Die Autorin

Piper Rayne – Foto © privat

Piper Rayne ist das Pseudonym zweier USA Today Bestseller-Autorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action. Und sie hoffen, du liebst das auch!

Das Buch

Alle Bände der Love-and-Order-Serie von Bestseller-Autorin Piper Rayne in einem Bundle Band 1: The One Best Man Nach meiner Scheidung habe ich nicht allen Männern abgeschworen, nur denen, die wie mein Ex sind. Ganz oben auf der Liste? Anwälte! Ich bin mit meiner Tochter zurück nach Chicago gezogen, um mich um meine kranke Mutter zu kümmern. Als ich Reed Warner wiedersah, erinnerte er mich an alle meine Fehler. Ich wollte mich von ihm fernhalten, aber er blieb hartnäckig. Das Problem? Er ist nicht nur Anwalt, sondern er war auch Trauzeuge auf meiner Hochzeit und der beste Freund meines Ex. Band 2: The One Right Man Mir ist klar, ich stehe auf Bad Boys. Es gibt nichts Besseres als einen Mann, der sich nimmt, was er will, ohne sich dafür zu entschuldigen. Als ob mein Liebesleben nicht schon dramatisch genug wäre, steht plötzlich Dean Bennett wieder vor mir und glaubt, er könne mich mit seinem Charme zurückgewinnen. Er mag sich äußerlich verändert haben, aber unter seinem teuren Anzug ist er immer noch derselbe dreiste, arrogante, wichtigtuerische Kerl, der sich nur um sich selbst schert. Aber ich bin nicht mehr das naive Mädchen von früher. Deshalb ignoriere ich die Tatsache, dass sein Blick meine Knie weich werden lässt. Band 3: The One Real Man Ich frage mich, ob in Zeiten von Tinder alles so vorübergehend ist, wie es meine Ehe war. Die Wahrheit ist, es gibt einen Mann, an den ich nicht aufhören kann zu denken. Ich würde gern meine Finger durch Roarke Baldwins Haare gleiten lassen, ich bin sicher, dass er unter seinem Anzug ein Sixpack verbirgt und ich habe mich immer gefragt, wie seine Bartstoppeln sich zwischen meinen Beinen anfühlen würden. Das Problem? Er ist der eine Mann, den ich mehr hasse als meinen Exmann. Sein Scheidungsanwalt.

Piper Rayne

Love and Order Band 1-3

Sammelband

Forever by Ullstein
forever.ullstein.de

Sonderausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Januar 2020 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat ISBN 978-3-95818-556 The One Best Man Deutsche Erstausgabe bei Forever. Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin November 2018 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018 © 2018 by Piper Rayne Titel der amerikanischen Originalausgabe: Manic Monday Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Übersetzung: Cherokee Moon Agnew ISBN 978-3-95818-337-7 The One Right Man Deutsche Erstausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin März 2019 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019 © 2018 by Piper Rayne Titel der amerikanischen Originalausgabe: Afternoon Delight Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Übersetzung: Cherokee Moon Agnew ISBN 978-3-95818-332-2 The One Real Man Deutsche Erstausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juni 2019 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019 © 2018 by Piper Rayne Titel der amerikanischen Originalausgabe: Happy Hour Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Übersetzung: Cherokee Moon Agnew ISBN 978-3-95818-338-4

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The One Best Man

Kapitel 1


Meine Hand knallt auf den Radiowecker, doch statt auszugehen, fällt das verdammte Ding wie eine Furie schreiend vom Nachttisch und landet auf dem Boden. Vorsichtig öffne ich ein Auge. Als ich den Klamottenhaufen auf den ganzen Kisten sehe, die in meinem provisorischen Schlafzimmer herumstehen, würde ich es jedoch am liebsten sofort wieder zukneifen. Der Wecker gibt weiter dieses schrille Geräusch von sich und dröhnt in meinem Kopf. Immer wieder greift meine Hand ins Leere, während ich versuche, das Kabel zu fassen zu kriegen, um es herauszureißen und das dumme Teil endlich zum Schweigen zu bringen.

»Mom?«, ruft meine Tochter Jade.

Ich drehe den Kopf in die Richtung, aus der ihre Stimme kommt, und da steht sie. In ihrem Schlafanzug mit den Kackhaufen-Emojis hält sie mir den Wecker entgegen, als wollte sie mir ein Geschenk überreichen.

»Mach ihn aus«, stöhne ich und drücke mir das Kissen auf den Kopf.

Ihre kleinen Füße tapsen über das knarzende Parkett und bleiben direkt neben meinem Bett stehen. Zuerst wird mir die Decke weggezogen, keine Sekunde später geht das Licht an, kurzzeitig bin ich vollkommen blind.

»Du kommst zu spät«, mischt sich nun auch noch meine Mutter vom Ende des Flurs ein.

Ich träume davon, von einem charmanten Fremden geweckt zu werden, der kein Wort Englisch spricht, mit sanften Händen meinen Körper erforscht, meine Haut mit Küssen bedeckt und mich langsam aus dem Schlaf holt. Stattdessen sind es meine siebenjährige Tochter und meine Mutter, die mich montagmorgens aus dem Bett schmeißen.

Jade schaltet den Wecker aus und stellt ihn zurück auf den Nachttisch. »Es ist sieben Uhr«, sagt sie gelassen.

»Was?« Ich setze mich auf, Chipskrümel rieseln auf das zerknitterte Laken.

»Hast du wieder im Bett gegessen?« Sie kichert, und ich packe sie an der Hüfte, ziehe sie zu mir ins Bett und kitzle sie ordentlich durch. Kitzelfolter.

»Mom, hör auf!« Sie zappelt und lacht. »Es ist erst Viertel nach sechs.«

Sie windet sich wie ein Wurm, und ich lasse sie los, denn ich bin heute später dran als sonst. Sonntag ist unser Mutter-Tochter-Tag, und ich musste gestern Abend noch lernen, nachdem sie ins Bett gegangen war, daher wurde es ziemlich spät.

»Ich mach schon mal die Dusche an.« Sie marschiert aus der Tür und schnurstracks in das kleine Bad unseres Drei-Zimmer-Bungalows. Jade schläft jetzt in meinem alten Zimmer, ich im Nähzimmer meiner Mutter. Sie näht sowieso nur noch selten.

»Danke. Und dann …«

»Ich weiß. Zähne putzen, anziehen und Haare kämmen.«

Ich lächle, weil meine Tochter schon so selbstständig ist, und gleichzeitig spüre ich einen wohlbekannten Stich im Herzen. Eigentlich sollte sie eine Mutter haben, die ihr die Klamotten rauslegt und ihr vor der Schule schicke Frisuren mit süßen Haarschleifen und Locken macht. Eine Mutter, die sie aufweckt, mit dem Duft von gebratenem Speck und Pfannkuchen und frisch gepresstem Orangensaft. Einen Vater, der ihre Mutter zum Abschied fest in den Arm nimmt und seiner Tochter verspricht, zum Fußballtraining zu kommen, während er ihr einen Kuss auf den Kopf gibt.

Stattdessen hat sie einen Vater, der noch nicht mal mit der Wimper gezuckt hat, als ich ihm mitteilte, dass wir Los Angeles verlassen und zurück nach Chicago ziehen würden. Eine Mutter, die ihr Studium sausen gelassen hat und nun versucht, einen Abschluss nachzuholen, während sie gleichzeitig Vollzeit arbeitet. Eine Mutter, die sie gezwungen hat, durchs halbe Land zu ziehen, den Strand und das sonnige Wetter gegen Beton und düstere Regentage einzutauschen.

Man muss ihr zugutehalten, mein starkes Mädchen hat mir nie Vorwürfe gemacht, nachdem ich sie beiseitegenommen und ihr erklärt hatte, dass Grandma unsere Hilfe brauche. Sie packte ihre Kisten und schluckte ihre Tränen hinunter. Ich schätze, die Leute haben recht, wenn sie sagen, dass sie mein exaktes Ebenbild ist.

Ich stehe auf und schaue auf mein Smartphone, um sicherzugehen, dass mir meine neue Chefin Hannah keine dringende Nachricht geschickt hat. Es ist nicht so, als würde sie das von mir verlangen. Mein alter Chef hingegen, Jagger Kale, erwartete immer sofort eine Antwort, ich muss mich also erst an die neue Situation gewöhnen. Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen.

Ich lege das Telefon aus der Hand, schnappe mir meinen Bademantel und verlasse meinen Kokon der Ruhe aus weichen Laken und warmen Decken, um in die Woche zu starten.

Eine Dreiviertelstunde später klackern meine High Heels über den Linoleumboden der Küche.

Mein Coffee-to-go-Becher steht neben der Handtasche, auch die Laptoptasche steht bereit. Jade schaufelt sich Cornflakes in den Mund, die Banane liegt unberührt daneben. Meine Mutter steckt noch im Schlafanzug, liest Zeitung und hört sich gedankenverloren nickend an, welche Zweitklässler-Dramen sich an Jades neuer Schule abgespielt haben.

»Dann hat Brian zu Peter gesagt, dass er Valerie mag und …«

»Moment mal«, unterbreche ich sie, während ich in meine Jacke schlüpfe. »Mögen? Du meinst freundschaftlich, oder?«

Jade verdreht die Augen, und ich blicke über die Schulter, denn dieses Augenrollen gilt sicherlich nicht mir.

»Mom.« Sie seufzt.

Meine Mutter klappt die Ecke der Zeitung herunter und sieht mich über den Rand ihrer Lesebrille hinweg an.

»Es ist zu früh für dich, irgendwelche Jungs zu mögen.«

»Tu ich doch gar nicht.« Jade merkt, dass ich fast fertig bin, steht auf, stellt die Schüssel in die Spüle und nimmt ihre Jacke.

Ich halte ihr den Rucksack hin, und sie steckt die Arme durch die Riemen.

»Gut, denn …«

»Jungs halten einen nur davon ab, die eigenen Träume zu verwirklichen. Man muss erst seinen eigenen Weg finden, bevor man ihn mit jemandem teilen kann«, äfft sie mich trocken nach.

»Sorry.« Ich beuge mich hinunter und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. »Aber so ist es«, flüstere ich.

Und wieder wird die Zeitung umgeschlagen. Offensichtlich gefällt es meiner Mutter nicht, was ich ihrer Enkelin beibringe.

Jade schlingt die Arme um ihren Hals und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. »Hab dich lieb, Grandma.«

Meine Mutter tätschelt ihr den Arm. »Ich dich auch, mein Käferchen. Ich hole dich dann von der Schule ab.« Dann senkt sie die Stimme und flüstert Jade etwas zu. Ich weiß genau, was die beiden im Geheimen miteinander besprechen. Meine Mutter erklärt Jade, dass sie ihr Herz für all die Möglichkeiten öffnen soll, die das wundervolle Leben zu bieten hat.

Das ist ein Haufen Scheiße, den ich früher selbst geglaubt habe. Und es hat mich genau dorthin gebracht, wo ich heute bin.

»Danke, Mom. Bist du dir sicher, dass du es schaffst, Jade abzuholen? Denn …«

»Mir geht’s gut.« Ihr warnender Blick gibt mir zu verstehen, dass ich nicht weiter nachbohren soll.

Wenn es um das Thema Liebe geht, ist meine Mutter butterweich, aber wehe, man stellt ihre Gesundheit infrage.

Ich tue es Jade gleich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. »Hab dich lieb. Ruf an, falls was ist.«

»Mhm.« Sie widmet sich wieder der Zeitung. »Habt einen schönen Tag.«

Wir schnappen uns unsere Sachen und machen uns auf den Weg zur Schule, die nur drei Wohnblöcke entfernt ist, also bringe ich Jade zu Fuß hin. Wir sind noch nicht weit gekommen, als Jade plötzlich eine Frage stellt, bei der ich am liebsten abrupt stehen geblieben wäre, wäre ich nicht schon viel zu spät dran.

»Was für eine Art Dad ist Daddy?«

»Art?«

Jade hüpft den Bürgersteig entlang, von Platte zu Platte.

»Ja, früher war er immer der Wochenend-Dad, weil ich ihn nur am Wochenende gesehen habe.«

»Wo hast du das denn aufgeschnappt?« Verdammtes Google. Meine siebenjährige Tochter denkt, sie wäre siebzehn.

Vehement schüttelt sie den Kopf. »Nirgendwo.«

Ich senke das Kinn und starre sie mit großen Augen an. Das ist sozusagen mein strenger Mutterblick.

»Wirklich.« Sie hält mir den kleinen Finger entgegen. »Ich schwöre.«

Ich lasse mich auf den Kleine-Finger-Schwur ein, denn ich würde es meiner Tochter an der Nasenspitze ansehen, wenn sie gelogen hätte.

»Dein Dad ist einfach dein Dad. Er kommt uns bestimmt bald besuchen. Oder wir besuchen ihn mal. Jedes Wochenende wird er nicht kommen können, aber das ist ja das Tolle an der heutigen Technik.«

Ich sage das, obwohl das Arschgesicht in den letzten zwei Monaten nur viermal mit ihr geskypt hat. Was soll’s, damit beweise ich auf jeden Fall mehr Größe als er.

»Ja, aber Valerie sagt, ihr Dad sei der Date-Dad. Jeden Mittwoch holt er sie von der Schule ab, und dann gehen sie zusammen essen und ins Kino. Und er bringt ihr immer ein Geschenk mit.«

»Wie schön.« Mir tut es im Herzen weh, dass sie zu ihrem Vater keine so enge Bindung hat und wahrscheinlich nie haben wird.

Sie schweigt.

Ich wusste, dass der Umzug nicht leicht für sie werden würde. Meilenweit weg von einem Vater, für den sie sowieso nie an erster Stelle steht. Seine Priorität ist es, Geschäftspartner zu akquirieren. Sonst nichts.

»Vielleicht ist mein Dad ja ein Manchmal-Dad.«

Die Schlange der Autos auf der Straße vor uns zeigt, dass wir fast da sind. Kinderlachen vermischt sich mit den »Ich hab dich lieb«-Rufen der Mütter. Als wir uns dem Eingang nähern, stehen schon Lehrer bereit, die die Schüler hineinmanövrieren, doch ich halte Jade fest und beuge mich zu ihr runter.

»Jade.« Ich drücke ihre Schulter. »Dein Daddy vermisst dich. Ich weiß, manchmal ist er zu beschäftigt und vergisst anzurufen. Aber ich weiß genau, dass er an dich denkt. Du bist sein kleines Mädchen.«

Sie nickt. »Ich verstehe schon. Er will erfolgreich sein und viel Geld verdienen, weil Oma und Opa nie viel hatten.«

Ich ignoriere die aufkeimende Wut. Pete muss unbedingt besser darauf achten, was er ihr erzählt. Es gibt Wichtigeres im Leben als Geld. Sobald man auf dem Sterbebett liegt, ist es scheißegal, wie viel Kohle man noch auf dem Konto hat.

»Er will nur sichergehen, dass du alles hast, was du brauchst.« Ich streiche ihr eine braune Haarsträhne hinters Ohr.

Dass er aber auch einen neuen Sportwagen, ein Haus am Strand und all die anderen materiellen Dinge will, die Frauen anziehen, deren einziges Lebensziel es ist, sich einen reichen Mann zu angeln, sage ich ihr natürlich nicht.

»Er hat gesagt, dass er mir ein Geschenk geschickt hat.« Ihre Augen beginnen zu leuchten, und ich hoffe inständig, dass es diesmal auch wirklich ankommt.

»Siehst du, er denkt immer an dich.« Ich breite die Arme aus, und wir umarmen uns fest.

»Hab dich lieb, Käferchen«, flüstere ich ihr ins Ohr.

»Ich dich auch, Mommy.«

Wir lassen uns los, Jade geht voran. »Also ein Manchmal-Dad?«

War ja klar, dass sie es nicht lassen kann, ihren Dad genauer zu definieren. Sie ist eben stur.

»Einfach nur Daddy wäre mir lieber, aber …«

»Genau, ich werde den anderen einfach sagen, dass ich einen Manchmal-Dad habe.«

Wir erreichen die Treppe der katholischen St.-Patrick-Schule, überall herrscht morgendliches Gewusel. Zwei der mir bekannten Mütter stehen am unteren Treppenabsatz, schlürfen Kaffee und lästern darüber, wie unfähig die anderen Eltern sind.

»Victoria«, gurrt Darcie und schmeißt sich das lange blonde Haar über die Schulter. »Jade.« Sie sagt ihren Namen, als hätte sie es kaum erwarten können, meine Tochter heute Morgen zu sehen.

»Darcie. Georgia.« Ich beuge mich runter, ziehe Jades Pferdeschwanz ein wenig straffer und streiche ihr die feinen, abstehenden Haare glatt. »Hab einen schönen Tag. Grandma holt dich dann später ab.«

»Okay. Hab dich lieb, Mommy.« Noch einmal nimmt sie mich in den Arm, diesmal aber nicht mehr so fest wie eben. Bevor ich mich aufgerichtet habe, hat sie sich bereits zu einem rothaarigen Mädchen gesellt, das die ganze Zeit plappert, während sie die Treppe hinaufgehen.

»Einen schönen Tag, die Damen.« Ich drehe mich um, um mich auf den Weg zum Zug zu machen.

»Oh, Vicki«, sagt Darcie.

Es wäre wohl zu unhöflich, mich einfach aus dem Staub zu machen. Also setze ich mein Gerichtslächeln auf. Das Lächeln, das ich während des Scheidungsprozesses permanent aufgesetzt hatte. Das gruselige Lächeln, das Zufriedenheit und Ausgeglichenheit signalisieren soll, obwohl man innerlich tobt. »Victoria«, sage ich zum ungefähr fünfhundertsten Mal, seit wir hierhergezogen sind.

»Wie du weißt, findet in einem Monat der Jahrmarkt statt. Da du nicht beim Elterntreffen warst, haben wir dich für die Organisation eines Events eingetragen.«

Ich starre sie einfach nur an. Hauptsächlich, weil ich sonst ausraste, was Jade die Eingewöhnung nicht gerade erleichtern würde. Wir sind auf St. Patrick’s angewiesen. Es ist eine sehr gute Schule, außerdem direkt um die Ecke.

»Um was für ein Event handelt es sich denn?«, frage ich mit einer Geduld, die ich wohl während meiner Tätigkeit für meinen alten Chef Jagger Kale erworben habe. Wann genau soll dieser Jahrmarkt bitte stattfinden? Keine Ahnung, ob ich überhaupt Zeit habe. Außerdem … ein Jahrmarkt? Ganz ehrlich, lasst euch doch mal was Neues einfallen. Schließlich leben wir nicht mehr in den Achtzigern.

»Das kannst du dir selbst überlegen«, sagt die Bienenkönigin. »Hauptsache, ohne Essen. Essen muss vorher immer überprüft werden. Wir wollen die Kinder keinen unnötigen Gefahren aussetzen. Sollte machbar sein, oder?«

Und wieder starre ich sie an und versuche, mich am Riemen zu reißen, bevor ich mir noch ihren Starbucks-Becher schnappe und ihn so fest zusammendrücke, dass sich der Kaffee über ihre blöde khakifarbene Jacke ergießt.

Hallo, wäre ich eine Hausfrau mit zu viel Zeit, würde ich auch so tun, als wäre ich gerade auf dem Weg zum Sport, obwohl ich den ganzen Tag faul auf dem Sofa liege. Die Yogahose würde ich nur tragen, weil ich so viel Schokolade essen würde, dass mir sonst der Bund spannt. Frauen sollten sich nicht für das Klischeebild der Pralinen verspeisenden Mutti schämen. Weiß doch jeder, dass eine Mutter von sechs bis acht Uhr morgens und von fünfzehn bis einundzwanzig Uhr arbeitet.

»Super, ich lasse mir was einfallen«, erwidere ich lächelnd und nicke. Schnell weg hier, bevor ich ihr doch noch die Meinung geige, weil sie mich ohne mein Einverständnis in eine Liste eintragen hat.

Als ich den Mann entdecke, der seinen kleinen Jungen zur Schule bringt, bleibe ich wie vom Donner gerührt stehen. Ich starre ihn an, und mein Kopf ist wie leer gefegt. Ich denke nicht mehr an das Manchmal-Daddy-Dilemma, daran, dass ich rechtzeitig zur Arbeit kommen muss, oder an den Jahrmarktstand, den ich organisieren soll. Stattdessen versuche ich mich daran zu erinnern, wann ich Reed Warner das letzte Mal gesehen habe.

Kapitel 2


»Wer ist das?«, flüstert Georgia Darcie zu.

Erneut drehe ich mich zu ihnen um. Ich bin überrascht, denn ich dachte, sie würden jeden hier kennen. Bereits am ersten Tag hatten sie meinen und Jades Namen auf dem Schirm. Ich sag’s euch, verdammt beängstigend.

»Ich habe keine Ahnung, aber ich muss es unbedingt rausfinden.« Darcie nippt an ihrem Kaffee. Wäre ich unter Freunden, hätte ich einen Witz darüber gemacht, dass sie sich wie Teenager verhalten, aber ich bin von diesem Mann genauso fasziniert wie sie.

Das blaue Jackett umschmeichelt seine breiten Schultern. Da er es offen trägt, erhasche ich einen Blick auf seine schlanken Hüften und das weiße Leinenhemd, das er sich in die Hose gesteckt hat. Die gepunktete Krawatte hängt ihm lose um den Hals. Sein dunkles Haar ist noch feucht, und auf seinem definierten Kiefer zeichnen sich Stoppeln ab. Anscheinend war er spät dran und hat Hals über Kopf das Haus verlassen.

Er bleibt auf dem oberen Treppenabsatz stehen, sagt etwas zu Rektor Weddle, das ihn zum Lachen bringt, umarmt den Jungen, bevor sie sich mit einer Gettofaust voneinander verabschieden. Der Junge grinst über beide Ohren und verschwindet im Schulgebäude.

Wochenend-Dad.

»Ist er Henrys Vater?«, fragt Darcie. »Ich dachte …«

Als er auf uns zukommt, hält sie inne. Obwohl ich mindestens fünf Schritte entfernt stehe, sieht er mit seinen blauen Augen zuerst mich an, bevor er sich Darcie und Georgia zuwendet.

»Hi, ich bin Reed. Kann mir eine der reizenden Damen vielleicht sagen, wann die Schule zu Ende ist?« Wieder landet sein intensiver Blick auf mir. Ob er sich noch an mich erinnert?

»Ähm.« Ich schlucke schwer.

»Um fünf nach drei«, erwidert Darcie und mustert ihn mit schief gelegtem Kopf. »Sagen Sie …«

»Vielen Dank. Auf Wiedersehen, die Damen.« Er nickt ihnen zu. »Victoria, schön, dich wiederzusehen. Ich bin spät dran, aber wir sollten uns mal wieder treffen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, steigt er in das Uber-Fahrzeug, das an der Bordsteinkante auf ihn wartet.

Seltsam, aber keiner der Angestellten schreit, er solle gefälligst wegfahren.

»Ist er gerade wirklich gegangen, obwohl ich mitten im Satz war?«, will Darcie von Georgia wissen.

»Und ob«, bestätigt sie und verkneift sich mit Mühe und Not das Grinsen.

Ich gehe, ohne mich zu verabschieden, denn, nun ja, im Kopf bin ich ganz woanders. Die Erinnerungen strömen wie ein Wirbelsturm miteinander konkurrierender Gedanken auf mich ein. Reed Warner. Der Trauzeuge meines Exmanns. Meine Güte, wer hat ihn in die verrückte Maschine aus Der helle Wahnsinn gesteckt und in den schönsten Mann Chicagos verwandelt?

»Er ist bestimmt der Vater. Einer dieser Wochenend-Dads.«

Als ich Darcies Kommentar höre, bleibe ich abrupt stehen.

Reed ist Vater? Er hat einen Sohn, der ungefähr in Jades Alter ist? Möglich wäre es. Ich glaube nicht, dass er und Pete noch lange Kontakt hatten, nachdem wir nach Los Angeles gezogen waren. Eine Million Fragen schießen mir durch den Kopf. Ist der Junge das Ergebnis eines One-Night-Stands? Ist Reed verheiratet? Teilt er sich mit der Mutter das Sorgerecht?

Während der gesamten Zugfahrt grüble ich darüber nach. Ich versuche, ihn aus meinen Gedanken zu vertreiben, aber ich muss mehr an ihn denken als an den Erdbeer-Rhabarber-Kuchen, den ich gestern beim Einkaufen links liegen gelassen habe. Und es ist das Gleiche wie mit dem Kuchen – sich der Sünde hinzugeben, mag sich im ersten Moment vielleicht gut anfühlen, aber hinterher bereut man es.


Ich öffne die Glastür zu meinem neuen Büro, hechte zum klingelnden Telefon und gehe ran, während ich mich setze und gleichzeitig die Jacke ausziehe. »Guten Morgen. Sie sprechen mit Victoria von der RISE-Foundation. Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Als Erstes könntest du deinen Hintern in ein Flugzeug zurück nach Los Angeles setzen.«

Jagger Kale – mein ehemaliger Chef.

Ich lächle. »Du warst derjenige, der mir den Job hier verschafft hat«, sage ich, lehne mich zurück und werfe einen Blick auf die Uhr. »Flitterwochen etwa schon vorbei?«

»Ich habe dir den Job besorgt, weil ich einfach großartig bin. Außerdem … woher willst du wissen, dass ich Quinn nicht gerade flachgelegt habe und sie nun ganz beseelt neben mir liegt?«

Obwohl ich grinsen muss, lache ich nicht über seine derbe Ausdrucksweise, denn ich will nicht, dass er sich auch noch bestätigt fühlt. »Noch mal vielen Dank«, sage ich aufrichtig.

Dass Jagger den Kontakt zu Hannah hergestellt hat, als ich seine Firma in Los Angeles verlassen habe, zeigt, dass er eigentlich ein guter Kerl ist. Ja, er ist arrogant und egoistisch und vielleicht auch ein wenig zu ichbezogen, aber irgendwas hat er an sich, dass man ihn trotz allem mögen muss.

»Wie ist der neue Assistent?«, will ich wissen.

»Scheiße. Er widerspricht mir.«

»Ich habe dir auch widersprochen.«

»Das ist was anderes.«

Ich vermisse ihn, auch wenn ich es nie zugeben würde. Wir sind gut miteinander ausgekommen. Jagger war nach der Scheidung mein erster Arbeitgeber, und anfänglich hätte er jeden Grund gehabt, mich zu feuern. Ich war zynisch und hasste alle Männer. Bis er sich zusammengerissen hatte und wieder mit Quinn zusammenkam, war er der Inbegriff all dessen, was ich verabscheute. Aber ich wusste schon damals, dass er mir das Gegenteil würde beweisen können.

»Ich sitze gerade auf Deck und lasse den Blick über den Ozean schweifen. Wie ist es in Chicago? Soll ich dir eine Ladung Vitamin D schicken?« Er lacht leise.

Im Hintergrund höre ich Geräusche, und er legt die Hand über die Sprechmuschel. Ich schwöre, ich höre Küsse.

»Victoria«, sagt er schließlich ernst.

»Lass die Arme doch in Ruhe. Hi, Victoria.« Quinns Singsang lässt darauf schließen, dass sie gerade ihren wahr gewordenen Traum lebt.

»Hey, Quinn.«

»Warte, ich schalte dich auf Lautsprecher«, sagt Jagger.

Keine Sekunde später mischt sich das Tosen brechender Wellen in unsere Unterhaltung. Ich vermisse das Meer. Die Wärme, der Sand zwischen den Zehen und die Sonne haben mich zu einer glücklicheren Version meiner selbst gemacht.

»Wie geht es Jade?«, fragt Quinn. »Hat sie sich schon eingelebt?«

Ich höre das Klappern von Geschirr, wahrscheinlich bereiten sie gerade das Frühstück auf dem Schiffsdeck vor.

»Ja, hat sie.« Da Hannah jeden Moment zur Tür reinkommen könnte, schalte ich den Computer an. »Du hast also von deinem Ehemann noch nicht die Nase voll?«, frage ich scherzhaft.

Quinn kichert, dann höre ich sie quietschen, gefolgt von erneuten Kussgeräuschen.

Genau, rammt mir das Messer doch direkt ins Herz. Die einzige Zunge, die ich in letzter Zeit zwischen Schule und Arbeit und Jade und meiner Mutter gespürt habe, war die von Moe, dem Kater meiner Mutter.

»Entschuldigung, dass ich störe. Ach, richtig, ihr habt mich angerufen.«

»Sorry«, sagt Quinn und kichert leise. »Wir sind immer noch in der Phase, in der wir die Hände nicht voneinander lassen können.«

»Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Ich werde nun wieder von deinem letzten Helden träumen und hoffen, dass ich eines Tages jemanden wie ihn kennenlerne.«

Sie lacht. »Du mochtest Van wohl, was?«

Quinn schreibt Liebesromane, und glücklicherweise bekomme ich ihre Bücher schon vor dem Erscheinungsdatum.

»Wie könnte man ihn nicht mögen?« Mein Magen zieht sich zusammen, als ich an den heißen Moment zurückdenke, als er sie gegen die Wand presst, die drängenden Küsse, der sinnliche Sex.

»Bin ich seine Vorlage?«, fragt Jagger.

Ich lache.

»Nein, Schatz«, erwidert Quinn.

»Du stellst dir also vor, was andere Typen mit dir anstellen könnten?«

Jetzt lacht auch Quinn. »Ich bin nicht die Heldin der Geschichte. Es ist reine Fiktion, Schatz. Nicht echt, verstehst du?«

»Trotzdem. Erzähl mir, was Van so treibt. Ich gehe jede Wette ein, dass ich zehnmal besser bin«, sagt Jagger mit seiner typischen lässigen Arroganz.

»Viel Glück damit.« Ich tippe das Passwort ein und öffne das E-Mail-Programm.

»Gleich hier. Auf diesem Tisch.« Jaggers Stimme klingt gedämpft, als hätte er sich vom Telefon entfernt. Für mich ist es das Stichwort, dass es nun höchste Zeit ist aufzulegen.

»Okay, ihr beiden. Danke für den Anruf. Ich muss jetzt leider Schluss machen. Wir hören uns.«

Quinn versucht, sich zu verabschieden, doch ihrem Gekicher nach zu urteilen, ist Jagger bereits dabei, sie auszuziehen, also lege ich schnell auf.

Die Stille im Büro ist befremdlich. Davor war ich in einer Firma mit Hunderten von Angestellten, jetzt sind wir nur drei bis fünf Leute, je nach Wochentag.

Jaggers Bekannte Hannah Crowley, die es aus eigener Kraft zur Multimillionärin gebracht hat, hatte beschlossen, eine Stiftung zu gründen, die junge Mädchen stärken soll. Da ich aufgrund des immer schlechter werdenden Gesundheitszustands meiner Mutter umziehen musste, hat mir Jagger in Hannahs Wohltätigkeitsorganisation eine Stelle als Sekretärin verschafft. Jetzt trage ich zwar nicht mehr so viel Verantwortung wie früher, aber dafür habe ich nun zwei nette Kolleginnen. Was Besseres könnte ich mir gerade nicht wünschen.

Ich beantworte gerade ein paar E-Mails, als die Glastür auffliegt und die lautere meiner beiden Kolleginnen hereingestürmt kommt und sich mir gegenüber auf den Bürostuhl plumpsen lässt.

»Heiliger Strohsack! Hast du schon gehört, was gestern Abend passiert ist?«, fragt Chelsea.