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Thomas Meyer: Streitkolben, Kampfaxt & Morgenstern - Nahkampf-, Turnier- und Gerichtskampfwaffen des Mittelalters

© Thomas Meyer, Düsseldorf 2010

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Umschlagfoto: Thomas Meyer

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN-13: 978 3 8391 7894 2

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zulässigen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verfassers. Weder das Werk noch Teile davon dürfen ohne Einwilligung vervielfältigt oder in Netzwerken eingestellt oder verbreitet werden. Der Autor haftet nicht für den Inhalt oder die Richtigkeit der Angabe

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Polnischer Ritter mit Streitkolben - 16.Jahrhundert

„Meyers Großes Konversations-Lexikon“, Band 17, Leipzig 1909

Vorwort

Das Mittelalter – eine zeitliche Einordnung

Die verschiedenen Hieb- und Stichwaffen

Panzer und Schild

Historische Kampfkünste

Die Fechtmeister und Fechtbücher

Das Turnier

Der Gerichtskampf

Anhang / Literaturhinweis

Zu diesem Buch

In diesem Band sollen die einzelnen Waffen für den Nahkampf, das Turnier und den Gerichtskampf des Mittelalters vorgestellt und ihre Verwendung beschrieben werden. Außerdem werden die jeweiligen Wehren in ihrer historischen Entwicklung betrachtet.

Um es gleich vorweg zu sagen: dieses Buch versteht sich nicht als wissenschaftliches Fachbuch; vielmehr will dieses Handbuch dem Leser die Annäherung an einen spannenden und bedeutsamen Komplex der europäischen Waffen-Geschichte ermöglichen, Hintergründe erhellen und Zusammenhänge darstellen. Dabei wurde bei der Recherche auf wissenschaftlich fundierte Daten zurückgegriffen.

Zu den geschilderten Waffen und Kampftechniken sei gesagt, dass der Umgang mit Waffen immer gefährlich ist und man diesen auf alle Fälle in einem entsprechenden Unterricht, der mittlerweile in Deutschland vielfach und mit unterschiedlichsten Ausprägungen angeboten wird, erlernen soll.

Auch der Umgang mit einer Trainingswaffe kann bei unsachgemäßem Gebrauch zu Verletzungen führen und ist somit nicht ungefährlich. Scharfe Klingen unterliegen den Bestimmungen des Waffengesetzes, aber auch stumpfe Waffen können schwere Verletzungen verursachen und so auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen.

Als Trainingsanweisung für den Kampf mit mittelalterlichen Waffen kann und soll dieser Text ausdrücklich nicht verstanden sein. Dies würde ein eigenes Buch füllen, wovon mittlerweile aber einige empfehlenswerte, auch deutschsprachige, verfügbar sind.

Vorwort

Mit diesem Buch soll versucht werden, dem Leser einen detaillierten Überblick über den Themenkomplex der Waffen und Wehren des mittelalterlichen Nahkampfes in Europa und einen Einblick in das Turnierwesen und den Gerichtskampf dieser Epoche in fundierter Form zu vermitteln. Daher findet der Leser hier Informationen zu den historischen Hintergründen sowie zu den waffentechnischen Details aufgeführt.

Sicher wird die Übersicht der mittelalterlichen Quellen zur Literatur den strengen, wissenschaftlichen Anforderungen an etwa eine Forschungsarbeit nicht gerecht. So versteht sich dieses Werk aber auch nicht. Es soll dem interessierten Leser einen Einstieg in die komplexe Materie verschaffen und so die Möglichkeit bieten, sich mit dem einen oder anderen Schwerpunkt anschließend intensiver zu beschäftigen.

Europa im Mittelalter, das ist aus unserer heutigen, distanzierten Sich wohl vornehmlich ein mehr oder weniger wirres Geflecht aus politischen und religiös motivierten Streitigkeiten, die in häufig jahrelangen blutigen Auseinandersetzungen und Kriegen mit häufig wechselnden Siegern und Besiegten ausgefochten wurden.

Natürlich wird man einer Betrachtung des mittelalterlichen Europas alleine aus der militärischen Sicht nicht gerecht, dennoch war der Krieg auch in dieser Epoche eine normative Kraft, deren Folgen sich bis in die Entwicklung des heutigen Europas ausgewirkt haben. Aus dieser Dominanz der militärischen Auseinandersetzung als Mittel der Konfliktlösung erklären sich auch das große Interesse und die stetig wachsende Zahl derer, die sich mit der mittelalterlichen Kriegskunst Europas beschäftigen.

Reenactment und Living History sind Strömungen, die sich mit der Wiedergabe von historischen Ereignissen wie großen Schlachten aber auch fiktiven Begebenheiten bei meist möglichst detailgetreuer Durchführung beschäftigen. Archäologen und Militärhistoriker verwenden seit der Mitte des letzten Jahrhunderts diese Technik, die zur Sicherung von Annahmen und Schaffung neuer Erkenntnisse führen soll und kann.

Bei der Beschäftigung mit den militärischen Auseinandersetzungen im mittelalterlichen Europa wird schnell klar, das hier zum Teil erhebliches technisches und handwerkliches Know How genutzt wurde, über das heute vielfach falsche Vorstellungen existieren und nur wenige konkrete Tatsachen allgemein bekannt sind.

Deshalb soll hier versucht werden neben einer zeitlichen und räumlichen Einordnung der politischen Verhältnisse vor allem auch den technischen, kulturellen und handwerklichen Tatsachen Raum zu schaffen.

Wegen der Fülle an unterschiedlichen Waffengattungen, die sich im gesamten Zeitraum des Mittelalters entwickelten, erfolgt hier die Beschränkung auf die Darstellung der Nahkampfwaffen. Die Fernwaffen des Mittelalters, und mit ihnen auch die Feuerwaffen, sind daher in einem weiteren Handbuch dargestellt.

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Fechtschild - Holz mit Leder

“Handbuch der Waffenkunde”, Wendelin Boeheim, Leipzig 1890

Das Mittelalter – eine zeitliche Einordnung

Wenn wir heute über das Mittelalter sprechen, dann konzentrieren wir uns gedanklich in der Regel auf die Zeit um 1000 bis 1200 nach Christus. In der europäischen Geschichte bezeichnet der Begriff Mittelalter tatsächlich jedoch eine viel längere Epoche, nämlich die zwischen der Antike und der Neuzeit, also etwa um 500 bis 1500 nach Christus. Anfang und Ende von Früh-, Hoch- und Spätmittelalter können jedoch nicht präzise bestimmt werden, da die Übergänge hier fliesend waren.

Das Frühmittelalter schließt an die Spätantike an. Früher wurde die “Völkerwanderungszeit” dem Frühmittelalter zugerechnet. Heute rechnet man die Völkerwanderungszeit eher der Spätantike zu. Dadurch wird der Beginn des frühen Mittelalters ungefähr in die Mitte des 6. Jahrhunderts datiert. Eine gemeinsame christliche Glaubenshaltung und eine in Ständen organisierte Gesellschaft bilden die Grundzüge dieser neuen Struktur. Die Anfänge dieser neuen europäischen Entwicklung sind gezeichnet vom Niedergang der römischen Kultur. Bildung, Handel oder Rechtswesen befinden sich zum Ende des 5. Jahrhunderts vollständig in Stagnation. Die frühmittelalterliche Gesellschaft lebte von der Viehzucht und dem Ackerbau. Erst langsam beginnt unter dem Wirken der christlichen Kirche eine Stabilisierung der Situation.

Als Zeitraum für das Ende des Frühmittelalters wird unter anderem die Gründung des Heiligen Römischen Reiches durch Otto I., den Grossen 962 oder das morgenländische Schisma von 1054 betrachtet. In dieser Phase wurde die vom griechisch-römischen Mittelmeerraum ausgehende imperiale Struktur durch eine Europa fast vollständig abdeckende Zergliederung durch mehr oder minder große Feudalsysteme abgelöst. Mit dem Fränkischen Reich, das Karl der Große im 9. Jahrhundert gründet, ist diese Phase dann endgültig abgeschlossen, die Feudalzeit beginnt. Mit ihm findet auch eine Belebung von Kunst, Bildung und Handel statt.

Das Hochmittelalter kann zeitlich etwas genauer eingegrenzt werden als das Frühmittelalter. Allgemein wird damit die Epoche von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts bezeichnet.

Der Wandel im 11. Jahrhundert wird deutlich in einem enormen Bevölkerungswachstum, das bis ins 14. Jahrhundert dauerte. Durch dieses Bevölkerungswachstum mussten neue Siedlungs- und Anbaugebiete erschlossen werden. Die Produktionsmethoden der Landwirtschaft waren verbesserte werden, und konnten so die zusätzlichen Menschen ausreichend versorgen. Dadurch wiederum wurden Handwerk und Handel gefördert, und damit die Geldwirtschaft. Neue Märkte entstanden, die wiederum die Kassen der Städte füllten. Die Kirche mit dem herausgebildeten Papsttum entwickelte nach innen eine klare Hierarchie, nach außen kämpfte sie mit den weltlichen Herrschern um die Vormacht. Bildung wurde erstmals seit der Antike wieder in den Vordergrund gerückt.

Das Hochmittelalter war auch die Blütezeit des Rittertums, das sich in Folge der Kreuzzüge neu definierte. Mit dem Bemühen der Feudalherren, ihre Machtpositionen zu festigen, geht der erste Bau von Burgen einher. Sie dienen zur besseren Kontrolle des Landes und der Bevölkerung sowie des Handels und der Landwirtschaft, und sie dienten ihren Herren als geschützte Stützpunkte für deren Expansionsbestrebungen.

Als Spätmittelalter wird die Epoche von der Mitte des 13. Jahrhundertsbiszum15. Jahrhundertbezeichnet. Im 14. Jahrhundert breiteten sich eine Reihe von Hungersnöten und Seuchen wie die große Hungersnot von 1315 und der Schwarze Tod, der in ganz Europa von 1347 bis 1353 grassierte, aus und reduzierten die Bevölkerung Europas auf kaum mehr als die Hälfte. Der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England brach aus.

Auch der rund 200 Jahre dauernde Konflikt mit den Arabern hatte die Kriegsführung und die europäische Gesellschaft verändert. Die Verlierer jener Ära waren vor allem die Lehnsherren und das Rittertum. Doch auch das Papsttum musste Autorität einbüssen, ebenso das Kaisertum. Die Erfindung des Buchdrucks hatte enormen Einfluss auf die europäische Gesellschaft. Sie erleichterte die Verbreitung des Geschriebenen und demokratisierte das Lernen, eine wichtige Voraussetzung für die spätere protestantische Kirchenreformation. Mit dem Erreichen der Renaissance neigte sich dann dass Mittelalter dem Ende zu.

Die verschiedenen Hieb- und Stichwaffen

Die Kriege, Schlachten und Feldzüge des Mittelalters waren in Taktik und Strategie geprägt durch die Waffen, die den Feldherren und ihren Armeen für die bewaffnete Auseinandersetzung zur Verfügung standen. Bis zur Entwicklung der Feuerwaffen war blanker Stahl und die Mechanik von Holz und Seilzug das Maß für den Erfolg in der Schlacht. Die unberittenen Krieger setzten in den Schlachten des Mittelalters eine Vielzahl von Waffen ein, darunter die einseitige und die zweiseitige Streitaxt, Streitkolben, Morgensterne und Hämmer, aber auch Schwerter, Spieße, Bogen und Armbrust.

Ritter, die gepanzerter Kavallerie des Mittelalters, führten in der Schlacht meist Schild und Lanze, aber auch das Schwert und den Kolben. Mit der Entwicklung der Waffentechnik hielt immer auch die Entwicklung der Wehren und Panzerungen stand. Während sich die Waffen der kriegerischen Auseinandersetzungen technisch ständig weiter entwickelten und dabei den veränderten Gegebenheiten und Möglichkeiten angepasst wurden, entwickelten sich für das Turnier Waffen und Rüstungen mit einer eigenständigen Ausprägung.

Bevor wir uns die einzelnen Waffen für den Nahkampf, das Turnier oder den Gerichtskampf im Einzelnen anschauen, wollen wir versuchen, erst einige Definitionen der unterschiedlichen Waffengattungen festzuhalten.

Die Blankwaffen

Zu den Blankwaffen gehören alle Klingenwaffen. Diese verfügen in der Regel über eine scharfe oder spitz geschliffene Klinge als wirksamen Teil der Waffe. Ist die Klinge an einer langen Stange befestigt, spricht man von Stangenwaffen. Die Klingenwaffen werden üblicherweise in Hiebwaffen und Stichwaffen unterteilt. Weitere Blankwaffen sind aber auch die Schlagwaffen, zu denen Streitkolben, Beile und Äxte, Morgensterne und Keulen gehören.

Die Klingenwaffen

Klingenwaffen sind verschiedene Waffen mit einseitig oder mehrseitig geschliffen Klingen. Teilweise bestehen Klingenwaffen aus Kombinationen von Hieb- und Stichwaffe. Klingenwaffen mit Hiebklingen wirken durch die Schärfe ihrer Klingen spaltend. Dieser Waffentyp wird Hiebwaffe genannt. Klingenwaffen mit Stichklingen wirken durch ihre spitze Form die das Eindringen dieser Waffen in einen Gegner ermöglicht. Dieser Waffentyp wird Stichwaffe genannt.

Die Hiebwaffen

Eine Hiebwaffe ist eine Klingenwaffe, die hauptsächlich dazu ausgelegt ist, mit einer Schneide die Kraft des Hiebes zu nutzen. Die Wirkungsweise der Klinge durch den Hieb ist spaltend. Sie wirkt nicht durch Einstechen mit der Spitze, sondern durch die Schärfe der Klinge. Synonym dazu ist gelegentlich auch der Begriff Wuchtwaffe zu finden.

Auch eine typische Schlagwaffe wie der Streitkolben kann mit Klingen versehen sein und so als Hiebwaffe eingesetzt werden. Fast alle Formen der Schlagwaffen, die über die bloße Keule hinausgehen, sind bereits solche Mischformen. Neben der Ausstattung mit Klingen war auch die mit Stacheln und Schlagdornen wie bei Morgenstern oder Streithammer sehr verbreitet.

Die Stichwaffen

Eine Stichwaffe ist eine Waffe, die spitz zuläuft und hauptsächlich dazu ausgelegt ist, in einen Körper einzustechen und dadurch einen Gegner zu verletzen oder zu erstechen. Stichwaffen werden durch die Muskelkraft des Besitzers genutzt. Wie eine Hiebwaffe kann eine Stichwaffe auch eine Schneide haben. Die Übergänge zwischen den Hieb- und den Stichwaffen sind oft fließend, da beispielsweise ein Säbel sowohl zum Schlag gegen einen Gegner als auch zum Stechen eingesetzt werden kann.

Selbst typische Stichwaffen, wie etwa das Bajonett, existieren in verschiedenen Ausführungen, die nicht selten auch den Einsatz als Hiebwaffe erlauben. Eine Hellebarde und viele andere Waffen verbinden sogar die verschiedenen Funktionen dadurch, dass sie aus mehreren Klingen zusammengesetzt sind.

Die Schlagwaffen

Die Schlagwaffen stellen wahrscheinlich die älteste Waffenform überhaupt dar. Bekannteste Form der Schlagwaffe ist die Keule. Die Übergänge zwischen den Schlag- und den Hiebwaffen sind oft fließend. Der Hauptunterschied zwischen “reinen” Schlagwaffen und Hiebwaffen ist die meist geschliffene Klinge bei der Hiebwaffe.

Die Stangenwaffen

Stangenwaffen sind Blankwaffen, üblicherweise für Fußkämpfer, die ihr wirksames Element in Form einer meist metallenen Spitze, Klinge oder Keule am Ende einer längeren, in der Regel zweihändig zu führenden Stange tragen.

Die Stoßwaffen

Eine Stoßwaffe ist eine Waffe, die durch Vorwärtsbewegung in das gegnerische Ziel gerammt wird. Die Stoßwaffe wirkt dabei durch die Konzentration der Kraft auf nur einen Punkt. Im Gegensatz zur Stichwaffe wirkt nur die Übertragung der Stoßkraft auf den Gegner, nicht aber z.B. die Schneidwirkung einer Klinge. Die Stoßwaffe ist daher in der Regel nicht zum Ein- oder Durchstechen ausgelegt.