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Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Eidechsen fangen

2. Erwachen

3. Die vier Waffen

4. Im freien Fall

5. Meine eigene Waffe

6. Eine 12-saitige Gitarre

7. Jenn Rock

8. Leben in der Matrix

9. Der Preis der Freiheit

10. Die Hütte

11. Brombeergestrüpp ausreißen

12. Die Heimfahrt

13. Sich täglich Gott anvertrauen

14. Wenn Gott spürbar in unser Leben hineinkommt

Dank

Vorwort

Brian Johnson ist kein gewöhnliches Pastorenkind. Ich habe im Laufe der Jahre viele Pastorenkinder kennengelernt, aber nur wenige waren wie Brian. Als einer der Mitbegründer von Bethel Music führt Brian die Menschen in eine unvergleichlich tiefe Anbetung. Was ich an ihm am meisten bewundere, ist sein unermüdliches Suchen nach Gottes Nähe. Er wird von der tiefen Überzeugung getrieben, dass Gott in unsere Lebenswelt hineinkommen will. Und trotz aller seiner Erfolge ist er nicht überheblich oder selbstzufrieden.

Aus diesem Grund bin ich dankbar dafür, dass Brian dieses Buch geschrieben hat. Sein Leben steht in Einklang mit dessen Botschaft. Brian erzählt hier nämlich offen davon, wie er Gott wirklich kennengelernt hat. Er fordert uns heraus, uns einer Erfahrung zu stellen, der die meisten von uns lieber aus dem Weg gehen: Leiden! Brian gewährt uns einen sehr ehrlichen Blick in sein Leben und Leiden und zeigt uns, dass unsere dunkelsten Augenblicke Schlüsselmomente sein können, Momente, in denen Gott in unsere Lebenswirklichkeit hineinkommt! Oft wird das, was wir wirklich glauben, in schweren Zeiten auf den Prüfstand gestellt. In diesen Phasen lernen wir, Lobpreis sowohl als Waffe als auch als Rettungsleine einzusetzen. Und dann zeigt sich, dass Gott gut ist, auch wenn das Leben es nicht ist. Wenn wir uns unserem Leid stellen, wachsen wir weiter in das hinein, was Gott in Zukunft mit uns vorhat. Brian lernte in seinem Leiden, sich auf diese eine Wahrheit zu stützen: Lobpreis und Anbetung ist mehr, als Gott Lieder zu singen. Wenn wir Gott anbeten, investieren wir in unsere Beziehung zu ihm, auch wenn wir uns nicht danach fühlen oder wenn unsere Lebensumstände schwer sind.

Ich empfehle Ihnen wärmstens, dieses Buch zu lesen. Es ermutigt Sie durchzuhalten, bis Sie irgendwann wie Hiob bekennen können: „Herr, ich kannte dich nur vom Hörensagen, jetzt aber habe ich dich mit eigenen Augen gesehen!“ (Hiob 42,5).

Machen Sie sich darauf gefasst, dass Gott Ihnen persönlich begegnen will!

John Bevere
Autor und Pastor
Messenger International

Einleitung

Ich führte in vieler Hinsicht ein tolles Leben. Ich wurde in eine Familie hineingeboren, von der die meisten nur träumen können. Meine Eltern lieben Gott und sind die demütigsten, freundlichsten und hilfsbereitesten Menschen, die ich kenne. Meine Mutter vermittelte mir schon ganz früh, was es bedeutet, dass Gott uns ganz nah ist. Es gab nichts, das ich ihr nach einem harten Schultag nicht hätte erzählen können. Wenn mein Bruder, meine Schwester oder ich meine Eltern brauchten, waren sie immer für uns da. Sie gaben mir nie einen Grund, an ihrer Zuneigung oder Gottes bedingungsloser Liebe und Güte zu zweifeln. Wenn ich in diesem Buch die schönen Stunden unseres Lebens gesammelt hätte, hätte ich zigtausend Seiten gebraucht, um von allen zu berichten.

Dann ist da noch meine wunderbare Frau Jenn. Sie ist in jeder Hinsicht meine Partnerin. Sie hält zu mir und geht mit mir durch dick und dünn (wie Sie in diesem Buch sehen werden). Seit wir zusammen sind, leitet sie mit mir den Lobpreis. Sie hat Lieder geschrieben, die mein Leben und das Leben so vieler Menschen verändert haben. Sie hat mir vier tolle Kinder geschenkt. Wenn es in diesem Buch um unsere Ehe ginge, würde es fast ausschließlich eine glückliche Geschichte erzählen.

Jenn und ich haben mit Joel Taylor, einem meiner besten Freunde, Bethel Music aufgebaut. Er findet oft die richtigen Worte, wenn es darum geht, anderen unsere Träume und Ziele zu beschreiben, und unterstützt mich in jeder Hinsicht. Ich habe einen echten Traumjob: Ich helfe bei der Führung von Bethel Music, schreibe zusammen mit Freunden auf der ganzen Welt Songs und predige bei Seminaren und auf Konferenzen. Ich bin von erstklassigen Leitern und Musikern umgeben, die mich motivieren, das Beste aus mir herauszuholen.

Wir haben auch eine faszinierende Gemeinschaft und eine großartige Gemeinde. Bethel ist ein Ort, an dem Menschen aus der ganzen Welt Heilung finden. An diesem Ort hat für Jenn und mich alles angefangen. An diesem heiligen Ort erleben wir oft, dass Gott in das Leben von Menschen eingreift und sie für immer verändert. Auch mein Leben wurde für immer verändert. Ich bin für unsere Gemeinschaft und für die Gemeinde ewig dankbar.

Wenn ich mein Leben betrachte, stelle ich fest, dass es ein echtes Geschenk ist. Ich könnte endlos über die unzähligen Segensgeschenke reden und über all das, was mir so viel Freude bereitet. Aber selbst im glücklichsten Leben wird es schwere Zeiten geben. Mein Leben bildet da keine Ausnahme.

Dieses Buch erzählt nicht die vollständige Geschichte meines Lebens und berichtet auch nicht von beidem – den Sonnen- und den Schattenseiten. Es spricht nicht von all den großartigen Dingen, die sich ereignet haben. In diesem Buch geht es um zwei Kämpfe: einen Kampf, den ich als Erwachsener austrug, und einen, den ich als Kind ausgefochten habe. Diese beiden Kämpfe hatten völlig unterschiedliche Gründe, aber beide kennzeichneten eine Phase in meinem Leben, in der ich nur eine Möglichkeit hatte: Gott zu vertrauen. Wenn Sie mich auf meinem Weg und letztendlich zum erfolgreichen Ausgang der Ereignisse begleiten, werden Sie sehen, wie ich Gottes Güte erlebt habe.

Ich habe dieses Buch geschrieben, damit Sie verstehen, was zu den beiden großen Kämpfen geführt hat, und um Ihnen zu zeigen, wie ich diese überwunden habe. Ich erzähle absichtlich nicht von all den Freuden und Erfolgen in meinem Leben, denn diese Höhepunkte zeigen nicht, wie ich in die „dunkle Nacht der Seele“ hineingeriet und dann wieder den Weg zum Licht fand. Ich hoffe, dass Sie auf den Seiten dieses Buches in gewisser Weise auch sich selbst, Ihre Familie oder Ihre Freunde wiederfinden. Ich hoffe, dass Sie einen Eindruck davon bekommen, auf welche Weise Gott Sie von Ihrer Panik, Ihrer Angst, Ihrer Furcht und von Ihren Zweifeln befreien will. Aber vor allem hoffe ich, dass Sie eines erfahren: Wenn Gott in Ihre Lebenswirklichkeit hineinkommt, dann verändert sich alles.

01

Eidechsen fangen

So fing es an: Eine unsichtbare Hand packte meine Lunge und drückte sie zusammen. Danach erfasste der Würgegriff meinen Brustkorb und schließlich meine Schultern. Meine Hände begannen zu zittern. Die Luft wurde dünner. Meine Angst wurde erdrückender. Ich hob die Arme über den Kopf, schob meine Finger ineinander und versuchte, Luft zu bekommen.

Was ist hier los?

Mein Blick wanderte zum Fluss und suchte das Ufer ab, bis ich ihn entdeckte. Dort war er, mein Sohn Braden. Er drehte Steine um und lugte unter herumliegende Äste. Er wollte Eidechsen fangen, genauso wie mein Bruder Eric und ich es in seinem Alter getan hatten. Braden blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne, hatte Matschspritzer an den Schienbeinen und einen Riesenspaß. Er ahnte nicht, dass sich eine unsichtbare Macht an mich heranschlich. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Plötzlich schoss Bradens Hand vor. Er griff unter einen Holzklotz und zog eine Eidechse hervor. Mein Sohn drehte sich um, reckte die Faust in die Luft und rief begeistert: „Ich hab eine, Dad!“ Ich bemühte mich, ihn anzulächeln und zu winken, aber unsichtbare Mauern schlossen sich um mich, obwohl ich hier draußen im Freien am Fluss war. Ich atmete tief ein und versuchte, die Mauern zurückzudrängen. In diesem Moment schoss Adrenalin durch meinen Körper. Einen so extremen freien Fall hatte ich noch nie erlebt; er unterschied sich von den Panikattacken, die ich in meiner Kindheit gehabt hatte. Das hier war etwas anderes.

Warum kriege ich keine Luft?

Braden drehte sich wieder um und versuchte, die nächste Eidechse zu jagen. Ich schloss die Augen, wischte mir die Hände an den Shorts ab, während die Julihitze das, was in mir geschah, zu verstärken schien. Der Druck wurde noch stärker und wurde jetzt von etwas begleitet, das sich verdächtig nach Entsetzen anfühlte. Ich wurde immer kurzatmiger und musste mich zusammenreißen, um nicht zu hyperventilieren. Ich schlug die Augen auf, aber wegen des Sauerstoffmangels sah ich nur Sterne. Die Sonne schien in der Ferne auf die Wasseroberfläche des Sacramento River. Sie wurde weißer und immer weißer, bis sie mich fast blendete. Ich schloss erneut die Augen und bemühte mich, einen weiteren Atemzug zu nehmen. Doch stattdessen kam es mir so vor, als zöge meine Lunge sich einige Zentimeter weiter zusammen. Die unsichtbare Faust drückte noch fester zu. Das Gewicht auf meiner Brust verdoppelte sich.

Die Symptome waren beängstigend.

Ich rief Braden zu, dass wir sofort nach Hause fahren müssten. Dann drehte ich mich um und ging zum Auto.

Er rief hinter mir: „Wir sind doch gerade erst gekommen, Dad.“ Und bettelte: „Noch fünf Minuten?“

Ich gab ihm keine Antwort. Zitternd kramte ich in meiner Hosentasche nach den Schlüsseln. Sie glitten mir aus der Hand und fielen zu Boden. Als ich mich bückte, um sie aufzuheben, brach kalter Schweiß aus, und in meinem Kopf drehte sich alles. Ich stützte die Hände auf die Knie und versuchte, mich innerlich zu fangen. Doch es gelang mir nicht.

Braden kam schließlich angerannt und erzählte aufgeregt von den Eidechsen und Fröschen, die er in seinem Eimer gefangen hatte. Ich nickte, machte eine Bemerkung über die größte Eidechse und betätigte die Zentralverriegelung. Wir stiegen ein. Während Braden sich anschnallte, nahm ich mein Handy und schrieb Jenn eine Nachricht. Meine Daumen waren beim Tippen schwer wie Blei.

„Mit mir stimmt etwas nicht. Wir kommen heim. Bitte bete.“ Sie schrieb zurück und erkundigte sich, was los sei, aber ich antwortete ihr nicht. Ich wollte nicht wahrhaben, was hier geschah.

Als ich vom Parkplatz fuhr, wünschte ich mir, ich wäre irgendwo anders. Braden betrachtete die Eidechsen in seinem Eimer und summte die Musik mit, die im Radio lief. Wiederholt machte er sich am Deckel seines Eimers zu schaffen, öffnete ihn einen Spaltbreit, schloss ihn und öffnete ihn dann wieder. Jedes dieser Geräusche kam mir plötzlich entsetzlich laut vor. Auch die Gerüche nahm ich viel intensiver wahr.

„Braden, würdest du bitte aufhören, den Deckel auf- und zuzumachen?“, bat ich.

Ich raste über die Interstate 299 und vergrößerte den Abstand zwischen uns und dem Fluss. Ich hatte das Gefühl, vor etwas davonzulaufen.

Warum bekomme ich keine Luft?

Ich schaltete die Musik aus und versuchte, ein bekanntes Lobpreislied zu singen. Die Macht des Lobpreises war mir vertraut. Ich wusste, dass er etwas bewegen kann, denn meine frühesten Erinnerungen waren damit verbunden. Als Jugendlicher und junger Erwachsener hatte mir Lobpreis praktisch das Leben gerettet. Wenn Gott sich zeigte, war nichts unmöglich. Dämonische Angriffe, Angst, Panik – in Gottes Gegenwart hatte die Dunkelheit keine Chance. Aber obwohl mir das bewusst war und obwohl ich noch vor zwei Tagen in unserer jährlichen Sommer-Lobpreisschule unterrichtet hatte, hatte ich nicht genug Luft, um zu singen. Mein Brustkorb brannte.

Steigere ich mich gerade in eine Panik hinein? Warum?

Für diese Panik gab es keinen Grund. Alles lief so gut wie seit Jahren nicht. Jenn, Joel Taylor und ich hatten davon geträumt, ein neues Music Label zu gründen, das erstklassige Lobpreismusik verbreitete und Ehen und Familien unterstützte. Und dieser Traum war Wirklichkeit geworden. Einige unserer Songs waren so bekannt, dass sie auf der ganzen Welt gesungen wurden. Unser Team vergrößerte sich und alles lief gut. Der wachsende Erfolg von Bethel Music öffnete uns neue Türen. Ich schrieb rund um die Uhr an Liedern mit und arbeitete mit vielen Künstlern zusammen. Aber mit dem Wachstum und dem Erfolg kamen auch Komplikationen und Herausforderungen. Wir schufen etwas Neues und hatten dafür keine Bedienungsanleitung. Wir alle betraten Neuland. Es war großartig, aber es war auch intensiv und herausfordernd. Etwas Neues zu schaffen ist aufregend, aber oft bleiben Missverständnisse nicht aus. Und so nahm trotz des vielen Segens auch der Stress immer mehr zu. Er brodelte dicht unter der Oberfläche; mir war nicht einmal bewusst, dass er da war.

Hätte ich den Stress spüren können, wenn ich lange genug innegehalten hätte, um mein Lebenstempo einmal unter die Lupe zu nehmen? Hätte ich gemerkt, dass etwas nicht stimmte, wenn ich endlich einmal innerlich zur Ruhe gekommen wäre?

Jenn hatte es früher bemerkt als ich. Sie wusste, dass ich extrem angespannt war. Sie wusste immer, was in mir vorging. Jenn sah, dass ich ausgelaugt war und zu wenig auf mich achtete. Mein Lebenstempo war zu hoch, ich hastete von einer Verpflichtung zur nächsten, ohne dazwischen eine Pause einzulegen. Vielleicht hatte sie deshalb vorgeschlagen, dass ich mir den Nachmittag frei nahm und mit Braden zum Fluss fuhr. Vielleicht hatte sie gedacht, ich würde ein wenig zur Ruhe kommen und könnte endlich durchatmen. Es war jedoch nicht genug und es kam zu spät. Jenn hatte diesen Ausflug erst vor einer Stunde vorgeschlagen und jetzt raste ich schon die Straße entlang und hatte einen Zusammenbruch.

Die Luft im Auto schien immer dünner zu werden. Ich konnte den Gedanken, die durch meinen Kopf schossen, nicht Einhalt gebieten. Und ich hatte Angst, dass ich das Bewusstsein verlieren würde, bevor ich zu Hause ankäme. Braden bekam von alledem nichts mit.

Noch zwei Kilometer. Mein Handy vibrierte immer wieder. Das war sicher Jenn, die sich Sorgen machte. Ich hatte das Lenkrad umklammert und konnte nicht zum Handy greifen. Noch fünf Minuten, dann wäre ich bei ihr.

Ich muss nur nach Hause kommen.

Wenn man in einer Krise steckt, kommen einem fünf Minuten wie eine Ewigkeit vor. Als ich in unsere Straße einbog, merkte ich, dass sich mein Atem und mein Herzschlag mit jeder Minute veränderten und dass sich mein Blickfeld zunehmend verengte. Mein Verstand sprang von einem Gedanken zum nächsten. Ich war erst 37 Jahre alt. Drehte ich gerade durch?

Ich hielt am Ende unserer Einfahrt und sagte Braden, dass er ins Haus gehen und seine Mutter holen solle. „Ich gehe außen ums Haus“, erklärte ich ihm. Er nickte gehorsam. Ich schaute ihm nach, als er zur Haustür lief, ohne irgendetwas von meiner Panik mitzubekommen. Dann öffnete ich die Autotür, ohne die Zündung auszuschalten, und stieg mit zittrigen Beinen aus.

Wie fremdgesteuert bewegte ich mich Richtung Gehweg. Mein Kopf fühlte sich an, als schwebe er irgendwie über mir, und meine Hände zitterten. Das Gewicht auf meinem Brustkorb war erdrückend. Ich rang nach Luft, bekam aber keine. Meine Lunge war wie erstarrt. Ich konnte das Gewicht nicht hochschieben oder wegdrücken. Ich versuchte, alles langsamer zu machen, versuchte, bewusst und langsam zu atmen, aber ich konnte diese Qual nicht überwinden. Ich bekam einfach keine Luft. Ich starrte auf den Boden, ich schwitzte unter der Nachmittagssonne und sah, wie Wassertropfen auf die Erde fielen. Ich weinte. Meine Tränen glitten zu Boden. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich sie nicht aufhalten können. Ich konnte diesen Ansturm an Gefühlen einfach nicht in den Griff bekommen.

Eine ähnliche Panikattacke hatte ich das erste Mal erlebt, als ich ungefähr in Bradens Alter gewesen war. Mit nur sieben Jahren hatte mich die Angst gepackt, ich könnte von Dämonen besessen sein. Eine irrationale Angst hatte mich fast 15 Jahre lang verfolgt. Aber ich hatte sie vor vielen Jahren besiegt. Ich war von dieser Qual endlich befreit gewesen. Lobpreis sorgte dafür, dass ich innerlich im Gleichgewicht war, und half mir, den Verstand nicht zu verlieren. Aber heute war es anders.

Die Haustür fiel ins Schloss. Ich hob den Blick. Jenn lief die Stufen vor der Veranda herab. Die Luft wurde zunehmend dünner, und die Welt begann, sich vor meinen Augen zu drehen. Ich stand immer noch vornübergebeugt da und versuchte, die Panik zurückzudrängen und mich aufzurichten. Aber das wollte mir nicht gelingen. Mir wurde schwindelig und ich ging auf die Knie. Ich hatte Angst aufzustehen, bis ich Jenns Arme um mich fühlte. Sie zog mich hoch und stützte mich. Dann erkundigte sie sich, was los sei.

„Etwas stimmt nicht. Körperlich, psychisch. Ich bekomme keine Luft. Ich kann nicht mehr“, antwortete ich.

„Was kannst du nicht mehr?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Doch ich hatte darauf keine Antwort. Deshalb bat ich sie, bei mir zu bleiben, mit mir zu gehen. Sie nahm meine Hand, und wir begannen, dem Weg zu folgen, der um unser Grundstück herumführt. Wir gingen nicht ins Haus. Wir wollten beide nicht, dass unsere Kinder Angst bekämen.

Eine gefühlte Ewigkeit gingen wir weiter. Jenn sang, und wir beteten, aber der eiserne Griff ließ mich nicht los. „Ich habe das Gefühl durchzudrehen“, sagte ich. Ich weinte unkontrollierbar und mein Herz hämmerte wie wild.

„Mach langsam. Konzentriere dich nur aufs Atmen. Alles wird gut. Du drehst nicht durch“, entgegnete sie.

Ich jage ihr Angst ein, sagte sie. Ich jage mir selbst Angst ein, sagte ich. Ich brauchte Hilfe.

„Vielleicht hast du einen Herzinfarkt?“, meinte sie.

Mein Herz schlug so schnell, dass ich dachte, es würde explodieren, aber ich erwiderte, dass ich nicht glaubte, es sei ein Herzinfarkt. Aber woher könne ich das wissen? Was ich erlebte, war anders als alles, was ich je erlebt hatte. Es war die Hölle.

Ich entgegnete nichts auf Jenns Frage. Ich starrte sie nur an und versuchte, Luft zu bekommen.

„Lass uns deine Eltern anrufen“, schlug sie vor. Wir gingen zum Haus und sie zog sofort ihr Handy heraus. Ich hörte nur Teile des Gesprächs, aber ich merkte, dass sie mit meinem Vater sprach und ihm erzählte, was mit mir los war.

„Ja“, sagte sie. „Und würdest du bitte Kris und Kathy anrufen? Ich rufe Mark an.“

Jenn legte auf und tätigte einen weiteren Anruf. Dann forderte sie mich auf durchzuhalten. Meine Eltern, Mark Mack, mein Freund und ausgebildeter Ersthelfer, Kris und Kathy Vallotton, die Gemeindeleiter, sie alle waren unterwegs.

Ich trat ins Wohnzimmer, wo bereits Lobpreismusik lief. Ich drehte die Lautstärke auf. Dann kniete ich neben den Lautsprechern nieder und starrte aus dem Fenster. Ich wünschte mir verzweifelt, dieser Albtraum, in dem ich gefangen war, würde enden. Jenn stand mit dem Handy am Ohr neben mir. „Brian geht es wirklich sehr schlecht“, sagte sie. „Er bricht zusammen. Vielleicht hat er eine Panikattacke wie damals in seiner Jugend?“

Ich erinnerte mich zurück an die Zeit, als ich damals Panikattacken gehabt hatte, und an die Lektionen, die mein Vater mich gelehrt hatte. „Wenn du merkst, dass du eine Panikattacke bekommst“, sagte er, „bekämpfst du sie folgendermaßen: Sprich den Namen Jesus aus, nimm für dich das in Anspruch, was Jesus am Kreuz für dich getan hat, berufe dich auf die Verheißungen der Bibel und lobe Gott.“ Lobpreis hatte mir immer geholfen. Deshalb suchte ich auf meinem Handy eine bestimmte Playlist. Anbetungslieder, die mir immer geholfen hatten. Ich war verzweifelt, und diese Lieder hatten mir in der Vergangenheit immer geholfen, Frieden zu finden. Ich drehte die Lautstärke weiter auf und die Musik erfüllte das Wohnzimmer.

Die Musik umgab mich und ich konzentrierte mich auf die Wahrheiten in den Liedern. Ich tat alles, was mir in den Sinn kam. Trotzdem ließ der Druck nicht nach. Unsere Kinder – Haley, Téa und Braden – beobachteten mich mit großen Augen aus der Küche, während Jenn ihnen zu erklären versuchte, was mit mir los war. Sie hatten Angst, aber sie begannen trotzdem, für mich zu beten. Haley betrat das Wohnzimmer, legte die Arme um mich und fragte, ob alles wieder gut werden würde. Ich versuchte, sie zu beruhigen, ich versuchte, ihr zu sagen, dass Hilfe unterwegs sei. Sie wusste, dass es mir nicht gut ging. Schließlich musste Haley aus nächster Nähe mit ansehen, wie ihr Vater zusammenbrach. Ich verlor vor ihren Augen die Kontrolle.

Es lief ein Lobpreislied nach dem anderen. Trotzdem änderte sich nichts. Jenn kam aus der Küche und versuchte, mich wieder zu umarmen, aber meine Sinne spielten verrückt. Unter Tränen sagte ich, dass ich diese Qualen nicht länger aushalten könne.

Ich war in dieser erdrückenden Panik gefangen und konnte nichts und niemanden an mich heranlassen. Ich fühlte mich völlig allein und hilflos. In meinem Kopf spürte ich eine Leere. Es war beängstigend. Da war nur Dunkelheit und ich fiel rasch immer tiefer hinein. Mein T-Shirt war schweißgetränkt und ich konnte nicht mehr klar denken. Mein Herz schlug dreimal so schnell wie normal.

Ich hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren.

02

Erwachen

In den 1970er-Jahren arbeitete mein Vater unter der Leitung meines Großvaters in der Bethel Church in Redding, Kalifornien. Er hatte Salt House ins Leben gerufen, einen missionarischen Dienstbereich, der sich an die Jesus People richtete, die damals in Redding lebten. Ihm lagen die Menschen am Herzen, die sich in traditionellen Kirchen nicht zu Hause fühlten. Während er sich für diese Menschen engagierte, erlebte er, dass Gott etwas bewegte. Gottes Wirken in seinem Leben war unübersehbar.

Mein Vater arbeitete gern mit meinem Großvater zusammen, aber 1978 fragte man ihn, ob er Pastor einer kleinen Gemeinde in den Bergen werden wollte, die etwa eine Stunde westlich von Redding lag. Sowohl mein Großvater als auch mein Vater hatten den Eindruck, dass Gott ihm diese Tür geöffnet hatte. Ich war ein halbes Jahr alt, als meine Eltern Redding verließen und in die Mountain Chapel in Weaverville, Kalifornien, ausgesandt wurden.

Mein Bruder Eric, meine Schwester Leah und ich verbinden unsere frühesten Erinnerungen mit dieser Kleinstadt. Gleich hinter unserem Haus begann Gottes freie Natur. Eric und ich verbrachten den größten Teil unserer Zeit draußen. Wir erkundeten die Wälder, fingen Eidechsen, bauten Burgen und waren immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Im Garten spielten wir mit den Nachbarskindern Baseball, Football und betrieben auch so ziemlich jede andere Sportart. Ob mit meiner Familie, mit Freunden oder allein: Ich war immer dort zu finden, wo ich mich am lebendigsten fühlte: im Freien.

Meine Kindheit ist mit Erinnerungen an meine Familie gefüllt. Ich hätte mir keine besseren Eltern vorstellen können. So ziemlich alles konnte ich ihnen erzählen. Da ich in einem Pastorenhaushalt aufgewachsen bin, überrascht es wahrscheinlich nicht, dass ich mich an keine Zeit erinnern kann, in der ich nichts von Gott gewusst hätte. Meine Mutter und mein Vater erzählten uns die Geschichten aus der Bibel und brachten uns bei, wie man betet. Es wurde kein großes Aufhebens darum gemacht; das Ganze war einfach ein natürlicher Teil unseres täglichen Lebens. Bevor er Pastor wurde, war mein Vater Lobpreisleiter gewesen. Er brachte uns also auch bei, wie wichtig Lobpreis sowohl in der Gemeinde als auch zu Hause ist. „Lobpreis und Anbetung sind entscheidende Elemente unseres Glaubens“, sagte er, „denn nichts bringt uns so mit Gott in Verbindung.“ Er erklärte uns, dass wir nie zu jung für eine Beziehung zu Gott sein könnten, denn der Heilige Geist ist für alle da.

So lange ich mich zurückerinnern kann, wusste ich immer, dass ich eine Beziehung zu Gott haben kann. Gott kann sich uns überall zeigen, und wir wurden dazu erzogen, das zu erkennen. Meine Mutter war Frühaufsteherin. Sie stand vor uns allen auf, damit sie am Morgen ihre persönliche Zeit mit Gott verbringen konnte. Als Mutter von drei Kindern war dies die einzige Zeit am Tag, die sie für sich selbst hatte. Aber sie war nicht die Einzige, die früh aufstand, denn ich wusste offenbar immer, wann sie wach war. Schon mit drei Jahren sah ich am Morgen das Licht im Wohnzimmer. Dann schlüpfte ich aus dem Bett und tapste durch den Flur dorthin. Hier saß sie dann mit ihrer Bibel auf dem Sofa, betete und verbrachte Zeit mit Gott.

Obwohl diese Stunde die einzige Zeit am Tag war, die sie für sich hatte, durfte ich mich zu ihr setzen. Ich war kein besonders anschmiegsames Kind, aber meiner Mutter gelang es immer, mich zu beruhigen. Sie küsste mich auf die Stirn und zog mich an sich heran. Ich lehnte mich an sie, zog meine gelb-weiß karierte Winnie-Puuh-Decke an die Brust und steckte den Daumen in den Mund, während sie weiter in ihrer Bibel las und betete.

Erst als ich selbst Kinder hatte, begriff ich, dass ich damals meine Mutter störte. Sie hätte mich zumindest als Störung betrachten können, doch ich durfte an diesen Momenten teilhaben, weil sie mir dadurch zeigte, welche Macht in der Anbetung steckt. Sie lebte mir diese Wahrheit jeden Tag vor, ohne mir lange zu erklären, was sie tat. Aber obwohl ich noch so jung war, wusste ich, dass es etwas Besonderes war. Diese Momente waren Samen, die sie in mein Leben säte.

*

Weaverville ist eine Kleinstadt mit nur wenigen tausend Einwohnern, in der jeder jeden kennt. Meine Eltern waren nicht nur Pastoren der Gemeinde; sie nahmen auch am sozialen Leben der Stadt teil. Und obwohl sie Grenzen setzten, damit wir auch als Familie Zeit für uns hatten, war unsere Türe fast immer offen. Oft kamen Familien aus der Gemeinde und der Stadt vorbei. Dann schickten unsere Eltern uns nach draußen zum Spielen, damit sie sich unterhalten konnten. Bei schlechtem Wetter spielten wir im Haus.

Ich kann nicht viel älter als vier gewesen sein, als wir im Haus Verstecken spielten. Ich hatte mich in einem Schlafzimmerschrank versteckt, als mein Bruder mich fand. Er jagte mich durch die Küche; ich konnte seine Schritte direkt hinter mir hören. Eric kam immer näher und hatte mich fast erwischt, als plötzlich eine Tür geöffnet wurde und mich direkt an der Stirn traf. Ich wurde zu Boden geworfen, schlug mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf, und mir wurde schwarz vor Augen. Mehrere Sekunden vergingen, bevor ich die Zimmerdecke wieder deutlich sehen konnte. Alles tat mir weh. Ich blickte hoch und sah, dass Kathy Vallotton, eine Freundin unserer Familie, über mir stand. Sie erkundigte sich, ob mit mir alles in Ordnung sei, aber ich gab ihr keine Antwort. Ich stand einfach auf, verdrängte den Schmerz und biss die Zähne zusammen, um nicht zu weinen. Ich ließ niemanden wissen, dass mir mein Kopf wehtat. Schließlich war ich ja kein Weichei.

Jahre später erzählte Kathy mir, dass ich nie geweint habe, auch dann nicht, wenn ich Schmerzen hatte. Vielleicht hatte ich einfach eine hohe Schmerztoleranz. Doch in den darauffolgenden Jahren lernte ich eine andere Art von Schmerz kennen, die alles überstieg, was ich mir hätte vorstellen können.

*

Kurz nach dem Vorfall beim Versteckspielen saß ich auf dem Rücksitz unseres blauen Toyota. Wir fuhren den Berg hinab nach Redding, um meine Großeltern zu besuchen; meine Eltern saßen vorne im Auto und sangen Lobpreislieder. Als wir am Fuß der Berge angekommen waren, folgte ein ziemlich gerader Straßenabschnitt. Hier geschah es. Im Auto breitete sich eine Kraft aus, etwas, das ich nie zuvor erlebt hatte. Es war ein heiliger Moment, in dem der Himmel mir ganz nah zu kommen schien. So etwas hatte ich noch nie zuvor gefühlt. Es war Gottes Gegenwart – das wusste ich, obwohl ich erst vier war –, aber dieses Mal erlebte ich sie am eigenen Leib. Sie war ohne Vorankündigung plötzlich da. Ich spürte etwas in mir, das heilig war. Die Luft im Auto war ganz schwer, und ich fühlte, dass sich in mir etwas veränderte. Ein Gefühl überkam mich, ein Gefühl, das ich nie zuvor erlebt hatte. Und ich musste einfach darauf reagieren: Ich begann, in einer anderen Sprache zu sprechen, in einer Sprache, die ich nicht verstehen, aber auch nicht zurückhalten konnte. Es war das erste Mal, dass ich in anderen Sprachen betete.