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KURT DE SWAAF

Der Zustand
der Welt

Warum wir die Erde noch retten können
und was wir dafür tun müssen

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Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger

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Gendererklärung

Der besseren Lesbarkeit wegen verwendet der Autor im nachfolgenden
Text zumeist die Sprachform des generischen Maskulinums.

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1. Auflage

© 2021 Terra Mater Books bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

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Gesetzt aus der Palatino, Bauer Bodoni, Gotham

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Umschlaggestaltung: Benedikt Lechner

Autorenfoto: Kurt de Swaaf

ISBN 13-978-3-99055-024-3

eISBN 978-3-99055-515-6

Dieses Produkt wurde zu 100 % klimaneutral produziert.

Für Celia und Matti

Inhalt

Einleitung

Kapitel 1: Was die Umwälzungen antreibt

Palmöl tötet

Treiber – die apokalyptischen Reiter der Umweltzerstörung

Kapitel 2: Wo wir stehen

Schwindender Naturreichtum – und ein paar Lichtblicke

Internationale Beschlüsse für Umwelt und Naturschutz

Kapitel 3: Möglichkeiten

Costa Rica trotzt dem Trend

Einen Kurs für die Zukunft setzen

Szenarien und Herausforderungen

Kapitel 4: Die Wende

Endnoten

Einleitung

Es ist so weit. Zum ersten Mal seit der Entstehung unseres Planeten wird das Erdgeschehen von einer einzigen Spezies geprägt. Homo sapiens beeinflusst Biologie, Geologie und Atmosphäre in einem bislang ungekannten Ausmaß. Wissenschaftler sehen darin den Anbruch einer neuen Epoche. Willkommen im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen.

Er erschien im Pleistozän und krempelt heute durch Landschaftsveränderungen, Meeresverschmutzung, Zerstörung der Artenvielfalt und Treibhausgasemissionen das gesamte globale Ökosystem um. Natürlich haben Lebensformen immer einen Einfluss gehabt. Während des Karbons vor über 300 Millionen Jahren war ein Großteil der Urkontinente von riesigen Wäldern überzogen. Die Bäume ließen den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre auf mehr als das Anderthalbfache der heutigen Konzentration ansteigen; aus ihren Überresten entstanden die Steinkohleschichten. Später, in der Kreidezeit, bildeten die Kalkskelette einzelliger Algen jene mächtigen Ablagerungen, die wir jetzt als die weißen Klippen von Dover und Rügen bewundern. Nie zuvor aber konnte eine Tierart so umfassend in die Naturkreisläufe eingreifen wie unsere Spezies. Und die Auswirkungen sind verheerend.

1979 erschien der Charney Report, worin eine US-Forschergruppe zum ersten Mal eine detaillierte Prognose über die globale Erwärmung infolge des Treibhauseffekts vorlegte. Weitere Studien folgten. Fachleute und immer größere Teile der Gesellschaft zeigten sich zunehmend besorgt – zu Recht. 1988 gründeten die Vereinten Nationen (UN) und die Weltorganisation für Meteorologie gemeinsam den Weltklimarat. Dieses offiziell unter dem Namen Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) agierende Expertengremium erbringt objektive, wissenschaftliche Grundlagen zum Thema Klimawandel. Fünf ausführliche Statusberichte hat das IPCC bereits veröffentlicht, der letzte bisher erschienene lieferte die Basis für das Pariser Klimaabkommen von 2015.

Weniger bekannt, doch genauso wichtig ist die Arbeit der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services – kurz IPBES, oder zu Deutsch Weltbiodiversitätsrat. Dieser wurde 2012 als eigenständige UN-Organisation gegründet und umfasst heute 137 Mitgliedsstaaten. IPBES trägt wissenschaftliche Informationen über den biologischen und ökologischen Zustand der Erde zusammen, und stellt diese den politisch Verantwortlichen als zuverlässige und unabhängige Entscheidungshilfe zur Verfügung. Es gibt dringenden Handlungsbedarf, denn wir verlieren zunehmend Tier- und Pflanzenarten sowie Naturressourcen. Die Funktionsfähigkeit ganzer Ökosysteme ist inzwischen ernsthaft gefährdet.

Schon 2011 hatte die UN deshalb die gerade zu Ende gegangene »Dekade der biologischen Vielfalt« ausgerufen – leider mit sehr dürftigem Ergebnis. Die Weltöffentlichkeit sollte sich für die lebendige Natur und deren Erhalt einsetzen. Es gab viele warme Worte, aber nur wenig konkreten Einsatz und kaum Verbesserungen.

IPBES nahm derweil eher im Hintergrund seine Tätigkeit auf. Man führte eine Reihe von Vollversammlungen und zahlreiche Expertentreffen durch. 2017 begann die Erstellung des Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services*, eine große Bestandsaufnahme über den aktuellen Zustand von Artenvielfalt und Ökosystem-Leistungen. Ein erster Entwurf dieses Berichts wurde im Mai 2019 in Paris vorgestellt. Das Mammutwerk basiert auf der Auswertung von gut 15.000 wissenschaftlichen Studien und zählt selbst, inklusive Literaturlisten, an die 1700 Seiten. Geschrieben wurde es von einem internationalen Expertenteam aus allen Weltregionen. Globalisierung in Bestform.

Der Bericht beschäftigt sich mit Fragen zur biologischen Vielfalt sowie der Leistungen der Ökosysteme und wie diese sich in den vergangenen 50 Jahren verändert haben. Er evaluiert, wo die Menschheit in Bezug auf die Erreichung internationaler Übereinkommen steht und gibt Prognosen über die Entwicklungen für die kommenden Jahrzehnte. Schließlich setzt er sich damit auseinander, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Verlust der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen zu stoppen.

Die Endversion des Rapports wollte man ursprünglich während der Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen im Oktober 2020 präsentierten. Bedingt durch die Covid-19-Pandemie wurde diese Veranstaltung allerdings, Stand Februar 2021, auf Oktober 2021 verschoben. Tagungsort ist die chinesische Stadt Kunming. Im Rahmen der Konferenz soll den Regierungen erneut die Dringlichkeit von Natur- und Umweltschutz vor Augen geführt werden. Im Endeffekt geht es darum, die Staatengemeinschaft auf neue, ehrgeizige Ziele für die nächsten 30 Jahre einzuschwören. Bis 2050, so die Hoffnung, könnte die Menschheit dann in »Harmonie mit der Natur« leben. Bis dahin dürfte es ein steiniger Weg sein.

Dieses Buch ist keine reine Zusammenfassung des IPBES-Berichts, auch wenn seine Struktur im Groben dem Aufbau des Rapports entspricht. Stattdessen möchte ich meinen Leserinnen und Lesern den inhaltlichen Kern darlegen und Zusammenhänge erläutern. Viele konkrete Beispiele sollen dabei helfen.

Im ersten Kapitel werden die Ursachen für den momentan ziemlich schlechten Zustand unseres Planeten aufgezeigt. Was bisher geschah, sozusagen. Der zweite Teil bietet einen Überblick über die derzeitige Lage; Kapitel drei stellt mögliche Zukunftsentwicklungen vor. Der letzte Abschnitt ist Ausblick und Aufruf zugleich. Wir müssen das Steuer herumreißen.

In viele Betrachtungen habe ich meine eigenen Erfahrungen und Standpunkte mit einfließen lassen. Ich kann gar nicht anders. Die Begeisterung für die Biologie und die atemberaubende Vielfalt des Lebens begleiten mich schon, solange ich zurückdenken kann; an die ersten Angelausflüge mit meinem Vater, die Küstenlandschaften meiner niederländischen Heimat und die Filme über das Werk von Jacques-Yves Cousteau. Was der Welt widerfährt, nehme ich persönlich. Doch auch wenn die Aussichten zurzeit eher trüb sind: Es gibt Anlass zur Hoffnung. Das zeigt der Bericht ebenfalls. Eine andere Zukunft ist möglich. Für uns selbst, für unsere Kinder, und für alle anderen Lebensformen.

* IPBES (2019): Global assessment report on biodiversity and ecosystem services of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services. E. S. Brondizio, J. Settele, S. Díaz, and H. T. Ngo (Hrsg.). IPBES Sekretariat, Bonn.

KAPITEL 1

Was die Umwälzungen antreibt

Palmöl tötet

Sollte es den Teufel tatsächlich geben, dann müsste ihm diese braune Paste ziemlich gut gefallen. Wir alle kennen sie natürlich. Man schmiert sie aufs Brot, manche löffeln sie sogar pur – was bei über 500 Kilokalorien pro 100 Gramm schon eine Ansage ist. Aber schmecken tuts ja. Der höllische Brennwert ist zudem eher das geringere Problem. Nugatcreme, denn davon ist hier die Rede, hat es buchstäblich in sich. Die meisten Sorten enthalten außer Unmengen an Zucker als zweitwichtigste Ingredienz Palmöl beziehungsweise Palmfett. Kaum ein Lebensmittelgrundstoff hat in den vergangenen Jahren so viele Debatten befeuert wie dieser. Und das zu Recht.

Das Profil des Angeklagten lässt zunächst nichts Übles vermuten. Palmöl wird aus den Früchten der ursprünglich in Westafrika heimischen Ölpalme, botanisch Elaeis guineensis, gewonnen. In Reinform hat es eine schöne rote Farbe und besteht ungefähr zur Hälfte aus gesättigten Fettsäuren. Ungewöhnlich viel für ein pflanzliches Produkt. Warum Palmöl jedoch in der Lebensmittelindustrie so beliebt ist, ahnt man vielleicht beim Biss in eine der rohen Früchte. Wirklich lecker sind die nicht. Da ist allerdings etwas Besonderes, eine Art Fülle ohne ausgeprägtes Aroma, anreizend und zufriedene Sättigung versprechend. Richtig fett eben. Dem Konsumenten indes wird normalerweise raffiniertes, »weißes« Palmöl vorgesetzt: farb- und geschmacklos, und bestens haltbar. Das macht es zur idealen Zutat. Palmöl bindet und gibt Gehalt, ohne hervorzutreten. Nichts übertönt den Kakao oder den meist geringen Haselnussanteil in der Nugatcreme. Vollmilchpulver? Unnötig. Die magere Billigvariante reicht völlig, Elaeis guineensis sei Dank.

Klar, der oben genannte Effekt kann auch mit anderen industriell verarbeiteten Pflanzenfetten erzielt werden. Einige Hersteller machen das. Palmöl hat aber noch einen weiteren Riesenvorteil. Die Erträge sind geradezu phänomenal. Ein Hektar Ölpalmplantage liefert pro Jahr bis zu 20 Tonnen Früchte, aus denen sich fünf Tonnen Rohöl gewinnen lassen. Das schafft ein Rapsfeld noch nicht mal annähernd. Preistechnisch ist das tropische Fett deshalb kaum zu schlagen.

Kein Wunder, dass Palmöl auch außerhalb des Lebensmittelsektors weitläufig Verwendung findet. Kosmetik, Seifen, Tierfutter: Es ist fast allgegenwärtig. Auf vielen Zutatenlisten taucht das Öl dennoch nicht auf. Stattdessen werden nur die weiter daraus verarbeiteten Produkte wie »Cetearyl Alcohol« vermerkt. Auch im Verkehr hat sich das Fett längst etabliert – als Biodiesel raffiniert und meist dem herkömmlichen Kraftstoff beigemischt.

2018 landete in der Europäischen Union etwa die Hälfte der Palmöl-Importe über diesen Weg in den Fahrzeugtanks.

Keine Frage also: Elaeis guineensis ist ein industrielles Multitalent. Seine Vielseitigkeit führte in den vergangenen 20 Jahren zu einem regelrechten Palmöl-Boom. Nicht wenige Menschen, auch Kleinbauern, haben davon profitiert, doch die ökologischen Folgen sind gravierend. Wer eine konventionell bewirtschaftete Ölpalmplantage betritt, dem fällt schnell die ungewöhnliche Ruhe auf. Man hört kaum Vögel, und auch der Insektenbestand wirkt stark ausgedünnt. Den Boden zwischen den Stämmen bedeckt, wenn überhaupt, nur eine struppige Krautschicht. Die Vielfalt der tropischen Flora und Fauna ist hier bloß noch ein ferner Traum. Kilometerweit können sich Palmenkolonnen erstrecken, Monotonie in trauriger Vollendung. Manchmal trifft das Auge auf sterbende Exemplare mit herabhängenden Wedeln. Kein schöner Anblick. Die Todgeweihten fallen allerdings nicht Krankheiten oder Schädlingen zum Opfer, sondern ihrem eigenen Wuchs. Wenn die Palmen eine bestimmte Höhe überschreiten, wird die Ernte in den Kronen zu beschwerlich. Vor allem in kleineren Plantagen spritzen die Bauern sie dann häufig mit Glyphosat oder anderen Pflanzengiften, damit die Alten den Neupflanzungen weichen. Natürlich ist diese radikale Methode auch nicht gerade umweltfreundlich.

Die größten Probleme bereitet gleichwohl der Flächenfraß. Hochrechnungen von Umweltschutzorganisationen zufolge dürften seit der Jahrtausendwende allein in Südostasien über vier Millionen Hektar Regenwald der Anlage neuer Ölpalmplantagen zum Opfer gefallen sein. Satellitenbilder zeigen das ganze Ausmaß der Landnahme, und Google Earth macht die Schäden für uns alle sichtbar. Beispiel Borneo: Wir holen die Insel auf den Bildschirm und geben im Suchfenster den Ortsnamen »Pangkut« ein. Enter. Sofort erscheint ein dunkles Grün mit rechteckig angeordneten Linien. Weiter reinzoomen, und man erkennt die Kronen der Ölpalmen, die wie ein Heer aus grünen Seesternen aussehen. Zurück in den Überblick. Überall in der Umgebung von Pangkut zeigt sich das gleiche Rechteckmuster. Die Plantagen sind zum Teil Dutzende Kilometer breit. Vor nicht langer Zeit war das alles noch Dschungel. Der Lebensraum von Tausenden Tier- und Pflanzenarten ist fast restlos verschwunden. Im Palmöl aus dieser Gegend steckt, so lässt sich überspitzt sagen, das Blut von Orang-Utans. Anderswo sind Tiger, Waldelefanten oder gar Menschen die Opfer. Palmöl tötet. Ureinwohner werden um ihr Land gebracht und ihrer traditionellen Kultur beraubt. Wer sich widersetzt, findet nicht selten ein gewaltsames Ende. Es sind unerträgliche Zustände.

Den Konsumenten in den Industriestaaten ist die Katastrophe nicht entgangen. Naturschutzorganisationen prangern die fortschreitende Zerstörung an und fordern eine Umstellung. Die Verbraucher sollten Palmöl meiden, was angesichts dessen Omnipräsenz allerdings wie eine Sisyphosaufgabe klingt. Trotzdem schauen immer mehr Menschen beim Einkauf auf die Etiketten. Auch in der Politik kommt die Botschaft langsam an. Die EU hat beschlossen, das tropische Fett bis 2030 komplett aus Biodiesel zu verbannen. Frankreich ist da deutlich weiter. Dort verbietet ein Gesetz schon heute die Verwendung von Palmöl für Kraftstoffe. Diese und weitere Schritte führten in einigen Anbauländern bereits zu vehementen Protesten. Nichts soll dem lukrativen Geschäft im Wege stehen. Malaysische Plantagenbauern trugen bei Demonstrationen Pappschilder mit der Aufschrift »Stop insulting our palm oil!« – »Hört auf, unser Palmöl zu beleidigen!« Kritik, auch sachlich klar fundierte, ist halt nicht jedermanns Sache.

Treiber – die apokalyptischen Reiter der Umweltzerstörung

Es geht aber um mehr. Das Drama um Elaeis guineensis steht repräsentativ für ganze Netzwerke aus negativen Einflüssen, die unseren Planeten gar nicht mehr langsam, und weiterhin todsicher in den Ruin treiben. Fachleute nennen diese Faktoren Treiber. Jeder für sich bewirkt substanzielle Veränderungen, oft jedoch greifen sie ineinander, verstärken sich gegenseitig, und setzen so noch größere Umwälzungen in Gang.

Gemeinsam ist man mächtig, das gilt auch für Teufelskreise. Die Gefahr liegt somit in der Komplexität. Gerade in einer globalisierten, beschleunigten Welt können einzelne Prozesse weitreichende und unerwartete Folgen haben – wie die berühmte Mär vom Schmetterling, der mit seinem Flügelschlag einen Orkan auslöst.

Wer solchem entgegentreten will, muss die Mechanismen genau untersuchen und ihre Verbindungen verstehen. Damit tut sich Homo sapiens allerdings schwer. Die letzten paar Hunderttausend Jahre Evolution mögen unserer Spezies extreme Anpassungsfähigkeit und ein Hochleistungsgehirn beschert haben, von unseren Eingriffen in die Weltmaschinerie sind wir dennoch überfordert. Wir schaffen es kaum, über die eigene Lebensspanne und die Grenzen unserer Heimatregionen hinauszudenken. Das wird zunehmend zum Problem.

Systematisch vorgehen hilft, oder beruhigt zumindest ein bisschen. Die IPBES-Autoren unterscheiden zwischen indirekten und direkten Treibern. Erstere lassen sich in fünf verschiedenen Kategorien zusammenfassen: Wertvorstellungen, Demografie, Technologie, Wirtschaft und das ganze Konglomerat aus Führungsstrukturen, Regelwerken und Koordination, welche im internationalen Neusprech meist als »Governance« bezeichnet wird. Zu den direkten Treibern zählen all jene mit unmittelbaren ökologischen Auswirkungen, nämlich Landnutzung, Ressourcenentnahme, Verschmutzung, invasive Arten und natürlich der Klimawandel. Es sind quasi die apokalyptischen Reiter der Umweltzerstörung.

Die Erde hat also Fieber. Sie leidet unter Homo sapiens wie ein Mensch unter einer lebensgefährlichen Infektion.

Viele aber wollen das einfach nicht wahrhaben. Sie verweisen auf den Fortschritt, den wachsenden Wohlstand und die steigende Lebenserwartung. Klappt doch alles, oder? Und die paar Probleme werden wir mithilfe der Technik bestimmt in den Griff bekommen.

Nein, werden wir nicht.

Der Ressourcenverbrauch hat vor allem in den letzten Jahrzehnten einen schier unvorstellbaren Umfang erreicht. Schon 2008 konsumierte die gesamte Menschheit jährlich rund 70 Milliarden Tonnen an Primärgütern, sprich Holz, Erdöl, Fisch, Eisenerz, Getreide und so weiter. Diese Menge ist nach 1970 gut 1,7-mal schneller gewachsen als die Weltbevölkerung. Um den Bedarf dauerhaft zu decken, bräuchten wir inzwischen fast zwei Planeten, Tendenz weiterhin steigend. Mit anderen Worten:

Wir fressen die Zukunft unserer Kinder.

Was helfen würde, wäre Mäßigung. Weniger Fleisch essen; weniger Auto fahren; kleinere, sparsame Fahrzeuge; nicht ständig neue Klamotten kaufen – das ganze Evangelium der Nachhaltigkeitsapostel, welches diese schon seit Jahren verkünden, und das zu viele von uns eigentlich nicht mehr hören wollen. Weniger wahr wird es dadurch nicht. Im Hintergrund erhebt derweil der Chor der Besitzstandswahrer seine Stimme. »Wir hier im Westen können eh nichts ändern«, lautet ihr Einwand. »Die Bevölkerungsmassen in Asien und Afrika werden alle Bemühungen zunichtemachen.« Eine reine Schutzbehauptung.

Der Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch reicher Industrienationen beträgt im Schnitt das Fünffache jener der Entwicklungsländer. 2010 konsumierten diese wohlhabenden 15 Prozent der Weltbevölkerung knapp die Hälfte aller materiellen Güter.

Solch krasse Ungleichheit führt selbstverständlich zu weiteren Verwerfungen. Noch immer haben weltweit circa 860 Millionen Menschen keine sichere Lebensmittelversorgung. Hunger und Mangelernährung sind die Folgen. In den wohlhabenderen Staaten dagegen steigt die Zahl der Übergewichtigen stetig an, was ebenfalls reichlich Gesundheitsschäden verursacht. Die einen darben, die anderen mampfen sich praktisch zu Tode, auch mit Palmöl. Wer mag da noch glauben, Homo sapiens sei eine intelligente Spezies?

Der Albtraum indes ist gerade erst richtig in Fahrt gekommen. Knapp 7,8 Milliarden Menschen wuseln inzwischen auf der Erde herum, und die Mehrheit strebt genau unseren Lebensstil an. Das kann man ihnen nicht verübeln. Ständig wird fast überall das Credo von Wachstum und Konsum gesungen. Der oft verherrlichte American Way of Life ist, in seiner materialistischen Ausprägung, gewissermaßen die Idealvorstellung dieses Glaubens. Mehr ist besser, und noch mehr noch besser. Alle Kurven sollen stets aufwärts zeigen. Den irdischen Ressourcen sind allerdings klare Grenzen gesetzt. Naturgesetze lassen sich nicht biegen. Dies auf Dauer zu ignorieren, werde unsere Lebensgrundlagen zerstören, wie das Expertengremium Club of Rome bereits 1972 anmahnte. Diesen Weckruf haben leider nur wenige erhört. Heute, knapp vier Jahrzehnte später, steuern wir weiter mit Volldampf auf die Klippen zu. Und die Katastrophe verläuft längst nicht mehr in Zeitlupe.

Wer jetzt 50 ist, wird wahrscheinlich noch gravierende Umbrüche erleben.

Was unseren Kleinen dann später drohen könnte, darüber mag man lieber gar nicht nachdenken.

Indirekter Treiber 1: Wertvorstellungen

Nehmen wir stattdessen die Treiber genauer unter die Lupe. Bei den indirekten stehen im IPBES-Bericht die Wertvorstellungen an erster Stelle – aus gutem Grund, denn wir haben ein massives Wahrnehmungsproblem. Das vorherrschende Weltbild unserer Tage ist zutiefst anthropozentrisch. Der Mensch steht im Mittelpunkt, er gilt als Maß aller Dinge, und die Natur hat ihm zu dienen. Sie ist sein, er kann mit ihr nach Gutdünken verfahren. Diese Haltung scheint uns ja schon das Alte Testament zu lehren. »… füllt die Erde und macht sie euch untertan«, heißt es dort im ersten Kapitel der Genesis. Nun, die Aufgabe können wir getrost abhaken. Doch auch Bibeldeutungen sind Produkte ihrer Zeit. Die Idee, man müsse die (lebendige) Welt quasi mit Gewalt unterwerfen, entstammt jenen Jahrhunderten, in denen der Mensch den Kräften und Launen der Natur oft ziemlich hilflos gegenüberstand. Da hat sich so einiges geändert. Kein halbwegs klarer Kopf kann das Genesis-Zitat noch als Freibrief für hemmungslose Ausbeutung nehmen. Auch viele Kirchenautoritäten lehnen die frühere Interpretation inzwischen rundweg ab. Papst Franziskus prangert in seiner 2015 veröffentlichten Enzyklika Laudato si’ vehement die fortschreitende Zerstörung des »gemeinsamen Hauses« an. Sie sei das Produkt der enormen Hybris, mit der sich Homo sapiens zum absoluten Herrscher über die Erde erklärt hat. »Wir sind nicht Gott«, betont Franziskus. Dem kann man sich auch als Atheist problemlos anschließen.

Die Bibel ist allerdings nur ein Stein im Wertepuzzle. Vor etwa 380 Jahren legte der französische Philosoph René Descartes eine zentrale Grundlage für die heutige, westliche Weltsicht: den Rationalismus. Der Mann war ein Querdenker, der vor allem mit dem Klerus heftig aneinandergeriet, und ein knallharter Anthropozentrist. Menschen seien potenziell »Herrscher und Besitzer der Natur«. Tiere? Im Prinzip nichts anderes als Maschinen. Descartes dürfte guten Willens gewesen sein und die Befreiung der Menschheit aus Unwissen und (religiöser) Bevormundung angestrebt haben, aber von seinen oben genannten Positionen ist es kein weiter Weg zu den industriellen Schweinemastanlagen und den brennenden Regenwäldern des 21. Jahrhunderts. Wofür brauchen wir, zum Beispiel, Wanderameisen? Was bringen die uns?

Materieller Wohlstand = Glück?

Auf den Blickwinkel kommt es an. Die ständig wiederkehrenden Fragen nach der Nützlichkeit werden häufig als utilitaristisch bezeichnet, was im aktuellen Kontext aber zu kurz greift. Der Utilitarismus ist in der Tat komplett menschenbezogen, sein Ausgangspunkt ist, in weitestem Sinne, das Streben nach Glück – siehe die US-amerikanische Verfassung. Im modernen Kapitalismus und dessen abgeleiteten Gesellschaftssystemen jedoch wird der Nutzen von Natur nach ihrem wirtschaftlichen Wert bemessen. Schließlich gilt ja: materieller Wohlstand = Glück. Alles, was die Mehrung von Vermögen bremsen oder verhindern könnte, löst deshalb Abwehrreaktionen aus. Früher waren solche Erwiderungen auch in Europa oft ziemlich rabiat. Noch in den Neunzigern mussten sich grüne Politiker bei Parlamentsdebatten Zwischenrufe wie »zurück auf die Bäume« gefallen lassen, Umweltschützer wurden als ungewaschenes, faules Pack diffamiert. Heutzutage ist man meist etwas subtiler, gibt sich intellektuell scharfsinnig. Da ist dann von »Ökosozialismus« und »Klimaideologie« die Rede – als ob der Monotheismus des Geldes nicht selbst eine Heilslehre wäre.

Der Wert der Natur in anderen Kulturen

Wertvorstellungen bestimmen das Handeln. Sie wurzeln in der Vergangenheit und prägen die Zukunft. Die Instrumentalisierung der Natur mag in westlichen Gesellschaften die Norm sein, alternativlos ist sie keinesfalls. Andere Kulturen haben da schon lange vorgelegt. Vor allem indigene Völker sehen sich meist in einer tiefen Beziehung zur (belebten) Welt. Das Bild einer nährenden Mutter Erde ist in ihren Religionen und Philosophien weitverbreitet, ebenso wie die Vorstellung, alle Kreaturen seien miteinander verbunden. Wie könnte es auch anders sein? Diese Menschen leben unmittelbar von und mit der Natur, sie bestimmt ihre tägliche Existenz. Ohne ihre Gaben gäbe es kein Morgen. Gleichzeitig wird Tieren und Pflanzen oft ein eigener, intrinsischer Wert zugesprochen – völlig unabhängig von ihrer Bedeutung für die Menschheit. Den anderen Kindern der Mutter Erde, unseren Verwandten, gebühre Respekt. Eine solche Sichtweise erlaubt keine blinde Ausbeutung. Sie fordert Rücksicht und Zurückhaltung, Gemeinsinn statt Herrschaft.

Eins mit der Natur

Perspektiven können sich jedoch ändern. In einigen Weltregionen beobachten Forscher einen rapiden Rückgang von überliefertem Wissen und kulturellen Traditionen. Damit geraten auch diese Werte ins Wanken. Das westliche Wohlstandsideal nimmt zunehmend ihren Platz ein. Auf der anderen Seite wird in den Industriestaaten immer mehr Kritik am »Weiter so!« laut. Die Umdenker erkennen, dass sich ihre Lebenswirklichkeit gar nicht so stark von jener der Indigenen unterscheidet. Alle sitzen im gleichen Boot. Die Städter gehen zwar nicht auf die Jagd und bestellen keine Felder, sie sind aber genauso abhängig von Luft, Wasser und der Fruchtbarkeit der Erde.

Der Mensch ist eben nur ein Teil der Natur, komplett in sie eingebettet, auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen und auf Sonderrechten beharren. Die gibt’s nicht. Wir können die Biologie unserer Körper nicht umgehen. Hunger verhandelt nicht.

Auch die radikale Trennung zwischen Homo sapiens und den Millionen anderer Arten wird häufiger hinterfragt. Tiere gelten kaum noch für jemanden als seelenlose Maschinen. Eine wachsende Anzahl von Zeitgenossen will kein Fleisch mehr auf dem Teller sehen oder verzichtet ganz auf tierische Produkte. Inzwischen zweifeln immer mehr Kritiker auch die Glücksformel des Konsumismus an. Mehr ist offenbar kein Garant für besser, Lebensfreude lässt sich nicht kaufen. Das alte Wohlstandsdogma bekommt Risse. Noch aber steht es und umschließt unsere Gesellschaft wie eine riesige Mauer. Wir sind Gefangene.

Indirekter Treiber 2: Demografie

In einem wichtigen Bereich gibt sich der Mensch sehr gerne seiner animalischen Seite hin. IPBES listet als zweiten indirekten Treiber die Demografie, die man in der momentanen Lage ruhig mit Überbevölkerung gleichsetzen kann. Die Weltpopulation hat sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als verdoppelt, und auch der Trend für die nächsten Dekaden sieht nicht gut aus. Realistische Prognosen sehen die Anzahl der Erdbewohner im Jahr 2050 bei neun bis zwölf Milliarden. Mit anderen Worten: Unsere Spezies vermehrt sich praktisch wie die Karnickel. Das Bevölkerungswachstum ist allerdings sehr ungleich verteilt. Während in den ärmsten und instabilsten Staaten die durchschnittliche Geburtenrate gut sechs Kinder pro Frau beträgt, sind es in reichen Ländern zum Teil weniger als zwei. Ohne Einwanderung schrumpft die Bevölkerung dort also. Die Unterschiede in den Geburtenraten sind die Folge der sogenannten demografischen Transformation – ein Kulturen und Kontinente überspannendes Phänomen mit enormen Auswirkungen. Reichlich Nachwuchs zu haben war einst auch in Europa und Nordamerika die Regel. Kinder dienten als Arbeitskräfte und Altersversorgung. Abgesehen davon starben viele früh. In Deutschland betrug die Säuglingssterblichkeit im Jahr 1900 gut 22 Prozent. Logisch, dass der Begriff »Kindersegen« damals auch für die reine Anzahl galt.

Medizinischer Fortschritt, bessere Ernährung und nicht zuletzt wachsender Wohlstand brachten die Wende. Der frühere Fortpflanzungsdruck ließ nach. Von ihm befreit, wollten die Menschen lieber weniger Kinder in die Welt setzen, diesen aber den bestmöglichen Start in die Zukunft geben. Je geringer die Zahl, desto mehr kann man pro Kopf investieren. Moderne Verhütungsmethoden erleichterten die Familienplanung. Kurz darauf kam noch ein weiterer, mächtiger Faktor ins Spiel: die Emanzipation. Frauen erkämpften sich Rechte, Selbstbewusstsein und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Sie wollten selbst bestimmen, ob und wann sie Kinder bekommen, und wie viele. Schluss mit Gebärmaschine und Heimchen am Herd! Dieser gesellschaftliche Wandel ist zwar noch nicht vollendet, die demografische Transformation in den meisten Industrienationen dagegen schon. Inzwischen hat der Umbruch auch in anderen Ländern eingesetzt. Äthiopien hatte zu Beginn des Jahrtausends eine Geburtenrate von 6,57 Kindern pro Frau. Aktuell (2020) beträgt diese 4,10, und sie sinkt stetig weiter. Äthiopiens Ökonomie dagegen wächst seit Jahren stabil um die 10 Prozent. Ähnliche Trends lassen sich auch in Kenia, Bangladesch und anderswo beobachten. Wirtschaftliche Entwicklung drückt die Bevölkerungskurven nach unten. Dank steigender Lebenserwartung wächst zudem die Kohorte der Senioren. Weniger Kinder, mehr Alte: Manche Staaten und Regionen vergreisen sogar rapide.

Migration

Doch Homo sapiens ist ein rastloses Geschöpf. Nicht nur Geburten und Sterblichkeit, auch Migration spielt für die Demografie eine entscheidende Rolle. Wer die aktuellen Wanderbewegungen als neuzeitliche Erscheinung sieht, der irrt gewaltig. Neu sind hier, ebenfalls demografisch bedingt, lediglich die Zahlen. »Mobilität ist Teil der gesamten Menschheitsgeschichte«, betont der Archäogenetiker Johannes Krause. Er muss es wissen. Krause, Leiter des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena, erforscht das Erbgut längst verstorbener Frauen und Männer, deren Überreste meist bei archäologischen Grabungen geborgen wurden. Immer wieder zeigt sich dabei, wie sehr sich schon vor Jahrtausenden Völker und Populationen vermischten. Migrationswellen durchquerten zum Teil ganz Europa. Wo sich Einwanderer niederließen, änderte sich nicht nur die Bevölkerungsdichte. Die Menschen hatten Innovationen im Gepäck, wie Johannes Krause erklärt. Sie prägten den Lauf der Geschichte. »Handel, Austausch, Migration und Mobilität haben dazu geführt, dass sich Technologien und Ideen weiterverbreiten konnten, dass es überhaupt kulturelle Evolution gab.«

Auch heute setzt sich diese Dynamik fort. Mittlerweile leben weltweit rund 220 Millionen Personen außerhalb ihres Geburtslandes. Viele sind unfreiwillig gegangen. Kriege, Armut, Unterdrückung und zunehmend auch ökologische Probleme vertreiben die Menschen aus ihrer Heimat.

Experten schätzen, dass es global bereits mehrere Millionen Umweltflüchtlinge gibt. Der Klimawandel dürfte diese Zahl weiter in die Höhe treiben. Wo Dürren und Hitze die Lebensgrundlagen zerstören, verlieren vor allem die Bauern ihre Existenz. Wer nicht geht, dem droht bald Hunger.

Oft jedoch bleibt ein Teil der Familie vor Ort und schickt die Jüngeren weg, um in Städten oder reicheren Ländern Geld zu verdienen. Das kann Not lindern, aber auch die Wirtschaft in ihren Herkunftsregionen weiter schwächen, denn es fehlt dadurch an Arbeitskräften. Der eh schon geplagte ländliche Raum blutet praktisch aus.

Urbanisierung

Die Urbanisierung dagegen nimmt rapide zu. 2014 lebten erstmals mehr Menschen, nämlich vier Milliarden, in Städten als auf dem Land. 2050 werden es wohl zwei Drittel der Weltbevölkerung sein. Am ausgeprägtesten ist dieser Boom in den Entwicklungsstaaten. Verwaltung und Stadtplaner sind dort meist überfordert, oder es kümmert einfach niemanden. Beides hat dramatische Folgen. Riesige Slums ohne Versorgungsinfrastruktur wuchern unkontrolliert weiter, ihre Bewohner leiden häufig unter Kriminalität und Seuchen. Mitte dieses Jahrhunderts könnten weltweit bis zu drei Milliarden Menschen in solchen Armutsvierteln leben. Volkswirtschaftlich gesehen jedoch bietet die Urbanisierung auch viele positive Impulse. Ballungszentren sind schließlich Innovationsbrutstätten. Die Zukunft einiger Metropolen bedroht gleichwohl der Klimawandel. 11 Prozent aller urbanen Flächen weltweit liegen in küstennahem Tiefland. Durch den steigenden Meeresspiegel drohen diesen Städten früher oder später venezianische Verhältnisse.

Humankapital

Bevölkerungsentwicklungen umfassen natürlich nicht nur Zahlen und Dichten. Menschen haben Fähigkeiten, sie können Dinge vorantreiben. Man nennt das gerne Humankapital. Viele Faktoren können es mehren, allen voran Bildung und Gesundheit. Noch immer viel zu häufig unterschätzt wird dabei die Chancengleichheit für Frauen. Gerade mit Blick auf die heutigen Herausforderungen darf die Gesellschaft nicht auf die Hälfte ihres Intelligenzpotenzials verzichten – von Gerechtigkeitsfragen mal ganz abgesehen. Zum Glück hat hier vielerorts ein Umdenken eingesetzt. Zwischen 1995 und 2014 stieg der weibliche Anteil am globalen Humankapital auf circa 40 Prozent. Die Verteilung indes ist weiterhin ungleich. In manchen Weltregionen entfallen auf die Frauen noch keine 20 Prozent dieses Kapitals. Eine ebenfalls oft vernachlässigte Gruppe sind die indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften (englisch abgekürzt IPLC). Sie verfügen allerdings über wertvolles Wissen, welches entscheidend zur Lösung vieler (ökologischer) Probleme beitragen kann. Diese Kenntnisse zu schützen muss somit hohe Priorität haben. Leider neigt westlich geprägte Bildung dazu, die traditionelle Wissensvermittlung solcher Kulturen zu verdrängen. Die Versöhnung dieser beiden Lernwelten ist schwierig, aber möglich. Dazu später mehr.

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