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Cornelia Edding · Karl Schattenhofer

Einführung in die Teamarbeit

Dritte Auflage, 2020

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Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel

Dritte Auflage, 2020

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Carl-Auer Verlag GmbH

Inhalt

Vorwort

Der Leitgedanke

Zu diesem Buch

1Das Teammodell im Überblick

1.1Drei Anforderungen an jedes Team

1.2Das Team und seine Umwelten

1.3Wie beschreibt man die Ordnung eines Teams?

1.3.1Stabilität und Dynamik, Kontinuität und Veränderung

1.3.2Die Steuerung des Teams

1.4Der Nutzen des Modells

2Das Team am Start – Arbeitsbedingungen und ihre Wirkung

2.1Die Aufgabe – Inhalt, Befristung und Standardisierung

2.1.1Crews

2.1.2Taskforces

2.1.3Workteams

2.2Die Zusammensetzung des Teams

2.2.1Die Größe des Teams

2.2.2Homogene oder heterogene Teams

2.3Geführt oder selbst bestimmend – der Gestaltungsspielraum

2.4Der steuernde Kontext

2.5Wie »teamig« ist unser Team?

3Praxisfälle: Die Ordnung entdecken und verändern

3.1Ein Team formiert sich

3.2Der Neue macht nicht mit

3.3Das gespaltene Team

3.4Das unsolidarische Team

3.5Die Leiterin, die nicht leitet

3.6Wachstumsschmerzen oder: Die Saboteurin

3.7Wiederbelebungsversuche

4Analyse, Intervention und Methoden

4.1Analyse und Intervention im sozialen System Team

4.2Analysefragen und -aufgaben

4.2.1Die Lebenslinie eines Teams

4.2.2Die Analyse der Normen

4.2.3Die Analyse der Rollen

4.3Beobachten mit dem Interesse, zu verstehen

4.4Etwas zur Sprache bringen

4.4.1Den Entschluss fassen

4.4.2Wann, wo, mit wem?

4.4.3Die richtigen Worte finden

4.4.4Ein Thema erfolgreich setzen

4.4.5Wie beenden?

4.4.6Auch mal schweigen

4.5Wie lernt ein Team Reflexion und Selbststeuerung?

4.5.1Das Schleifenmodell der Selbststeuerung

4.5.2Die Wirkung von Reflexion – Forschungsergebnisse

4.6Wann braucht ein Team Hilfe von außen?

4.6.1Das Team in der Krise

4.6.2Regelmäßige Teampflege

4.6.3Unterstützung und Entlastung für die Leitung

5Wie lernt man Teamarbeit?

5.1Im Team arbeiten und aus den Erfahrungen lernen

5.2In geschützten Situationen die eigene Wirkung erfahren und Neues ausprobieren

Literatur

Über die Autoren

Vorwort

Der Leitgedanke

Ein Team ist eine Gruppe von drei bis ca. zwölf Personen, die aufeinander angewiesen sind, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, ein Produkt zu erstellen oder eine Leistung zu erbringen. Innerhalb eines gesetzten Rahmens kann die Gruppe den Arbeitsprozess selbst gestalten. Teams unterscheiden sich darin, wie »teamig« sie sind, wie viel Raum sie für eigene Gestaltungsprozesse haben, wie weit sie sich selbst steuern und über das Wie ihrer Arbeit bestimmten dürfen – mehr dazu im ersten Kapitel.

Innerhalb der ihm gesetzten Grenzen muss jedes Team einen Weg finden, seine Arbeitsaufgabe gut zu erledigen, aber nicht nur das – die Arbeit muss so getan und die Zusammenarbeit so gestaltet sein, dass es die Teammitglieder einigermaßen zufriedenstellt; sind sie ganz und gar unzufrieden, werden sie ihre Arbeit schlecht tun und ungern zusammenarbeiten, ja, vielleicht sogar versuchen, das Team zu verlassen. Schließlich muss jedes Team auch noch seinen eigenen Erhalt sichern, es muss sich selbst als kleines soziales System stabilisieren. Die Grenzen des Teams müssen einerseits klar sein, sodass jeder weiß, wer dazugehört und wer nicht; sie müssen zugleich so durchlässig sein, dass das Team anpassungs- und lernfähig bleibt und auf veränderte Umweltanforderungen reagieren kann. Ein Team darf nicht zur Clique werden, aber es soll auch nicht zerfallen. Diese drei Anforderungen gleichzeitig zu bewältigen – die Arbeitsaufgabe gut zu verrichten, die Mitglieder zufriedenzustellen und das System zu erhalten – ist ein kniffliger Balanceakt. Wie leicht kann da etwas aus dem Gleichgewicht geraten, wie schnell kann es passieren, dass die Mitglieder zwar zufrieden sind, die Qualität der Arbeit aber leidet – oder auch umgekehrt. Wie leicht kann es geschehen, dass sich das Team gegenüber einem neuen Vorgesetzten abschließt oder dass hoher Zeitdruck innere Zerfallserscheinungen hervorruft.

Die Aufgabe, sich mit diesen verschiedenen Anforderungen erfolgreich zu arrangieren, löst jedes Team ein bisschen anders. Sie ist zudem nicht nur einmal zu lösen, sondern muss immer wieder neu geschafft werden, denn die Arbeitsanforderungen verändern sich, und die Teammitglieder tun es auch. Im Verlauf dieses andauernden Prozesses entsteht allmählich die Ordnung (oder auch »Eigengesetzlichkeit«) eines Teams.

Diese Ordnung kann von außen beeinflusst, aber nicht völlig kontrolliert werden. Einflussfaktoren sind zum Beispiel die Rahmenbedingungen der Arbeit: die zur Verfügung stehende Zeit, die materiellen und personellen Ressourcen und natürlich die Arbeitsaufgabe selbst. Diese Faktoren sind für die Qualität der Zusammenarbeit von Bedeutung. Darüber hinaus entstehen im Zuge der gemeinsamen Arbeit Regeln und Normen, nach denen die Teammitglieder sich verhalten. Es entstehen Rangordnungen und Rollen, es entsteht ein Bild, das das Team von sich und seiner Arbeit hat, es entstehen Routinen zur Bewältigung von Krisen und Konflikten – all dies nennen wir die Ordnung eines Teams. Diese Ordnung ist seine Besonderheit, keine gleicht der anderen, auch wenn manche einander ähnlich sind.

Für die Arbeit in und mit Teams ist die Ordnung sehr bedeutsam. Denn um ein Team erfolgreich zu beraten, es gut zu leiten oder produktiv in ihm zu arbeiten, muss man seine Ordnung kennen. Ganz besonders gilt dies, wenn es darum geht, ein Team zu entwickeln oder es bei der Bewältigung von Problemen zu unterstützen. Die Chance, Veränderungen zu bewirken, steigt, wenn den Intervenierenden die Ordnung des jeweiligen Teams zumindest teilweise bekannt ist. Sonst bleiben die guten Impulse in den eingefahrenen Routinen stecken.

Wie können wir die Ordnung eines Teams zu Gesicht bekommen – vielleicht nicht vollständig, aber zumindest in wichtigen Teilen? Es ist doch eine geheime Ordnung, denn alle Teammitglieder leben und arbeiten danach, ohne sie jedoch zu kennen. Sie ist ihnen so selbstverständlich wie die Luft, die sie atmen – denn gegenüber den Selbstverständlichkeiten unseres Lebens und unserer Kultur sind wir blind. Es bedarf eines gewissen Abstands, damit man sie wahrnehmen kann. Daher finden auch nur Besucher aus fernen Ländern unser alltägliches Verhalten bemerkenswert: Sie betrachten es aus einer gewissen Entfernung und staunen über unsere sonderbaren Sitten und Gebräuche.

In gleicher Weise brauchen alle, die die Ordnung eines Teams ansehen möchten, etwas Distanz. Berater und Supervisoren haben es daher leichter als Teamleiter und Mitglieder. Aber auch unmittelbar Beteiligte können Abstand gewinnen. Durch Gespräche mit Außenstehenden und/oder die Lektüre eines (dieses?) Buches. In diesem Sinne kann unsere Einführung in die Teamarbeit als Gegenüber dienen, mit dessen Hilfe es leichter wird, die Eigenarten eines Teams – und sei es auch des eigenen – zu untersuchen und zu verstehen.

Jeder Mensch hat eine Lieblingsbrille, die er aufsetzt – meist ohne es zu merken –, um soziale Situationen zu betrachten und zu verstehen. »Lieblingsbrille« heißt: Bestimmte Aspekte der Situation fallen einem ins Auge und beflügeln die Vorstellungskraft; andere erscheinen uninteressant und werden vernachlässigt. Bei der Betrachtung von Teams gibt es drei besonders beliebte Brillen:

Die individuumzentrierte Wahrnehmung stellt die Einzelperson und ihr Verhalten in den Mittelpunkt und erklärt sich Probleme, Besonderheiten und Konflikte aus der Persönlichkeit, dem Charakter des Einzelnen.

Die gruppenbezogene Wahrnehmung fokussiert auf die Beziehungen der Gruppenmitglieder zueinander, auf Spannungen und Konflikte, auf Rivalitäten, Außenseiter und Fraktionen.

Die organisationsbezogene Wahrnehmung sieht das Teamgeschehen vor allem als Folge äußerer Einflüsse und Rahmenbedingungen. Entscheidend ist die Teamumwelt.

Wenn wir im Folgenden einzelne Fälle untersuchen, betrachten wir sie nach einer kurzen Situationsbeschreibung aus verschiedenen Blickwinkeln (in der Sprache der Systemiker »Unterscheidungen« genannt). Die Leser und Leserinnen können so ihre eigene (Lieblings-)Brille kennenlernen und blinde Flecken entdecken. Zudem können sie Schritt für Schritt nachvollziehen, wie eine Situationseinschätzung entsteht und welche Interventionen diese Einschätzung nahelegt. Die Transparenz des Vorgehens erlaubt (und erfordert) es, bei jedem Schritt zu überprüfen: »Teile ich noch die hier beschriebene Einschätzung?«

Das Erkennen der Ordnung eines Teams wird nie vollständig sein, sondern immer nur in Ausschnitten gelingen. Es ist mit diesem Erkennen so wie mit dem Einfühlungsvermögen: Wer sich in einen anderen Menschen einfühlt, erkennt etwas von diesem anderen, fügt aber auch Eigenes hinzu. Ebenso bringt das Bemühen darum, ein Team zu verstehen, eine Mischung aus Verstandenem und Konstruiertem, aus Vorgefundenem und Hinzugefügtem hervor, die sich uns als ein Ganzes darstellt.

Auch wenn das Erkennen der Ordnung unvollständig bleibt und zudem subjektiv eingefärbt wird – jeder, der in und mit Teams arbeitet, braucht eine leidlich solide Einschätzung der Gruppe und ihrer Themen, und dies aus zwei Gründen:

1)Wer erfolgreich intervenieren will, muss sich sicher machen. Eine Analyse, von der der Berater, der Teamleiter oder das Teammitglied überzeugt sind, liefert, unabhängig von ihrer »Richtigkeit«, ein Fundament, auf dem der Intervenierende stehen kann. Wer sicher ist, kann seine Worte mit der nötigen Entschlossenheit vortragen und kann auch stehen bleiben, wenn er auf Widerstand oder Ablehnung stößt. Damit wachsen die Chancen, etwas in Bewegung zu bringen.

2)Die Ordnung, die ein Team im Laufe seiner Zusammenarbeit und in Auseinandersetzung mit den von außen gesetzten Bedingungen seiner Existenz entwickelt, ermöglichen und begrenzen seine Arbeit und seine Entwicklung. Zur Bearbeitung von Problemen und zur Weiterentwicklung der Kompetenz eines Teams, über sich selbst nachzudenken und sich auf diese Weise zu steuern, bedarf es des Nachdenkens über Aspekte seiner Ordnung. Wer die Ordnung zur Sprache bringen will, muss sie beschreiben können. Das geht nur mit einem eigenen Modell.

Zu diesem Buch

Für wen haben wir die Einführung in die Teamarbeit geschrieben, wie ist das Buch aufgebaut, und welches Vorgehen empfehlen wir den Leserinnen und Lesern?

Mit Teamarbeit beschäftigt man sich dann, wenn sie nicht (mehr) klappt, wenn es nicht rundläuft, die Qualität der Ergebnisse nachlässt oder das Team mit den Anforderungen nicht mehr zurechtkommt. Möglicherweise sind Sie gerade gefragt worden, ob Sie ein Team in schwieriger Lage beraten könnten. Oder Sie möchten als Leiterin einer neu eingerichteten Arbeitsgruppe einige Fehler vermeiden. Vielleicht verstehen Sie auch einfach nicht, was in Ihrer Projektgruppe los ist, oder Sie überlegen, was Sie tun könnten, damit Ihr Team nicht immer wieder in die gleiche unproduktive Sackgasse gerät. In Situationen wie diesen können Berater, Leiter, Mitglieder von Teams zu diesem Buch greifen. Es hilft zu verstehen, was los ist. Sie können die Teamsituation unter verschiedenen Aspekten betrachten und sich eine Meinung erarbeiten. Dann können Sie sich mit besserer Aussicht auf Erfolg der Frage zuwenden, was zu tun ist.

Wir verstehen unser Buch als eine Arbeitshilfe zum Verstehen von Teamarbeit vor dem Hintergrund eines systemisch-gruppendynamischen Modells – denn das Verstehen erhöht die Chance, erfolgreich zu handeln. Deswegen haben wir es folgendermaßen aufgebaut:

Zunächst stellen wir im ersten Kapitel unser Teammodell im Überblick dar. Es bildet die Grundlage des weiteren Textes, und wir beziehen uns häufig auf die dort verwendeten Begriffe und Unterscheidungen.

Im zweiten Kapitel definieren wir, von welchen Teams dieses Buch handelt, und beschreiben, welche Rahmenbedingungen den Start eines Teams prägen und welche Auswirkungen dies auf die Teamarbeit hat.

Die Praxis steht im Mittelpunkt des dritten Kapitels. Wir präsentieren sieben Fälle aus dem Alltag der Teamarbeit und reflektieren sie unter verschiedenen Perspektiven, die wir »Folien« nennen. Denn eine Teamsituation ist fast nie eindeutig – man kann sie in der Regel so, aber auch anders verstehen. Wir bieten Ihnen also verschiedene Verstehensmöglichkeiten an, entscheiden uns dann für eine und entwickeln auf dieser Grundlage Handlungsperspektiven für Mitglieder, Berater und Leiter. Vertiefende Ausführungen zum Modell und Forschungsergebnisse schließen jeden Fall ab. Wir ordnen damit die Begriffe, Konzepte und Forschungsergebnisse um die einzelnen Fälle an und verwenden die Fälle als Ausgangspunkt der Darstellung und nicht unsere theoretischen Annahmen.

Dieses Vorgehen lädt Sie ein, uns beim Entdecken der Ordnung über die Schulter zu schauen.

Im vierten Kapitel öffnen wir unsere Toolbox zu Fragen wie: Was können Einzelne dazu beitragen, dass in einem Team die kritischen Punkte zur Sprache kommen? Wie können Teams reflektieren und lernfähig werden? Wie hängen Verstehen und Verändern zusammen?

Zum Schluss, im fünften Kapitel, geht es um die Frage: Kann der Einzelne Teamarbeit lernen, und, wenn ja, worauf kommt es dabei an?

Alle Teile, mit Ausnahme von Kapitel drei, sollte man besser im Zusammenhang lesen, die Fälle können Sie unabhängig voneinander lesen – suchen Sie sich aus, was Sie neugierig macht.

Vor jedem Fall (und auch vor jedem Kapitel) steht daher eine kurze Zusammenfassung.

Wir bedanken uns bei unseren Kolleginnen und Kollegen, insbesondere bei Irmengard Hegnauer-Schattenhofer und Gerd Schüning, die uns Fälle aus ihrer Praxis zur Verfügung gestellt haben. Für das Lesen und kritische Kommentieren des Textes bedanken wir uns bei Ruth Back, Georg Becker, Joachim Fuchs, Regina Kleversaat, Rolf Kulas und Norman Thelen.

Cornelia Edding & Karl Schattenhofer
Klaushagen/München, im Februar 2015

1Das Teammodell im Überblick

In diesem Kapitel stellen wir unser Teammodell vor. Wir beschreiben, mithilfe welcher Unterscheidungen wir ein Team anschauen und seine innere Ordnung zu verstehen trachten. Auf diesem Konzept fußen alle weiteren Überlegungen und die Analyse der praktischen Fälle.

Auf der Suche nach der besonderen Ordnung eines Teams ist es nützlich zu überlegen, wo man überhaupt suchen könnte, in welche Richtungen zu schauen wäre und welche Fragen zu stellen wären. Dabei hilft ein Modell, das den Blick lenkt und der Suche die Beliebigkeit nimmt.

Seine wichtigsten Aspekte werden jetzt im Überblick geschildert. Eine genauere Darstellung einzelner Teile geschieht in den folgenden Kapiteln. Das Modell hat verschiedene Wurzeln: die Theorie sozialer Systeme, die Gruppendynamik und die sozialpsychologische Forschung zu kleinen Gruppen. Ein Modell, auf das wir uns schwerpunktmäßig beziehen, ist das Modell in K. Schattenhofer (1992, S. 41–66: »Gruppen als selbststeuernde und selbstreferenzielle Systeme«), ein weiteres die Theorie von H. Arrow, J. E. McGrath und J. L. Berdahl (2000, pp. 33–60: »Small groups as complex systems«); einen Überblick über die verschiedenen Stränge und die Ergebnisse der Kleingruppenforschung gibt C. Edding (2009a, S. 47–83).

1.1Drei Anforderungen an jedes Team

Jedes Team hat, wie bereits erwähnt, drei Leistungen zu erbringen, die sehr unterschiedlich sind und nicht selten zueinander in Spannung stehen, die aber immer wieder gegeneinander und miteinander auszubalancieren sind.

Zum einen hat das Team eine Aufgabe zu erfüllen, es muss eine bestimmte Arbeit leisten. Dazu wurde es gegründet oder eingerichtet.

Zum Zweiten muss ein Team seinen Mitgliedern etwas bringen, ihre Interessen und Bedürfnisse müssen in gewissem Umfang befriedigt werden, damit sie ihr Engagement und ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen. Das kann durch Geld geschehen, durch Anerkennung, das Gefühl der Zugehörigkeit, durch Erfolg u. a. m.

Und schließlich hat jedes Team die Aufgabe, sich selbst zu erhalten und zu pflegen. Dieser Systemerhalt geschieht zum Beispiel durch die Entwicklung von Strukturen und Regeln, von Normen und Rollen.

Der Prozess, in dem dies immer wieder geschieht, in dem ein Team versucht, seine Arbeit zu tun, seine Mitglieder zufriedenzustellen und sich selbst zu erhalten, bringt eine besondere Ordnung hervor. Es ist ein fortlaufender Prozess, denn die prekäre Balance zwischen den geschilderten Leistungen verändert sich, wenn Arbeitsanforderungen oder Arbeitsbedingungen sich verändern oder wenn Teammitglieder wechseln.

Das, was wir zum Zeitpunkt X als die Ordnung eines Teams wahrnehmen, ist geprägt durch seine Geschichte, seine Bemühungen, den drei Anforderungen gerecht zu werden, und die Erfahrungen, die die Teammitglieder dabei gemacht haben. Denn jedes Team hat eine Geschichte; manche haben eine kurze, überschaubare, andere eine lange, ereignisreiche Geschichte. Ob lang oder kurz, diese Geschichte ist bedeutsam; sie hat die Beziehungen geprägt und die Kultur des Teams geformt. Sie hat das Team gelehrt, wie viel Spannung die Teammitglieder aushalten können, welche Art der Leitung für sie akzeptabel ist, wie man nach einem Streit am besten weiterkooperiert und vieles andere mehr. Wie die Lebenslinie einer Person ist die Teamgeschichte durch Aufs und Abs, durch Krisen, Abbrüche, Einschnitte oder auch Phasen des Gleichmaßes gekennzeichnet. Die Geschichte ist ein prägendes Element der jetzt geltenden Ordnung.

Die Ordnung eines Teams entsteht aus:

dem Bemühen um die Bewältigung der Aufgabe

dem Bemühen um Zufriedenheit des Einzelnen

dem Bemühen um den Erhalt des Systems

und den Erfahrungen, die dabei gemacht werden (seiner Geschichte).

1.2Das Team und seine Umwelten

Teams als soziale Systeme sind in Umwelten eingebettet, von denen sie sich unterscheiden und gegenüber denen sie Grenzen ziehen und aufrechterhalten. Aus soziologischer Sicht (vgl. zuerst Homans 2013; dann z. B. Neidhardt 1979 und später, aus systemischer Sicht, Willke 1978; Simon 2014, S. 85 ff.) hat es sich als sinnvoll erwiesen, zwischen einer inneren Umwelt, wir nennen sie hier Innenwelt, und einer äußeren Umwelt zu unterscheiden. So sieht man nicht die Menschen als Elemente des Teams an, sondern die Kommunikationen, die Interaktionen, aus denen die besondere Ordnung oder die Eigengesetzlichkeit eines jeden Teams entsteht.

Die Innenwelt eines Teams wird geprägt durch die Besonderheiten und das Verhalten der Teammitglieder sowie ihre Wünsche und Befürchtungen, die sie in die Teamarbeit mitbringen. Es sind Männer oder Frauen, sie sind alt, jung oder in mittleren Jahren, sie haben eine ethnische Zugehörigkeit. Sie verfügen über berufliche Kompetenzen und Erfahrungen in der Teamarbeit, die einander sehr ähnlich oder auch sehr unterschiedlich sein können. Jedes Teammitglied prägt das Team, und jedes Teammitglied wird von ihm geprägt.

Von großer Bedeutung ist die äußere Umwelt des Teams, der Kontext, in dem es arbeitet. Aus der unmittelbaren Umwelt stammen die Aufgaben, die dem Team gestellt sind, und die Ziele, die es erreichen soll; das sind mächtige Einflussfaktoren. Auch der zeitliche Rahmen wird meist von außen gesetzt ebenso wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Schließlich gibt es stets auch Regeln und Gesetze, die die Spielräume des Teams bestimmen.

Jedes Team wird von seiner äußeren Umwelt und seiner Innenwelt beeinflusst – es passt sich aber nicht nur an, sondern beeinflusst seinerseits diese Umwelten, zum Beispiel durch die Art und Weise, wie es Erwartungen erfüllt.

Das Team als System kann man sich am besten als ein Kräftefeld vorstellen, in dem die Bedürfnisse und Eigenarten der Mitglieder und die Anforderungen der Umwelt aufeinandertreffen. Die soziale Dynamik, die von den Mitgliedern ausgeht, und die Aufgabendynamik, die von den Umwelten ausgeht, münden schließlich in die Art und Weise, wie das Team zusammenarbeitet und seine Aufgabe löst. Und die Ordnung, um die es uns geht, ist nichts anderes als die besondere Form der Arbeit, die das Team entwickelt hat.

1.3Wie beschreibt man die Ordnung eines Teams?

Mit welchen Begriffen lässt sich nun die Ordnung beschreiben, die in einem Team in Auseinandersetzung mit den beiden Umwelten entsteht?

1.3.1Stabilität und Dynamik, Kontinuität und Veränderung