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Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783749457458

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

1. Die Entwicklung der germanischen Religion

2. Lexikon der germanischen Religion

3. Der ursprüngliche Göttervater Tyr

4. Tyr in der Unterwelt: der Schmied Wieland

5. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1

6. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2

7. Tyr in der Unterwelt: der Zwergenkönig

8. Der Himmelswächter Heimdall

9. Der Sommergott Baldur

10. Der Meeresgott: Ägir, Hler und Njörd

11. Der Eibengott Ullr

12. Die Zwillingsgötter Alcis

13. Der neue Göttervater Odin Teil 1 Jahreszeiten

14. Der neue Göttervater Odin Teil 2

15. Der Fruchtbarkeitsgott Freyr

16. Der Chaos-Gott Loki

17. Der Donnergott Thor

18. Der Priestergott Hönir

19. Die Göttersöhne

20. Die unbekannteren Götter

21. Die Göttermutter Frigg

22. Die Liebesgöttin: Freya und Menglöd

23. Die Erdgöttinnen

24. Die Korngöttin Sif

25. Die Apfel-Göttin Idun

26. Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel

27. Die Meeres-Jenseitsgöttin Ran

28. Die unbekannteren Jenseitsgöttinnen

29. Die unbekannteren Göttinnen

30. Die Nornen

31. Die Walküren

32. Die Zwerge

33. Der Urriese Ymir

34. Die Riesen

35. Die Riesinnen

36. Mythologische Wesen

37. Mythologische Priester und Priesterinnen

38. Sigurd/Siegfried

39. Helden und Göttersöhne

40. Die Symbolik der Vögel und Insekten

41. Die Symbolik der Schlangen, Drachen und

42. Die Symbolik der Herdentiere

43. Die Symbolik der Raubtiere

44. Die Symbolik der Wassertiere und sonstigen Tiere

45. Die Symbolik der Pflanzen

46. Die Symbolik der Farben

47. Die Symbolik der Zahlen

48. Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen

49. Das Jenseits

50. Seelenvogel, Utiseta und Einweihung

51. Wiederzeugung und Wiedergeburt

52. Elemente der Kosmologie

53. Der Weltenbaum

54. Die Symbolik der Himmelsrichtungen und der

55. Mythologische Motive

56. Der Tempel

57. Die Einrichtung des Tempels

58. Priesterin – Seherin – Zauberin – Hexe

59. Priester – Seher – Zauberer

60. Rituelle Kleidung und Schmuck

61. Skalden und Skaldinnen

62 Kriegerinnen und Ekstase-Krieger

63. Die Symbolik der Körperteile

64. Magie und Ritual

65. Gestaltwandlungen

66. Magische Waffen

67. Magische Werkzeuge und Gegenstände

68. Zaubersprüche

69. Göttermet

70. Zaubertränke

71. Träume, Omen und Orakel

72. Runen

73. Sozial-religiöse Rituale

74. Weisheiten und Sprichworte

75. Kenningar

76. Rätsel

77. Die vollständige Edda des Snorri Sturluson

78. Frühe Skaldenlieder

79. Mythologische Sagas Ungeheuer

80. Hymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Der Band 64 über „Magie und Ritual“ ist so umfangreich geworden, daß er in drei Teile zerlegt werden mußte:

Band 64a: Magie und Ritual I - Magie
Band 64b: Magie und Ritual II - Kult
Band 64c: Magie und Ritual III - Heilung

A Grundelemente des Kultes

I Kult

I 1. Der Kult in der germanischen Überlieferung

Der Kult ist die Gesamtheit der Rituale, der Tempel, aller Tätigkeiten der Priester und Priesterinnen, der Feste, der Symbole und vieler Dinge mehr.

Daher finden sich viele Einzelaspekte in anderen Kapiteln beschrieben: Bestattungen, Hügelgräber, Tempel, Statuen, Priester, Priesterinnen, Kult-Kleidung, (magische) Ringe, das Jul-Fest, die Auffassungen über die Jahreszeiten und die Himmelsrichtungen usw. Letztlich sind so gut wie alle Kapitel in dieser Buchreihe über die Religion der Germanen Aspekte des Kultes.

Es gibt jedoch einige speziellere oder auch ganz allgemeine Texte über den Kult, die zu keinem der oben genannte Aspekte des Kultes gehören. Sie werden hier in diesem Kapitel betrachtet.

I 2. Wortschatz

I 2. a) Wortschatz

Das altnordische Wort, daß dem deutschen Begriff „Kult“ am nächsten kommt, bezeichnete das „richtige Verhalten zur richtigen Zeit“:

sidr - Brauch, Sitte, Verhalten, richtige Lebensweise, Religion, Glaube
(das deutsche Wort „Sitte“ ist mit dem altnordischen „sidr“
verwandt)
sannr - Reinheit, Wahrheit, Richtigkeit, Echtheit, Fairness, Angemessenheit,
das Passende (englisch: „sane“ für „gesund, vernünftig“ und
deutsch „Konsens“ für „Übereinstimmung“)

Das wichtigste oder zumindestens das auffälligste Element des Kultes ist das Opfer:

blot - Opfer
blot-madr - Opferer, Heide, Nicht-Christ
blot-skapr - heidnischer Kult
blot-domr - „Opfer-tum“ = Götzenverehrung
blot-drykkja - „Opfer-Trank“ = Opfer-Fest
blot-skapr - Dinge, die zum heidnischen Kult gehören
blota til ars - für eine gute Ernte opfern
blota til langlifs - für ein langes Leben opfern
blota til fridar - für den Frieden opfern
blota til sigrs - für den Sieg opfern
blota til byrjar - für guten Wind opfern

Die Verehrung der Götter und der heiligen, geweihten Dinge ist auch bei den Germanen ein wichtiger Bestandteil des Kultes gewesen:

tigna - „kennzeichnen, aussondern, auswählen“ = verehren
göfga - verehren, anbeten, schmücken
faga - reinigen, schmücken, verehren, bereichern, hegen
blota - opfern, verehren
göfgari - Verehrer
faganar-nadr - Verehrer
fagandi - Verehrer
fagan - Verehrung
astar-hygli - „Liebes-Gedanken“ = Verehrung
göfgan - verehrend
blota heidit god - verehrte heidnische Gottheit
blota alfa - verehrter/heiliger Alfe (Ahn)
blota heidnar vättir - verehrtes heidnisches Wesen (Gottheit o.ä.)
blota lifandi menn - verehrte/heilige lebende Menschen
blota hof - verehrter/heiliger Tempel
blota lund - verehrter/heiliger Hain/Wald
blota fors - verehrter/heiliger Wasserfall
tigna-sess - „gekennzeichneter Sitz“ = Ehrenplatz
tigna-stol - „gekennzeichneter Stuhl“ = „Ehren-Stuhl“ = Thron
ve-skop - heilige Rituale

Das Gespräch mit einer Gottheit, also das Gebet, wird die ursprünglichste Form des Kultes gewesen sein:

böna - verlangen, bitten, beten
böna-görd - Gebete sprechen
böna-hald - Gebete sprechen
bönahalds-madr - Beter, frommer Mann
böna-fullting - Unterstützung durch Gebete

Durch das Weihen wird aus einem „normalen Gegenstand“ ein „heiliger Gegenstand“, der den Gottheiten gehört und somit Teil des Kultes geworden ist und mit den Gottheiten verbunden ist:

vigja - weihen
helga - heiligen, weihen, legitimieren
signa - „(kenn-)zeichnen“ = weihen (z.B. mit dem Zeichen des Thor-Hammers)
signa - „(kenn-)zeichnen“ = gesegnet, segnen (mit dem Kreuz-Zeichen), heilig

Das Segnen ist eine Sonderform des Weihens. Der Unterschied zwischen beidem besteht vor allem darin, daß sich „weihen“ eher auf Gegenstände und „segnen“ eher auf Lebewesen und insbesondere auf Menschen bezieht – diese Trennung ist jedoch recht unscharf.

bleza - segnen (englisch: „to bless“)
blezanar-ord - Segens-Worte
blezan - Segen, Segnung (ursprünglich: „mächtiger Ausspruch“)
blezanar-andi - „Segen-Atem“ = Geist der Segnung
blezadar-full - „Segens-voll“, Segens-reich

Die Huldigung an den Kriegsherrn ist eine spezielle Form der Weihung bzw. Segnung:

vapna-tak - „Waffen-Berührung“ = Huldigung, bei der die Männer mit ihren Speeren den aufrecht gehaltenen Speer ihres Herrn berühren

Der altnordische Begriff für „heilig“ leitet sich von dem germanischen Adjektiv „haila“ für „heil, gesund, Glück-voll, echt, sicher u.ä.“ her. „Heilig“ im altnordischen Sinne“ ist also der „ursprüngliche, gute Zustand“, der insbesondere durch die Götter verkörpert wird.

helgi - Heiligkeit („Helgi“ ist auch ein Beiname des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr als Erhalter der „rechten Ordnung“)

Das Verhalten, das einen Menschen selber in den Zustand der „Heiligkeit“, also in den „guten, heilen Zustand“ versetzt, ist der Kontakt und der Einklang mit den Göttern:

avadr godunum - Götter-gefällig
avadr gudi - Gott-gefällig

Feste waren „heilige Tage“ (englisch: „holiday“ = „holy day“):

helgr - heilige Zeit, Festtag

An diesen Fest-Tagen durfte nicht gekämpft werden, da der Frieden ein Bestandteil des „guten richtigen Zustandes“ war:

helgar-fridr - „heiliger Frieden“ = Festzeit-Frieden (vor allem am Julfest)
helgi - heil, heilig, sicher (Asyl im Tempel)

Die Menschen, die an die germanischen Götter glaubten, wurden „Heiden“ genannt, da ihre Hügelgräber, die in ihrem Kult einen zentrale Rolle spielten, meistens in der „Heide“, d.h. in der Wildnis außerhalb der Äcker und Weiden standen und die Germanen ihre Ahnen dort beim Utiseta-Ritual um Rat und Hilfe baten.

heidr - Hochebene, Heide, Moor, Hochmoor
heidingligr - Heide
heidnir menn - Heiden
heidinn - heidnisch
heidit land - Heiden-Land, heidnisches Land
heidin-domr - Heidentum
heidni - Heidentum, Zeitalter des Heidentums
forneskja - „Alte Zeiten“, Zeit der germanischen Religion
heidingi - Heide; Heidebewohner = Wolf

I 2. b) Die Richtigkeit

Die Aufgabe des Kultes

Das Wort „sidr“ für „Brauch, Sitte, Verhalten, richtige Lebensweise, Religion, Glaube“ ist bei den Germanen vermutlich einst ein wesentlicher Begriff gewesen, da die Qualität der „Richtigkeit“ das zentrale Element in allen mythologisch-magischen Weltbildern ist. Die Wirkung des Befolgens des „sidr“ ist der Zustand des „helgi“, also die „Heiligkeit“, „Richtigkeit“ und das „Heilsein“.

Dieser Begriff ist eng mit dem Wort „sannr“ für „Reinheit, Wahrheit, Richtigkeit, Echtheit, Fairness, Angemessenheit, Passendes“ verwandt. „Sidr“ ist sozusagen die Grundlage, auf der „sannr“ entsteht.

Die Mythologie beschriebt zum einen die richtige Ordnung und zum anderen die Folgen, die ein Abweichen von dieser Ordnung hat. Bei dieser Richtigkeit geht es um ganz konkrete Dinge – einfach um die Frage, wie etwas funktioniert und effektiv ist. Dies beginnt damit, daß eine Töpferscheibe rund und gut ausgewogen sein muß, damit man mit ihr gut arbeiten kann; weiterhin bezieht sich die Richtigkeit z.B. auch auf die Folge der Jahreszeiten und den richtigen Aussaattermin im Laufe des Jahres; und schließlich ist der ganz private Aspekt der Richtigkeit der Kontakt mit der eigenen Seele.

Die eigene Seele ist wiederum ein Teil einer Gottheit, die sozusagen die „übergeordnete Richtigkeit“ ist – die alten Ägypter frugen z.B. vor dem Deuten eines Traumes immer danach, zu welcher Gottheit der Träumende gehörte. Schließlich bedeutet ein bestimmter Traum für einen Menschen, der zu dem kriegerischen Falkengott Horus gehört, etwas anderes als für einen Menschen, der unter dem Schutz der Nilpferdgöttin Thoeris, die den Schwangeren hilft, steht.

In einem mythologischen Weltbild hat jedes Ding und jedes Wesen seine eigene Richtigkeit. Der Kult hat vor allem die Aufgabe, den Kultteilnehmern dabei zu helfen, diese Richtigkeit zu erkennen und sich wieder mit ihr in Einklang zu bringen. Dieser Aspekt des Kultes ist in der germanischen Überlieferung jedoch nur noch in Resten erkennbar – möglicherweise ist er bei der Umstrukturierung der germanischen Religion in der Völkerwanderungszeit (Absetzung des Tyr durch Thor und Odin) verlorengegangen.

Die Richtigkeit

Der Begriff dieser „Richtigkeit“ findet sich in vielen Religionen:

Germanen: sidr („althergebrachte Weise“)
Kelten: fhirinne („Wahrheit“)
Römer: ritus („Rad“)
Slawen: prawda („Wahrheit“)
Hethiter: aya („Rad“)
Inder (alt): rita („Rad“)
Inder (neu): dharma („Versmaß“)
Perser: asha („Rad“)
Griechen: dikaios („Gerechtigkeit“)
Ägypter: ma'at („Mutter“)
Sumerer: me („Mutter“)
Tibeter: tashi („glückliches Schicksal“)
Chinesen: tao („Weg“)
Navahos: ho'zhong („Schönheit“)

Die Richtigkeit ist das, was man traditionellerweise tut, der althergebrachte Weg – nicht weil man einfach den Alten gehorcht, sondern weil man das Wissen der Vorfahren um die effektivste Vorgehensweise, die für einen selber, für die Gemeinschaft und für die Erde am förderlichsten ist, nutzt. So gibt es z.B. bei einigen Indianerstämmen das Prinzip, daß man nichts tun sollte, was innerhalb der nächsten neun Generationen einem der Nachkommen des eigenen Stammes schaden könnte – eine gründliche Form der Ökologie …

Wie die beiden alten Begriffe „Ma'at“ und „Me“ bei den Ägyptern und bei den Sumerern zeigen, die beide „Mutter“ bzw. „Eigenschaft der Mutter“ bedeuten, ist die Richtigkeit ursprünglich als eine Eigenschaft der Mutter bzw. der Muttergöttin angesehen worden. Das Beachten der Richtigkeit führt zu Geborgenheit – die Gabe der Mutter und der Muttergöttin.

Wenn die Dinge alle richtig sind, fügen sie sich zu einem vollkommenen Ganzen zusammen. Das beliebteste Symbol bei den Indogermanen für diese Qualität ist das Rad, das nur dann funktioniert, wenn es vollkommen rund und zugleich sehr stabil ist.

Das Versmaß als Bild für die rechte Ordnung ist eng mit dem bei den Indogermanen ebenfalls recht beliebten Richtigkeits-Symbol der Harfe verwandt, auf der man nur dann spielen kann, wenn sie richtig gestimmt ist.

Die „Wahrheit“ ist ein etwas intellektuelleres Konzept der Richtigkeit, das die Betonung auf das Erkennen der Richtigkeit legt – hier geht die Richtigkeit schon in das philosophische Konzept des „Seins“ über.

Der Begriff der „Gerechtigkeit“ verschiebt den Schwerpunkt der Richtigkeit bereits sehr stark in die Richtung der Gesetze, die sich die Menschen gegeben haben, um ihr Miteinanderleben zu regeln.

Das tibetische „glückliche Schicksal“ bezeichnet zwar die Richtigkeit, benutzt aber ein Wort, das die Wirkung der Treue zur Richtigkeit bezeichnet. Dasselbe gilt auch für die „Schönheit“ der Navaho-Indianer.

Die Störung der Richtigkeit

Manchmal wird der Begriff der „Richtigkeit“ durch ihr Gegenstück ergänzt:

Ägypter: isfet („Unrecht, Gewalt“)
Hopi: koyaanisqatsi („Zustand, der sein Gleichgewicht verloren
hat und der geändert werden muß“)

Die Vorstellung, daß die Richtigkeit gestört werden kann, ist zwar so gut wie überall vorhanden (sie ergibt sich aus dem alltäglichen Erleben …), aber sie ist nicht oft zu einem eigenständigen Konzept entwickelt worden.

In den späteren monotheistischen Religionen erscheint diese „Unrichtigkeit“ als der Teufel u.ä.

Die Gestalt in der germanischen Mythologie, die dem Konzept der Unrichtigkeit und der unerwünschten Störung am nächsten kommt, ist der Gott Loki. Wie in den Mythologien etlicher anderer Völker ist Loki ursprünglich der Gott des natürlichen, aber unangenehmen Teils der Welt gewesen: Loki ist der Wintergott – der Gegner des Sommergottes Tyr. Andere Varianten sind z.B. der ägyptische Gott Seth, der die Wüste verkörpert, oder der indische Gott Rudra, der die Wildnis darstellt.

Diese Götter sind religionsgeschichtlich gesehen eine der Wurzeln des Teufels.

Die Früchte der Richtigkeit

Wesentlich ist natürlich auch der Zustand, der durch den Einklang mit der Richtigkeit entsteht:

Germanen:
Ägypter:
Chinesen:
helgi
hoteptê
(„Heilsein, Heiligkeit“)
(„Frieden, Seelenfrieden“)
(„Tugend, Sinn, Leben“ und auch:
„Mühelosigkeit, Magie“)
Tibeter:
Navahos:
tashi
ho'zhong
(„glückliches Schicksal“)
(„Schönheit“)

Am anschaulichsten für das, was man durch die Treue zur Richtigkeit erreichen kann, ist vermutlich das leise Lächeln der Buddha-Statuen und der altägyptischen Statuen – sie ruhen im Rita bzw. in der Ma'at.

Durch die Treue zur Richtigkeit in sich selber (Seele) und in der Welt (Muttergöttin) erlangt man den Seelenfrieden. Durch den eigenen Einklang mit der Welt entsteht auch der „sinnvolle Zufall“, die magische Wunscherfüllung („tê“), und auch das Heilsein („helgi“) und die Schönheit („ho'zhong“).

Die Sumerer haben dies durch ein Sprichwort ausgedrückt, das sich sowohl auf die Richtigkeit („Me“) als auch auf den eigenen Anteil an dieser Richtigkeit, also auf die eigene Seele („Me“) bezieht: „Ohne das eigene Me gelingt einem nichts – mit dem eigenen Me gelingt einem alles.“

Das Streben nach Richtigkeit

Es gibt in manchen Kulturen auch einen Begriff für das rechte Verhalten, das an der Richtigkeit orientiert ist:

Inder: samyama („Sammlung“ im Sinne von „Meditation“)
Chinesen: wu-wei („Nicht-Handeln“ im Sinne von „Nicht-Einmischen“,
„Nicht-Verzerren“, „Nicht von
der Wahrheit abweichen“)

Für das Erreichen der Richtigkeit gibt es zwei grundlegende Methoden: Die eine besteht schlicht darin, nicht von der Richtigkeit abzuweichen und das eigene „Handeln im Einklang mit der Richtigkeit“ durch nichts zu verzerren („wu-wei“), und die andere besteht darin, durch Meditation („samyama“) die Richtigkeit in ihrer ganzen Tiefe zu erkennen, sie in sich selber wiederherzustellen und dann aus ihr heraus zu leben.

Der Kult hat die Aufgabe, die Kultteilnehmer an die Richtigkeit zu erinnern und die Richtigkeit in der Kultgemeinschaft wiederherzustellen.

Ab 600 v.Chr. gab es auch kollektive Jenseitsreise-Rituale, durch die die Teilnehmer auf intensive Weise ihre eigene Seele, die Götter und somit die Richtigkeit erleben konnten und sich in ihrem Leben wieder an ihnen ausrichten konnten: die Mysterien-Rituale.

Der Gott der Richtigkeit

Ursprünglich ist die Muttergöttin als die Quelle der Richtigkeit angesehen worden – am deutlichsten kann man dies in der altägyptischen Kultur sehen, die vollständig von der Ma'at geprägt ist.

Mit Beginn des Königtums rückte jedoch der Sonnenlauf als Symbol des „richtigen Zyklus“ in den Mittelpunkt, da sich der König als „Sohn der Sonne“ angesehen hat: Die Sonne war ein Symbol des Königs. In Ägypten hatte dies zur Folge, daß der Sonnengott Re zu der Verkörperung des Befolgens der Ma'at wurde. Es gibt lange Hymnen darüber, daß Re aus Ma'at besteht, Ma'at atmet, Ma'at ißt, Ma'at will, Ma'at denkt, Ma'at anstrebt, Ma'at spricht, Ma'at tut, Ma'at ausstrahlt usw.

Da der König der Lenker des Königreiches war, wurden sowohl der Sonnengott als auch der König zu dem Erhalter der Richtigkeit.

Dieses Motiv findet sich auch bei den Indogermanen, bei denen der Sonnengott Sehuelios oder der Sonnengott-Göttervater Dhyaus die Verkörperung und der Erhalter der Richtigkeit ist. Als Symbol für diese Richtigkeit spielen sie wie der griechische Apollo, der keltische Dagda und der germanische Bragi auf einer Harfe und sind oft eng mit dem Rad assoziiert worden.

Das Rad, das die Sonne symbolisiert hat, hat entweder vier Speichen (Himmelsrichtungen) oder acht Speichen (Richtigkeit, Vollkommenheit). Die Richtigkeits-Symbolik der Zahl „8“ stammt noch aus der Altsteinzeit: In dem damaligen binären Zahlensystem ist die „8“ die größte Zahl gewesen. Diese Symbolik hat u.a. zu acht Speichen des Sonnenrades, zu den acht Trigrammen des I Ging und zu Buddhas achtfachem Pfad (seine Lehre) geführt (siehe dazu auch „8“ in Band 47).

In der germanischen Religion ist sehr wahrscheinlich bis 500 n.Chr. der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr der Erhalter der Richtigkeit gewesen – wie alle anderen indogermanischen Sonnengott-Götterväter auch. Ab 500 n.Chr., also nach der Absetzung des Tyr durch Thor und Odin, hat Baldur die Funktion des „guten, reinen, schönen, strahlenden Gottes“ übernommen. Er gleicht in dieser Funktion z.B. dem griechischen Apollo und dem persischen Asha.

Die Priester

Für die Aufrechterhaltung der Richtigkeit war in der Götterwelt der Sonnengott-Göttervater zuständig. Auf der Erde waren es die Schamanen-Priester und die Sänger-Priester, die diese Qualität erhalten und verkörpern sollten. Zu diesen Sängern zählen neben den keltischen Barden, den griechischen Rhapsoden und den indischen Brahmanen auch die germanischen Skalden.

Die bekanntesten von diesen Sänger-Priestern sind der keltische Barde-Druide Taliesin, der griechische Rhapsode Homer, der thrakische Orpheus und der germanische Skalde Bragi.

I 2. c) Zusammenfassung

Das Ziel des Kultes war das „richtige Verhalten zur richtigen Zeit“, der als der Zustand der „Heiligkeit“ aufgefaßt worden ist. Das Streben nach diesem Zustand drückte sich u.a. durch die Feste, durch den rituellen Trunk und durch die Opfer aus – eben durch den Kult. Während dieser Feste war jeglicher Kampf verboten.

Durch das Anstreben dieses „richtigen Zustandes“ gefiel man den Göttern und erlangte deren Schutz.

Die Verehrung einer Gottheit hat mehrere Schritte:

Auch Tempel, Haine, Tiere u.ä. konnten geweiht werden. Eine Sonderform der Weihung ist die Waffen-Weihe“ („vapnatak“).

Im Wesentlichen ist der Kult die Erhaltung der Richtigkeit, die von den Germanen „sidr“ genannt worden ist, und deren Wirkung („sannr“).

I 3. Gebet

Das Gebet trat überall dort auf, wo man von den Göttern oder den Ahnen etwas Konkretes erhoffte und sie daher mit Worten darum bat.

I 3. a) Die Saga über Fridthjof den Kühnen

Fridthjofs Männer frugen ihn, ob er nicht vor dem Aufbruch zu der Fahrt zu König Helge gehen und mit ihm Frieden schließen und zu Baldur beten wolle, damit er den Zorn des Königs von ihm nehme.

I 3. b) Gylfis Vision

Da sprach Gangleri: „Groß scheint mir die Macht dieser Asen zu sein und es ist nicht verwunderlich, daß ihr so viel Macht besitzt, wenn ihr so viele Einzelheiten über die Göttern kennt und wißt, wen von ihnen man in welchem Fall anzurufen hat.“

I 3. c) Der Seherin Ausspruch

Allen Edlen gebiet ich Andacht,

Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht;

Ich will Walvaters Wirken kunden,

Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne.

Diese „Andacht“ ist kein Gebet im eigentlichen Sinne, sondern eher ein andächtiges Zuhören – in etwa dem aufmerksamen Verfolgen einer christlichen Predigt vergleichbar.

I 3. d) Zusammenfassung

Auch die Germanen baten ihre Götter um ganz konkrete Dinge.

I 4. Gebets-Haltung

Die Germanen nahmen beim Beten bestimmte Körperhaltungen ein, die wie in fast allen anderen Religionen vor allem Unterwerfungs- und Bitt-Gesten sind:

I 4. a) Die Saga über Olaf den Ruhmreichen Tryggvason

Er ging jeden Tag in den Tempel, um sich ehrfürchtig vor den heidnischen Göttern zu verneigen, an den Ritualen und Zeremonien seines Glaubens teilzunehmen und sogar dem Thor und dem Odin zu opfern. Das geschnitzte Bildnis des Odin war für ihn wie für die meisten Nordmänner ein heiliger und geweihter Gegenstand. Wenn er einen Eid ablegte, schwur er bei dem Hammer des Thor, und er kannte die Namen und die Fähigkeiten aller Götter in Asgard, und Walhalla war der Himmel, in den er nach seinem Tod zu gelangen hoffte.

I 4. b) Die Saga über Thrond von Gate

Sie gingen einen bestimmten Pfad entlang zum Wald hin und dort dann einen kleinen Seitenpfad in den Wald hinein, bis sie zu einer Lichtung kamen, auf der ein Haus mit einem Zaun ringsherum stand. Das Haus war sehr schön und seine Schnitzereien waren mit Gold und Silber eingelegt.

Sie betraten das Haus gemeinsam – Hakon und Sigmund und noch einige Männer mit ihnen.

In ihm waren sehr viele Gottheiten.

In dem Haus gab es sehr viele gläserne Dachfenster, sodaß nirgendwo Schatten waren.

Gegenüber dem Eingang war eine Frau (Statue), die sehr schön geschmückt war.

Der Jarl warf sich vor ihren Füßen nieder und lag dort sehr lange Zeit und als er sich wieder erhob, sagte er, daß Sigmund ihr eine Opfergabe geben solle und daß er das Silber dann vor ihr auf den Altar legen solle, „und wir werden ein Zeichen für das, was sie denkt, erhalten: Wenn sie das tun will, was ich wünsche, wird sie den Ring loslassen, den sie in ihrer Hand hält. Denn Du, Sigmund, sollst durch diesen Ring Glück erhalten.“

Der Jarl ergriff den Ring und es schien Sigmund, als ob sie ihre Hand über dem Ring schließen würde, sodaß der Jarl den Ring nicht nehmen konnte.

Der Jarl warf sich ein zweites Mal vor ihr nieder und Sigmund sah, daß der Jarl weinte. Dann erhob er sich wieder und ergriff den Ring und siehe: Nun war er lose! Er nahm ihn und gab ihn Sigmund.

Es hat den Anschein, als ob der Jarl innerlich mit der Göttin gesprochen hätte, als er sich vor ihr niedergeworfen hat – möglicherweise hat er dabei auch eine Traumreise zu ihr gemacht, also sie innerlich gesehen und gehört.

I 4. c) Jakob Grimm: Deutsche Mythologie

Die einfachsten handlungen, wodurch der mensch den göttern seine verehrung kund that, und fortwährende verbindung mit ihnen unterhielt, waren gebet und opfer. das opfer ist ein mit gaben dargebrachtes gebet. wo aber zum gebet fand sich auch anlaß zum opfer.

Erwägen wir das Wort, dessen sich Ulfilas für den begrif des anbetens bedient, so ergibt sich gleich wieder eine übereinstimmung mit dem nordischen sprachgebrauch. προσκυνέω wird durch das gothische inveita, inváit, invitum verdeutscht; einmal auch ασπάζομαι. ob damit die προσκύνησις genau erfaßt wurde, steht zu bezweifeln, schon weil der Gothe überall den accusativ statt des griechischen dativ hinzufügt. προσκυνειιν gilt in neugriechischen volksliedern vom niederfallen des besiegten, für sich ergeben, gefangen geben. wir wissen nicht, von welcher gebärde das inveitan begleitet war, ob das haupt geneigt oder die hand bewegt, das knie gebogen wurde?

Wenn es in 1 Corinter 14, 25 heißt: 'driusands ana andavleizn inveitiþ guþ', so widerstreitet jenes flehende niederfallen nicht dem begrif des worts.

Da ein angelsächsisches und altsächsisches giwîtan, gevîtan 'abire' („fortgehen“) bedeutet, könnte inveitan auch nur annäherung, hinzugehen ausdrücken? und Paulus Diaconus hat zweimal accedere („herantreten“).

Fraveitan ist vindicare („schützen“). zu vergleichen scheint das altnordische vîta inclinare, das Biörn unter veit anführt, und wie ich glaube unrichtig 'vita' schreibt. davon abgeleitet ist veita (gothisch váitjan?), veita heiđr, honorem peragere, veita tîđir, sacra peragere, veitsla (epulum = „Festmahl“, gothisch váitislô?).

… … …

Bida ist gothisch preces, bidjan, precari, rogare, orare, beide im weltlichen wie im geistlichen verstand. nicht anders althochdeutsch pëta und pittan, aber von pëta wird nun ein pëtôn (adorare = „verehren“) geleitet und mit dem accusativ der person construiert: nidarfallan joh mih bëtôn. pëtôta inan. doch bëtôn kann auch geistliches orare ausdrücken: bëtoman cultores.

Mittelhochdeutsch finde ich bëten im sinn von adorare stets mit der praeposition an verbunden: bëten an diu abgot; an ein bilde bëten; sô muoz si iemer mê nâch gote sîn mîn anebët (gegenstand meiner verehrung).

Neuhochdeutsch unterscheidet sich bitten, beten und anbeten, so wie bitte von gebet.

Das altsächsische bëdôn (adorare = „verehren“) hat nicht den accusativ bei sich, sondern die praeposition te: bëdôn te mînun barma. und schon daraus mag folgen was schon vermutet wurde, daß bidjan ursprünglich den sinnlichen begrif von jacere („liegen“), prosterni („niederstrecken“) enthielt, aus welchem allein auch sich badi κλινίδιον und das alte badu, angelsächsisch beado caedes, strages („Niederfallen“) erklärt.

In dem angelsächsischen Neuen Testament wird adorare übersetzt geeáđmêdan, d. i. sich demütigen, humiliare.

Das mittelhochdeutsche flêhen, wenn es supplicare ausdrückt, regiert den dativ: gote flehen; den goten vlêhen. wenn aber demulcere, solari, den accusativ es ist das gothische þláihan, fovere („begünstigen“), consolari („trösten, ermutigen“). althochdeutsch kenne ich flêhôn (vovere = „geloben“) nur einmal und dort als fléhôn: 'ten (quem = „wen“) wir flehoton'. neuhochdeutsch 'zu gott flehen' oder 'gott anflehen'.

Das gothische aíhtrôn προσεύχεσθαι, προσαιτειιν drückt mehr betteln als bitten, beten aus, das althochdeutsche diccan, altsächsisch thiggian precari, impetrare („durch Bitten erlangen“), wie angelsächsisch þicgan, altnordisch þiggja überall bloß impetrare, accipere („empfangen“), so daß bitten schon in erbitten, erlangen übergegangen ist.

Eigenthümlich der nordischen und angelsächsischen mundart, fremd allen übrigen, ist noch ein ausdruck für gebet. altnordisch bôn oder boen, schwedisch und dänisch bön, angelsächsisch bên, genitiv bêne (femininum), bei Chaucer bone, englisch boon. davon bêna supplex, bênsian supplicare (indogermanische Wurzel: „bhani“ für „Bitte“).

Endlich das isländische und schwedische dyrka, dänisch dyrke, welches ganz wie das lateinische colere von der gottesverehrung, wie von dem landbau gilt, scheint erst ein später aufgekommner, der altnordischen sprache fremder ausdruck.

Ueber die art und weise des heidnischen gebets entbehren wir nachrichten; ich vermute bloß, daß damit blicken gen himmel, neigen des leibs (worauf schon bidjan führte), händefalten, kniebeugen, hauptentblößen verbunden war. diese gebärden erwachsen aus kindlich roher vorstellung des alterthums, wonach der flehende mensch dem mächtigen gott, seinem sieger, sich als wehrloses opfer darbietet und unterwirft. 'precari deos' („Gott anbeten“), 'coelumque suspicere' („zum Himmel emporblicken“) bezeugt schon Tacitus in der Germania. genuflectere („verbeugen, knien“) ist gothisch knussjan, supplicare („flehen“) den Römern flexo corpore adorare („mit gebeugtem Leib verehren“). niederfallen und neigen war auch gewohnheit der Christen, daher heißt es 'te bedu hnîgan'; 'te drohtine hnîgan'; 'te bedu fallan'; 'gihnêg an kniobeda'.

Im Sôlarliođ der merkwürdige ausdruck: 'henni (der sonne) ec laut': 'ihr neigte ich mich', von lûta, inclinare („neigen“). 'falla â knê ok lûta' (Vilkinus-Saga). 'nu strauk kongsdôttir sinn legg ok mælti ok sêr î loptid upp (Vilkinus-Saga). ebenso wird in Olaf des heiligen saga erzählt, daß sich die männer vor Thors bildseule neigten ('lutu þvî skrimsli'). 'fell til iardar fyrir lîkneski' (Förnaldur Saga).

Von den Langobarden wird erzählt, daß sie ein göttlich verehrtes ziegenhaupt submissis cervicibus („mit demütig gesenktem Nacken“) angebetet hätten. Man pflegte noch im mittelalter sich vor leblosen gegenständen zu neigen, das ist sie zu segnen und benedeien: einem geliebten lande, dem wege, den jemand gewandelt war, dem tage.

Lateinische schriftsteller des mittelalters, z.b. Lambert setzen 'pedibus provolvi' („auf die Füße niederfallen“) für inständig bitten, die gebärde fand, wie vor gott, vor allen statt, die man ehren wollte: 'neig im ûf den fuoz'; 'hie viel sie ûf sînen vuoz'; 'ouch nîge ich ir unz ûf den fuoz'; 'valle für si und nîge ûf ir fuoz'; 'buten sich weinende ûf sinen vuoz'; 'neig im nider ûf die hant'.

Die stellen lehren, daß man vor den fuß, zu den füßen dessen, der zu verehren war, niederfiel, ihm zu füßen fiel: 'wilt fallan te mînun fôtun'; 'bedôs te mînun barma'; 'sich bôt ze tal gein sînen füezen nieder'.

Ein altböhmisches lied hat: 'sie klanieti bohu': sich vor gott neigen, ihn anbeten. ebendaselbst aber auch das undeutsche: 'se biti w čelo přede bohy': sich an die stirne schlagen.

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Entblößung des haupts war gewis von frühe her unsern vorfahren eine ehrbezeugung, die, gleich dem neigen, der gottheit wie königen und vornehmen erwiesen wurde. vielleicht machten die priester, wenigstens die gothischen, hiervon eine ausnahme, deren namen pileati Jornandes daher erklärt, quia opertis capitibus tiaris litabant, während das übrige volk unbedeckt stand. in einem überrest heidnischer erntegebräuche werden wir noch ein solches hauptentblößen bestätigt finden.

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In des Nicolaus Magni de Göw registrum superstitionum (von 1415) heißt es:

insuper hodie inveniuntur homines, qui cum novilunium primo viderint flexis genibus adorant vel deposito caputio vel pileo, inclinato capite honorant alloquendo et suscipiendo.

Eine angelsächsische legende von Cuthberht erzählt, daß dieser heilige nachts zur see ging, bis an den hals in die flut stieg und auf den kieseln kniend, mit gen himmel ausgestreckten händen, betete. Emporheben und falten der hände galt auch gegenüber dem herrn, namentlich lehnsherrn. ›bat mit zertânen armen‹ heißt es; bei dem altbairischen stapfsakên kam ein solches emporrichten der hände vor.

Es ist nicht unmöglich, daß die bekehrten Christen einige heidnische gebräuche bei ihrem gebet bewahrten. auffallend sind die gebärden, die in einer handschrift vermuthlich des 12. jahrhunderts den gebeten hinzugefügt werden: 'sô miz den ubir dîn herza in modum crucis, unde von demo brustleffile zuo demo nabile, unde miz denne von eime rippe unz an daz andire unde sprich alsus.' und wiederum: 'sô miz denne die rehtun hant von deme lengistin vingire unz an daz resti, unde miz denne von deme dûmin zuo deme minnisten vingire.' (Bekreuzigungs-Geste)

Ein gebet hieß ›der vane des almehtigin gotis‹, den sollen neun (frauen) neun sonntage, ›sô ez morginet‹ lesen; die neunte hat den psalm domini est terra zu lesen: 'daz ir lîb niet ruore die erde, wan die ellebogin unde diu chnie.' („mit den Ellebogen und den Knien auf der Erde“) die andern sollen alle stehen, bis das angezündete licht verbrennt ist.

Wir fassen das gothische aviliudôn ευχαριστειιν nicht mehr deutlich, es ist von aviliud χάρις gebildet, dem ein altsächsisches alat, olat gratiae gleicht; liegt darin 'liuþ cantus' und war schon etwas heidnisches dabei?

Die alten gebetformeln verdienen genauere samlung, in den nordischen, welche den beistand der götter anrufen, findet sich meist das verbum duga mit dem sinn von propitium esse: 'biđ ec Ottari öll gođ duga'; 'biđja þâ dîsir duga'. 'duga' ist helfen. schön ist das altnordische gebet: 'biđjom herjaföđr i hugom sitja' (rogemus deum in animis sedere nostris = „Heervater bitten, in einem selber zu sitzen“), wie die Christen den heiligen geist flehen herab zu kommen.

I 4. d) Zusammenfassung

Der Gebet scheint aus den folgenden fünf Elementen bestanden zu haben:

I 5. Gebets-Richtung

I 5. a) Jakob Grimm: Deutsche Mythologie