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Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

Text-Copyright © 2016 Max Brallier

Illustrations-Copyright © 2016 Douglas Holgate

Titel der Originalausgabe: The Last Kids on Earth and the Zombie Parade

Die Originalausgabe ist 2016 im Verlag Viking, an imprint of Penguin Random House LLC, USA, erschienen.

© für die deutschsprachige Ausgabe 2020

arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, 80801 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Text: Max Brallier

Übersetzung: Kai Kilian

Covergestaltung: Grafisches Atelier arsEdition unter Verwendung der Illustrationen von Douglas Holgate

ISBN eBook 978-3-8458-3810-6

ISBN Printausgabe 978-3-8458-3656-0

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Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für Ruby. Falls die Welt mal in sich zusammenstürzt und die Monster anrücken, wärst Du eine fantastische Kameradin bei sämtlichen Abenteuern. – M.B.

Für meine Eltern – Ihr habt mich nicht nur in allen erdenklichen Lebenslagen unterstützt, geliebt und ermutigt, sondern mich als achtjährigen Knirps auch regelmäßig zu unseren Nachbarn gebracht, wo ich ohne Euer Wissen so ziemlich jeden Horrorfilm gucken durfte, den die Videothek auf Lager hatte. – D.H.

Inhalt

Cover

Bei der letzten Begegnung mit unseren kühnen Helden …

Titel

Impressum

Widmung

Plan von Wakefield

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Seiten aus dem Bestiarium

Danksagung

Über den Autor

Über den Illustrator

Leseprobe aus dem Titel "Jack, der Monsterschreck, und der König der Albträume"

Kapitel 1

Okay, also … wir werden jeden Moment gefressen. Verschlungen. Am Stück. Vielleicht auch in Häppchen. Wobei, Stück oder Häppchen – wen juckt’s? Am Ende heißt es so oder so: GEFRESSEN!

Weil, seht ihr dieses güterzuggroße Biest hinter uns? Das ist kein Güterzug. Sondern ein gigantisches Wurmmonster. Der Wurmigantus.

Na schön, und wieso sind wir auf der Flucht vor ’nem gigantischen Wurmmonster?

Ist ’ne echt gute Frage.

Mit ’ner ziemlich albernen Antwort. Wir haben …

Wisst ihr, vor ungefähr einem Monat hab ich dieses bösartige Riesenviech namens Blarg besiegt. Also hab ich gesagt:

»Wir sind Helden! Postapokalyptische Actionhelden. Und postapokalyptische Actionhelden brauchen eine Mission!« Im Grunde sind wir so ’ne Art moderne Version dieser mittelalterlichen König-Artus-Ritter. Und diese Tafelrundentypen waren ja quasi ständig auf irgendwelchen Missionen unterwegs. Kurz darauf hat mein bester Freund Quint Baker verkündet: »Wir sollten ein Bestiarium erstellen, Freund!«

Was ein Bestiarium ist, wollt ihr wissen?

Noch ’ne echt gute Frage! Die hab ich Quint auch gestellt. Quint hat mich wie ’nen Hirntoten angeguckt, sich das Lexikon geschnappt und laut vorgelesen: »Ein anschauliches, enzyklopädisches Nachschlagewerk zu den Eigenschaften einer Vielzahl von Fabelwesen.«

»Hört sich an wie ’n strebermäßiger Ausdruck für ›Monsterhandbuch‹«, hab ich gestöhnt.

»Aber besser!«, hat Quint gerufen. »›Handbuch‹ klingt nach Schule und Lernerei. ›Bestiarium‹ klingt nach BESTIEN. Ein Buch randvoll mit vergilbten, knisternden Seiten, die nach uralter Geschichte duften.«

Auf so was steh ich total, also hab ich gesagt …

Und daher erstellen wir jetzt ein komplettes Bestiarium, über jedes einzelne Ungeheuer, das seit dem Anfang der Monster-Invasion im letzten Sommer hier in Wakefield aufgetaucht ist. Für einen Bestiariumseintrag braucht man zwei Dinge:

Erstens: ein Foto. Das ist mein Job. Logisch ist das mein Job, denn ich bin Jack Sullivan, Monsterfotograf der Extraklasse.

Zweitens: jede Menge INFOS. Also alles, was es über das Viech zu wissen gibt – Stärken, Schwächen, wo es rumhängt, was es frisst, welche Hobbys es hat, ob es stinkt wie die Hölle, bladibla, bladiblubb.

Klar, in der Rangliste der ultimativen Heldenmissionen aller Zeiten steht »ein Buch schreiben« nicht ganz so weit oben wie Frodos Ringvernichterreise zum Schicksalsberg, aber was soll’s. Mir ist aufgefallen, dass das Leben VIEL lustiger wird, wenn man ab und zu selbst die absolut ödeste Tätigkeit zur Mission erklärt.

Zum Beispiel …

Nebenbei hat unser Freund Dirk sich der Mission verschrieben, einen Gemüsegarten anzulegen. Kein Witz. Wie’s aussieht, liebt Dirk frische Tomaten. Er meint, dass er seinen massigen Körper nicht auf Trab halten kann, wenn er immer bloß Erdnussschoki und Käseflips futtert. Was echt beknackt ist, denn ich bin ziemlich sicher, dass da fast alle wichtigen Nährstoffe drin sind.

Dirk gehört zu meiner Monsterbekämpfungs-Truppe. Vor dem Weltuntergang war er ein beinharter Fiesling, aber inzwischen ist er ein beinharter Viechervermöbler – mit einer weichen Seite, wie an seiner Gemüsegartenmission gut zu erkennen ist.

Er hat uns verklickert, dass er es mit ein paar frischen Tomaten bestimmt hinkriegen würde, überm Feuer so ’ne Art Pseudopizza zu backen. Und meine letzte Pizza – ob nun echt oder pseudo – ist schon Monate her.

June Del Toro (die auf dieser Welt sozusagen mein Lieblingsmädchen ist) hat Dirk in diesem Punkt voll und ganz zugestimmt: Sie könne auch kein Junkfood mehr sehen. Völlig bekloppt, wenn ihr mich fragt.

Jedenfalls, diese zwei überaus bedeutenden Missionen sind der Grund dafür, dass Quint, June, Dirk und ich hier gerade im Einkaufszentrum sind. Sie sind der Grund dafür, dass wir den großen Hauptgang entlanghetzen. Der Grund dafür, dass wir von diesem Wurmigantus gejagt werden. Der Grund dafür, dass –

In vollem Lauf werfe ich einen Blick über die Schulter. Oha, es wird ernst – das Viech holt auf!

Das Herz hämmert mir gegen den Brustkorb, als ich im Sprinttempo um die Ecke flitze, vorbei an dem belgischen Schickimicki-Pralinenladen, vorbei an dem Kuscheltiershop und vorbei an dem Stand mit den leckeren Keksen.

Plötzlich –

Schritte hinter mir. Soweit ich weiß, haben Würmer – auch Monsterwürmer – keine Füße.

Wieder ein Schulterblick. Ich bin zugleich sehr erleichtert und extrem genervt, als ich Quint sehe.

»Quint!«, brülle ich. »Trennung, hab ich gesagt. Wieso hast du dich nicht getrennt?!«

»Ich hab mich getrennt!«, antwortet er. »Beim Trennen trenne ich mich nach links. So trenn ich mich immer!«

»Sich zu trennen ist nicht schwierig, Quint!«, kreische ich. »Man geht einfach in verschiedene Richtungen! So lautet die Definition von ›sich trennen‹! Das ist doch keine Atomphysik!«

»Jack, ich finde Atomphysik allemal leichter zu verstehen als deine albernen Actionpläne!«

Ich brülle Quint an, aber er hört mich nicht. Und das ist auch kein Wunder bei dem Riesengetöse, mit dem der tobende Monsterwurm sich mit einem Mal hinter uns um die Kurve wuchtet.

»Klasse gemacht, Quint!«, krakeele ich. »Weil wir zu zweit sind, hat der Wurmigantus sich für uns entschieden!«

Ich höre ein lautes KA-WUSCH, als das Vieh quer durch den Foot Locker rauscht. Das Getöse von berstendem Glas, quietschendem Metall und kullernden Nikes hallt durch den Gang.

Zeit, mein neuestes Spielzeug auszuprobieren …

Selbstverständlich hat Quint sich dieses spezielle Gerät ausgedacht. Es soll Monster »ablenken und orientierungslos machen«. Ich heb meine Hand, mach mich bereit für den Wurf und –

Kapitel 2

Der BUUMerang kommt nicht zu mir zurückgeflogen, so wie er es eigentlich sollte – ihr wisst schon, diese eine Eigenschaft, die ’nen Bumerang erst zu ’nem Bumerang macht. Ohne die Segelt-zu-einem-zurück-Geschichte schleudert man einfach bloß ’n krummes Stück Holz durch die Gegend – was nicht besonders viel Spaß macht.

Der BUUMerang kommt also nicht zurück, aber er donnert dem Wurmigantus voll ins Gesicht. Ein zischiges WUUSCH ertönt, als die Rauchbomben und die Knallerbsen explodieren. Das Monster zuckt erschrocken nach links, taumelt dann heftig nach rechts und –

Ich nutze die paar Sekündchen, in denen es Glas und Metall regnet und der Wurm nichts als Trümmer vor der Visage hat, um mir Quint zu schnappen und ihn in den nächsten Laden zu zerren.

Wir hechten über einen Verkaufstresen und landen krachend auf dem Boden dahinter.

»Bleib unten!«, flüstere ich.

Nur einen Wimpernschlag später jagt der Wurmigantus weiter den Gang entlang und am Laden vorbei wie ’ne lebendig gewordene riesige Schnodderrakete.

Ich atme tief durch, rapple mich hoch und schleiche vorsichtig raus auf den Gang. Der Monsterwurm hat eine gelbliche Glibberspur hinterlassen, der Fußboden ist jetzt eine einzige glitschige Rutschbahn. Das Vieh walzt sich in ein Klamottengeschäft und verschwindet in einer Staubwolke, als die Wand hinter ihm einstürzt.

»Ich hab kein Foto gemacht!«, kreische ich.

»FOTOFLOP«, antwortet Quint.

Ich zieh eine Augenbraue nach oben. »Hör auf, so zu reden, Quint. Das passt nicht zu dir.«

»Ein Fehlschlag in Sachen fotografischer Beweisaufnahme, Freund.«

»Besser«, nicke ich und gebe meinem besten Kumpel ’nen Klaps auf den Rücken. »Na dann, wo sind wir hier?«

Ich guck mich um und fang vor Aufregung an zu zittern, als ich’s kapiere: Wir sind im GameStop!

»Alter!«, juble ich und mach mich sofort an die Erkundung der Regalreihen. »Hätte ich ’nen besseren Ort für ’n Last-minute-Versteck aussuchen können?«

»Ziemlich perfekt!«, ruft Quint freudig.

Neben dem Nintendo-3DS-Regal entdecke ich etwas, auf das ich dermaßen scharf bin, dass sich all meine Innereien verkrampfen und meine Arme und Beine ganz warm und kribbelig werden.

Wie gebannt starre ich auf die mächtige, lebensgroße Weltraumsoldatenrüstung aus meinem Lieblingsspiel NIMBUS: Zeit zu handeln. Das Ding glänzt, FUNKELT geradezu.

Daneben hängt ein Riesenplakat an der Wand, auf dem steht: »Erscheint diesen Dezember! Der absolut heißeste Scifi-Weltraumsoldaten-Action-Ego-Shooter, den der Planet Erde je gesehen hat! NIMBUS: Zeit zu handeln 14.«

Plötzlich erwischt mich die Traurigkeit wie ein Schlag ins Gesicht. Ich muss daran denken, wie viele spitzenmäßige Videospiele gerade entwickelt wurden, als die Monster-Invasion begann. Und jetzt werden sie alle niemals erscheinen! Ich werde sie niemals zocken können!

Ich klopfe gegen den Brustpanzer. DÖNG, DÖNG, DÖNG. Das Ding besteht definitiv aus Metall oder irgend’nem ultraspeziellen Plastik.

Quint reißt vor Staunen die Augen auf. »Ich habe mich geirrt!«, ruft er. »Dieser Silikon-Wunderflex-Kunststoff ist der beste in der Geschichte der Videospielwerbung!«

»Das Teil sack ich ein. Damit werd ich so ’ne Art unverwundbarer Weltraumsoldaten-Held! Hier an die Seiten schnall ich ein paar Flaschenraketen – und wenn mir ’n Monster zu nahe kommt: WA-SCHUUM! Friss ’ne Rakete!«

Quint grinst. »Ich muss dir zustimmen. Das Ding ist ziemlich beeindruckend.«

»Okay«, sage ich. »Wo ist unser Transporter?«

Kurz darauf –

Nach ungefähr zwanzig kläglichen Versuchen schaffen Quint und ich es endlich, die Superduper-Weltraumrüstung an Rovers Sattel zu schnallen. Rover ist mein Monsterhund und er kann einfach alles schleppen. Ich steck noch schnell ein paar PS4-Spiele für den Weg ein, dann trete ich nach draußen in den glibbrig glitschigen Gang.

»Alles klar«, verkünde ich, »suchen wir June und Dirk.«

Kapitel 3

Wir marschieren die obere Galerie entlang, von wo aus wir den Hauptgang unter uns überblicken können. Ich sehe unzählige kleine Buden mit T-Shirts und schicken Handyhüllen und anderem Kram, der eigentlich Mist ist und den ich trotzdem irgendwie echt gern haben will. Der Großteil des Einkaufszentrums ist ein einziges Chaos – durchwühlt und geplündert von panischen Menschen, kurz nachdem die Monster-Invasion begann.

Als wir am Apple Store vorbeikommen, steigt mir was in die Nase. Ein komischer, irgendwie süßlicher Geruch hängt in der Luft.

Und mir sticht was ins Auge, eine Bewegung. Unten beim Gap schleicht eine Gestalt um die Ecke. Eine beinahe menschliche Gestalt …

Der Anblick dieses beinahe-und-doch-nicht-ganz menschlichen Etwas jagt mir ’nen eiskalten Schauer über den Rücken. Mein Herz fängt wie wild an zu pochen.

Vielleicht spielt mir ja bloß meine übereifrige Fantasie einen Streich …?

Aber nein.

Schon möglich, dass meine Augen mich manchmal trügen, doch auf meine Nase ist definitiv Verlass. Und der komische, irgendwie süßliche Geruch wird stärker.

Allerdings handelt es sich nicht um den Geruch des Bösen. Es ist nicht der faule Gestank, den die scheußliche Bestie Blarg verströmt hat. Nicht der eklige Mief, den die Dozer oder die Flügelwichte oder die anderen Monster in Wakefield ausdünsten. So was ist der Geruch des Bösen.

Aber das hier?

Ehrlich gesagt, es riecht wie beim Abschlussball in der Schule. Jetzt hab ich’s, es riecht nach Billigparfüm.

»Quint, hast du das gesehen?«, flüstere ich.

Er nickt. Auf seinem Gesicht hat sich ’ne Riesenportion Angst breitgemacht. Angst mit Neugier als Beilage.

Ich zieh ruckartig meine Waffe, den Schlitzer, aus seiner Scheide.

Es ist jetzt gut einen Monat her, dass wir June gerettet haben (also: sozusagen gerettet), und seitdem ist uns kein Mensch mehr über den Weg gelaufen. Keine Kinder, keine Erwachsenen, niemand. Bloß haufenweise Zombies und Monster. Und seit Kurzem scheinen sogar die Zombies immer seltener zu werden. Eigentlich sieht’s sogar schwer danach aus, als würden sie verschwinden.

Ich meine, wir stromern jetzt seit ’ner geschlagenen Stunde durchs Einkaufszentrum und haben keinen einzigen Zombie gesehen. Und wenn ihr solche Zombieexperten seid wie ich, dann wisst ihr, dass es von Zombies hier nur so wimmeln sollte. Schon mal ’nen Zombiefilm gesehen? Oder ’n Zombiespiel gezockt? Da sind die Zombies IMMER im Einkaufszentrum. Vermutlich shoppen sie gern.

Quint meint, dass irgendwas sich die Zombies holt. Wir haben sie jedenfalls nicht auswandern oder reihenweise, ähm, tot umfallen sehen. Und ich sag euch eins: Falls es da tatsächlich ein Irgendwas gibt, das sich die Zombies holt, dann möchte ich diesem Irgendwas nicht begegnen, was immer es sein mag.

Der süßliche Duft bringt meine Gedanken wieder ins Hier und Jetzt.

Ich knie mich hin und kraule Rover hinter den Ohren. »Kumpel, kannst du meine Weltraumrüstung allein zu Big Mama schleppen?«, frage ich ihn und zeige dabei in Richtung Parkplatz, wo Big Mama wartet, unser megamäßiger Endzeit-Schlitten mit Ladefläche.

Rover zuckt mit dem Kopf, dann knurrt er zum Zeichen, dass er verstanden hat. Im nächsten Moment trottet er los, den Gang entlang, mit der klappernden Superrüstung im Schlepptau.

»Okay, Quint«, sage ich. »Lass uns rausfinden, was das da unten für ’n Ding ist.«

Quint bleibt mir dicht auf den Fersen, während ich über die Rolltreppe ins Erdgeschoss runterschleiche. Wir ducken uns hinter ’nen Stofftierstand namens Plüschi-Plüsch – hier sind plüschige Pandas und Ferkel und Frettchen im Angebot. Mit angehaltenem Atem linse ich um die Ecke.

Da ist die Gestalt wieder. Und falls das ein Mensch ist, dann ein echt großer. Das Ding rüttelt an einem von diesen Metallgittern, die vor den meisten Geschäften hängen.

Quint und ich wechseln einen verschreckten Blick, dann huschen wir lautlos weiter zur nächsten Bude. Wir sind wie zwei ultralahme James Bonds. Oder glaubt ihr, dass James Bond sich bei der Beschattung einer Zielperson jemals hinter Katies Kunstvolle Kerzen verstecken musste?

Die unheimliche Gestalt bleibt vor einem Gebäckladen stehen. Jetzt hab ich endlich einigermaßen freie Sicht auf den Riesenkerl. Und was ich sehe, lässt mein Blut zu Eiswasser gefrieren.

Ruckartig zieh ich den Kopf zurück und lass mich zu Boden sacken. »Hast du das gesehen?!«, frage ich Quint so leise wie irgend möglich.

Quint nickt. Er gibt keinen Ton von sich und zittert wie Espenlaub.

»Das ist so ’ne Art Monstermensch. Oder ’n Menschmonster«, keuche ich. Doch bevor wir auch nur damit anfangen können, diesen Irrsinnsanblick zu verdauen, hallt plötzlich ein markerschütternder Schrei durch den Gang.

Es ist June. Sie kommt im Sprinttempo auf uns zu. Dirk rennt neben ihr her. Und hinter den beiden, gigantisch und mit geifernd entblößten, horrormäßigen Fangzähnen, durch den Gang donnernd wie ein soeben entgleister Güterzug, kommt der Wurmigantus.

Wir müssen Deckung finden. Einen sicheren Unterschlupf. Irgendwas, das uns vor dieser Bestie abschirmt.

Doch in dem dicken Metallgitter vor dem Klamottenladen gegenüber ist keine Lücke zu sehen. Sämtliche Geschäfte um uns rum sind verbarrikadiert. Felsenfest.

Wir sitzen in der Falle. Gefangen.

Ohne Ausweg.

Kapitel 4

Ich erinnere mich, wie ich mich gefühlt hab kurz vor meinem Sieg über den dicken, fiesen, stinkenden, boshaften Blarg: panisch, aber selbstsicher. Verschreckt, aber lebendig.

Genauso fühl ich mich jetzt.

Mutig.

Bekloppt mutig.

Das hier ist mein Moment.

Der Moment von Jack Sullivan, postapokalyptischer Actionheld.

Nur noch ein paar Sekunden, dann ist der Wurmigantus bei uns. Sein gewaltiger Leib wühlt sich vorwärts und verwandelt alles in seinem Weg zu Staub. Und ich kann einfach nicht zulassen, dass meine Freunde in die Kategorie »Staub« fallen. Das ist meine größte Angst. Deswegen lieg ich nächtelang wach (na ja, und weil ich an Selena Gomez denken muss – hoffentlich ist sie irgendwo in Sicherheit!).

Ich geh dem Vieh ein paar Schritte entgegen wie so ’ne Art Samurai-Ninja-Jedi.

»Jack, was hast du vor?«, kreischt June.

»June, Dirk, Quint. Tretet zurück«, kommandiere ich. »Bleibt hinter mir.«

»Ich werd versuchen, das Tor vor dem Klamottenladen hochzustemmen«, ruft Dirk. »Wenn du das Biest aufhalten kannst, sterben heute vielleicht nicht alle von uns.«

Ich nicke.

Falls Dirk das Tor aufkriegt, können die drei sich in Sicherheit bringen. Falls nicht – wird das Vieh sie zerdrücken, zermalmen, zerquetschen. Aus die Maus.

»Jack …«, jammert June.

»GEH!«, brülle ich. Dieses Samurai-Ninja-Jedi-Heldengefühl schlägt meine Ich-mach-mir-gleich-in-die-Buxe-Panik um Längen.

Ich beschließe, das Theater noch ’ne Spur weiterzutreiben.

June kennt meine Trotteligkeit. Sie weiß, dass ich mich bei solchen Monsterbegegnungen eigentlich immer bloß irgendwie durchwurschtle.

Ich werd rot. »’tschuldigung. Bin kurz durchgedreht. Wie steht’s mit: Bitte? Ähm, bitte geh?«

Der Wurmigantus prescht durch den Handyhüllen-Stand. Die Wände erzittern. Splitterndes Glas regnet von den Geländern der Galerie über uns.

Endlich hetzt June in Richtung Klamottenladen.

Ich steh da, aufrecht und still. Die Klinge an meiner Seite, wie ein cooler, gelassener Krieger. Ich kann diese rasende, reißzähnige Bestie nicht frontal angreifen. Aber mit ein paar schicken, lichtschwertmäßigen Moves kann ich meinen Freunden vielleicht genug Zeit verschaffen, damit –

Schartige Risse durchziehen plötzlich den Fußboden, als würde die Eisdecke auf einem Wintersee bersten. Das Maul des Wurmigantus klappt sperrangelweit auf und entblößt eine fette Zunge, die in der Dunkelheit seines Schlunds hin und her zuckt.

Ich hole tief Luft.

Und dann, als das Ungeheuer schon fast bei mir ist, so nah, dass ich die verrottenden Fleischfetzen zwischen den Reißzähnen riechen und mein Spiegelbild in den unzähligen winzigen Augen erkennen kann, hechte ich jäh zur Seite. Meine Finger umklammern den Schlitzer. Ich halte die Waffe mit beiden Händen, die Arme waagerecht ausgestreckt, packe mit aller Kraft zu, während der Riesenwurm an mir vorbeifetzt und die Klinge sich in sein Fleisch gräbt –

Das Monster brüllt vor Schmerz auf, sein massiges Hinterteil peitscht mir entgegen und –

Ich krache mit voller Wucht vor einen Surfershop, sacke am Rolltor nach unten und lande unsanft auf dem mit Trümmern übersäten Boden. Ich rapple mich hoch und sehe, wie Dirk das schwere Metallgitter vor dem Klamottenladen anzuheben versucht. Quint und June helfen ihm fieberhaft.

Doch das Ding rührt sich nicht.

Und es ist sowieso zu spät.

Der Wurmigantus ist bereits bei ihnen. Das Maul des gigantischen Monsters ist zugeklappt, sein wurmförmiger Schädel ist gesenkt und pflügt durch den Fußboden.

Doch dann seh ich’s.

Das Menschmonster. Der Kerl stürmt auf meine Freunde zu. Quint wirbelt herum, voller Entsetzen. Das Menschmonster boxt ihn beiseite, krallt sich das Tor und reißt es nach oben.

Das ist das Letzte, was ich sehe.

Der Schwanz des Wurms peitscht über mein Gesicht, ich werde zu Boden geschleudert und alles wird schwarz.

Kapitel 5

Blinzelnd schlag ich die Augen auf. Ich seh Sterne und Glitzerkonfetti und sogar vierblättrige Kleeblätter – quasi ’ne Horde Glücksbringer.

Keine Spur von den andern. Ich stemme mich auf die Beine und schleppe mich mühsam zu dem Klamottenladen. Die komplette Front ist zerstört.