Datenhunger und seine Auswüchse

Kritische Reflexion der „Amazonisierung“: Digitalisierung und Vernetzung haben zwei Gesichter. Fortschrittlichen  Elementen des Internets steht eine ungehemmten Ausspähung und Vermarktung privater Daten gegenüber. Licht und Schatten der Digitalisierung könnten in ein schädliches Ungleichgewicht gelangen. Idealtypische Betrachtungen dürfen eine dringende Risikoanalyse nicht verdecken oder gar blockieren. Denn Big  Data ist unter uns, tagtäglich unser Leben beeinflussend, wenn nicht sogar bereits bestimmend. Einen wirksamen Schutz davor gibt es wohl nicht.


Also braucht es Wachsamkeit gegen die Gefahren des vielfachen Missbrauchs. Potenziale und Gefahren müssen identifiziert und gegeneinander gewichtet werden. Die Wege zu intelligenten Fabriken und smarten Büros verlangen nach Unmengen von Daten und gehen mit gravierenden Umbrüchen und massiven Veränderungen einher. Die technische Machbarkeit des lückenlosen Tracking von Bewegungen und Tätigkeiten muss auf das hinterfragt werden, was gewollt oder hinnehmbar sein soll.


Wissen ist die einzige Ressource, die sich durch Gebrauch vermehren lässt: nur wer schnell und einfach auf Vorhandenes zurückgreifen kann, gewinnt Freiräume für kreative neue Lösungswege. Je besser es jemandem gelingt, sein Wissen zu lokalisieren und gezielt einzusetzen, desto mehr kann er sich gegenüber seinen weniger wissensbewussten Konkurrenten absetzen: das für Problemlösungen benötigte Wissen soll zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar sein. Trotz zahlreicher Einzelaktivitäten im Zusammenhang mit dem Zukunftsrohstoff „Wissen“ gibt es oft noch Lücken, die eine bestmögliche Ausschöpfung der in ihm steckenden Entwicklungspotentiale behindern: insbesondere fehlt vielfach noch ein in sich schlüssiges Konzept bzw. Instrument, mit dem sich alle Einzelkomponenten des Intellektuellen Kapitals vollständig und mit einheitlicher Systematik abbilden lassen.


Eine der Hauptursachen, warum der Rohstoff „Wissen“ trotz seines rasant steigenden Anteils an der Herstellung heutiger Produkte und Dienstleistungen bislang so wenig sicht- und greifbar gemacht wurde, liegt in der komplizierteren Bewertung und Messung immaterieller sogenannter „weicher“ Faktoren begründet. Ein plan- und zielloser Umgang mit Wissen und Fähigkeiten würde Ressourcen vergeuden und zur Demotivation führen. Der Erfolg hängt auch davon ab, wie effizient der Rohstoff Wissen nutzbar gemacht werden kann. Die Organisation von gespeichertem Wissen ist die Basis für Innovationen aller Art. Server, Datenautobahnen und Datenbanken ermöglichen den permanenten Zugriff auf Informationen. Informationen alleine haben weder einen besonderen Wert, noch einen Zweck an sich: sie dienen lediglich als Mittel der Wissenserweiterung; gleichzeitig aber muss dieses Wissen archiviert und nachvollziehbar kategorisiert werden.



Pisa – Messungen mit normativen Wirkungen – Zeiteffizienz – Schulqualität – Bildungsarmut – Integration – Staatliche Bildungspolitik - Lebensumwelt und Tradition – Messen und Gemessenwerden – Legitimation und Kontrolle. Beim bildungsökonomischen Output geht es um Fragen wie beispielsweise:

in welchem Maß geht im Bildungssystem ökonomisch kostbare Zeit durch verspätete Einschulungen, Wiederholungen, Ausbildungsabbrüche, nichtgestufte Hochschulstudiengänge u.a. verloren? Handlungsfeld: Zeiteffizienz.

wie hoch sind die durchschnittlichen Kompetenzen der Schüler in Mathematik, den Naturwissenschaften sowie beim Textverständnis? Handlungsfeld: Schulqualität.

wie hoch ist der Anteil derjenigen Schüler, für die aufgrund mangelnder Kompetenzen oder fehlender Abschlüsse zu befürchten ist, dass ihnen ein Einstieg ins Arbeitsleben und in eine erfolgreiche berufliche Laufbahn misslingt? Handlungsfeld: Bildungsarmut.

wie eng sind dabei Kompetenzen und Abschlüsse mit dem soziökonomischen Hintergrund der Bildungsteilnehmer verknüpft? Wie gerecht sind die Bildungschancen verteilt? Handlungsfeld: Integration.


Pisa-Messungen bewerten nicht nur staatliche Bildungspolitik, sondern üben auch Druck auf deren Gestaltung aus. In der Öffentlichkeit werden Pisa-Ergebnisse mehr oder weniger ohne kritische Reflexionen zur Kenntnis genommen. Ohne Rücksicht auf tradierte Vorstellungen und Lebensumwelten ist man folgsam bemüht, Pisa-Ergebnisse ohne weitere Diskussionen möglichst zeitnah in konkrete Handlungsempfehlungen umzusetzen. Kaum oder nicht gemessen werde aber Ausmaß und Tiefe der Eingriffe in das, was in der Vergangenheit Lebensweise und Lebensmilieu von Millionen Menschen bestimmte. Man mag zu Pisa-Ergebnissen stehen wie man will: über die Prozesse des Messens und Gemessenwerdens wird Macht ausgeübt. Ohne weiteres Nachdenken und Hinterfragen werden die alltäglichen Welten der Lehrer und Schüler proaktiv verändert. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Kriterien sowie der Legitimation und Kontrolle derartiger Machtausübung.

Wissen gehört zum wertvollsten Besitz

Das Personalmanagement unterliegt vor diesem Hintergrund einem dynamischen Wandel und Anpassungsdruck: insbesondere der Umgang mit Wissen als Ressource wird für die Zukunft immer mehr zum entscheidenden Erfolgsfaktor, d.h. die Wettbewerbsfähigkeit wird vom bewussten und gezielten Umgang mit diesem immateriellen Rohstoff abhängen. Wissen manifestiert sich sowohl in internen Kommunikationsnetzwerken, dem „Unternehmensgedächtnis“, als auch im Verbund mit externen Kooperationspartnern: es wird immer mehr darauf ankommen, dass man wissensgestützte Produkte und Dienstleistungen fortlaufend weiterentwickelt, denn deren Marktwert basiert zu einem immer größeren Teil auf dem in ihnen steckenden Informationsgehalt. Dabei werden verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen: von der Daten- über die Informations- bis hin zur höchsten Wissensstufe. Den Wert eines Unternehmens ermittelt man immer mehr dadurch, indem man auf das Verhältnis von Daten, Informationen und Wissen schaut. Wissensmanagement erfordert auf der Führungsebene die Bewertung von zirkulierenden Informationen. Auf der strategischen Ebene ist es sinnvoll, eine enge Verknüpfung zwischen Personalentwicklungs- und Unternehmensplanung herbeizuführen. Anhand des nachfolgenden Personal-Portfolios geht es um die Fragen: wie sieht das aktuelle Leistungsverhalten aus? wie soll das zukünftige Entwicklungspotential aussehen?



   

Man mag noch so viel nach den Ursachen und Gründen für Krisen wie der letzten (oder nächsten ?) Finanzkrise forschen. Sie sind keine Naturkatastrophe, sondern sind von Menschen gemacht und zu verantworten. Mögen auch falsche oder fehlende Regeln oder gar eine verfehlte Wirtschaftsordnung vorgeschoben werden. Denn auch diese sind kein Produkt der Natur sondern einzig und allein von Menschen gemacht. Will man also an die Wurzel allen Übels gehen, wird man zwangsläufig immer wieder nur zu Menschen und ganz bestimmten Personenkreisen kommen. Denn  wer sonst als Personen in verantwortlichen Führungspositionen sollten an Geschehnissen im Zusammenhang mit einer Krise beteiligt gewesen sein ? Wer also sonst könnte für das Ende einer Krise (und die Begleichung ihrer Folgen) sorgen?

 

Nun hat nicht jede Generation mehr die Zeit, dass sie die zehn Jahre oder mehr auf die Schadensbeseitigung warten könnte. Nicht jede folgende Generation wird einfach dazu bereit sein, Schulden ihrer Väter-Generation abzutragen und für eine Krise zu bezahlen, mit der sie nichts gemein hat. Womit man bei den Auswahlverfahren und -kriterien für Positionen wäre, die während der Krisenentstehung die verantwortlichen Stellhebel in Beschlag gehalten haben.

 

Wenn man sich die grundsätzlich einfache Frage stellt: hätte man sich an diesen Stellhebeln andere Personen mit anderen Verhaltensweisen vorstellen können, mit und unter denen eine  solche weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise vielleicht nicht so entstanden wäre? Wenn eine Bejahung dieser Frage den Horizont der Vorstellungskraft nicht übersteigen würde, könnte dies eigentlich nur heißen, einmal grundsätzlich alle Auswahlverfahren und Selektionsmechanismen zu überdenken, die in der Vergangenheit die offenbar suboptimale Belegung dieser möglicherweise krisenbewirkenden Stellhebel zugelassen oder sogar  befördert haben. Heißt dies vielleicht: Wissenskrise = Personalkrise = Auswahlkrise? Wie komplex eine Krise in allen ihren Einzelheiten oder Facetten auch immer sein mag. Wie unwahrscheinlich auch ein einzig gangbarer, aus der Krise direkt herausführender Königsweg auch immer sein mag. Ohne den Versuch zu einer ganzheitlich und damit vernetzten Denkweise sowie zur Entwicklung einer in sich geschlossenen und bruchfreien Methodik wird man kaum zum Kern des Problems vordringen.

 

Auch im mikroökonomischen Bereich gilt es, die zahlreichen Tool-Boxen dahingehend zu durchforsten, ob wirklich alle benötigten Werkzeuge an Bord sind und ob diese Werkzeuge auch angesichts von Krisen wirklich das zu leisten imstande sind, was sie vorgeben und was man sich von ihnen versprochen hat und oft noch unverändert verspricht. Insbesondere wäre ein Nach- und Überdenken aller Verfahren und Kriterien gefordert, die sich mit der Auswahl von Führungskräften befassen. Da hiervon auch und gerade das Allgemeinwohl betroffen ist, sollte zumindest die Messlatte für die mögliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit höher gelegt werden:

Finanzkrise = Wissenskrise

Wissenskrise = Personalkrise