In Dankbarkeit
für meinen Mann Carsten,
der alle meine Schrullen mitmacht.
Wie kann man die Zeit festhalten? Die Antwort muss leider lauten: "Man kann es nicht." Die Zeit schreitet unaufhaltsam fort. Aber: Ich kann der Zeit mehr Qualität verleihen und Gedächtnisspuren legen. Dieses Buch verknüpft Übungen aus dem Gedächtnistraining mit Geschichten zu den einzelnen Monaten eines Jahres, um ihre Qualitäten hervorzuheben und Monat für Monat eine Gedächtnisspur zu setzen. Als ein solches Jahrbuch ist es an alle gerichtet, die das Gefühl haben, die Zeit rennt ihnen davon…
Die Übungen aus dem Gedächtnistraining sind so gestaltet, dass sie verschiedene Fähigkeiten des Gehirns trainieren. Neue Informationen werden mit bekannten verknüpft, so dass Gedankenverbindungen hergestellt werden. Dadurch wird das assoziative Denken geschult. Diese neuen Informationen werden in ein größeres Gedankensystem eingebunden. Das Denken erhält eine neue Richtung und der Blickwinkel wird erweitert. Auch wenn zu jedem Monat, die Übungen gleich sind, so erfordert jede Übung neue Kombinationen und Verknüpfungen. Das fördert die geistige Beweglichkeit. Das Thema der einzelnen Monate spiegelt sich in den Übungen wider. Damit erhöht sich die Merkfähigkeit. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung der Wortfindung. Jeder Mensch besitzt einen aktiven und einen passiven Wortschatz. Der aktive Wortschatz enthält die von uns ständig verwendeten Worte. Im passiven Wortschatz lagern Worte, die zwar bekannt sind und auch verstanden, aber selten abgerufen werden. Ein großer Wortschatz verbessert die Kommunikationsfähigkeit und vergrößert die Alternativen, die bei der Wortwahl zur Verfügung stehen.
Konzentration bedeutet die ungeteilte Aufmerksamkeit für eine bestimmte Zeit auf eine Sache lenken. Auf eine! Nicht auf mehrere! Das Multitasking gibt es nicht. Wenn unsere Aufmerksamkeit geteilt wird auf mehrere Dinge, wird auch die geistige Energie geteilt. Das bedeutet, Fehler schleichen sich leichter ein. Arbeiten werden oberflächlicher erledigt. Multitasking ist out. Auch für Frauen! So sieht es der Neurobiologe Prof. Dr. Martin Korte von der TU Braunschweig. Dass die Konzentration bei den Übungen in diesem Jahrbuch gestärkt wird, versteht sich von selbst. Denn ohne Konzentration werden Informationen nicht richtig aufgenommen und nicht gespeichert. Konzentration ist so gesehen immer dabei.
Und ganz wichtig: Kreativität und Fantasie! Fantasie ist das Verlassen gewohnter Denkbahnen hin zu neuen Dimensionen. Leider wird genau das auch in unserem Schulsystem immer mehr vernachlässigt. Dass ein Künstler ohne Fantasie nicht auskommt, leuchtet wohl jedem ein. Aber ein Wissenschaftler? Viele Naturwissenschaftler geben an, dass sie die Lösung für ihre Probleme auf kreativem Weg gefunden haben. Das wohl berühmteste Beispiel ist die Entdeckung der chemischen Struktur des Benzols durch Friedrich August Kekulé. Er hatte schon lange über die Struktur des Benzols nachgedacht, aber seine Berechnungen stimmten mit den bereits bekannten Strukturen nicht überein, und die Lösung des Problems wollte ihm nicht gelingen bis… Ja, bis er einen Traum hatte von einer Schlange, die sich in den Schwanz biss. Dieses Bild zeigte ihm schlagartig die Lösung: Das Benzol musste eine Ringstruktur besitzen. Das war ein wahrer Durchbruch in der Kohlenstoffchemie. 1964 widmete die Deutsche Post ihm eine 10-Pfennig-Marke.
In diesem Jahrbuch werden Sie angehalten, Ihre Kreativität anzuregen durch das Verfassen kleiner, eigener Gedichtchen, sogenannte Elfchen (siehe Januar). Oder Sie haben die Aufgabe Sprichwörter zusammenzusetzen, in diesem Fall bildhafte Wetterregeln.
Nicht zuletzt sollen Sie Ihre Wahrnehmung schulen. Ihre Sinne sollen angeregt werden. Dieses Jahrbuch ist ein "Buch" und damit ertastbar, begreifbar. Das Wort begreifen meint auch etwas anfassen und mit den Händen erfahren. Die Wahrnehmungsschulung durch dieses Buch geht aber noch subtiler vonstatten. Dieses Jahrbuch soll Sie anregen, die Monate eines Jahres intensiver zu erleben. Dazu ranken sich um jeden Monat besondere Geschichten, die Sie auffordern, die Qualität des Monats besser wahrzunehmen. Der Juni z. B. wird von den Gärtnern der Rosenmonat genannt, weil in diesem Monat die Hauptblütezeit der Rosen liegt. Das Thema dieses Monats sind natürlich Rosen. Wenn Sie nach Bearbeitung dieses Monats überall prächtig blühende und lieblich duftende Rosen wahrnehmen, dann habe ich mein Ziel erreicht. Ihre Wahrnehmung hat sich erhöht. Jeder Monat wird von einem passenden Gedicht begleitet, der seine Stimmung einfängt. Ich habe mich bis jetzt nie sonderlich für Gedichte interessiert. Das hat die Schule früher nicht erreicht durch dieses Auswendiglernen und Interpretieren müssen von Gedichten. Beim Heraussuchen der Gedichte habe ich festgestellt, dass sie die Qualität der Zeit stimmungsvoll wiedergeben. Sie intensivieren bei mir das Erleben der Laubfärbung im Oktober, aber auch der geheimnisvollen, nebeligen Tage im November…
Die Lösungen sind auf Großbuchstaben ausgelegt, wobei gilt:
Ä = AE
Ö = OE
Ü = UE
Bei den Brückenrätseln (nächste Seite) wird ein Mittelwort gesucht, das sowohl mit einem vorangestellten als auch mit einem nachgestellten Wort verbunden werden kann. Die gesuchten mittleren Wörter können am Ende einen variablen Buchstaben besitzen, der zwar zu dem einen Wort gehört, nicht aber zu dem anderen. Zwar nicht immer, aber meistens ist es ein "S" oder ein "N". Ein Beispiel verdeutlicht dies:
JAHRES ← BERICHTS! → HEFT
Das S gehört nicht zum JAHRESBERICHT, wohl aber zum BERICHTSHEFT.
Bei dem Rätsel auf Seite → ist in jeder Zeile die Mitte mit einem Wort zu füllen. Dieses mittlere Wort soll sowohl mit dem Wort davor, als auch mit dem Wort dahinter, ein neues, sinnvolles Wort ergeben. Der Endbuchstabe kann variabel sein, d. h. er gehört zu dem einen Wort, nicht aber zu dem anderen. Das gesuchte Mittelwort kann auch in der Mehrzahl stehen. Die grauen Felder (Pfeil) ergeben von oben nach unten gelesen die Lösung: das Anliegen dieses Buches. Ein Tipp: Sammeln Sie zuerst möglichst viele Begriffe, die mit "Jahr-" oder "Jahres-" anfangen. Dann probieren Sie, welche Wortkombination passen könnte.
Beispiele: MOND ← LICHT → PUNKT
WALD ← BEEREN*) → FRUCHT
Ein Tipp sei noch gestattet: Bearbeiten Sie die Aufgaben in einer Gruppe, bei einem Kaffeeklatsch oder einer Einladung zum Essen. Das Arbeiten in der Gruppe fördert die Motivation und das soziale Miteinander. Die Kommunikation ergibt sich dabei von selbst, da die Übungen Auslöser für Gespräche und Diskussionen sind. Gemeinsame Aktivitäten heben die Stimmung, und bei diesem angenehmen Gefühl kann das Gehirn seine Leistungsfähigkeit viel besser entfalten. Das gemeinsame Erlebnis bleibt länger im Gedächtnis haften als ein Abend, an dem nur gegessen und getrunken wird. Ein Beispiel: Mit einem kleinen Kreis meiner Freunde hat sich ein gemeinsames Hobby herausgebildet. Wir haben festgestellt, dass wir alle gerne Dokumentationen zu bestimmten Themen sehen wie z. B. über Kornkreise oder der Bau der ägyptischen Pyramiden. So haben wir uns eines Abends zusammengesetzt, um gemeinsam diese Dokumentationen anzusehen. Dabei haben wir vereinbart, dass jedes Mal, wenn jemand das Bedürfnis dazu hat, der Film angehalten wird. Immer, wenn jemand eine Filmsequenz wiederholt haben wollte, weil er den Inhalt nicht ganz verstanden hat, wurde der Film ein wenig zurückgespult. Jedes Mal, wenn jemand einen Beitrag, eine Idee, in die Runde geben wollte, wurde der Film ebenfalls angehalten. Auf diese Weise entstanden ungeheuer interessante Gespräche und die Fantasie wurde angeregt. Der Inhalt des Films vertiefte sich und blieb länger im Gedächtnis haften, wie auch der ganze Abend. Natürlich gab es dazu etwas zu essen und zu trinken. Wir freuen uns jedes Mal, wenn jemand eine weitere interessante Dokumentation entdeckt hat und ein neuer Filmabend ansteht.
Lange Zeit bestand die Meinung, dass die linke Gehirnhälfte für das logische Denken zuständig ist und die rechte für Kreativität und Intuition. Diese strikte Einteilung hat sich als falsch erwiesen. In Experimenten gelang die eindeutige Zuordnung von Fähigkeiten entweder zur rechten oder zur linken Hirnhälfte nicht. Beide Gehirnseiten haben die gleiche Wichtigkeit und sind bei allen Funktionen des Denkens beteiligt. Bei der Steuerung der Körperseiten folgt das Gehirn einem Überkreuzmuster. Die linke Hirnhälfte steuert die rechte Körperseite und umgekehrt. Dieses Merkmal kann man sich zunutze machen, um beide Hirnhälften zu aktivieren. Schon leichte körperliche Anstrengungen fördern die Durchblutung des Gehirns, denn jede Bewegung wird vom Gehirn gesteuert. Die beste Form der Bewegung sind Spaziergänge. Unser Gehen folgt einem Überkreuzmuster. Leider gehen die Erwachsenen heute kaum noch zu Fuß. 700m täglich sind eindeutig zu wenig. Dabei hat das Spazierengehen so viele Vorteile: die frische Luft erhöht die Sauerstoffzufuhr, die Koordinationsfähigkeit wird geschult, ebenso die Wahrnehmung durch Gerüche, Geräusche, Bodenbeschaffenheit und das wohltuende Grün der Bäume. Aber auch kleine Fingerübungen haben ihre Wirkung. Wenn diese dann noch einem Überkreuzmuster folgen, ergibt sich eine perfekte Möglichkeit beide Hirnhälften zu aktivieren. Wie in der folgenden Übung gezeigt.
Man muss nicht immer gleich sportlich richtig loslegen, um seine Gehirndurchblutung anzuregen. Schon kleinste Übungen, die es in sich haben, fördern die Durchblutung und Aktivierung der Gehirnleistung. Versuchen Sie es einmal mit der folgenden Übung:
Formen Sie beide Hände zu Fäusten und halten Sie sie vor sich. Nun bewegen Sie die rechte Faust in einer Kreisbewegung vorwärts und die linke Faust in einer Kreisbewegung rückwärts. Vermutlich klappt es anfangs nicht. Ein kleiner Tipp: Führen Sie die Bewegungen nacheinander aus. Mit einiger Übung werden Sie automatisch schneller.
Bedenken Sie, solange Sie üben, arbeitet Ihr Gehirn. Wenn Sie die Bewegung aus dem Effeff können und Sie sich nebenbei noch locker unterhalten, schaltet Ihr Gehirn in den Ruhemodus und wartet auf eine neue Aufgabe. Die sieht dann so aus: die rechte Faust kreist rückwärts und die linke Faust vorwärts. Los geht's!
Schon lange werden die Stunden nicht mehr mit der Sanduhr abgemessen. Und das Stundenglas der Segelschiffe ist längst in die Museen verbannt. Der großzügige Umgang mit der Zeit ist einer peinlich genauen Zeitrechnung gewichen. Unsere Uhren müssen auf Bruchteilen von Sekunden genau gehen. Zur absolut exakten Zeitmessung benutzt die Raumfahrttechnik Atomuhren. Am 21. März 2012 erschien eine Meldung, dass laut Wissenschaftlern sich die Genauigkeit einer Atomuhr erhöht hatte: eine Abweichung von einer Sekunde wird erst in 140 Milliarden Jahren erreicht! Einfach ausgedrückt basieren die Atomuhren auf der Messung der Schwingungsfrequenz von Atomen. Merkwürdig, dass sich mit zunehmender Genauigkeit unserer Zeitmessung die Zeit immer schneller dreht. Leichtathleten lassen sich bei den olympischen Spielen zu immer größeren Höchstleistungen herausfordern. Gemessen wird die Leistung dann auf 1/100 Sekunde genau. An den Börsen wird der sog. Hochgeschwindigkeitshandel getätigt; innerhalb von Sekundenbruchteilen werden Milliarden Gelder verschoben, die zu Milliardengewinnen führen können. Aber es kann auch mit der gleichen Geschwindigkeit ins Auge gehen und zu Milliardenverlusten führen. "Zeit ist Geld" so heißt es. Und es stimmt. Denn es wird in Zeiteinheiten gemessen, wie viel eine Maschine, ein Werk produzieren kann. Die Räder dürfen nicht still stehen. Das bedeutet Produktionsausfall und Geldverlust. Maschinen sind am produktivsten, wenn sie rund um die Uhr laufen, möglichst ohne Wartungsausfall. So wurden nach und nach Nachtschichten eingeführt, Feiertage abgeschafft, Ladenöffnungszeiten verlängert und Sonntage zu Werktagen erklärt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass in den 60iger Jahren die Inventuren in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr durchgeführt wurden. In dieser Zeit hatten viele Geschäfte geschlossen. Es war die ruhigste Woche des Jahres. Die Welt schien eine kleine Weile anzuhalten. Für mich war es die schönste Zeit des Jahres. Eine Zeit der Ruhe und Besinnung. Das gibt es heute nicht mehr. Die Geschäfte haben vielfach ihre Inventuren "outgesourced" und speziellen Firmen übergeben. Diese führen die Inventuren bei laufenden Verkaufsgeschäften durch. Geier Sturzflug sang in ihrem Lied "Bruttosozialprodukt" 1983: "Ja dann wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt…"
Gibt es da noch eine Zeit des Wartens, der freudigen Erregung? Alles scheint ineinander überzugehen: Apfelsinen bekomme ich sowohl im Dezember als auch im Juli. Apfelsinen sind nichts Besonderes mehr. Schon Anfang September lagert der Lebkuchen in den Regalen der Einzelhändler. Kaum ist Weihnachten vorbei, stehen die Osterhasen parat. Können Sie sich vorstellen, dass Goethe schon vor 200 Jahren zur Langsamkeit gemahnt und die Schnelligkeit seiner Zeit "veloziferisch" nannte? "Veloziferisch" – eine geniale Wortschöpfung, die Goethe da aus dem lateinischen Wort velocitas (= Eile) und Luzifer (= Teufel) zusammengefügt hat: "…Für das größte Unheil unserer Zeit, die nichts reif werden lässt, muß ich halten, daß man im nächsten Augenblick den vorhergehenden verspeist, den Tag im Tage vertut, und so immer aus der Hand in den Mund lebt, ohne irgendetwas vor sich bringen. Haben wir doch schon Blätter für sämtliche Tageszeiten, ein guter Kopf könnte wohl noch Eins und das Andere interpolieren. Dadurch wird alles, was ein jeder tut, treibt, dichtet, ja was er vorhat, ins Öffentliche geschleppt. Niemand darf sich freuen oder leiden, als zum Zeitvertreib der Übrigen; und so springt's von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles veloziferisch."*) Er meinte damit, dass sich die Leute als Zeitvertreib über die Missgeschicke der Nachbarn amüsieren. Alles wird öffentlich gemacht. Was er wohl zu den heutigen Fernsehsendungen sagen würde? Weiter beschreibt er seine Zeit so: "…Einer eingepackten Ware gleich schießt der Mensch durch die schönsten Landschaften. Länder lernt er keine mehr kennen. Der Duft der Pflaume ist weg….." *) Wohlgemerkt: Damals reisten die Menschen in Kutschen. Die Verführung durch den Mephisto in Goethes Faust liegt ja gerade in der Erfüllung jeder Wünsche, in jeder Form und zwar sofort. Es ist das, was unsere heutige Gesellschaft verspricht: alles ist zu haben, alles ist machbar, in jeder Form, sofort. Dazu muss immer schneller und immer mehr produziert, transportiert und konsumiert werden. Aber kostbare Lebenszeit geht verloren.