cover

Das Fallmesser der Deutschen Luftwaffe

Technik und Entwicklung des Fliegerkappmessers

Wolfgang Peter-Michel

Books on Demand

Die Sinnlosigkeit von Kriegen zeigt sich am deutlichsten in ihren Hinterlassenschaften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Fallmesser der Deutschen Luftwaffe

1. Auflage, korrigierter Nachdruck 2012

ISBN: 978-3-8482-6543-5

© 2012 by Wolfgang Peter-Michel

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Inhalt

Einleitung

Das erste Modell

Das zweite Modell

Das dritte Modell

Die Deutsche Luftwaffe 1935–1945

Die britische Kopie des deutschen Fallmessers

USA: Jump Knife, Type M2

Entwicklung ab 1945

Literatur

Einleitung

Zu jedem Fallschirm ein Messer

Dieses Buch behandelt das „Fliegerkappmesser“ (FKm), das den gesamten Zweiten Weltkrieg hindurch Ausrüstungsgegenstand des fliegenden Personals der Deutschen Luftwaffe war. Dabei handelt es sich um ein Fallmesser, bei dem die Klinge durch Einwirkung der Schwerkraft nach vorn aus dem Griffstück gleitet. Es sollte, gerade unter deutschen Blankwaffensammlern, eigentlich ein begehrtes Sammlerstück sein. Denn alle deutschen Kriegspiloten trugen dieses Messer, angefangen bei den Jagdfliegerassen wie Adolf Galland, Werner Mölders oder Erich Hartmann bis hin zu den Tausenden von namenlosen Piloten und Besatzungsmitgliedern, die an Bord von deutschen Flugzeugen ihren Dienst taten.

Auch jeder Fallschirmjäger trug eins und verwendete es wahrscheinlich weitaus häufiger als das übrige fliegende Personal der Luftwaffe. Denn bei letzteren war die Verwendung nur für den Fall vorgesehen, dass sie sich mit dem Fallschirm aus ihrem Luftfahrzeug retten mussten und dann auch nur, falls der Gelandete sich damit vom Schirm losschneiden musste, weil sich die Fallschirmleinen beispielsweise in einem Baum oder Gestrüpp verfangen hatten. Bei den Fallschirmjägern, oder genauer „Fallschirmschützen der Luftwaffe“, gehörte der Fallschirmsprung natürlich zum Handwerk, weshalb sie weit häufiger ein Kappmesser benötigten. Auch brauchten sie, als kämpfende Truppe an der Front, natürlich ein Messer als Vielzweckwerkzeug und Waffe. Deshalb wird das Fliegerkappmesser der Deutschen Luftwaffe heute oft fälschlich als „Fallschirmjägermesser“ bezeichnet, in der irrigen Annahme, nur Görings Luftlandetruppe sei mit damit ausgestattet gewesen. Vielmehr trug es jedoch jeder Angehörige der Luftwaffe bei sich, bei dem, aus welchen Gründen auch immer, ein Fallschirmabsprung notwendig sein konnte.

Dieser Umstand ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass das Fallmesser der Luftwaffe auf jeden Fall zum Symbol für die Erfolge der Jagdfliegerasse oder Fallschirmjäger taugen würde. Dennoch ist es den meisten deutschen Messersammlern zwar bekannt, jedoch haben die wenigsten eines davon in ihrer Sammlung oder überhaupt schon mal ein Exemplar in der Hand gehalten. Die Ursache dafür findet sich im bundesdeutschen Waffenrecht der Nachkriegszeit, das nämlich bereits seit über 30 Jahren Fallmesser mit einer Klingenlänge von über 8,5 cm als verbotene Gegenstände eingestuft hat und seit einer 2003 verabschiedeten Novelle den Besitz von allen Arten von Fallmessern gänzlich unter Strafe stellt. Somit steht interessierten Sammlern nur die Möglichkeit offen, sich um eine der nicht ohne weiteres erhältlichen Ausnahmegenehmigungen zu bemühen. Sinn oder Unsinn des deutschen Waffenrechts ist nicht Thema dieses Buches, dies soll nur als Begründung genügen, warum das in großen Stückzahlen während des Zweiten Weltkriegs geführte Fliegerkappmesser in Deutschland so wenig Aufmerksamkeit erfährt.

Abb. 1: Die erste Ausführung des Fliegerkappmessers (FKm). Sie wurde vermutlich nur in den Jahren 1937 und 1938 hergestellt und ist heute die auf dem Sammlermarkt am häufigsten anzutreffende Variante.

Abb. 2: Die zweite Ausführung aus der Kriegsfertigung. Sie unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch die Möglichkeit, das Messer zu Wartungszwecken zu zerlegen.

Abb. 3: Die dritte und letzte vor 1945 entstandene Variante: Sie soll nun offensichtlich nicht mehr als Schneidwerkzeug für Notfälle dienen, sondern als Kampfmesser.

Abb. 4: Die erste Nachkriegsausführung für Fallschirmjäger und Panzerbesatzungen der Bundeswehr, eingeführt 1957. Diverse konstruktive Veränderungen sollten die Mängel der Kriegsmodelle beseitigen.

Abb. 5: Die Rückkehr zum Althergebrachten: Zweite Ausführung für die Bundeswehr von 1963. Aussehen und Funktionsweise des Kriegsmodells sind weitestgehend wiederhergestellt.

Abb. 6: Mit dieser Ausführung fand die militärische Nutzung des Fallmessers zumindest in Deutschland ihr Ende. Ausführung für den zivilen Markt mit gekürzter Klinge und Flaschenöffner.

Abb. 7: Aktuell im Handel erhältliche Zivilversion des Fallmessers. Die Verwandschaft zum Ursprungsmodell ist unverkennbar, jedoch forderte das deutsche Waffenrecht seinen Tribut: Die „Rettungsmesserklinge“ macht das Messer zum Werkzeug und damit gesetzeskonform.

Das erste Modell

Beste Qualität mit kleinem Konstruktionsfehler

Schon am 24. Mai 1937, also lange vor Kriegsausbruch, führte die deutsche Luftwaffe das Fallmesser für ihr fliegendes Personal ein. Anhand der zu diesem Zeitpunkt ausgegebenen frühesten Ausführung des Fliegerkappmessers lässt sich die große Bedeutung ablesen, die die deutschen Machthaber ihrer Luftwaffe beimaßen. Denn das im Grunde eher nebensächliche Werkzeug war nicht nur aus den besten verfügbaren rostfreien Stählen gefertigt, sondern durch seinen speziellen Öffnungsmechanismus auch sehr aufwendig und teuer in der Herstellung. Dies überrascht, sollte es doch nur in seltenen Fällen zum Einsatz kommen.

Mit Datum der Einführung gab das Beschaffungsamt der Luftwaffe auch eine Baubeschreibung für das Messer heraus. Sie vermittelt einen Eindruck von Abmessungen und Funktionsweise des Ausrüstungsstücks:

Das gemäß L. Dv. 123 Seite 29 und 31 als Sonderausstattungsstück für das fliegende Personal und für Fallschirmschützen vorgesehene Flieger-Kappmesser wird nach Abschluß der Entwicklung hiermit eingeführt. Die Beschaffenheit des Flieger-Kappmessers wird durch besiegelte Proben und das nachstehend aufgeführte Baumuster festgelegt.

Abb. 8 und 9: Diese Ausführung ist die am häufigsten anzutreffende Variante des deutschen Fliegerkappmessers (FKm). Die Hersteller Paul Weyersberg und Solinger Metallwaren Fabrik (SMF) fertigten den größten Teil davon. Ihr deutlichstes Unterscheidungsmerkmal gegenüber späteren Varianten ist die fehlende Möglichkeit, sie ohne Werkzeug zerlegen zu können. Dies war zugleich der größte Schwachpunkt dieser ersten Ausführung, denn im Frontgebrauch neigte sie aufgrund von eingedrungenem Schmutz zum Versagen.

13. Feder für den Aufreiber 5,50 mm
14. Niete Materialstärke 4,00 mm
15. Bügel Materialstärke 3,50 mm
Gewicht 0,250 kg
Sämtliche Metallteile werden aus rostfreiem Stahl hergestellt.

Die Klinge gleitet in einem an 3 Seiten geschlossenen und auf der oberen und unteren Breitseite mit Abdeckplatten versehenen Metallkasten mit aufgenieteten Holzschalen. An seinem offenen Ende ist der Metallkasten mit einem verbreiterten Metallkopf versehen. Die Führung beim Gleiten ist durch einen querstehenden Zapfen am unteren Ende der Klinge gegeben, der in einem an dem Boden des Kastens angebrachten Schlitz eingreift. Im geöffneten Zustande wird die Klinge gleichzeitig durch diesen Zapfen im Messerheft festgehalten. Auf der Schmalseite des Metallkastens befindet sich eine gewinkelte Flachfeder, die in der Schließstellung mit ihrem abgebogenen Ende bis an die abgeschrägte Rückenkante der Klinge heranreicht, wodurch ein Herausfallen der Klinge aus dem Metallkasten verhütet wird. In der Offenstellung verhindert das abgebogene Ende der Schließfeder gleichzeitig ein Zurückfallen der Klinge in den Metallkasten und bewirkt zugleich mit dem Zapfen, daß die Klinge feststeht.

Das freie Ende der Flachfeder ist als Nocken ausgebildet, an dem ein umlegbarer Druckhebel angebracht ist. Wird der Druckhebel nach oben umgelegt, so wird dadurch das abgewinkelte Ende der Flachfeder aus dem Metallkasten herausgehoben. Dadurch wird die Klinge freigegeben und kann aus der Schließstellung in die Offenstellung und aus dieser wieder in die Schließstellung gleiten. Der Druckhebel ist an dem Messerheft so angebracht, daß er mit der das Flieger-Kappmesser haltenden Hand betätigt werden kann.

Das Flieger-Kappmesser ist ferner mit einem umlegbaren Aufreiber (Ahle) ausgestattet, der in seiner Ruhestellung auf der federlosen Schmalseite des Messerkastens liegt und in der Ruhe- und Gebrauchsstellung mit seiner Angel gegen eine Feder feststeht, die in der Verlängerung der Flachfeder an der Schmalseite des Messerkastens befestigt ist. Der Aufreiber wird von den aufgelegten Holzschalen teilweise verdeckt. Die Spitze ist ganz in die Holzschalen eingebettet. Eine an der unteren Holzschale angebrachte Ausbuchtung ermöglicht es, den Aufreiber zu öffnen. Er wird mit seiner Angel durch eine kräftige Niete gehalten, diese dient gleichzeitig zur Befestigung eines Bügels.

Unterbringung des Flieger-Kappmessers und der Verbandspäckchen im Fliegerschutzanzug (Kombination) siehe Erlaß LD Nr. 41976/37 IV, 3b vom 20. Mai 1937 (nachstehend).

Wegen des planmäßigen Liefersolls siehe L. Dv. 423 (L. Befl. B.) Anlage 3 und 4.

Die L. Dv. 422 (L. A. D.) Abschnitt A, Anhang 1 Nr. 45 (Flieger-Kappmesser) wird durch Deckblätter ergänzt.

Der R. d. L. u. Db. d. L. 24.5.37, LD Nr. 41976/37 IV 3b.

Abb. 10: Die in der Baubeschreibung vom 24. Mai 1937 enthaltene Zeichnung des FKm.