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Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München

 

Originalausgabe © 1999 by Hamburger Abendblatt in der Reihe Schwarze Hefte erschienen, herausgegeben von Volker Albers

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: FinePic®, München

Autorenfoto: © privat

ISBN: 978-3-942822-92-3

 

Der Hammer von Wandsbek ist der fünfundzwanzigste Band der Krimireihe hey! shorties. Jede Folge ist in sich abgeschlossen. Eine Auflistung der bereits erschienenen Titel befindet sich am Ende dieses eBooks (bitte hier klicken).

 

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Der Hammer von Wandsbek

 

In Wandsbek geht der Hammermann um! Mindestens eine Anwohnerin habe der Meuchelmörder auf dem Gewissen, heißt es -- Dunkelziffer ungewiss! Wie gut, dass der Hamburger Detektiv a. D. Bartzsch zur Stelle ist, als seine resoluten Nachbarinnen zur Gegenwehr ansetzen. Denn wer weiß schon, wen als nächstes der Schlag trifft?

 

Ich steige in die Bremse, schwinge das Rad herum und fahre zurück. Da ist er. Es ist kein Hammer. Ein Stock und ein Stein liegen so im Wasser zusammen, als wäre es einer. Es fängt gut an, erst der vermeintlich Tote auf der Bank und jetzt das. Wenn ich nicht aufpasse, sehe ich überall nur noch Hämmer und Leichen.

 

Um zu verhindern, dass die betagten Damen mit nicht minder antiken Waffen ein Blutbad anrichten, bleibt Bartzsch nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach dem hammerschwingenden Phantom zu machen. Verdächtige sind schnell gefunden, und Bartzsch kommt aus der Deckung … blöd nur, dass der Angriff der Killerallergene die Mörderjagd auf so unliebsame Weise erschweren.

 

Der »Hammer von Wandsbek« ist der fünfundzwanzigste Band der Kurzkrimi-Reihe hey! shorties – und Kollege Bartzschs neuer Fall!

Frischer Streuselkuchen, noch warm

Wenn ich das Haus verlasse, warten tödliche Gefahren auf mich. Ich bin Allergiker und Asthmatiker. Vierzehn Allergene, so haben die Ärzte im Laufe der Zeit herausgefunden, führen bei mir zu einer Überreaktion des Immunsystems. Natürlich bin ich gut trainiert, sie zu wittern und ihnen auszuweichen.

Ich stehe im Hauseingang und schnuppere. Der Geruch von Hefe liegt in der Luft. Vor vier Wochen sind wir vom Dulsberg in die Nähe der Hefefabrik an der Wandse gezogen. Alles, was ich von diesem Duft bekomme, ist Hunger auf frischen Streuselkuchen. Eigentlich wollte ich im Eichtalpark spazieren gehen. Es hat geregnet, und deshalb ist die Gefahr herumfliegenden Blütenstaubs gering. Ich bekomme davon Heuschnupfen. Aber jetzt überlege ich, ob ich zur Konditorei Andersen am Wandsbeker Markt spaziere. Der Streuselkuchen ist zwar nicht so berühmt, dafür gehören die Torten zu den besten in Hamburg. Ich müsste allerdings an der Kreuzung Wandsbeker Allee eine volle Dröhnung Abgase in Kauf nehmen. Davon bekomme ich Asthma. Und Torte ist für mich auch ein unkalkulierbares Risiko. Ich darf eigentlich nur das essen, was ich für mich als unschädlich getestet habe. Ich bekomme sonst möglicherweise Bauchschmerzen, Quaddeln am Hals und rote Flecken im Gesicht. Ganz abgesehen davon: Wenn Sylvia merkt, dass ich Torte gegessen habe, bekomme ich auch noch von ihr mein Fett weg. Sie wacht sehr streng über meinen Körper und meine Seele.

Aber was ist das Leben ohne Sünde? Der Teufel und der Hefeduft lenken meine ersten Schritte, da öffnet sich im Erdgeschoss des Mietshauses quietschend ein Fenster.

»Herr Bartzsch, ich habe den Kerl wieder gesehen!«

»Tag, Frau Heuer.« Ich will mich nicht aufhalten lassen, denn mir fällt ein, dass es noch den Bäcker im Einkaufszentrum Quarree gibt, und ich weiß plötzlich ganz genau, dass er frischen Streuselkuchen hat. Ich sehe ihn geradezu vor mir in der Vitrine liegen.

Frau Heuer ist schon weit über achtzig, hat wahrscheinlich Zucker und darf an solche Sachen gar nicht denken.

»Herr Bartzsch, der Kerl mit dem Hammer. Sie müssen was tun! Man traut sich ja gar nicht mehr in den Park.«

Der Mann mit dem Hammer ist seit Tagen das Gesprächsthema. Es soll ein älterer, kräftiger Mann auf einem Fahrrad sein, der die Wandse entlangfährt und in der Hand einen Hammer schwingt. Jede der Nachbarinnen kennt jemanden, der jemanden kennt, der eines der Verbrechen des Mannes mit dem Hammer beschwören kann. Mal ist er ein Irrer, der unmotiviert zuschlägt, dann ein Räuber oder ein Vergewaltiger, manchmal sogar ein Exhibitionist. Ich habe den Kerl noch nie gesehen.

»Was hat er denn gemacht?« Der Streuselkuchen geht mir nicht aus dem Kopf. Speichel sammelt sich im Mund.

»Er hat mich angesehen. Auf seinem Fahrrad ist er dicht an mir vorbei. Und er hat so geguckt, als wollte er sich mein Gesicht genau merken. Der hat was vor.«

»Und der Streuselkuchen?«

»Was?«

»Entschuldigung, ich meine nicht den Streuselkuchen. Der Hammer, was war das für einer?« Ich habe den Streuselkuchen am liebsten, wenn er viel Feuchtigkeit hat und noch warm ist.

»So groß!« Sie breitet die Hände aus, der Hammer wird größer und größer und dann wieder ein bisschen kleiner.

»Und den haben Sie genau gesehen?« Manchmal gibt es den Streuselkuchen auch mit Apfelfüllung, den esse auch sehr gern.

»Ja, er hatte einen Regenmantel über die Schultern gehängt, und dadrunter war der Hammer verborgen. Was soll da sonst gewesen sein?«

»Aha.« Einmal habe ich in der Innenstadt sogar Streuselkuchen bekommen, der wunderbar nach Karamell schmeckte. Ich weiß bloß nicht mehr, wo das war.

Frau Heuer lehnt sich weit aus dem Fenster. »Eins sage ich Ihnen, Herr Bartzsch, ich weiß, was ich jetzt tue. Ich lasse mich nicht einfach so abschlachten.« Sie winkt mich zu sich heran, legt eine Hand an den Mund und flüstert: »Mein Mann hat mir einen Revolver aus dem Krieg hinterlassen. Den mach ich jetzt sauber.«

»Machen Sie sich nicht unglücklich.« Ich glaube, von dem Hefegeruch bekomme ich Halluzinationen. Aus ihrer Wohnung kommt der Duft von Kuchen. Ich brauche jetzt dringend ein Stück Streuselkuchen.

»Im Gegenteil, Herr Bartzsch, ich werde ein Unglück verhindern.« Sie stemmt die Arme in die Hüfte und sieht mich an, als wäre ich der Kerl, den sie erschießen will. Dann nickt sie. Ich bin schon so gut wie tot.

Ich hebe die Hand und wende mich zum Gehen. Streuselkuchen ist alles, was ich will. Ich drehe mich noch einmal um.

»Eine Frage noch, Frau Heuer, backen Sie Kuchen?«

»Was?«

»Kuchen, so wie Kaffee und Kuchen, verstehen Sie?«

Ihre zum Kampf entschlossene Miene hellt sich auf. »Sie haben es gerochen, was?« Sie lacht und winkt mir, ins Haus zu kommen. »Frischer Streuselkuchen, noch warm.«

Die Strafe für alles, was verboten ist

»Ich gehe ins Haus zurück und stelle mich erwartungsvoll vor Frau Heuers Wohnungstür auf. Ich muss aufpassen, dass mir nicht der Speichel aus den Mundwinkeln tropft. Ich höre ihre Schritte auf dem Flur. Ich weiß, sie wird öffnen und sagen, dass es bei ihr fürchterlich aussehe, weil sie noch nicht zum Aufräumen und Saubermachen gekommen sei. Zwei Sicherheitsschlösser werden gedreht und eine Türkette entriegelt, dann macht sie endlich auf.

»Sie müssen entschuldigen, Herr Bartzsch, aber bei mir sieht es fürchterlich aus. Ich bin wegen des Kuchenbackens noch nicht zum Aufräumen und Saubermachen gekommen.«

»Klar, ich habe nichts anderes erwartet.«

Sie sieht mich irritiert an, sodass ich schnell ergänze: »Sie hätten mal sehen sollen, wie es bei meiner Mutter aussah, wenn sie Kuchen backte.« Meine Mutter hat nie Kuchen gebacken.

Frau Heuer ist versöhnt. Sie bringt mich in die gute Stube. Ich darf mich neben einen Schrank setzen, den sie mit Blumen und zahlreichen Fotos zu einem Altar für ihren verstorbenen Mann ausgebaut hat.