JEAN BRUCE

 

 

Ein Engel braucht

kein Alibi

Agent OSS 117 – Band 2

 

Vier Romane in einem Band

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

1. EIN TOTER FÄLLT VOM HIMMEL (Panique A Wake)  

2. GENTLEMEN MORDEN LEISE (OSS 117 Prefere Les Rousses) 

3. KOMM MIT MIR INS JENSEITS (OSS 117 Ici Paris) 

4. EIN ENGEL BRAUCHT KEIN ALIBI (Un As De Plus A Las Vegas) 

 

 

Das Buch

 

OSS 117 flirtete in New York – und zur gleichen Zeit beschlossen die anderen seinen Tod. Seine Gegner bewiesen, dass sie ihr blutiges Handwerk verstanden. Der CIA-Agent Kennedy war ihr erstes Opfer. Er war auf eine grausame Art gestorben, keine zwei Meter von OSS 117 entfernt. Doch dann kam eine entscheidende Kleinigkeit dazwischen: ein kurzer Aufenthalt auf der Insel Wake, wo eine Katastrophe ihren Anfang nahm...

 

1949 schuf der französische Schriftsteller Jean Bruce (eigentlich Jean Alexandre Brochet, * 22. März 1921; † 26. März 1963) den CIA-Agenten Hubert Bonisseur de La Bath (alias OSS 117) – bis 1963 schrieb er 87 OSS-117-Romane; zwischen 1956 und 1971 wurden acht dieser Romane erfolgreich verfilmt: International gilt  Hubert Bonisseur de La Bath als ebenso populär wie James Bond, Lemmy Caution oder Kommissar Maigret. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die OSS-117-Romane von Jean Bruce als durchgesehene Neuausgaben und macht diese erstmals seit fünfzig Jahren wieder in Deutschland verfügbar. Der vorliegende zweite Band enthält die spannenden und mitreißenden Agenten-Thriller Ein Toter fällt vom Himmel, Gentlemen morden leise, Komm mit mir ins Jenseits und Ein Engel braucht kein Alibi. 

  1. EIN TOTER FÄLLT VOM HIMMEL (Panique A Wake)

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Als ich auf wachte, war es Tag. Die linke Gesichtshälfte ans Fenster gepresst, lag ich mit steifen Gliedern in meinem Sitz und blinzelte in den hellrosa Himmel. Verschlafen richtete ich mich auf. Tief unter uns segelten weiße Wolkenbänke über die graue Fläche des Ozeans.

Meine Uhr zeigte drei Uhr zehn. Das konnte nicht ganz stimmen. Wir hatten Tokio am Vorabend gegen neun Uhr verlassen. Nun waren wir wahrscheinlich nicht mehr weit von der Insel Wake entfernt. Es musste also etwa sechs Uhr morgens sein. Die Sonne war soeben aufgegangen.

Die Tür zum Cockpit öffnete sich. Übernächtigt und unrasiert machte sich der Co-Pilot auf den Weg zur Toilette. Ich drehte mich um - und blickte in das lächelnde Gesicht meiner Nachbarin. Sie sah frisch und ausgeruht aus, und ihr seidiges braunes Haar lag so ordentlich, als käme sie gerade vom Friseur.

»Gut geschlafen?«

Sie antwortete, indem sie kurz ihre langen Wimpern niederschlug. Zu mehr hatte sie offenbar keine Lust. Sie hieß Lily Carr, war Ärztin und aktives Mitglied einer Gesellschaft zur Unterstützung unterernährter asiatischer Kinder.

Im Lauf der kurzen Unterhaltung, die wir am Vorabend nach dem Start angeknüpft hatten, erfuhr ich, dass sie glühende Anhängerin einer jener kleinen Sekten war, von denen es in den Vereinigten Staaten nur so wimmelt. Meiner Ansicht nach war sie viel zu jung und zu hübsch, um sich derart fanatisch, wie sie es tat, zu engagieren. Ich hatte versucht, ihr dies klar zu machen, aber wohl tauben Ohren gepredigt. Sie gehörte zu den Menschen, die nie zuhören, wenn man ihnen etwas sagt, die aber sehr wohl darauf bestehen, dass man sie anhört.

Im Allgemeinen gehe ich solchen Leuten aus dem Weg.

Hinter uns war die energische Stimme Pearl Richardsons, der ersten Stewardess, zu hören. Ich versuchte, sie in mein Blickfeld zu bekommen. Sie war eine hochgewachsene Blondine mit einem schweren Chignon am Hinterkopf. Ihr Anblick war durchaus erfreulich. Wenn sie nur nicht so autoritär gewesen wäre!

Der Feldwebelton, den sie manchmal anschlug, konnte einem beinahe Angst einjagen. Obwohl sie sicher die ganze Nacht kein Auge zugetan hatte, sah sie noch genauso appetitlich und strahlend aus wie am Vorabend beim Abflug.

Schräg vor mir saßen drei japanische Tänzerinnen in bunten Kimonos. Sie flogen nach Honolulu, um dort in einer Music-Hall ein Gastspiel zu geben. Sie waren gerade dabei, ihr Make-up aufzufrischen, und man musste unwillkürlich an drei kleine Katzen denken, die sich das Fell putzen.

In der Reihe vor ihnen, gleich am Mittelgang, schlief James Kennedy in seinem Sitz, den großen, mageren Körper grotesk zusammengekrümmt. Er war gestern Abend eingeschlafen und hatte sich seither nicht mehr gerührt. Es soll Leute geben, die zehn Stunden pennen können, ohne sich zu bewegen.

James Kennedy war einer der CIA-Agenten, die in Japan arbeiteten. Man hatte uns vor einigen Monaten gemeinsam auf eine Sache angesetzt, und wir waren hinterher nicht gerade als dicke Freunde voneinander geschieden. Trotzdem hätte er mich zumindest grüßen können. Vielleicht war er auch wieder einmal mit einem Spezialauftrag unterwegs...

Kennedy war als letzter Passagier in Haneda, dem Flughafen von Tokio, angekommen, als wir alle schon abgefertigt waren und auf den Bus warteten, der uns zu der Maschine bringen sollte. Er hatte sich sofort neben mich gestellt, mich fast berührt, dann aber so getan, als hätte er mich noch nie gesehen.

Möglich, dass er mir die Sache von damals noch immer übelnahm. Aber eine Kleinigkeit machte mich stutzig: Kennedy reiste in der Touristenklasse. Dabei waren für das Büro in Tokio ständig in allen Überseemaschinen der amerikanischen Fluglinien gute Plätze reserviert, die bis zum letzten Augenblick freigehalten wurden.

Bei mir war es diesmal etwas anderes. Ich kam gerade aus Pakistan, wo ich mich ehrenvoll, aber in letzter Sekunde aus einer heiklen Situation herausmanövriert hatte. Da ich mit einer bekannten Filmschauspielerin, einem überaus reizvollen Wesen, in New York verabredet war, hatte ich mit dem letzten Platz vorliebgenommen, der noch zu haben war. Bisher hatte ich noch jedes Rendezvous mit der Dame verpasst, und irgendwann musste ihr ja schließlich einmal der Geduldsfaden reißen. Eigentlich hätte ich schon vor zwei Tagen in New York sein sollen.

Das Dröhnen der Motoren wurde leiser, und das Flugzeug begann sich zu senken. Der Co-Pilot erschien wieder. Er war inzwischen gewaschen und rasiert, sah aber noch immer leicht mitgenommen aus. Suko, die zweite Stewardess, eine bezaubernde Eurasierin, teilte uns strahlend mit, dass uns das Frühstück während der Zwischenlandung auf Wake serviert würde.

Ich schaute ihr nach, bis sie sich errötend umdrehte. Inzwischen waren alle Passagiere aufgewacht und die meisten starrten gebannt auf den gleichen Punkt: das Leuchtschild über den Toiletten, das ununterbrochen Besetzt anzeigte.

Der einzige Passagier, der noch friedlich schlief, war James Kennedy. Ich schaute noch einmal zum Fenster hinaus und sah tief unter uns das winzige Atoll von Wake, das wie ein Hufeisen im Ozean schwamm. Die Farbe des Wassers hatte sich in den letzten Minuten völlig verändert. Es war nun tatsächlich so dunkelblau wie auf den Prospekten, die für eine Südseereise werben.

»Sehen Sie etwas Bestimmtes?«, fragte meine Nachbarin und beugte sich zu mir herüber.

»Wir landen.«

»Gott sei Dank! Ich bin schon ganz lahm vom langen Sitzen. Wenn es hier nur nicht so eng wäre! Man kann ja kaum die Beine ausstrecken. Wie lange haben wir Aufenthalt?«

»Laut Flugplan anderthalb Stunden. Aber wir haben Verspätung. Wahrscheinlich werden sie uns den Aufenthalt kürzen.«

»Wissen Sie, wann wir in Honolulu sind?«

»Gegen sechs Uhr abends.«

»Heute Abend?«

»Nein, gestern Abend.«

Sie glaubte an einen Scherz.

»Sehen Sie, wir haben Tokio gestern Abend um neun Uhr verlassen. Das war Dienstag. Wir haben augenblicklich Mittwoch, sechs Uhr morgens Ortszeit. Bald überfliegen wir die Datumsgrenze. Das heißt, dass es in Honolulu jetzt Dienstag acht Uhr morgens ist. Wir landen dort heute Abend um sechs. Das ist dann aber nicht Mittwoch, sondern Dienstag, also gestern Abend.«

»Das ist mir zu hoch. Diese Zeitverschiebung habe ich noch nie richtig begriffen.«

Ich wagte nicht, ihr zu sagen, dass es wahrscheinlich eine ganze Reihe von Dingen gab, die sie nicht richtig begriff. Oder war es etwa normal, dass ein so hübsches, gut gewachsenes Mädchen, wie sie es war, seine Zeit damit verbrachte, falschen Idealen nachzulaufen. Aber was ging es mich an. Es gab genug andere Schöne auf der Welt. Ich würde wohl kaum vor Kummer sterben, wenn ich auf sie zugunsten der armen, unterernährten gelben Kinderlein und der Triumphalen Kirche der Keuschen Schwestern von Roanake im Staate Virginia verzichtete.

Wir gingen schnell hinunter. Die Passagiere wurden aufgefordert, sich anzuschnallen und das Rauchen einzustellen. Ich entdeckte, dass ich meinen Sicherheitsgurt seit dem Vorabend nicht gelöst hatte. Eine Stunde nach dem Aufstieg war das Wetter ziemlich stürmisch gewesen und es hatte einige unangenehme Turbulenzen gegeben.

Die Insel unter uns wurde immer größer, und man konnte schon die einzelnen Palmen erkennen, die die Lagune umsäumten. Eine halbe Stunde später überflogen wir in geringer Höhe die Küste. Am Strand lagen Wracks, die wohl noch aus der Zeit stammten, als die Amerikaner die Insel von den Japanern zurückeroberten.

Die Räder des Fahrgestells setzten mit sanftem Ruck auf der Landebahn auf. Ich sah mir gerade die riesigen »fliegenden Festungen« der »Strategie Air Command« und die Maschinen des Wetterdienstes mit ihren langen Antennen an, als ein markerschütternder Schrei den abklingenden Motorenlärm übertönte.

Ich drehte mich blitzschnell um. Es war Kennedys Nachbarin, die so grausig geschrien hatte. Kennedy selbst war nicht mehr zu sehen. Hastig öffnete ich den Verschluss meines Sicherheitsgurtes und stand auf.

Kennedy war nach vorn gekippt, und seine Arme

baumelten schlaff neben seinen Knien. Sein Kopf lag eigenartig abgewinkelt auf der Lehne des Vordersitzes. Mit einem Blick sah ich, dass er tot war.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Pearl Richardson hatte Außerordentliches geleistet. Man hätte glauben können, sie sei von jeher daran gewöhnt, bei Zwischenlandungen auf der Insel Wake einen Toten unter ihren Passagieren zu haben. Unter ihrem gestrengen Auge war es für jeden selbstverständlich gewesen, nicht die Nerven zu verlieren. Kein Mensch hatte versucht, sich zum Ausgang zu drängen, um die Maschine schneller verlassen zu können.

Wir bestiegen einen kleinen Bus, der uns über die Piste zu einigen Baracken brachte, hinter denen das Flughafenrestaurant lag. Pearl Richardson hatte uns der Obhut Sukos, der kleinen Kollegin mit den geheimnisvollen Mandelaugen, anvertraut, deren Nerven offensichtlich nicht so solide waren wie die der großen Blonden.

Ich bestellte mir eine Portion Tee und ging dann zum Büfett, um mir einen Sandwich auszusuchen. Lily Carr kam an meinen Tisch und setzte sich. Keiner sprach. Einen Augenblick später tauchte Kennedys Nachbarin auf, die Frau, die geschrien hatte, und gesellte sich zu uns.

»Sie sind wohl arg erschrocken?«, fragte Lily atemlos.

»Ich wollte ihn wecken, weil ich dachte, er würde auch noch die Landung verschlafen. Als ich ihn berührte, kippte er nach vorn.«

Wir erfuhren, dass sie Kay Kirby hieß und Professorin für amerikanische Zivilisation an der Universität Osaka war. Sie war etwa Mitte vierzig, vielleicht auch mehr, und hatte ein schönes, faltenloses Gesicht, das von blonden Locken eingerahmt war. Ihr etwas breiter, muskulöser, aber ebenmäßiger Körper verriet die Sportlerin. Sie war völlig ahnungslos gewesen. Kennedy hatte nicht ein einziges Wort mit ihr gewechselt. Er war kurz nach dem Start eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.

»Wie entsetzlich!«, sagte Lily Carr verstört. »Er ist gestorben, ohne sich auf seine letzte Reise vorbereitet zu haben. Wenn er nun vielleicht mit Gott im Unreinen war...«

Die beiden Frauen hatten keinen Appetit und warfen mir missbilligende Blicke zu, weil ich ungeniert aß. Sie konnten nicht wissen, dass für mich der Tod etwas ganz Alltägliches ist. Ich wäre schon längst verhungert, wenn ich bei jeder Leiche einen Fastentag einlegen müsste.

Als ich fertig gegessen hatte, stand ich auf und ging in den Waschraum, um mich frisch zu machen. Während ich mich rasierte, schwirrten die Leute um mich herum und diskutierten aufgeregt den »bedauerlichen Zwischenfall«. Es war interessant zu beobachten, wie alle dieselben Phrasen verwendeten, um ihrer Emotion Ausdruck zu geben, und den Toten bedauerten, ohne zu wissen, wer er überhaupt war.

Als ich in den Speisesaal zurückkam, war Kay Kirby fort.

»Ein Soldat hat sie abgeholt«, erklärte mir Lily Carr. »Er sagte auch, dass sich der Weiterflug verzögern würde, und dass wir hier warten sollten.«

Ich maß dieser letzten Bemerkung keine tiefere Bedeutung bei. Ein kurzer Spaziergang zum nahen Strand würde mir guttun. Der Uniformierte hatte Kay Kirby geholt, um ihre Zeugenaussage aufzunehmen, die er für die Akten benötigte. Die Bürokratie ist bekanntlich international.

Als ich die Tür aufstieß, fiel ich beinahe über zwei Marinesoldaten, die mir sofort ihre Maschinenpistolen in die Rippen bohrten.

»Sie dürfen nicht raus!«, grunzte der eine. »Alle Passagiere haben im Restaurant zu bleiben.«

»Was soll denn dieses Theater?«

Sie würdigten mich keiner Antwort. Wahrscheinlich wussten sie es selbst nicht. Es waren brave Soldaten, das sah man an ihren sturen Gesichtern. Sie hatten dafür zu sorgen, dass niemand gegen die Vorschrift verstieß. Sie fragten nicht warum. Dafür waren sie nicht zuständig. Befehl war Befehl.

Ich kehrte um. Die Tür fiel von selbst hinter mir zu. Miss Carr warf mir einen fragenden Blick zu, als sie mich zurückkommen sah.

»Haben Sie keine Lust mehr, spazieren zu gehen?«, fragte sie.

»Doch. Aber noch lieber bleibe ich bei Ihnen.«

»Sie sind sehr liebenswürdig. Wie heißen Sie?«

»Ich habe keinen Namen, Miss Carr. Ich bin ein armes Waisenkind, und Sie sollten sich meiner annehmen.«

Sie schien sich über meine Antwort zu ärgern und ließ mich in Ruhe. Ich rief den Kellner und bestellte noch einmal Tee.

Inzwischen war mir klargeworden, dass James Kennedy wohl kaum eines natürlichen Todes gestorben war. Aber wahrscheinlich war ich der einzige Mensch auf dieser Insel, der wusste, dass James Kennedy ein Offizier vom Geheimdienst war. Wenn es sich tatsächlich um einen Mord handelte, würde es noch Unannehmlichkeiten geben. Ich wusste nicht, ob es auf Wake, wo ja die Marine residierte, ein CIA-Büro gab. Sicher gab es aber einen Offizier des Marinesicherheitsdienstes, und es war für mich selbstverständlich, dass ich mit diesem Mann Verbindung aufnehmen musste.

Wenn James Kennedy ermordet worden war, konnte nur einer der Passagiere unserer Maschine der Mörder sein. Wenn James Kennedy ermordet worden war, dann sicher deshalb, weil er gerade dabei war, einer Sache auf die Spur zu kommen. Bei der Fixigkeit, die er in seiner Arbeit an den Tag legte, war dem- oder denjenigen, die er jagte, nichts anderes übrig geblieben, als ihn zu beseitigen.

Unverdrossen versuchte Miss Carr, wieder ein Gespräch mit mir in Gang zu bringen. Eine lästige Person!

»Verzeihen Sie«, sagte ich liebenswürdig und stand auf. »Ich habe ganz vergessen, meine tägliche Morgenandacht zu halten.«

Ich weiß nicht, ob sie kapierte. Sie lief dunkelrot an und ein erstauntes »Oh« entfuhr ihren hübschen Lippen. Ich ging zum Telefon und verlangte das Büro des Marinesicherheitsbeamten.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Der Chef des Marinesicherheitsdienstes auf Wake hieß Eli Burstrom. Er war groß, braungebrannt und ziemlich hager und bekleidete den Rang eines Leutnants zur See. Recht sympathisch. Er stellte mir seinen Adjutanten vor, einen jungen Mann mit deformierter Nase, untersetzt, der auf den Namen Michael Carvin hörte.

Ich hätte Schwierigkeiten haben können, mich auszuweisen, denn ich besaß nur einen »Dienstpass«, der für die Mission ausgestellt war, die ich soeben hinter mich gebracht hatte. In diesem Pass hieß ich Horace MacBean. Aber manchmal kommt einem der Zufall zu Hilfe.

»Wir haben eine Nachricht für Sie, Mr. MacBean«, begann Burstrom das Gespräch. »Sie kommt aus Washington, vom CIA und wurde uns auf dem Umweg über die ONI übermittelt. Sie sollen Verbindung mit einem gewissen Mr. Kennedy aufnehmen, der mit der gleichen Maschine hätte ankommen sollen wie Sie.«

»Warum hätte ankommen sollen?«

»Weil auf der Passagierliste kein Mr. Kennedy verzeichnet ist.«

Ich wollte ihm gerade alles erklären, als die Sprechanlage zu summen begann. Eine blecherne Stimme sagte: »Hier ist Fried Egg. Können Sie sprechen?«

Burstrom warf mir einen kurzen Blick zu.

»Ja. Wir sind unter uns. Was gibt's denn?«

»Der Peildienst meldet, dass etwa ein Dutzend U- Boote unbekannter Nationalität die Insel umringen.«

Eli Burstrom runzelte die Stirn.

»Was heißt umringen

Michael Carvin ging zum Schreibtisch und drückte nervös seine bis zum Filter abgerauchte Zigarette aus.

Die Stimme antwortete: »Das heißt, dass sie sternförmig von allen Seiten auf die Insel zugefahren sind und jetzt drei Meilen vor dem Strand, knapp unter der Wasseroberfläche, beigedreht haben.«

Burstrom beugte sich über die Sprechanlage.

»Sind Sie sicher, dass die Dinger nicht von uns sind?«

»Todsicher. Die gegenwärtige Position aller unserer U-Boote im Pazifik ist genau bekannt.«

»Wurde der Pascha verständigt?«

»Die Alarmmeldung kann jederzeit durchgegeben werden.«

»Wahrscheinlich wieder einmal die Russen, die uns einen Streich spielen wollen«, knurrte Burstrom. »Halten Sie mich weiter auf dem Laufenden.«

»Verstanden, Sir.«

Der Summton der Sprechanlage brach ab. Eli Bor

ström fuhr sich mit den sehnigen Fingern durch die kurzgeschnittenen Haare und schaute mich nachdenklich an.

»Nicht das erste Mal, dass so was passiert«, sagte er schließlich. »Allerdings sind sie früher nie im geschlossenen Verband ankutschiert.«

»Wahrscheinlich wegen der Geschichte in Vietnam«, antwortete ich. »Kraftprotzerei von beiden Seiten.«

»Ein Scheißspiel!«, präzisierte Burstrom und griff nach seiner Pfeife, die auf dem Schreibtisch lag.

Ich war ganz seiner Meinung.

»Sie sagten vorhin, dass auf der Passagierliste unserer Maschine kein Mr. Kennedy eingetragen war«, fuhr ich fort. »Er war aber an Bord.«

»Wenn Sie ihn kennen, ist ja alles in Ordnung.«

»Ich kannte ihn.«

Die beiden starrten mich an.

»Soll das heißen, dass...«

»Genau. Der Mann, den man tot aus dem Flugzeug getragen hat, hieß James Kennedy. Er war einer der CIA-Beamten in Japan.«

Burstrom stopfte gemächlich seine Pfeife zu Ende. Mit einem Seitenblick auf Carvin sagte er: »Ist das der Grund, weshalb Sie mich sehen wollten?«

»Ja.«

»Er reiste mit Papieren auf den Namen Jack Harris.«

»Das wusste ich nicht. Gestern Abend in Haneda stand er eine Weile neben mir, tat aber so, als hätte er mich nie gesehen.«

»Sind Sie erster Klasse geflogen?«

»Nein. Ich hatte es eilig, nach Hause zu kommen, und buchte den letzten Platz, der noch frei war. Touristenklasse. Kennedy saß ganz in meiner Nähe, auf der anderen Seite des Mittelganges. Ist die Todesursache schon bekannt?«

»Wir haben zuerst an einen natürlichen Tod geglaubt.

Aber dann stellte unser Arzt fest, dass man ihm eine Stahlnadel ins Herz gestoßen hat. Er ist innerlich verblutet. Von außen merkte man gar nichts. Ein paar Tropfen Blut am Hemd, das war alles.«

»Eine Stahlnadel? Um ihm so ein Ding zwischen die Rippen zu jagen, ohne dass es jemand merkt, hätte man sich doch über ihn beugen müssen.«

»Das haben wir uns auch gesagt«, mischte sich Michael Carvin in die Unterhaltung. »Deshalb haben wir uns auch gleich die beiden Passagiere herausgefischt, die neben ihm saßen. Man muss ja praktisch über den Mann auf dem Randsitz steigen, wenn man in den Mittelgang will.«

»Der Tote saß auf Platz 8«, fuhr Burstrom fort. »Neben ihm, auf Platz 7, saß Mrs. Kay Kirby, eine Landsmännin, Professorin an der Universität Osaka. Zweiundvierzig. Sie ist in der Nacht zweimal aufgestanden, um auf die Toilette zu gehen. Sie sagt, Harris - Kennedy sei gleich nach dem Start eingeschlafen und habe sich dann nicht mehr gerührt. Immerhin hat er dreiviertel Stunden nach dem Abflug noch gelebt. Da sind Sie wohl arg durchgerüttelt worden, nicht wahr?«

Ich dachte wieder an den kurzen Zwischenfall. Die Stewardess hatte den Passagieren gerade heiße Getränke serviert. Ich hatte dankend abgelehnt. Plötzlich war die Maschine so abrupt in ein tiefes Luftloch abgesackt, dass die Getränke aus den Tassen herausschwappten und sich über Röcke und Hosen ergossen. Der Steward und die beiden Stewardessen hatten daraufhin eine gute Viertelstunde zu tun gehabt, um den Passagieren beim Säubern ihrer Kleider behilflich zu sein. Man hatte uns gebeten, uns anzuschnallen, und die Maschine wurde noch eine ganze Weile wild hin und her geworfen.

»Er hatte nichts getrunken, wurde aber durch den allgemeinen Tumult aufgeweckt. Mrs. Kirby erinnert sich, dass er über die Verheerung sehr gelacht hat«, setzte Carvin hinzu.

Eli Burstrom unterbrach ihn: »Der zweite Passagier, der noch unter verstärktem Tatverdacht steht, heißt Paul Warren. Er ist ebenfalls ein Landsmann. Journalist von United Press International. Fünfundvierzig. Er war Korrespondent in Tokio. Seine Agentur hat ihn dort abberufen. Er hat einen Brief bei sich, in dem er zum Chef der Außenstelle in Mexiko City ernannt wird. Also beides respektable Leute.«

»Im Mittelgang herrscht ein ständiges Kommen und Gehen bei so vielen Passagieren. Und wenn das Flugzeug hin und her trudelt wie in dieser Nacht, verliert man leicht das Gleichgewicht. Kennedy saß auf dem Randsitz. Jeder der Passagiere hätte also die Möglichkeit gehabt, ihn zu ermorden.«

»Natürlich. Aber es ist naheliegend, als ersten denjenigen zu verdächtigen, der in unmittelbarer Nähe saß. In der gleichen Sitzreihe, aber auf der anderen Seite, auch direkt am Mittelgang, saß ein recht dubioser Kerl: Douglas Campbell, fünfundfünfzig, Eurasier. Er ist Direktor einer Importfirma in Honolulu. Hat angeblich seinen Pass verloren.«

»Wenn dieser Douglas Campbell ein Agent von der anderen Seite ist mit dem Auftrag, Kennedy zu liquidieren, so können Sie Gift darauf nehmen, dass er seinen Pass nicht verloren hätte.«

»Das ist klar«, gab Burstrom zu. »Aber was gibt es nicht alles Verrücktes?

»Wenn es aber doch ein Trick ist?«, meinte Carvin gereizt. Meine Überlegung hatte ihn sichtlich geärgert.

Ich wollte gerade eine kleine Bosheit in seine Richtung loslassen, als mir etwas völlig Unerwartetes die Rede verschlug: Das durchdringende Heulen einer Sirene gellte über die Insel. Wir erstarrten. Als die Sirene aufhörte, stand Eli Burstrom auf. Er war um einen Ton blasser geworden.

»Das ist das Signal zum sofortigen Aufstieg unseres Bomberkommandos«, sagte er rau. »Angriff...«

So unglaublich es klingen mag, aber mein erster Gedanke war meine Verabredung mit der Filmschauspielerin Elaine Villinger. Wieder ins Wasser gefallen. Kein Wunder, wenn sie mich nie mehr erwarten würde. In der nächsten Sekunde stand ich mit den anderen im Freien.

 

 

 

Viertes Kapitel

 

 

Es war ein recht hübscher Anblick, der sich uns draußen bot. Ich hatte aber das leise Gefühl, dass den anderen das grandiose Spektakel, das sich am Himmel abspielte, wenig Vergnügen bereitete.

Rund um die Insel stiegen Tausende von roten Leuchtraketen zischend in den morgendlichen Himmel. Es bestand kein Zweifel darüber, dass diese Raketen von den U-Booten abgeschossen wurden, die uns der Peildienst vor ein paar Minuten gemeldet hatte. Aber was, zum Teufel, bedeutete dieses Feuerwerk?

Die Turbinen der Bomberstaffel heulten nacheinander auf. Der Lärm wurde bald unerträglich. Unaufhaltsam stiegen weitere Leuchtraketen in die Luft und bildeten allmählich einen blendenden Feuergürtel rund um das Atoll. Die erste Maschine stieg auf und donnerte mit einem Höllenlärm über unsere Köpfe hinweg. Unwillkürlich duckten wir uns. Als ich wieder aufschaute, sah ich am Strand einen Lastwagen fahren, auf dem eine Handvoll Marinesoldaten in voller Kampfausrüstung standen.

»Das heißt Krieg«, sagte Carvin, der unmittelbar neben mir stand. »Die Russen scheinen überall gleichzeitig anzugreifen.«

Ich zuckte die Schultern. Wenn die Russen tatsächlich einen Krieg beschlossen hatten, schien es mir mehr als unwahrscheinlich, dass sie sich zu Beginn ausgerechnet auf diese winzige Insel stürzten, die verloren mitten im Pazifik lag. Es gab hier ja nicht einmal eine Raketenbasis, die anzugreifen sich gelohnt hätte. Und außerdem: was sollten denn diese nun wirklich harmlosen Leuchtraketen?

Einige Menschen rannten bereits zu den Luftschutzkellern. Ein weiteres Flugzeug stieg auf, bald danach ein drittes. Als sie verschwunden waren, merkte ich, dass die Leuchtraketen am Himmel erloschen waren und das Tageslicht abnahm.

«Verdammt«, brummte Burstrom, »da tut sich was.«

Die Bemerkung war überflüssig. Dass sich etwas tat, wussten wir auch. Und dass es etwas war, was nicht jeden Tag passierte, konnte selbst dem naivsten Träumer nicht verborgen bleiben.

Plötzlich fror ich an den Schultern. Die Sonne war fast verschwunden und leuchtete nur noch als heller Fleck am Himmel. Ich fragte: »Gibt es hier manchmal Nebel?«

»Nie!«

Schnell verschwand der Ozean in einem Dunstschleier. Ich machte einige Schritte zur Ecke des Gebäudes, um einen Blick ins Landesinnere zu werfen. Die riesigen Hangars der Flugzeuge zerrannen im Undurchsichtigen.

Burstrom und Carvin gingen ins Büro zurück. Ich folgte ihnen. Die Sprechanlage summte wieder. Der Kommandeur des Stützpunktes meldete sich, um seine Offiziere zu einer dringenden Konferenz einzuberufen. Burstrom machte sich gleich auf den Weg.

»Kommen Sie mit!«, rief er mir zu. »Es ist möglich, dass diese Sauerei mit der Geschichte Kennedy zusammenhängt.«

Ich folgte ihm wortlos.

Wir liefen eine Betontreppe hinunter, die in einen unterirdischen Bunker führte. Ein gutes Dutzend Offiziere verschiedener Ränge waren bereits versammelt. In ihrer Mitte stand ein blendend aussehender Mann mit grauen Haaren, der bei meinem Anblick wütend losbellte: »Was ist denn das für einer?«

Burstrom stellte mich vor und gab eine kurze Erklärung über meine Person ab. Der Mann hörte ihn schweigend an und machte sich dann bekannt: Kommandeur Anthony K. Flint.

Wir setzten uns, und die Konferenz begann. Mit kühler klarer Stimme gab Flint einen kurzen Überblick über die Lage.

Die Maschine Flugnummer 844 der Pan American Airways war, mit einer Verspätung von etwa zwei Stunden, um sechs Uhr zwanzig Ortszeit auf dem Flugplatz von Wake gelandet. Bei der Landung stellte man fest, dass ein Passagier unterwegs gestorben war. Dieser Passagier reiste mit einem amerikanischen Pass, der auf den Namen Jack J. Harris lautete. Man vermutet jedoch (dank meiner Angaben wahrscheinlich), dass der Mann in Wirklichkeit James Kennedy hieß und einer der CIA-Agenten war, die in Japan arbeiten.

Man hatte festgestellt, dass der Mann, egal ob Harris oder Kennedy, mittels einer langen Stahlnadel getötet worden war, die ihm jemand ins Herz gestoßen hatte. Der Luftwaffenarzt, Major Gruening, meinte, dass der Tod vermutlich am Vorabend zwischen 22 und 24 Uhr eingetreten sei, das heißt, nicht lange nach dem Abflug von Tokio.

Wer hatte ihn ermordet? Man stand noch vor einem Rätsel. Jeder Passagier der Touristenklasse und jedes Mitglied der Crew konnte der Mörder sein. Die ersten Verhöre hatten keinerlei Anhaltspunkte ergeben.

Warum hatte man ihn ermordet? Wenn der Tote tatsächlich James Kennedy hieß und ein hohes Tier beim CIA war, so konnten unter Umständen die Ereignisse, die augenblicklich auf Wake über die Bühne gingen, den Schlüssel für diese mysteriöse Angelegenheit liefern.

Wenige Minuten nach der Landung der 844 war vor der Insel ein gutes Dutzend U-Boote festgestellt worden, die in einer Entfernung von etwa drei Seemeilen knapp unter der Wasseroberfläche beigedreht hatten. Jetzt bildeten sie einen Ring um die Insel. Das einzige, was man sicher wusste, war, dass diese U-Boote nicht der Navy angehörten.

Zehn Minuten nach ihrem Beidrehen hatten die U- Boote, ohne aufzutauchen, begonnen, Leuchtraketen abzuschießen. Die Feuerwerkskörper waren in eine Höhe von schätzungsweise 700 bis 800 Metern gestiegen und am Ende ihrer Bahn zerplatzt. Dabei bildeten sich Tausende von kleinen roten Sonnen, die sich langsam auflösten und als feiner Niederschlag auf die Insel und die umgebende See herabfielen.

Dieser Vorgang sei für ihn, Anthony K. Flint, Kommandeur des Luftwaffenstützpunktes Wake, Anlass genug gewesen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Die Torpedoflugzeuge seien schon im Einsatz.

Inzwischen begann sich ein Nebelschleier über der Insel zu bilden, der bis weit in den Ozean hineinreichte. Dieser Nebel war so dicht, dass eine Landung der aufgestiegenen Maschinen ernsthaft in Frage gestellt, wenn nicht unmöglich war.

An diesem Punkt seiner Ausführung angelangt, wurde Flint durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. Er griff zum Hörer und meldete sich. Ich benützte die Pause, um mich im Raum umzusehen. Angespannte Gesichter, eine knisternde Atmosphäre. Das Ganze erinnerte mich lebhaft an die dramatischen Lagebesprechungen, denen ich während des Krieges ab und zu beiwohnen musste.

Flint legte den Hörer auf und wandte sich wieder an uns. Man hatte ihm mitgeteilt, dass die Geigerzähler plötzlich nervös geworden seien und eine erhöhte Radioaktivität der umliegenden Luftschichten anzeigten. Die Radioaktivität werde aber voraussichtlich keinen für Lebewesen gefährlichen Grad erreichen.

Ich hatte den Eindruck, dass alle für Sekunden den Atem anhielten. Ein Offizier in meiner Nähe, ein Mann mit einer Totschlägervisage, äußerte die Meinung, dass man doch »diesen ganzen Haufen rostiger Sardinenbüchsen aufs Korn nehmen und in die Luft jagen« solle.

Flint klärte uns im Weiteren darüber auf, dass dieser plötzliche Nebel natürlich nichts mit dem Wetter zu tun habe, sondern künstlich entstanden sein musste. Techniker der U.S. Army hatten schon vor langer Zeit Versuche dieser Art in der Nähe von Hawaii gemacht, in einer Gegend, wo sich praktisch nie Nebel bildete. Wenn man eine komplizierte Salzmischung auf der Basis von Titan in der Luft pulverisierte, konnte man die herrlichste Erbsensuppe herstellen. Das Zeug hielt sich fast eine Woche.

Es lag auf der Hand, dass der unbekannte Gegner, der sich damit unterhielt, die Insel Wake auf diese Art einzunebeln, eine bestimmte Absicht verfolgte. Es war also noch mit unangenehmen Überraschungen zu rechnen, vielleicht sogar schon in den nächsten Minuten.

Der ganze Apparat war in Alarmbereitschaft. Das Schlimme war nur, dass die Flugzeuge, die ja den Kern der Sicherheitsmaßnahmen darstellten, weder aufsteigen noch landen konnten.

Das Headquarter of the U. S. Army in the Pacific in Honolulu und das Headquarter of the U. S. Army in the Far East in Tokio waren per Funk von den Ereignissen informiert worden. Man erwartete ihre Antwort.

Auf alle Fälle konnte man nur mit einer Hilfe auf dem Seeweg rechnen. Aber das würde eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die nächsten Einheiten der Navy lagen ein gutes Dutzend Navigationsstunden von Wake entfernt. Was die Flugzeuge betraf, die vorhin aufgestiegen waren, so hatten sie den Befehl erhalten, weiterzufliegen und auf Bikini oder Eniwetok zu landen. Das waren die nächsten Flugplätze, neunhundert Kilometer weiter südlich.

Kommandeur Anthony K. Flint schloss die Konferenz mit der Bemerkung, dass er mit unser aller Disziplin rechne. Man müsse abwarten, was weiter geschehe und danach seine Dispositionen treffen. Man sei vorläufig in eine Defensive gedrängt.

Ich wollte mit den anderen hinausgehen, als Flint uns drei, Burstrom, Carvin und mich, zurückhielt. Irgendwie waren ihm wohl Zweifel gekommen.

Dem Adjutanten Carvin, der noch zu jung war, um einen Krieg mitgemacht zu haben, saß der Schreck in allen Gliedern. Er versuchte krampfhaft, sich nichts anmerken zu lassen.

Flint sah mich forschend an. Er war ein harter Bursche. Mir sind aber schon zähere Typen über den Weg gelaufen, als er. Schließlich war er es, der den Blick abwandte.

»Sie behaupten, Angehöriger des CIA zu sein«, sagte er zu mir. »Beweisen Sie das.«

Ich antwortete mit einem Grinsen.

»Wenn Sie mich für einen Schwindler halten, sind Sie etwas zu spät dran mit Ihren Vorsichtsmaßnahmen. Immerhin war ich gerade Zeuge...«

Er unterbrach mich trocken.

»Ich habe meine Leute nur über die Situation aufgeklärt. Wenn Sie von drüben kommen, wissen Sie ohnehin viel mehr als wir.«

Er hatte recht. Ich fragte: »Gibt es hier einen CIA- Mann?«

»Nein.«

»Dann gibt es nur eine Möglichkeit: Sie nehmen per Funk entweder mit dem Büro in Tokio oder mit Washington direkt die Verbindung auf.«

»Wir haben von Washington eine Nachricht bekommen, die für ihn bestimmt war«, fiel Burstrom ein.

»Weiß ich«, antwortete Flint, »aber ich habe schon bessere Tricks erlebt als diese hier.«

Darauf Burstrom eisig: »Ich habe vielleicht vergessen, Ihnen zu sagen, dass die Nachricht mit primo gezeichnet war und uns von der Zentrale der ONI übermittelt wurde. Mit dem ONI-Code chiffriert. Das ist eine Garantie...«

Das schien Flint einzuleuchten. Er war Offizier der Marine. Alles, was nicht zu ihr gehörte, erregte sein größtes Misstrauen. Der CIA zählte für ihn nicht. Da waren Zivilisten dabei, Grund genug, an der Seriosität dieser Einrichtung zu zweifeln. Hingegen die ONI, wo nur Seeleute am Drücker waren, das war etwas Anständiges.

»Wir werden sehen«, entschied er. »Behalten Sie ihn auf alle Fälle im Auge. Und wenn er nicht spurt, knallt ihr ihm sofort eine Kugel in den Kopf, verstanden?«

Ich schreibe hier in den Kopf, aber das war nicht das Wort, das Flint verwendet hat. Ich nahm es ihm nicht sonderlich übel. Ich wusste aus Erfahrung, dass es nicht ratsam war, sich mit einem alten Haudegen anzulegen. Deshalb schlug ich vor: »Unterdessen können wir versuchen, Kennedys Mörder auf die Spur zu kommen. Ich vermute da einen Zusammenhang. Die Direktion in Washington wusste, dass Kennedy auf dem Weg hierher war und eventuell meine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Aus diesem Grund hatte man mich auch gebeten, ihm zur Verfügung zu stehen.«

Flint beobachtete mich noch immer voll Argwohn.

»Gut. Gehen Sie der Sache nach. Carvin wird Ihnen assistieren. Sie stehen mir für die Passagiere der 844 gerade. Verstanden? Wegtreten!«

Wir traten weg. Das Telefon klingelte erneut. Wir waren schon auf der Treppe, als wir Flint brüllen hörten: »Ich scheiße auf Journalisten! Ja, egal woher sie kommen. Wenn sie Mist machen, sperrt sie ein!«

»Dann wird er sie ja nie los.« Burstrom blickte griesgrämig drein. »Er ist ein alter Trottel. Sie werden hinterher über ihn schreiben, dass ihm die Sache über den Kopf gewachsen ist und er lieber in seine kleine Provinzstadt in Connecticut zurückgehen und Blumen züchten solle.«

Ich äußerte mich nicht dazu. Mein Beruf hat zumindest den Vorteil, dass sich alles im Schatten abspielt und die Journalisten sich erst nach Jahren mit unseren Angelegenheiten beschäftigen können - sofern man ihnen nicht wie ich zuvorkommt.

»Gehen wir?«, fragte ich Carvin.

»Wir müssen zuerst noch in unser Office, Waffen holen.«

Das war keine schlechte Idee. Als wir dort ankamen, lief uns schon ein Sekretär entgegen. Aufgeregt sagte er zu Burstrom: »Sir, ein Mann hat für Sie angerufen. Es war der Steward der 844, George Hildebrecht. Er behauptete, Angaben über den Tod des Mannes machen zu können. Ich habe ihm gesagt, er soll herkommen.«

»Ausgezeichnet. Ist er unterwegs?«

»Müsste schon längst da sein. Hat vielleicht im Nebel nicht hergefunden.«

»Gut, dann werden wir auf ihn warten.«

Der Sekretär kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Carvin öffnete den Stahlschrank und brachte drei Militär-Colts und ein paar Schachteln Munition zum Vorschein. Zu meiner Überraschung drückte er auch mir eine Waffe in die Hand.

»Sie sind aber sehr viel vertrauensseliger als der Pascha«, bemerkte ich.

»Ach, vielleicht nicht. Wenn ich Ihnen eine Kugel in den Kürbis jagen muss, werde ich Sie vorher nicht erst lange warnen.«

Die Naivität dieses Jungs war wirklich erstaunlich. Ich hütete mich aber, ihm das zu sagen.

Ich setzte mich auf die Ecke eines Tisches, der als Unterlage für ein Gipsrelief diente, das die Insel Wake mit allen ihren Anlagen zeigte. Burstrom drehte an den Knöpfen eines Kurzwellengeräts.

»Was soll denn dieses Gewimmer?«, brummte er missmutig und schlug mit der flachen Hand energisch auf den Apparat. »Überall hört man dasselbe Gekrächze.«

»Was hört man denn?«, fragte Carvin.

»Stimmen. Ich verstehe kein Wort davon.«

»Der künstliche Nebel stört möglicherweise die Wellen«, sagte ich.

»Kann schon sein.«

Burstrom drehte den Apparat ab.

»Wo bleibt denn der Kerl bloß?« nörgelte er. »Von den Mannschaftsräumen bis hierher braucht man nicht mehr als eine Minute.«

»Ein bisschen mehr doch«, verbesserte Carvin.

Ich glaube an Intuitionen. Das gefährliche Leben, das ich seit vielen Jahren führe, hat bei mir eine Art Instinkt entwickelt. Dieses Gefühl ist schwer zu beschreiben und auch nicht immer unbedingt verlässlich. Es hat auch schon Fehlzündungen gegeben. Automatisch ging ich zur Tür.

»Wir können ihm ja entgegengehen. Wer weiß, was los ist.«

Carvin schien zu verstehen, was ich nicht überdeutlich aussprechen wollte.

»Gehen wir!«

Wir traten ins Freie. Noch nie, nicht einmal in London, hatte ich eine ähnliche Erbsensuppe erlebt. Ich streckte meinen rechten Arm aus und war überrascht, noch meine Fingerspitzen zu sehen.

»So eine Sauerei!«, rief Carvin.

»Ich folge Ihnen«, sagte ich. »Sie kennen den Weg besser als ich.«

Er ging los, und ich folgte ihm auf dem Fuß. Wir tasteten uns die Barackenwand entlang. Am Ende angekommen, bog Carvin nach links ab. Nach einigen Metern stolperte er über etwas und fluchte. Ich trat ihm auf die Fersen und musste mich an der Holzwand des Gebäudes festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Wer ist das?«, fragte Carvin.

Ich kniete mich hin und fasste unter den Kopf des Mannes, der reglos dalag.

»George Hildebrecht«, sagte ich, »der Steward unserer Maschine.«

»Und er wusste etwas über den Tod Kennedys«, sagte der Adjutant beklommen.

 

 

 

Fünftes Kapitel

 

 

George Hildebrecht war auf die gleiche Weise getötet worden wie Kennedy. Diese Art zu morden war so ungewöhnlich, dass es keiner weiteren Beweise bedurfte: Der Mörder des einen war auch der Mörder des anderen.

Eli Burstrom hatte sofort die beiden Stewardessen der 844 - Pearl Richardson und Suko Natayama - zu sich kommen lassen. Wir dachten, dass der Steward sie vielleicht ins Vertrauen gezogen hatte. Aber beim Verhör stellte sich heraus, dass die beiden Mädchen mit Hildebrecht keinerlei Kontakt gehabt hatten. Im Gegenteil, sie konnten ihn nicht leiden. Er sei ein grober Kerl gewesen und habe sie ständig belästigt. Es war der vierte Flug über den Pazifik, den sie mit ihm zusammen machten, aber sie hätten mit ihm nur über Dinge gesprochen, die unmittelbar zu ihrer Arbeit gehörten.

Ich dachte, sie hätten vielleicht durch Zufall gehört oder gesehen, was der Steward uns jetzt mitteilen wollte. Wir stellten ihnen eine Menge Fragen in dieser Richtung, aber ohne Erfolg. Suko gab zu, dass ihr die eigenartige Stellung aufgefallen war, in der Kennedy schlief. Pearl Richardson hatte gar nicht darauf geachtet. Sie betreute insbesondere die Passagiere der ersten Klasse und betrachtete die Reisenden der Touristenklasse als Kunden, die ihrer Sorge nicht würdig waren. In dieser Abteilung würde sie sich nie den reichen Gatten angeln, von dem sie sicherlich insgeheim träumte.

Wir ließen die beiden laufen. Sie hatten vom Filialleiter der Pan American Airways in Wake den Auftrag erhalten, den Passagieren des Flugs 844 Gesellschaft zu leisten und sich um ihr Wohlbefinden zu kümmern. Man hatte die Fluggäste in einen der zahlreichen Luftschutzkeller gebracht, die unter den Verwaltungsgebäuden lagen.

Kaum waren die Stewardessen weg, machten wir, Carvin und ich, uns auf, um ihnen nachzugehen. Der Nebel war inzwischen noch dichter geworden. Wir tasteten uns vor wie Blinde. Plötzlich zerriss eine Stimme aus dem Lautsprecher die unheimliche Stille, die über der Insel lag. Ein Befehl des Kommandeurs Flint wurde durchgegeben: Niemand dürfe ins Freie, ohne sich vorher eine Gasmaske besorgt zu haben. Einige Soldaten würden von Büro zu Büro gehen, um eine ausreichende Anzahl dieser Dinger zu verteilen. Außerdem sollten sie kontrollieren, ob sie ordnungsgemäß funktionierten. Die Radioaktivität der Luft sei angestiegen und man müsse befürchten, dass in dem Nebel auch noch andere, für Lebewesen gefährliche Teilchen, die man jedoch noch nicht mit Bestimmtheit nachweisen könne, enthalten seien.

»Mein Gott«, sagte Carvin plötzlich, »mir wird ganz elend.«

Das lähmende Warten auf etwas Unbestimmtes war ihm in die Knochen gefahren. Dabei hatte es im ersten Moment so ausgesehen, als ob sich die Ereignisse überstürzen würden. Wir hatten erwartet, dass nach dem Blockieren der Luftstreitkräfte mit Hilfe des künstlichen Nebels ein kurzfristiger Angriff unausbleiblich war. Es waren beinahe zwei Stunden vergangen, und nichts dergleichen war geschehen.

»Wenn die Biester landen«, versuchte ich den vor Angst beinahe zitternden Carvin abzulenken, »sehen unsere Leute sie nicht einmal. Selbst wenn sich die Soldaten an den Händen halten und eine Kette bilden, könnte man ihnen noch zwischen den Beinen durchkriechen, ohne dass sie etwas merken.«

Carvin blieb stehen.

»Ich glaube, wir haben uns verlaufen.«

»Nur keine Aufregung.«

»Ich habe ungefähr die Richtung eingeschlagen, aber ich glaube, wir sind im Kreis gegangen.«

Bei einem Speziallehrgang, den ich 1942 absolviert hatte, mussten wir unter anderem auch Nachtmärsche über ein Terrain üben, das wir uns zuvor bei Tageslicht angesehen hatten. Diese Übung war mir im Lauf der Jahre unzählige Male zugutegekommen.

»Wir sind genau auf dem richtigen Weg«, versicherte ich. »Merken Sie sich eines: Ohne Sicht scheint eine Strecke, die einem gut bekannt ist, immer viel länger. Gehen Sie nur weiter. Wir kommen schon an.«

Wir setzten unseren Weg fort. Ich hatte meine Hände auf seine Schultern gelegt, denn es bestand jederzeit die Gefahr, dass wir einander verloren. Plötzlich machte Carvin einen Satz zur Seite und brüllte:

»Was ist denn das?«

Er war gegen einen Pfosten gerannt. Das war alles. Ich konnte mir nicht verkneifen, verhalten zu lachen. Carvin erkannte den Pfahl. Wir waren da.

Zu guter Letzt hätten uns die beiden Kerle, die die Passagiere bewachten, noch beinahe eins aufs Fell gebrannt. Sie ballerten einfach drauf los, ohne uns anzurufen. Wenn wir nicht schon so nahe gewesen wären, dass wir fast vor ihre Füße fielen, als wir uns duckten, hätte es ein Unglück gegeben. Mit ihren Gasmasken sahen sie recht furchterregend aus.

Wir stiegen die Betontreppe hinunter, die in den Bunker führte. Er bestand aus drei Räumen: einem großen gewölbten Saal, einem kleinen Zimmer, das als Dienstzimmer benützt wurde, und einer Toilette.

Wir hatten den Saal noch nicht richtig betreten, als wir schon von einigen bereits völlig durchgedrehten Leuten bestürmt wurden: woher wir kämen, warum wir keine Gasmasken hätten, was draußen los sei und so weiter und so weiter.

Ich bemerkte sofort, dass Pearl Richardson trotz aller Autorität die Zügel entglitten waren und wir über kurz oder lang mit diesen Leuten Ärger bekommen würden.

Zu allem Überfluss beging Carvin in seiner Unüberlegtheit einen Fehler, der ums Haar katastrophale Folgen gehabt hätte. Er zückte seinen Colt und brüllte Befehle: »Zurück! Ruhe! Blöde Bande!«

Der enervierende Marsch durch den Nebel und die unüberlegte Reaktion der Wachen hatten das ihre getan, um ihn den Kopf verlieren zu lassen. Natürlich, er war jung und unerfahren, aber das war schließlich keine Entschuldigung.

Die Menge wich in wildem Durcheinander zurück. Niemand gab mehr einen Laut von sich. Doch die Reaktion eines einzigen hätte genügt, um ein Desaster auszulösen. Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und sagte mit möglichst ruhiger Stimme: »Selbstverständlich war das ein Scherz, meine Damen und Herren. Adjutant Carvin wollte Ihnen nur vorführen, was geschähe, wenn wir auf Ihre Kopflosigkeit mit gleicher Kopflosigkeit antworten würden. Das war's. Und nun Schluss damit. Wir haben allen Anlass zu glauben, dass es sich um ein Manöver der Navy handelt. Wahrscheinlich hat man die Behörden von Wake mit Absicht nicht davon in Kenntnis gesetzt, damit das Ganze echter wirkt. In ein paar Stunden ist alles vorüber, und wir können aller Voraussicht nach gleich in Richtung Honolulu weiterfliegen.«

Paul Warren, der Journalist, fiel sofort mit Notizblock und Kugelschreiber über mich her.

»Wer sind Sie? Wie heißen Sie? Welche Funktion üben Sie hier aus?«

Wenn ich wollte, dass mich der Kerl in Ruhe ließ, musste ich mir eine plausible Antwort einfallen lassen. Ich sah ihn an. Er war vielleicht fünfundvierzig Jahre alt und magenleidend. Seine Gesichtsfarbe war gelbgrau, und er trug eine Brille mit Goldrand. Sein Auftreten war mehr als sicher. Er gehörte zu den Typen, die bei einem Interview mit der Königin von England ungeniert beide Beine auf den Tisch legen oder de Gaulle in Gegenwart von fünfzig Zeugen sagen würde, dass Amerika zu einem Kerl, der so weite Hosen trüge wie er, nie Vertrauen haben könne, denn solche Hosen verrieten ja einiges...

»Ich heiße Horace MacBean«, sagte ich, »und bin Beamter des State Department.«

Ich hieß zwar nicht Horace MacBean, aber die zweite Behauptung stimmte einigermaßen: der CIA gehörte zum State Department.

»Das beweisen Sie mir erst.«

Warren spuckte einen Kaugummi gegen die Mauer, auf dem er wahrscheinlich schon seit Tagen herumgekaut hatte.

Ich blieb stumm. Er notierte meinen Namen und meinen angeblichen Beruf mit schnellen Strichen in seinen Notizblock. Dann schaute er erwartungsvoll auf, und als von mir noch immer nichts kam, bellte er: »Na, sind Sie taub?«

Der Kerl fing an, mir auf die Nerven zu gehen.

»Kommen Sie doch bitte mit nach nebenan«, sagte ich. »Da können wir uns in Ruhe über alles unterhalten.«

»Gut«, sagte er blinzelnd.

Wir gingen in den Dienstraum hinüber, und ich schloss sorgfältig die Tür hinter mir. Rechts neben der Tür bemerkte ich einen Apparat, in dem in Büros Akten vernichtet werden. Ich stellte die Maschine an.

»Was soll das bedeuten?«, fragte Warren stirnrunzelnd.

»Nur wegen der Geräusche sagte ich. »Ich möchte nicht, dass man uns zuhören kann.«

Ich lockte ihn ans andere Ende des Raumes.

»Bevor ich meine Identität preisgebe, darf ich Sie doch bitten, mir die Ihre zu beweisen. Korrekt?«

Er lief rot an.

»Jeder kennt mich.«

»Dasselbe könnte ich auch von mir behaupten.«

Er zog seinen Presseausweis heraus und streckte ihn mir ungeduldig hin.

Ich nahm ihn, prüfte ihn scheinbar eingehend. Dann ging ich schnell zur Tür und warf das Dokument in die stampfende Maschine. Das Kreischen wurde ein paar Töne höher. Die Zähne des Apparates brauchten ein oder zwei Sekunden, um das Plastiketui aufzuarbeiten. Dann war alles vorbei.

Paul Warren erbleichte.

»Ich habe gute Freunde bei UPI«, sagte ich gelassen. »Ich lasse Ihnen einen anderen Ausweis ausstellen. Bis dahin werden Sie mich nicht mehr belästigen. Aber jetzt mal ernsthaft: Sind Sie Journalist oder nicht? Beweisen Sie es mir, Mister Warren!«

»Das kommt Sie teuer zu stehen!«, fauchte Warren wütend. »Der Name MacBean wird durch die. gesamte Weltpresse gehen. Das garantiere ich Ihnen.«

»Wenn Sie wüssten, wie egal mir das ist.«

Er kapierte, wiederholte aber hartnäckig seine Drohung: »Das kommt Sie teuer zu stehen, das werden Sie mir bezahlen.«

»Wann immer Sie wünschen, teurer Freund. Bis dahin werden Sie mich aber in Ruhe lassen. Sonst erkläre ich Sie öffentlich zum Betrüger. Und jetzt schenke ich Ihnen die Weltexklusivrechte einer Story: Sie sind der Verdächtige Nummer eins im Mordfall Harris.«

Ich öffnete ihm die Tür und entließ ihn grinsend. Beim Hinausgehen versuchte er, sich noch ein Lächeln abzuringen, das ihm aber vollständig misslang.

»Mistress Kay Kirby!«, rief ich laut.

Sie schien am, anderen Ende des Saales zu sein, und ich musste meinen Aufruf wiederholen. Als sie auftauchte, kam gerade Michael Carvin auf mich zu.

»Entschuldigen Sie bitte wegen vorhin«, sagte er geknickt.

Er hatte sich offenbar wieder gefangen, und ich schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.

»Brauchen Sie mich?«, fragte er.

Ich zog es vor, ihn im Augenblick nicht in meiner Nähe zu haben, hielt es aber für richtiger, es ihn nicht merken zu lassen.

»Ja«, antwortete ich. »Ich hätte gern, dass Sie die Passagiere aufrufen. Pearl Richardson wird Ihnen dabei helfen. Sie muss die Liste bei sich haben.«

Kay Kirby stand erwartungsvoll vor mir.

»Unterdessen werde ich mich ein wenig mit Mistress Kirby unterhalten, nicht wahr, Madam?«

Carvin war beruhigt. Durch sein Versagen stand er in meiner Schuld, was mir ganz ausgezeichnet in den Kram passte. Ich nahm Mrs. Kirby beim Arm und führte sie in den kleinen Raum.

»Sind Sie verheiratet?«, fragte ich.

»Ich war.«

»Geschieden?«

»Geschieden.«

»Schuldig?«

Sie zögerte einen Augenblick. Wahrscheinlich fand sie die Frage zu direkt.

»Schuldlos.«

»Schon lange?«

»Seit sieben Jahren.«

»Niemals Lust gehabt, noch einmal zu heiraten?«

Ein winziges Lächeln.

»Nein.«

»Liebhaber?«