstellung des Buchs unterstützt haben: Das ist zum einen Frau Hamani, die uns bei der Endkorrektur und Formatierung unterstützt hat, und zum anderen Frau Boll und Frau Rapp vom Kohlhammer Verlag. Unser größter Dank gilt den sterbenden Menschen und ihren Familien mit höchst unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, die wir begleiten durften und die unsere größten Lehrmeister waren und sind.

Die Bandbreite und Verschiedenheit der einzelnen Beiträge in diesem Werk regt Sie, liebe Leser und Leserinnen1, hoffentlich dazu an, über die Sensibilität in der Begegnung mit dem Fremden, auch dem Fremden in uns selbst, nicht nur nachzudenken, sondern auch das ein oder andere in Ihre Welt zu übertragen und anzuwenden.

München, Mai 2019

Prof. Dr. Maria Wasner und Josef Raischl

1     Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden i. d. R. auf die Nennung verschiedener Formen verzichtet und ausschließlich die weibliche Form verwendet. Gemeint sind stets alle Geschlechter.

Geleitwort

 

 

 

Was alle angeht, können nur alle lösen.
Jeder Versuch eines einzelnen für sich zu lösen,
was alle angeht, muss scheitern.

Friedrich Dürrenmatt

In der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland ist im Leitsatz 3 zu den Anforderungen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung zu lesen, dass jeder schwerstkranke und sterbende Mensch ein Recht auf eine angemessene, qualifizierte und bei Bedarf multiprofessionelle Behandlung und Begleitung hat. Um diesem gerecht zu werden, müssen die in der Hospiz- und Palliativversorgung Tätigen die Möglichkeit haben, sich weiter zu qualifizieren, um so über das erforderliche Fachwissen, notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie eine reflektierte Haltung zu verfügen. Für diese Haltung bedarf es der Bereitschaft, sich mit der eigenen Sterblichkeit sowie mit spirituellen und ethischen Fragen auseinanderzusetzen. Die Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung lebt auch von dieser Bereitschaft. Aber auch für Menschen, die nicht in der Hospiz- und Palliativversorgung tätig sind, ist eine Auseinandersetzung mit ethisch und moralischen Fragestellungen zu den Themen Krankheit, Sterben und Tod unerlässlich. Je besser es gelingt, z. B. junge Menschen diese Themen nahezubringen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie jetzt und später als Erwachsene Einfluss auf einen respektvollen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer nehmen.

Sterben, Tod und Trauer als Teil des Lebens zu begreifen, dies im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern und allen Menschen in Deutschland ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend einen gerechten Zugang zu einer würdevollen Begleitung und Versorgung am Lebensende zu ermöglichen – darum geht es in der Umsetzung der Charta im Rahmen einer Nationalen Strategie.

Es ist ein Verdienst der Herausgeber, in diesem Buch eine Vielzahl von Beiträgen anzuführen, welche sich mit Herausforderungen in der Hospiz- und Palliativarbeit befassen und damit Initiativen zur Umsetzung der Charta und ihrer Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. In diesem Buch werden Gruppen besonders betroffener Menschen in den Mittelpunkt gestellt, wie z. B. Menschen mit Migrationshintergrund, mit geistiger Beeinträchtigung, von Wohnungslosigkeit betroffene sowie Menschen in Vollzugseinrichtungen, die in der Hospiz- und Palliativversorgung bislang noch nicht ausreichend im Blick sind. Die Art und Weise, wie die Themen hier dargeboten werden, zeugt von intensiver Auseinandersetzung der Autorinnen und Autoren sowie langjähriger praktischer Erfahrungen in der Hospiz- und Palliativarbeit.

Ich wünsche dem Buch eine wache Leserschaft und eine große Verbreitung und freue mich, dieses Buch als eine Initiative zur Umsetzung der Charta und ihrer Handlungsempfehlungen im Rahmen einer Nationalen Strategie vorzustellen.

Berlin, Mai 2019

Franziska Kopitzsch

Leiterin der Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland

 

 

 

I           Kultur – Begriffsklärung und Abgrenzung

1          Was ist Kultur?

Kerstin Hein

 

Kultur und kulturelle Unterschiede erleben seit der Flüchtlingskrise in Deutschland erneut einen Aufschwung. Die Diskussion um eigene und fremde Kulturen, was Bestandteil der deutschen Kultur ist und was nicht, welche Lebensweisen mit welcher Kultur verbunden sind oder wie Menschen aus Ländern wie Syrien oder Nigeria in die deutsche Kultur integriert werden können, ist immer wieder Thema in den Medien. Nicht selten wird Kultur von verschiedenen politischen Lagern zu eigenen Zwecken missbraucht und als Rechtfertigung zur Ausgrenzung bestimmter Gruppen von Menschen verwendet.

Obwohl Kultur immer wieder Thema ist, so versteht man darunter doch Verschiedenes: Kultur umfasst nationale Kulturen, aber auch Bildung und Erziehung und die Bereiche Musik, Literatur und Kunst. Somit ist der Kulturbegriff alles andere als selbstverständlich. Seine Bedeutung ist weder klar umrissen noch einheitlich definiert und ändert sich je nachdem, wer sich wann zum Thema äußert. Wenn wir im Alltag von Kultur sprechen, überlagern sich verschiedene Bedeutungen.

Ursprünglich kommt das Wort »Kultur« von dem lateinischen Wort »cultura«, welches wiederum von dem Verb »colere« abgeleitet werden kann. »Colere« bedeutet sorgfältiges pflegen, gestalten oder bearbeiten. Somit bedeutete »cultura« in der altrömischen Gesellschaft zunächst einmal die Bearbeitung eines Ackers. Im Laufe der Zeit erfuhr der Begriff allerdings eine metaphorische Übertragung von der Landschaft auf den Menschen. Somit veränderte sich der Gegenstand der »cultura« von der Sachkultivierung (»cultura rerum«) über die Körperkultivierung (»cultura corporis«) und bezog sich schließlich auf die Geisteskultivierung (»cultura animi«). In der Zeit der Aufklärung wurde der Begriff von Individuen auf ganze Völker und Epochen übertragen und unter der Bezeichnung »Zivilisation« oder »Kultur« diskutiert (Busche 2000; Nühlen 2016). Aus diesen Diskussionen entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts dann der moderne Begriff von Kultur (Kroeber und Kluckhohn 1952).

1.1       Historische Entwicklung des Kulturbegriffs

Die erste Bedeutung von Kultur entwickelte sich in der Antike und verstand Kultur als die Bearbeitung von Naturanlagen und Geisteskultivierung. Weitere Auffassungen von Kultur entstanden später durch die Übertragung des Kultivierungsgedankens auf ganze Epochen und Gesellschaften (Busche 2000; Nühlen 2016; Reckwitz 2004). Geprägt wurde diese Bedeutungsverschiebung durch die Begegnung mit fremden Lebensweisen im Kontext der europäischen Entdeckung, Eroberung und späteren Kolonisierung weiter Teile dieser Erde (Todorov 1991; Young 1995). Postkoloniale Autorinnen machen dementsprechend darauf aufmerksam, dass die historische Entwicklung des Kulturkonzepts oft in Gegensätzen formuliert wird, wie zum Beispiel »Kultur versus Natur« oder »Zivilisation versus Barbarei«. In der bipolaren Darstellung zeigen sich stets zwei voneinander abhängige Begriffe, die jedoch nicht gleichberechtigt sind, sondern eine Hierarchie aufweisen. Postkoloniale Intellektuelle sehen darin eine stereotypisierte Form von Wissen, die der Westen im Laufe des Kolonialismus und Imperialismus über nicht westliche Gesellschaften produziert hat (Hall 2000; Bhabha 2000).

1.1.1      Klassische Grundbedeutung: Natur versus Kultur

In der Antike verstand man unter Kultur das »formgebend veredelnde Bearbeiten und Pflegen natürlicher Anlagen (um die Vervollkommnung ihrer Früchte willen) durch den Menschen.« (Busche 2000, S. 70). Die Idee der Kultivierung wurde auch auf den Menschen übertragen. Dieser sollte durch Pflege vom Naturmensch zum Kulturmensch werden. Dabei umfasste die Kultivierung des Individuums sowohl die Veredelung des Körpers als auch die des Geistes (Busche 2000; Nühlen 2016).

In seiner klassischen Grundbedeutung wurde Kultur als Gegensatz zur Natur konzipiert. Dabei wurde Natur als unvollkommener Rohzustand betrachtet, der durch menschliche Tätigkeit bearbeitet werden musste, um den Zustand der Vollkommenheit erlangen zu können (Reckwitz 2004). Aus dieser Vorstellung entwickelte sich auch die Grundannahme, dass Kultur nicht von alleine entsteht, sondern erlernt werden muss. Das heißt, dass angeborene Reflexe und Verhaltensweisen, die auf biologischen Grundlagen beruhen, grundsätzlich nicht als kulturelle Eigenschaften betrachtet werden (Beer 2012).

1.1.2      Zivilisation als normatives Kulturkonzept

Mit der Aufklärung wurde Kultur vom Individuum auf ganze Gesellschaften und Epochen übertragen. Dabei bezeichnete Kultur den Grad der Kultivierung und Entwicklung einer Gesellschaft oder Epoche (Busche 2000; Nühlen 2016). Kultiviert waren Gesellschaften, die einen höheren Grad an Bildung und Verfeinerung der Sitten zeigten. Reckwitz (2004) bezeichnet diese Sichtweise als normatives Kulturkonzept. Die normative Vorstellung von Kultur wurde vor allem in England und Frankreich im Rahmen des Kolonialismus und Imperialismus unter dem Begriff »Zivilisation« diskutiert.

Zivilisation wurde als Lebensform definiert, die für jeden Menschen und jede Gesellschaft als erstrebenswert galt (Kroeber und Kluckhohn 1952; Young 1995). Man ging davon aus, dass alle Gesellschaften dieser Welt einem Prozess des Fortschritts unterworfen waren, dessen Höhepunkt die Zivilisation war. Dabei muss man bedenken, dass der Gedanke der Zivilisation im Kontext des Kolonialismus und Imperialismus entwickelt wurde und sich europäische Gesellschaften dementsprechend als Maßstab des gesellschaftlichen Fortschritts betrachteten. Nicht-europäische Gesellschaften wurden dabei anhand westlicher Kriterien beurteilt und als defizitär und rückständig wahrgenommen (Hall 2000; Young 1995; Todorov 1991).

Die Begegnung mit fremden Lebensweisen diente auch der Ausarbeitung der Gegensätze zwischen zivilisiert und barbarisch (Todorov 1991). Barbarei wurde im Zuge der Aufklärung als mangelnde Kultivierung definiert. Barbarisches oder unzivilisiertes Handeln wurde mit einem unkontrollierten und impulsiven Verhalten gleichgesetzt. Als zivilisiert oder kultiviert galten hingegen Verhaltensweisen, die sich durch eine zivilisatorische Zähmung des Subjekts auszeichneten.

1.1.3      Kultur als Lebensweise eines Volks

Die Vorstellung von Kultur als die Lebensweise eines Volks entwickelte sich etwa Ende des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum (Kroeber und Kluckhohn 1952). Der Begriff widersetzte sich dem Fortschrittskonzept der Zivilisation und machte Kultur zum charakteristischen Ausdruck einer Gemeinschaft (Busche 2000; Nühlen 2016; Kroeber und Kluckhohn 1952). Aus der Perspektive der Zivilisation war es noch möglich, bestimmte Gesellschaften als unzivilisiert und somit als kulturlos zu betrachten. Aus Sichtweise der Kultur als Lebensform eines Volks gab es keine kulturlosen Kollektive mehr, sondern nur noch Kulturen im Plural. Zwar wurde immer noch davon ausgegangen, dass einige Gesellschaften weiter entwickelt waren als andere (Young 1995). Dennoch verlagerte sich der Schwerpunkt von der Idee einer allgemeingültigen und erstrebenswerten Lebensweise hin zur Beachtung spezifischer Lebensformen einzelner Kollektive. Es wurden eher das Nebeneinander verschiedener Kulturen und der dadurch entstehende kulturelle Relativismus betont (Dornheim 2007).

In Deutschland setzte sich vor allem der Kulturbegriff von Johann Gottfried von Herder durch. Herder betrachtete Kultur als die charakteristische Lebensweise eines Volks, die sich aus der Beziehung zum spezifischen Lebensraum und aus Traditionen und Sprache heraus entwickelt (Young 1995). Hervorzuheben ist, dass die Lebensweise eines Volks als eine in sich geschlossene Einheit definiert wurde. Demnach wurde Kultur nach innen als homogenes Gebilde betrachtet, während sie sich nach außen von anderen Kulturen abgrenzte. Es setzte sich das Bild von Kulturen als isolierte und sich gegenseitig abstoßende Kugeln durch (Kroeber und Kluckhohn 1952; Welsch 1997; Welsch 2002). Die Wahrnehmung von Kultur als abgeschlossene Einheit begünstigte die Vorstellung, Kultur sei eine Art Gegenstand oder Substanz. Man bezeichnet diese Auffassung daher auch als essentialistisches Kulturkonzept.

Das essentialistische Kulturkonzept diente im 18. und 19. Jahrhundert als Legitimierung für das erwachende Nationalbewusstsein und unterstützte die Bildung moderner Nationalstaaten (Young 1995; Busche 2000). Nationen entsprechen einer komplexen Konstruktion, die einen nationalen Staat mit einem Volk, einer Kultur und einem Territorium verbindet. Nationalkultur bezeichnet dabei die Lebensweise des Volks, das auf dem nationalen Territorium wohnt. Nationalkulturen werden als einheitliche und abgeschlossene Formationen dargestellt, die einen gemeinsamen Ursprung, eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Traditionen besitzen. Darüber hinaus werden Kontinuität und Zeitlosigkeit betont, so dass Nationalkulturen als statisch und unveränderbar wahrgenommen werden (Hall 2000).

In der Gegenwart wird der Begriff von Kultur weitestgehend mit Nationalkultur gleichgesetzt. Dabei wird die Teilhabe an einem Nationalstaat gleichzeitig als kulturelle Teilhabe interpretiert, was problematisch ist, da Nationalstaaten in der Regel sehr heterogene Lebensweisen umfassen. Davon abgesehen müssen Staatsangehörigkeit und gelebte Kultur nicht übereinstimmen. Die Idee essentialistischer Kulturen begünstigt schließlich die Vorstellung, dass Nationalkulturen nicht miteinander, sondern nur nebeneinander existieren können. Man spricht von der Inkommensurabilität nationalkultureller Perspektiven oder auch von Kulturen im Widerstreit (Welsch 1997; Welsch 2002; Beck 2004).

1.1.4      Kultur und Klasse

Kultur besitzt noch eine weitere Bedeutung, welche die Sphäre der Kunst, Bildung und Wissenschaft innerhalb einer bestimmten Gesellschaft umfasst. Dieser Begriff baut sowohl auf der Vorstellung von Kultur als Zivilisation als auch auf der Idee von Kultur als geschlossenes Ganzes auf. Da es sich um einen Teilbereich innerhalb einer Gesellschaft handelt, wird diese Auffassung auch als sektoraler Kulturbegriff bezeichnet (Reckwitz 2004).

Der sektorale Kulturbegriff reduziert Kultur auf die höhere kulturelle Welt der Kunst und Bildung. Man spricht von wertvollen Kulturgütern und Kunstwerken. Der Kulturmensch gilt als Teil einer sozialen Elite, ist gebildet, hat die Werte des Humanismus verinnerlicht und sieht die Welt durch eine intellektuelle oder ästhetische Brille. Es wird zwischen einer hohen Kultur und der Kultur des Volks unterschieden. Hohe Kultur entspricht der gesellschaftlichen Sphäre, in der die kulturelle Elite verkehrt. Volkskultur oder Populärkultur entspricht hingegen der Lebensweise der breiten Bevölkerung. Im Vergleich zur hohen Kultur wird Volkskultur nicht wirklich als Kultur, sondern eher als Mangel an Kultur wahrgenommen (Busche 2000; Nühlen 2016).

In der Gegenüberstellung zwischen Hochkultur und Volkskultur spiegelt sich der Kampf um soziale Anerkennung und symbolische Macht wider, der sich zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen abspielt. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu (2003) befasste sich mit solchen Machtverhältnissen und untersuchte die kulturelle Praxis sozialer Klassen. Aus seiner Sicht bemühen sich dominante Klassen um Distinktion, d. h. sie versuchen, sich stets von anderen sozialen Schichten abzugrenzen und den Unterschied möglichst aufrechtzuerhalten, um ihre Machtposition nicht aufgeben zu müssen. Eine Strategie dabei ist, den eigenen Lebensstil als normal zu deklarieren und die Praxis anderer sozialer Schichten an den eigenen kulturellen Standards zu messen und somit als defizitär zu beurteilen.

Laut Bourdieu zeigt jede soziale Klasse charakteristische kulturelle und ästhetische Praktiken, die sich aus historisch und gesellschaftlich bedingten Lebensbedingungen entwickeln. In seinen Untersuchungen fand er zum Beispiel heraus, dass Mitglieder der Arbeiterklassen das Praktische über das Ästhetische bevorzugten, während Personen aus privilegierteren sozialen Schichten im umgekehrten Sinn Form vor Funktion favorisierten. Individuen wachsen in solchen Kontexten auf und verinnerlichen diese kulturellen Aspekte in Form eines Habitus. Unter Habitus verstand Bourdieu praktisches Wissen, das eine Person entlang ihrer Sozialisation in Form von Dispositionen und Schemata verinnerlicht. Schemata stellen für das Individuum Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsmuster bereit und bieten somit Orientierung. Der Habitus manifestiert sich weiterhin im Geschmack, den Werten, in den Überzeugungen und dem Lebensstil einer Person. Der Habitus ist sozusagen der verkörperte kulturelle Ausdruck einer bestimmten sozialen Schicht (Bourdieu 2003).

Etwa zur gleichen Zeit wie Bourdieu beschäftigten sich auch die Cultural Studies in Birmingham mit der Kultur der Klasse. Die Cultural Studies sahen nationale Kulturen ebenfalls als Austragsort sozialer Konflikte und argumentierten, dass die Lebensweisen einzelner Individuen stärker durch Klassenverhältnisse als durch Nationalkultur bestimmt wurden. Dementsprechend richteten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Untersuchung der kulturellen Praxis der Arbeiterklasse und versuchten dabei, eine nicht-elitäre Kulturforschung durchzusetzen (Bromley 1999; Johnson 1999). Mit den Cultural Studies erfolgte die Abkehr von der Reduktion des Kulturbegriffs auf die Sphäre der Hochkultur einer Gesellschaft hin zu der Ansicht, dass Kultur die gesamte Lebensweise sozialer Gruppen umfassen sollte. Diese Umdeutung bewirkte, dass kulturelle Analysen nun verstärkt den Alltag und die lokalen Lebensweisen von gesellschaftlichen Randgruppen untersuchten (Hall 1999).

1.2       Die Interpretation von Kultur

Das Verständnis von Kultur als charakteristische Lebensweise eines Volks wurde im 19. Jahrhundert von der angloamerikanischen Kulturanthropologie übernommen und prägte die darauffolgenden wissenschaftlichen Diskussionen über das Thema (Kroeber und Kluckhohn 1952). Die erste bekannte wissenschaftliche Auslegung von Kultur entsprach der Definition des britischen Anthropologen Edward B. Tylor. In seinem Buch »Primitive Culture« bezeichnete er Kultur als »that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society« (Tylor 1920, S. 1).

In den ersten ethnographischen Untersuchungen wurde Kultur noch als geschlossener Gegenstand betrachtet, der entdeckt, beobachtet und beschrieben werden konnte. Die Beobachterinnen stellten dabei ihre eigene soziale und kulturelle Position kaum in Frage, sondern gingen davon aus, dass sie ihren Gegenstand neutral und objektiv beschreiben konnten. Diese Sichtweise wurde mit der »interpretativen Wende« in den frühen 1970er Jahren grundsätzlich in Frage gestellt. Ab dann wurde der Schwerpunkt von dem Beschreiben auf das Verstehen und Interpretieren kultureller Zusammenhänge verschoben. Kultur wurde im weitesten Sinn als Text verstanden.

Eine Schlüsselfigur in der Entwicklung und Verbreitung des bedeutungsorientierten Kulturkonzepts war der US-amerikanische Anthropologe Clifford Geertz. Geertz ging davon aus, dass das soziale Leben durch Zeichen und Symbole organisiert ist. Er definierte Kultur als komplexes Bedeutungsgewebe, welches sozialen Ereignissen, Institutionen und individuellen Aktionen Sinn verleiht (Geertz 1973; Bachmann-Medick 2014).

»The concept of culture I espouse, […] is essentially a semiotic one. Believing, with Max Weber that man is an animal suspended in webs of significance he himself has spun, I take culture to be those webs, and the analysis of it to be therefore not an experimental science in search of law but an interpretive one in search of meaning.« (Geertz 1973, S. 5)

Aus der Sicht eines bedeutungsorientierten Kulturbegriffs wird individuelles Verhalten als sinnhaftes Handeln verstanden, dessen Bedeutung entziffert werden muss. Die Aufgabe einer Ethnographin besteht darin, diese Bedeutung herauszuarbeiten und eine »dichte Beschreibung« bzw. eine Rekonstruktion der subjektiven Sichtweisen anderer Menschen zu erstellen (Geertz 1973).

Die Rekonstruktion subjektiver Sichtweisen ist im interpretativen Paradigma von zentraler Bedeutung, da man davon ausgeht, dass objektive Lebensbedingungen erst durch ihre subjektive Deutung relevant werden. Das heißt, dass Menschen auf der Grundlage von Bedeutungen handeln, die sie Objekten, Ereignissen, Situationen oder Personen zuschreiben, und nicht auf der Basis objektiver Gegebenheiten. Erkenntnistheoretische Überlegungen unterstützen diese Ansicht, indem sie argumentieren, dass Menschen keinen Zugang zur eigentlichen Welt und somit auch keinen Zugang zur absoluten Wahrheit haben. Sie können sich nur ein Bild davon machen und zwar immer nur aus der eigenen Beobachterperspektive (Maturana 1970; Pörksen 2008). Auf der Grundlage dieser Prämisse entwickelte sich die Idee des sozialen Konstruktionismus. Diese Theorie behauptet, dass man die Realität an sich nicht erkennen kann. Was als Wirklichkeit betrachtet wird ist die Wirklichkeit, so wie sie von Menschen definiert wird (Gergen und Gergen 2009).

In den Kultur- und Sozialwissenschaften herrscht der Konsens, dass die Konstruktion von Wirklichkeit durch gemeinsames und koordiniertes Handeln erfolgt. Das bedeutet, dass die Bedeutungen, die Menschen den Objekten, Ereignissen oder Personen zuschreiben, im Kontext sozialer Interaktionen hergestellt werden. Individuen zeigen im gemeinsamen Handeln wechselseitig den Sinn ihrer Handlungen an und verständigen sich somit über die gemeinsame Situation. Dadurch erzeugen sie gemeinsame Interpretationen, an denen sie sich im Verlauf der Interaktion orientieren (Abels 2007).

Wenn man davon ausgeht, dass die Wirklichkeit sozial konstruiert wird, so verliert diese ihren selbstverständlichen Charakter und wird kontingent. Das bedeutet, dass die Realität durch den gesellschaftlichen und historischen Kontext bestimmt wird und nicht als natürlich gegeben betrachtet werden kann. Reckwitz (2004) überträgt diesen Gedanken auf das Konzept der Kultur und betrachtet Kontingenz als zentrales Merkmal eines interpretativen Kulturbegriffs.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Kultur aus der Perspektive eines interpretativen Paradigmas als Bedeutungsstruktur betrachtet wird, die in alltäglichen Interaktionen produziert, reproduziert und immer wieder verändert wird. Sie ist das Produkt intersubjektiver Konstruktionsleistungen. Diejenigen, die die bedeutungsorientierte Auffassung von Kultur kritisieren, merken allerdings an, dass durch diese Definition die Untersuchung sozialer Praktiken und die materiellen Bedingungen von Kultur vernachlässigt wurden.

1.2.1     Kultur als Lebenswelt