Editorial: Gesetzliche Rente bei HIV

–Vorwort zur Arbeit von Dr. med. Helga Exner-Freisfeld-

Die öffentliche Meinung zu Patientinnen und Patienten mit einer chronischen Erkrankung ist nicht selten negativ besetzt. – Vorurteile bestimmen oft die Diskussionen. So liest man im Internet mitunter, dass es Menschen gegeben haben soll, die bewusst das Risiko einer HIV-Infektion eingegangen waren, um im Fall des Erwerbs einer HIV-Infektion dann die Berentung anzustreben. – Eine von vielen unüberprüfbaren Mythen und Legenden, die das anonyme Internet ermöglichen.

Dagegen stehen neben den Erfahrungen von einigen HIV-Infizierten, die kaum von ihrer zu früh beantragten Grundsicherung leben können und dazu verdienen müssen, ebenso wie die praktische Erkenntnis, dass im Vergleich zur Normalbevölkerung die HIV-Infizierten eher häufiger im aktiven Arbeitsverhältnis stehen. So ist die Arbeitswelt nicht selten bedeutende Identifikationsmöglichkeit im Leben dar, insbesondere wenn eine eigene Familie fehlt. Im Jahr 2015 lebten einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts zufolge etwa 83.400 Menschen mit HIV und AIDS. Bereits aus früheren Erhebungen ist eine Erwerbsquote von mehr als 64% für HIV/AIDS-Infizierte beschrieben, was einer Zahl von 53.500 HIV-Positiven in Deutschland entspricht, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Somit ist diese chronische Erkrankung, wie kaum eine andere, fest verankert in der Arbeitswelt und im Durchschnitt besteht hinsichtlich der Leistungsfähig kaum eine Einschränkung gegenüber nicht-HIV-infizierten Kolleginnen und Kollegen.

In der vorliegenden Zusammenstellung bietet Helga Exner-Freisfeld eine umfassende Übersicht zum Thema „Gesetzliche Rente bei Menschen mit HIV“ an. Ziel dieser Publikation ist es, mit Vorurteilen aufzuräumen und einen Beitrag zu leisten, um die konkrete Lebenswirklichkeit von HIV-positiven in der Erwerbswelt abzubilden.

Somit kann diese Broschüre zu einer hilfreichen Lektüre für Menschen werden, die in diesem Spannungsfeld arbeiten oder zur konkreten Handlungsanleitung für Betroffene dienen.

Für diese Publikation wünsche ich meiner Kollegin eine positive Resonanz.

Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Stephan

Oberarzt am Schwerpunkt Infektiologie/HIVCENTER der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung: HIV und AIDS
  2. Die gesetzlichen Rentenversicherung
  3. Allgemeines zu HIV und Rente
  4. Zusammenfassung

HIV und AIDS - eine Chronik

1978

In Deutschland wird bei einem Patienten eine rätselhafte Erkrankung festgestellt. Bei späteren Analysen stellt sich heraus, dass der Patient mit dem Hi-Virus infiziert war.

Dies war der erste dokumentierte AIDS-Fall hierzulande. [2]

1981

Aus Los Angeles wird über eine ungewöhnliche Konstellation von Pilzinfektionen und speziellen Lungenentzündungen bei fünf offenbar sonst gesunden homosexuellen Männern berichtet.

Später erscheint in der New York Times ein Artikel über eine Reihe ähnlicher Krankheitsfälle bei Homosexuellen mit Kaposi-Sarkomen.

1982

Im Juni wurde in Frankfurt, in der infektiologischen Abteilung der Goethe-Universität, der erste AIDS-Patient von Frau Prof. Helm und Prof. Schlomo Staszewski diagnostiziert. An der neu entdeckten Krankheit, verursacht durch das tödliche Abwehrschwächevirus, starb der Patient. Es gab damals noch keine Medikamente.

1982

Das neue Krankheitsbild wird auch in Europa beobachtet.

Die Erkrankung erhält den Namen Acquired Immune Deficiency Syndrome, kurz AIDS.

In den USA stellt Robert Gallo die Hypothese auf, dass AIDS durch ein Retrovirus ausgelöst wird.

1983

Luc-Montagnier und seinem Team gelingt am Institut Pasteur in Paris der Nachweis eines Retrovirus. Er schickt Proben des Virus an Robert Gallo in den USA.

1984

In Deutschland kommen die ersten HIV-Antiköpertests zum Einsatz.

1985

Die Gesundheitsbehörde der USA lässt den ersten HIV-Antikörpertest zu.

Der erste HIV-Patient erhält im Rahmen einer Studie den Wirkstoff AZT(Azidothymidin). Die Substanz blockiert das Enzym Reverse Transkriptase, das für die Umschreibung der Virusinformation in menschliche DNA wichtig ist.

1987

Die amerikanische Gesundheitsbehörde (Food and Drug Administration, kurz FDA) lässt AZT unter dem Namen Retrovirerstes Medikament gegen AIDS