Von einem unabhängigen Beobachterstatus aus gesehen

Ein Beobachterstatus setzt voraus, dass man sich regelmäßig direkt vor Ort aufhält und somit in der Lage ist, sich mittels eigener Beobachtungen direkt ein Bild vom Geschehen zu machen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass Standortbeobachtung im hier verstandenen Sinn sich nicht auf eine stichtagsbezogene Sichtweise beschränkt, d.h. immer mehr als nur Moment- oder Status-Aufnahme sein möchte. Vielmehr geht es um eine zeitraumbezogene Betrachtung. Da Standorte einem ständigen und immer dynamischer ablaufenden Wandlungsprozess folgen, begleitet der Standortbeobachter diesen auf einer bestimmten Strecke des hierbei zurückgelegten Weges. Ohne genau fixierten Startpunkt im Sinne einer auf den Stichtag bezogenen Eröffnungsbilanz. Und mit offenem Ausgang. Begebenheiten, die heute noch unverrückbar scheinen mögen, könnten bereits schon morgen in einem völlig anderen Licht erscheinen. Insofern ist jede Standortbeobachtung immer auch eine Fortsetzungsgeschichte mit offenem Ausgang. Wichtige Informationen und Erkenntnisse können nicht zuletzt dadurch gewonnen werden, dass man nicht nur einfach Beobachtung an Beobachtung zusammenhanglos aneinanderreiht, sondern auf der Zeitachse vor allem relevante Änderungen hinsichtlich ihrer Stärke und Ursache in Augenschein nimmt. Relationen zwischen einzelnen Standortfaktoren können oft mehr aussagen als ihre absoluten Werte.

 

Standortbeobachter: Unabhängigkeit ist oberstes Gebot – Einbindung eigener Erfahrungen und Kompetenzen – Blickwinkel und Zielsetzung sind entscheidend. Beobachtung heißt hinschauen, Informationen sammeln und aufschreiben; heißt dagegen nicht urteilen, empfehlen oder beraten. Das wichtigste Kapital, das ein Standortbeobachter hierbei einbringen kann, ist seine absolute Unabhängigkeit. Er vertritt von niemand Interessen, gleich welcher Art. Er führt, in welchem Auftrag auch immer, keine eigenen Standortanalysen durch. Er vergleicht auch keine Standorte und erstellt keine Rankings. Er gibt keine Bewertungen oder Handlungsempfehlungen ab. Interessenunabhängig heißt deswegen aber nicht meinungslos. Dies wäre schon deshalb nicht möglich, weil ihn zahlreiche Eigenerlebnisse und -erfahrungen mit den für eine Beobachtung ausgewählten Standorten verbinden. Es kommt darauf an, die eigene Erfahrungen und Qualifikationen zu nutzen, um Standortbegebenheiten in eine Relation zueinander einzuordnen und für sie eine nachvollziehbare Position im Gesamtzusammenhang zu finden. Eine Standortbeobachtung durch Einzelpersonen bleibt somit zwar unabhängig, ist aber aufgrund ihrer individuellen Informationssammlung subjektiv. Wer sich also anhand der von einem Standortbeobachter gesammelten Materialien informieren möchte, ist damit nicht gleichzeitig davon enthoben, sich selbst ein eigenes Urteil zu bilden und sich hierfür auch zusätzliche Analysen und Meinungen einzuholen. Denn es gibt keine guten oder schlechten Standorte, sondern immer nur geeignete oder ungeeignete Standorte. Gleiche Standortbeobachtungen können somit zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen und Schlüssen führen. Ein wichtiger Faktor hierbei bleibt immer auch, aus welchem Blickwinkel und mit welcher Zielsetzung man auf den jeweiligen Standort schauen will.

 

Zahlen ja, vor allem aber „weiche“ Faktoren : Wirkungsbeziehungen mit Rückkoppelung – Relationen im Blickfeld. Die Beobachtung von Standorten wird nicht ohne Zahlen auskommen. Also ohne alles das, was man messen und quantifizieren kann. Umso mehr man sich auf die Stufe der Standortanalyse und des Standortvergleichs hin bewegt, desto mehr sollten auch nachvollziehbare Fakten, d.h. transparent und aktuell aufbereitetes Zahlenmaterial darin einfließen. Der reine Beobachterstatus ist jedoch ein anderer: hier werden qualitative Aspekte eines Standortes zunächst einmal nur geordnet. Es wird versucht, Standortfaktoren nicht nur als absolute Zahlengrößen, sondern vor allem in ihren Wertigkeiten und Beurteilungen zueinander und somit in ihren dynamischen Wirkungs- und Wechselbeziehungen zu sehen. Auch scheinbar Nebensächliches wird aufmerksam beobachtet. Damit vor allem auch Rückkoppelungseffekte nicht unentdeckt bleiben oder übersehen werden.

 

Daten-, Informations- und Wissenspool entwickeln – Standortbeobachter als Generalist mit ganzheitlichem Denken. Der von einem Standortbeobachter möglicherweise abgedeckte Bilanzierungsbereich und somit die Vollständigkeit des erstellten Standortbildes hängen von der Lage seines Beobachtungspunktes ab: an diesem ziehen von den Gegebenheiten des Sachverhaltes abhängig Ereignisse der zur Beobachtung ausgewählten Standorte vorbei. Da gesammelte Beobachtungen somit immer nur punktuell und nicht flächendeckend erfolgen, können sie immer nur Einzelausschnitte aus einem größeren Gesamtbild spiegeln. Zunächst werden die zu einem Standort gemachten Beobachtungen in einem Informations- und Daten-Pool gesammelt. Ist hierbei eine bestimmte Grundmenge erreicht, sollte das Ganze mit einer durchgängig bruchfreien Systematik unterfüttert und geordnet werden. Was ein Standortbeobachter jetzt zusätzlich einbringen kann, sind eigene Qualifikationen und Berufserfahrungen. Beispielsweise indem das notwendige Denken in Szenarien durch entsprechende Instrumente unterstützt werden kann: wie Benchmarking, SWOT-Analyse, Risiko- und Wahrscheinlichkeitsrechnung, Szenario- und GAP-Analyse oder ähnliches. Also quasi ein Risikomanagement ohne Tabellen und Erhebungen.

 

Denn ein Standort scheitert meist nicht an Dingen, die als gefährlich erkannt und bereits mit aller Akribie erhoben und gemessen wurden, sondern eher an denjenigen, die bisher immer als für sicher gehalten wurden. Wichtig für einen guten Standortbeobachter ist deshalb ein breites Erfahrungswissen aus unterschiedlichsten Situationen des Wirtschaftslebens. Letztlich sollte in Standortbeobachtungen also ein Generalist einbezogen sein, der vor allem das Denken in Zusammenhängen gewohnt ist. Standort: Beobachtungsfelder: Sachgebiete – Themenbereiche ­– Abbild des Standortes – Informationssammlung. Da ein Standortbeobachter, so er denn unabhängig ist, keine Interessen, von wem auch immer, verfolgt, gibt es auch keine Beschränkung der von ihm beobachteten Themen. Das Feld ist sehr breit gestreut, das jeweilige Einzelthema hängt weitgehend davon ab, was darüber in der Öffentlichkeit berichtet wird und somit frei zugänglich ist. Sogenanntes Insider-Wissen und vertrauliche Informationen tauchen in dem Beobachtungsfeld daher eher selten auf. Um nicht von Zufälligkeiten abhängig zu sein, sollte daher für bestimmte, ausgesuchte Standorte der Beobachtungsstatus über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg ausgedehnt werden.

 

Damit kristallisieren sich mit der Zeit gewisse Beobachtungsschwerpunkte und -themen heraus, wie beispielsweise: Wohnungssituation (Bestand, Bedarf), Vereinbarkeit Wohn- und Gewerbegebiete, Standortentwicklung, Anpassungsfähigkeit der Siedlungsentwicklung, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Gesundheitsinfrastruktur, Immobilienwirtschaft, Pflegeinfrastruktur, Betreuungseinrichtungen, Bildungslandschaft (Schule, Aus-, Weiterbildung), Wirtschaftsförderung, Existenzgründungen, Informationsnetze für die Wirtschaft, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Clustermanagement, Integration von Personen mit Migrationshintergrund, demographische Risiken, Entwicklungen, Kommunalverwaltung (Entbürokratisierung, Genehmigungsverfahren), Standortmarketing, Umwelt, Lebensqualität, Sicherheit, wohnortnahe Versorgungsmöglichkeiten, Anbindung zu Verkehrsmöglichkeiten (ÖPVN, Autobahn, Bahn, Flughafen), Kreativwirtschaft.

 

Standortanalyse mit mehreren Facetten - nicht Quantität alleine ist entscheidend:  Beurteilungen von Standortfaktoren sind meist eindimensional ausgerichtet. Oft lassen sich zusätzliche Erkenntnisse damit gewinnen, dass ein bestimmter Einflussfaktor nicht immer nur mit einer Blickrichtung und unter einem einzigen Aspekt beurteilt wird. Mit einem Prinzip der 3-fach-Bewertung können sich neben beispielsweise der bloßen Quantitätsbetrachtung weitere Facetten, nämlich die der Qualität und Systematik, erschließen. Jeder der Standortfaktoren sollte für sich einzeln beurteilt werden. Jeder einzelnen Beurteilung sollte ein möglichst ausführlicher Fragenkatalog vorangestellt werden, mit dem für jeden der Faktoren quasi eine Bewertungs-Checkliste erstellt wird. Wenn also in diesem System eine solche Stufe der an jeden einzelnen Faktor zu formulierenden Fragen eingebaut wird, wird damit auch eine zwangsläufige Auseinandersetzung mit wichtigen Sachverhalten in Gang gesetzt. Beobachtung der Einflussfaktoren nach Quantität, Qualität und Systematik. Danach werden für jeden einzelnen Standortfaktor drei Bewertungen durchgeführt: a)  nach seiner Quantität, b) nach seiner Qualität und c) nach seiner Systematik. Jede dieser drei Bewertungen wird ihrerseits wiederum ausführlich begründet. Wenn jeder dieser ausgewählten Faktoren einem mehrstufigen, zusätzlich in Form von Profilen, Portfolios und Wirkungsnetzen graphisch darstellbaren Bewertungsprozess unterzogen wird, entsteht hieraus ein durchdachtes und anhand konkreter Bewertungsziffern  nachvollziehbares Bild des jeweiligen Standortaspektes. Aus diesen zahlreichen Einzelbildern lässt sich ein ebenso konturscharfes wie auch genaues Gesamtbild  herstellen. Ein unabhängiger Standortbeobachter kann dazu beitragen, eine solche Tool-Box zu erstellen. Die Bewertungen auffüllen müssen allerdings die verantwortlichen Standortakteure und Entscheidungsträger selbst.

 

Potentialorientierte Chancenauswertung – Kommunikationsbasis der Strategieplanung - Optimierung Ressourcenumleitung. Prinzip Ampelbeobachtung: eine Standortbilanz liefert die hierfür notwendigen Instrumente. Um dem Ganzen ein Rahmengerüst zu geben, könnten für zuvor identifizierte Standortfaktoren zunächst folgende vier Bewertungszonen unterteilt werden: a) Bewertungszone rot  0 % - 30 % = schlecht, b) Bewertungszone gelb  > 30 % - 60 %  = teils-teils, c) Bewertungszone grün  > 60 % - 100 % = gut, d) Bewertungszone rot  > 100 % = Übererfüllung. Je nachdem, ob ein Faktor hinsichtlich seiner Quantität, Qualität oder Systematik beurteilt und bewertet wird, ermöglicht dies einen schnellen „Ampel“-Eindruck. Die Bewertungszone von > 100 % - 120% würde deshalb vorgesehen, um für einen bestimmten  Einflussfaktor gegebenenfalls auch eine „Übererfüllung“ anzeigen zu können. Beispielsweise um darauf hinzuweisen, dass mit über das Optimum hinausreichenden Ressourcen über eine Umleitung zu anderen Faktoren ein vielleicht größerer Vorteil für den Standort als Ganzes zu erreichen wäre.