In dieser Reihe sind bisher erschienen:

Licht und Schatten – Band 1 (1899–1945), ISBN: 9-783-748-151-173

Eine Reihe zum 19. Jahrhundert ist in Arbeit!

Impressum:

© 2019 Veronika Lackerbauer, Oberahrain

2. Auflage

ISBN: 9-783-749-487-448

Covergestaltung: Grit Richter – Art Skript Phantastik Verlag & Design

Fotografie: yvdavid / soundsnaps / stockphoto mania / i-picture – Fotolia.com

Lektorat & Korrektorat: Jacqueline Mayerhofer / Melanie Vogltanz

Satz: Ingrid Pointecker

Druck: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

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Inhaltsverzeichnis

Licht und Schatten – Band 1 (1899–1945)

Was bisher geschah …

1899. Der kaiserliche Kommerzienrat Theodor von Konsigny leitet die familieneigene Schokoladenfabrik in München. Zusammen mit seiner Frau Eleanor bekommt der junge Fabrikant Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts vier Kinder: Alexander, der Älteste und designierter Firmenerbe, die beherzte Marie-Louise, den aufmüpfigen Rudolph und den verträumten Maximilian.

1910. Theodor macht die Fabrik in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts groß, seine Ehe jedoch vernachlässigt er. Während Eleanor mit den Kindern in der Villa in Grünwald lebt, verbringt der Hausherr die meiste Zeit in der Fabrikwohnung in der Stadt und zerstreut sich mit zahlreichen Affären. Als Eleanors Schwester Margarete schwer erkrankt, begleiten Eleanor und Marie-Louise sie zur Kur, obwohl alle Welt bereits vom Krieg spricht.

1914. Der Erste Weltkrieg wird zur Zerreißprobe. Margarete stirbt an Tuberkulose, Theodor wird einberufen und Alexander muss ohne Übergang die Leitung der Firma übernehmen. Carl Sachtleben, ein Freund der Familie, ist Trost und Stütze für die Kinder; ebenso für Eleanor. Carl und Eleanor verlieben sich und beginnen eine Beziehung.

1918. Der Krieg endet mit dem Niedergang der Monarchie. Theodor kehrt zurück, doch er ist nicht mehr derselbe. Alexanders Verdienste um die Firma erkennt er nicht an, Eleanors Gefühle interessieren ihn nicht. Carl verlässt München. Durch Eleanors Freundin Mary von Stuck lernt Marie-Louise Konrad Herbst kennen. Sie verliebt sich in den jungen Mann, doch Theodor steht auch dem Glück seiner Tochter im Weg. Schließlich bietet er Eleanor einen Handel an: Wenn sie zu ihm zurückkommt, mit allen Konsequenzen, stimmt er der Hochzeit zwischen Marie-Louise und Konrad zu. Eleanor stellt das Glück ihrer Tochter über ihr eigenes und akzeptiert den faulen Kompromiss. Doch die Ehe der beiden ist längst nicht mehr zu retten.

1923. Marie-Louise heiratet Konrad und gründet ihre eigene Familie. Rudolph arbeitet bei den Bayerischen Motorenwerken und Maximilian beginnt ein Medizinstudium. Die Weltwirtschaftskrise macht der Fabrik und der Familie schwer zu schaffen.

1929. Nachdem Theodor, der sich in den familiären Alltag nie mehr wirklich eingliedern konnte, durch riskante Aktienspekulationen das Firmenkapital verspielt hat, begeht er Selbstmord. Alexander übernimmt nun offiziell die Leitung der Fabrik und liebäugelt mit einer neuen Partei, der NSDAP.

1933. Den Bankrott der Schokoladenfabrik kann Alexander nicht mehr abwenden. Die Fabrik wird zwangsversteigert, und ausgerechnet ihr größter Konkurrent, die Firma Reiter aus Potsdam, übernimmt sie. Doch Alexander hat Glück im Unglück: Er kann in der Fabrik bleiben und wird Geschäftsführer der Firma Reiter in München. Eleanor stirbt mit einem gebrochenen Herzen, das nie heilen konnte. Während Alexander Magda, die Tochter der Reiters, heiratet und bei den Nationalsozialisten Karriere macht, heiratet sein Bruder Rudolph die Jüdin Judith Thalmeier. Konrad und Marie-Louise bekommen zwei Töchter, Lieselotte und Gisela.

1935. Das Leben in Deutschland verändert sich unter Hitler und der NSDAP. Vor allem Rudolph und Judith, die inzwischen ebenfalls eine Tochter haben, bekommen dies zu spüren. Judiths Eltern werden deportiert und verschwinden spurlos. Obwohl Judith die Frau eines Deutschen ist, erlebt auch sie immer mehr Ausgrenzung und Willkür.

1938. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs läutet für die Familie die bislang schwerste Zeit ein. Konrad wird einberufen. Beim Luftangriff auf München verlieren Louise und die Mädchen das Dach über dem Kopf. Sie flüchten sich in die Fabrik. Auch Judith und ihre Tochter Gertrud werden ins Konzentrationslager deportiert. Weil Alexander nichts dagegen unternommen hat, bricht Rudolph mit seinem Bruder. Auch Alexander wird einberufen, die Fabrik wird geschlossen. Maximilian meldet sich freiwillig als Arzt an die Front. Kurz vor der Kapitulation Deutschlands fällt er in Italien.

1945. Der Krieg ist vorbei, Deutschland liegt in Trümmern. Alexander und Konrad kehren nach München zurück. Alexanders Ehe ist zerbrochen, Magda ist zu ihren Eltern nach Potsdam zurückgekehrt. Konrad findet seine Familie einigermaßen wohlbehalten in der Fabrik vor. Gemeinsam richten sie sich nun dort häuslich ein. Nur das Verhältnis zwischen Rudolph und Alexander scheint nicht mehr zu retten zu sein, obwohl Alexander seine einstigen Überzeugungen abgelegt hat. Louise und Lotte helfen als Krankenschwestern in der alten Villa in Grünwald, in der nun ein Lazarett eingerichtet ist. Erst als Lotte dort zufällig auf ihre Cousine Gertrud stößt und sie mit ihrem Vater Rudolph wiedervereint, kann dieser wieder einen Schritt auf seinen Bruder zugehen.

Das Leben der Familie von Konsigny hat sich in den vergangenen fünfundvierzig Jahren massiv verändert, doch sie haben immer noch einander – und die Schokoladenfabrik. 1945 blicken sie erstmals wieder vorsichtig optimistisch in die Zukunft …

BAND 2

1945–2000

„Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln:

Erstens durch Nachdenken – das ist der edelste,

zweitens durch Nachahmen – das ist der leichteste,

und drittens durch Erfahrung – das ist der bitterste.“

(Konfuzius)

Prolog

München, Januar 2000

Am Neujahrstag hatte mich die Nachricht vom Tod meiner Großmutter Marie-Louise erreicht. Sie starb in einem noblen Seniorenstift in Grünwald. Dort draußen hatte sie auch schon Teile ihrer Kindheit verbracht, als die Villa noch im Besitz ihrer Familie gewesen war, und sich immer wohlgefühlt. Die Heimleitung hatte mir daraufhin ihre alten Tagebücher und Fotos in einer Kiste übergeben. Über diesen Schatz hatte ich mich sofort hergemacht und die Tage damit verbracht, in das Leben meiner Großmutter einzutauchen.

Ich hatte die letzten Tagebucheinträge geradezu verschlungen. Inzwischen war es Nacht und ich hatte mich in eine Wolldecke gekuschelt. In meinem Wohnzimmer brannte nur die Stehlampe. Die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war für meine Familie turbulent gewesen. Sie hatten die beiden Weltkriege durchlitten, dazwischen die Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre, und dabei stets ihre Schokoladenfabrik zu bewahren versucht. Ich hoffte, dass das Kriegsende nun endlich etwas leichtere Zeiten für Oma Louise und ihre Lieben bringen würde. Bis dahin hatte meine Großmutter jedenfalls kein einfaches Leben gehabt.

Es kam mir vor, als würde ich Oma Louise noch einmal neu kennenlernen – durch ihre eigenen Lebenserinnerungen. Wie unendlich schade, dass ich ihr das nicht mehr selbst sagen konnte. Ich nahm mir deshalb vor, dass ihre Beerdigung etwas ganz Besonderes werden sollte – ein Fest, das nach ihrem Geschmack gewesen wäre.

Das Lesen ließ mich nicht nur Oma Louise mit neuen Augen sehen, es brachte mir auch meine Eltern auf eine ganz neue Art näher. Ich fing an, meine Mutter nicht mehr nur als meine Mutter zu sehen, als die über alles erhabene Ärztin und perfekte Ehefrau, als die sie sich selbst heute gern inszenierte, sondern als junge Frau, als Mädchen, als das Kind meiner Großeltern. Es war eigentlich logisch, dass auch sie einmal jung gewesen war, aber für mich dennoch irgendwie ein Perspektivenwechsel. Und diese Änderung des Blickwinkels half mir, auch meine eigene Biographie besser zu verstehen. Ich fragte mich, was wohl in den späteren Tagebüchern meiner Oma alles über mich drinstehen würde. Wie hatte sie mich wohl gesehen?

So kam es, dass es mir am nächsten Nachmittag gelang, mit meiner Mutter zusammen Blumenschmuck für die Kirche und für das Grab auszusuchen. Schon diese vergleichsweise einfache Entscheidung hätte uns früher mit Sicherheit in Streit geraten lassen. Am Ende hätte meine Mutter sich durch- oder über meine Vorstellungen einfach hinweggesetzt. Und hätte ich mich beschwert, hätte sie damit argumentiert, dass sie entweder nur zu meinem Wohl handle, oder ich sowieso keine Ahnung oder keinen Geschmack hätte. Dann hätte ich mich wieder wie ein kleines, bevormundetes Kind gefühlt und ähnlich trotzig reagiert. So war das meist zwischen uns. Das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter war schon immer ein schwieriges gewesen.

Heute verlief das Gespräch anders. Ich verhandelte nicht in meinem Namen, sondern im Interesse von Oma Louise. Mit dem Argument „Oma hätte es so gewollt“ kriegte ich meine Mutter in allen Punkten herum. Erstaunlicherweise fühlte es sich nicht wie ein Sieg an, sie überzeugt zu haben. Ich ging mit dem guten Gefühl nach Hause, das Beste für die Beerdigung erreicht zu haben. Wir hatten ein gemeinsames Ziel, meine Mutter und ich, und das zum ersten Mal im Leben.

Zu Hause wollte ich mir den nächsten Abschnitt in Oma Louises Leben vornehmen: die Nachkriegszeit. Da würden nun auch bald ich und später meine eigene Tochter in ihr Leben treten. Und mit uns auch die ganzen verkorksten Trümmer meines Daseins …

Ich schauderte, als ich mit der Hand über die säuberlich aufgereihten Büchlein strich, die noch vor mir lagen. Die letzten Seiten würden mir schwerfallen. Darin konfrontierte Oma Louise mich wahrscheinlich mit dem dunkelsten Kapitel meines Lebens, das ich eigentlich versucht hatte, mithilfe ihrer Bücher zu verdrängen. Doch ich konnte nicht ewig davor weglaufen, das erkannte ich nun. Es würde mich immer einholen. Und es würde ewig zwischen mir und meiner Familie stehen, wenn es mir nicht endlich gelang, es aus der Welt zu schaffen. Es half alles nichts, ich musste mich meinem Problem stellen.

Was ich getan hatte, war unverzeihlich, das wusste ich. Ich dachte zurück an die Zeit, als ich mit Jessica schwanger gewesen war. Die Erkenntnis, dass da ein Baby in meinem Bauch heranwuchs, war ein riesengroßer Schock für mich gewesen. Für meine Eltern ebenso.

Ein Kind war das Letzte, was ich zu dieser Zeit im Sinn gehabt hatte. Natürlich war mir schon damals bewusst gewesen, dass es mein eigener Fehler war. Über eine Abtreibung hatte ich wohl nachgedacht, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen. Es kam mir falsch vor, das Kind konnte ja nichts dafür.

Aber Jürgen war für mich da gewesen, und er war geblieben. Er trug die Verantwortung, die mir viel zu groß war, ganz selbstverständlich mit. Allein, daran bestand für mich nicht der Hauch eines Zweifels, hätte ich es nicht geschafft. Ich war kein organisierter Mensch und schon mit mir selbst völlig überfordert. Aber Jürgen gab mir den nötigen Halt. Er gab die Richtung vor, ich brauchte nur zu folgen.

Dann, nach der Hochzeit, schien alles wieder in geordneten Bahnen zu verlaufen. Fast so wie bei meinen Eltern damals.

Meine Mutter hatte ihr Leben gut in den Griff bekommen. Ich nahm irgendwie an, bei mir würde das genauso laufen.

Ich dachte: Wäre erst einmal Gras über die Sache gewachsen, dann würde kein Hahn mehr nach dem krähen, was ich getan hatte.

Das war dumm gewesen.

Dumm und naiv.

TEIL 4

Auferstanden aus Ruinen (1945–1961)

„Das große Karthago führte drei Kriege.

Nach dem ersten war es noch mächtig.

Nach dem zweiten war es noch bewohnbar.

Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.“

(Berthold Brecht)

I.

München, Juni 1948

„Gott mit dir, dem Bayernvolke,

dass wir unsrer Väter wert,

fest in Eintracht und in Frieden

bauen unsres Glückes Herd!

Dass mit Deutschlands Bruderstämmen

einig uns ein jeder schau

und den alten Ruhm bewahre

unser Banner, weiß und blau!“

Deutschland hungerte. Obwohl der Krieg vorbei war, kamen die entbehrungsreichsten Winter erst in der Nachkriegszeit. Der Hungerwinter 1946/47 verlangte dem gebeutelten Volk noch einmal alles ab. Es war der kälteste Winter des Jahrhunderts, und der suchte das Land ausgerechnet jetzt heim, wo es ohnehin schon am Boden lag. Nahrungsmittelknappheit, Kohle- und Holzmangel sowie eine Flut von Flüchtlingen forderten ihren Tribut. Noch einmal starben tausende Deutsche.

Die Versorgungslage im Nachkriegsdeutschland besserte sich erst mit der Währungsreform. In den drei Westsektoren wurde am 20. und 21. Juni 1948 die D-Mark eingeführt. Im Westen warteten Menschenmengen im strömenden Regen vor den Ausgabestellen auf ihre vierzig DM Kopfgeld. Mit einem Schlag verschwand der Schwarze Markt von der Bildfläche und die leeren Schaufenster waren wieder gefüllt. Es stellte sich heraus, dass viele Waren die ganze Zeit über da gewesen, aber zurückgehalten worden waren.

Mit der neuen Währung blühte der Handel wieder auf. Jeder Haushalt erhielt für jeweils zwei Monate Bezugsscheine, eine Karte mit mehr als hundertfünfzig verschiedenen Abschnitten, die in den Geschäften auseinandergeschnitten wurden. Noch war die deutsche Wirtschaft eine Mangel- und Zwangsökonomie.

Bayern hatte schon seit 1946 eine neue Verfassung; im selben Jahr fanden die Nürnberger Prozesse gegen die Hauptverbrecher des Krieges statt. Der Teil der NS-Führung, der sich seiner Bestrafung nicht durch Selbstmord entzogen hatte, wurde zum Tode verurteilt oder bekam lange Haftstrafen. Auch Alexander von Konsigny musste sich noch einmal vor einem Gericht verantworten. Ende des Jahres erhielt er jedoch seinen endgültigen Freispruch. Im Folgejahr schlossen sich der amerikanische und der britische Sektor zur sogenannten Bizone zusammen. Im Zuge des Marshall-Plans stoppten die Amerikaner, Franzosen und Briten die Demontage und Reparationsforderungen, um ihren Einfluss auf die junge Wirtschaft zu stärken. Trotz allem kristallisierte sich zunehmend heraus, dass es kein einheitliches deutsches Land mehr geben würde. Der Alleingang der Sowjets in Bezug auf ihren Ostsektor trat immer deutlicher zutage. Während Frankreich, England und die USA in ihrer Aufbauarbeit weitgehend am selben Strang zogen, kapselten die Sowjets sich von den übrigen Besatzungsmächten ab.

Rudolph von Konsigny hatte sich seit der Rückkehr seiner Tochter aus dem KZ verändert. Er blühte regelrecht auf. Als Ehemann einer Jüdin stand er bei den amerikanischen Besatzern hoch im Kurs. 1948 bot man ihm eine Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München an. Er akzeptierte, da es in den Bayerischen Motorenwerken ohnehin nicht so gut lief. Das Flugzeugmotorenwerk in Allach und das Stammwerk in Milbertshofen waren als kriegswichtige Ziele von den alliierten Bombern unter Beschuss genommen worden. Zwar war es den BMW gelungen, den Betrieb zu retten, doch die Produktionsstätten mussten von Grund auf neu aufgebaut werden. Durch den Einsatz der Mitarbeiter an der Front und die vielen Verluste war auch Fachwissen und Expertise verloren gegangen. Das Automobilwerk in Eisenach war zwar unbeschädigt, jedoch demontierten dort die Sowjets nun alles, was nicht niet- und nagelfest war. Dazu kam, dass derzeit kaum Bedarf an Flugzeugmotoren und teuren Automobilen herrschte, weil es der Bevölkerung an viel wesentlicheren Dingen mangelte. Erst die Isetta sollte 1955 die Wende für BMW bedeuten.

Rudis Tochter Gertrud erholte sich gut. Unter Lottes Pflege verging ihr hartnäckiger Husten, aber ihr blieb ein Asthma. Gisela, Lottes Schwester, und Gertrud gingen zusammen auf eine katholische Mädchenschule, obwohl Rudolph darauf bestand, dass Gertrud sich ihre jüdischen Wurzeln bewahrte. „Das hätte deine Mutter nicht gewollt“, war sein Argument.

Gertrud wusste nichts über den Verbleib der Mutter. Als man sie von Dachau weggebracht hatte, waren sie getrennt worden. Niemand sprach es aus, doch die Befürchtung wurde immer mehr zur Gewissheit, dass Judith wie so viele andere im KZ in Dachau von den Nazis ermordet worden war.

Zum jüdischen Glauben ihrer Mutter hatte Gertrud keinen Bezug. Seit sie bewusst denken konnte, waren Juden Repressalien ausgesetzt gewesen, die ihre Mutter davon abgehalten hatten, ihren Glauben zu praktizieren. Gertrud hatte niemals eine Synagoge besucht, auf koscheres Essen hatte man schon viele Jahre keine Rücksicht mehr nehmen können und die jüdischen Feste hatte man bei ihnen zu Hause nie gefeiert.

Vor Kurzem hatte die zionistische Bewegung, angeführt von Ben Gurion, für die Juden weltweit einen entscheidenden Sieg errungen: Am 14. Mai verlas Gurion in Tel Aviv die israelische Unabhängigkeitserklärung. Damit existierte nach so langer Zeit der jüdischen Diaspora endlich ein eigener jüdischer Staat, eine Heimstätte für die Exilanten, Verfolgten und Gepeinigten des Holocausts. Einen Tag später reagierten die Bündnispartner der Arabischen Liga – Transjordanien, Irak, Ägypten, Syrien und der Libanon – mit Angriffen auf den aufgezwungenen Nachbarn. Der erste in einer ganzen Reihe von Nahostkriegen begann.

Doch für das alles hatte die zwölfjährige Gertrud keinen Sinn. Sie nahm sogar am katholischen Religionsunterricht teil, da in der Mädchenschule nichts anderes angeboten wurde.

Ihre Cousine Lotte besuchte die Oberschule. Weil der Schulweg kürzer war und die öffentlichen Verkehrsmittel immer noch zu wünschen übrig ließen, hatte sie an ein koedukatives, humanistisches Gymnasium gewechselt. Sie behauptete sich gut in ihrer Klasse und war eine fleißige Schülerin. In ihrer Freizeit half sie weiterhin in der Villa, die einmal ihrer Familie gehört hatte, inzwischen aber vom Lazarett in ein ziviles Krankenhaus umgewandelt worden war. Nicht zuletzt zog es Lotte auch deshalb dorthin, weil ihr großer Schwarm, der junge Arzt Friedrich Degner, immer noch dort arbeitete.

Im Mai 1948 feierte Lotte ihren zwanzigsten Geburtstag und kurze Zeit später ihr kleiner Bruder Peter seinen zweiten. Die Familie beging beide Anlässe einen Monat danach, als die Währungsreform griff und die Lage sich merklich entspannte. Zu dieser Gelegenheit stellte Lottes Galan Friedrich sich bei ihren Eltern vor. Louise und Konrad waren ganz angetan von dem Mediziner.

„Sie haben meiner Tochter ganz schöne Flausen in den Kopf gesetzt“, tadelte Konrad lächelnd. „Wissen Sie, dass sie auch unbedingt Medizin studieren will?“

Friedrich nickte. „Und ich bin überzeugt, sie wird eine ganz hervorragende Ärztin werden.“

Lottes Wangen färbten sich rot.

„Auf jeden Fall ist sie eine ganze hervorragende Hausfrau“, warf Louise grinsend ein. „Den Kuchen hat sie nur Ihnen zu Ehren gebacken.“

Daraufhin wurde Lotte noch röter.

„Er schmeckt auch ganz ausgezeichnet.“

Friedrich hatte zu seinem offiziellen Antrittsbesuch etwas ganz Besonderes mitgebracht. „Die Amerikaner haben uns eine ganze Kiste davon in die Klinik geliefert“, erklärte er und legte drei Bananen auf den Tisch. Die Familie betrachtete die exotischen Früchte neugierig.

„Bananen … Alle Achtung!“ Konrad nahm eine an sich, und ehe Friedrich intervenieren konnte, biss er beherzt in die Schale. Angewidert verzog er das Gesicht.

„Äh … Man schält sie üblicherweise, bevor man sie isst …“ Friedrich wirkte verunsichert darüber, ob er seinen potenziellen Schwiegervater belehren durfte, aber Konrad brach ob seines eigenen Missgeschicks in schallendes Gelächter aus. Die anderen stimmten mit ein.

Dank Alexanders unermüdlicher Arbeit stand die Fabrikhalle wieder, allerdings fehlte es noch an Maschinen und an der Genehmigung, wieder produzieren zu dürfen. Im Schatten der neuen Halle hatten Louise und Lotte den Geburtstagstisch gedeckt. Louise pflegte nun den Rosengarten wieder, den ihre Mutter angelegt hatte. Seit die Versorgungslage sich gebessert hatte, gediehen dort wieder bunte Blumen statt Gemüsepflanzen. Zwischen den Beeten feierten sie, bis es zu kalt wurde, um draußen zu bleiben.

Bald nach der Währungsreform brach Alexander nach Potsdam auf. Er wollte sich mit seinen Schwiegereltern treffen und über eine Fortführung der Zusammenarbeit in der Fabrik verhandeln.

Die Reise barg aber noch eine weitere Tücke: Zwangsläufig würde Alexander dort auch wieder seiner Frau begegnen.

Magda hatte in all den Jahren kein Wort von sich hören lassen. Alexander wusste nicht, wie er ihr gegenübertreten sollte. Sie waren nach wie vor auf dem Papier Eheleute, und doch kam sie ihm so fremd vor, als wäre er ihr noch nie zuvor begegnet. Nur seiner Schwester vertraute er seine Zweifel an.

„Ich weiß überhaupt nicht, was ich ihr sagen soll.“

Louise fragte vorsichtig: „Was möchtest du ihr denn sagen?“

„Ich weiß es nicht. Nichts. Eigentlich haben wir uns noch nie viel zu sagen gehabt“, gestand Alexander.

„Aber du hast sie doch mal geliebt, oder?“

Alexander zögerte mit einer Antwort. „Ja. Ich denke schon. Irgendwie“, sagte er dann langsam.

„Und jetzt?“

„Ich habe keine Ahnung.“ Alexander sah mutlos aus.

Louise erklärte fest: „Ich denke, wenn du sie siehst, wirst du es wissen.“

Als Alexander aus Potsdam zurückkam, war er in zweifacher Hinsicht desillusioniert. Fritz Reiter, der Juniorchef der Schokoladenfabrik in Potsdam, war an der Ostfront gefallen; sein Vater war alt und sah sich außer Stande, den Betrieb wiederaufzubauen. Obendrein war die Fabrik der Reiters von den Sowjets demontiert worden. Alles, was im Entferntesten verwertbar schien, hatten sie mitgenommen. Es bestand überhaupt keine Aussicht darauf, in nächster Zeit wieder zu produzieren. Von dieser Seite her konnte sich die Schokoladenfabrik in München keine Unterstützung erhoffen. Die von Konsigny'sche Schokolade musste wieder lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.

In den Tagen, die er in Potsdam verbrachte, erkannte Alexander, dass auch er persönlich endgültig wieder auf sich allein gestellt war. Magda machte keine Anstalten, sich mit ihm auszusprechen. Die Eheleute begegneten sich einige Male eher zufällig im Hause der Reiters, doch Magda suchte weder das Gespräch mit ihrem Mann, noch gab sie ihm die Gelegenheit, selber eines anzufangen. Die Reiters zeigten sich überhaupt reserviert gegenüber dem Schwiegersohn und der Dependance in München.

„Wir haben hier unsere eigenen Sorgen, wie du siehst“, erklärte der alte Reiter kühl. „In einer Zeit wie dieser muss jeder selbst sehen, wie er zurechtkommt. Ihr habt das ja einfach da drüben! So gut wie ihr haben wir’s nicht, wir haben schließlich auch die Hauptlast zu tragen aus diesem Krieg.“

Alexander ärgerten diese Behauptungen. Er sah natürlich, dass das Leben in Potsdam und im nahen Berlin schwer war, aber leicht war es dieser Tage in München auch nicht.

Die schmucke, barocke Altstadt Potsdams war fast vollständig durch Bombenangriffe zerstört, ein Großteil des Wohnraums war vernichtet worden. In München waren zumindest die Vororte etwas verschont geblieben, im Stadtkern sah es jedoch ganz ähnlich aus. Richtig war allerdings, dass in den drei westlichen Besatzungszonen die Demontage von Industrieanlagen bereits kurz nach Kriegsende eingestellt worden war, da die Truman-Doktrin der USA den Wiederaufbau des Landes als vorrangig ansah, während die Sowjetunion vor allem Vergeltung für die erlittenen Schäden und Verwüstungen im eigenen Land suchte. Dadurch mochte der Neuanfang in München vielleicht wirklich ein wenig einfacher sein als in Potsdam. Alexander versuchte zu argumentieren, dass ein gegenseitiges Aufrechnen von Verlusten und Hindernissen jetzt doch niemanden weiterbrachte, aber der alte Fabrikant winkte ab. Ergebnislos reiste Alexander nach München zurück.

Kurz nach seinem erfolglosen Besuch in Potsdam erfüllte Alexander sich einen alten Traum: Er fuhr in die Schweiz. Von der intakten Schweizer Industrie erhoffte er sich ein paar Anregungen für den Wideraufbau seiner Fabrik. Der neutrale Staat kam Alexander vor wie ein Märchenwunderland: saubere, unbeschädigte Straßen, nirgends kaputte Häuserfronten, gepflegte, moderne Geschäfte. Er holte sich Anregungen in einer bekannten Chocolaterie in Bern. Beflügelt und voller neuer Ideen kehrte er zwei Wochen später zurück nach Hause.

Dort wurde die Wohnsituation endgültig unerträglich. Louise und Konrad hatten das ehemalige Elternschlafzimmer bezogen, der nun zweijährige Peter schlief in einem alten Gitterbettchen neben dem Bett seiner Eltern, Lotte, Gisela und Gertrud teilten sich Maximilians altes Zimmer, Rudolph schlief in seinem ehemaligen Kinderzimmer und Alexander hatte im kleinen Gästezimmer sein Quartier. Eigentlich war dort für ihn kein rechter Platz. Auch Lotte klagte, dass sie mit den beiden Schnatterliesen im Zimmer nicht lernen konnte. Daher machte Alexander sich daran, im unteren Stock, wo früher Lagerräume der Fabrik untergebracht gewesen waren, eine neue Wohnung für sich einzurichten.

Gleichzeitig nahm die Schokoladenfabrik langsam ihren Betrieb wieder auf. Die fehlende Unterstützung durch die Firma Reiter ließ noch keine vollständige Produktion wie vor dem Krieg zu, aber immerhin durfte Alexander jetzt, da er entnazifiziert war, wieder einige Arbeiter einstellen und die nötigsten Maschinen anschaffen. Gisela fing bei ihrem Onkel als Schreibkraft an.

Als Alexander in die neue Wohnung im Untergeschoss einzog, nutzten auch die restlichen Familienmitglieder die Gelegenheit für einige Renovierungs- und Umbaumaßnahmen. Die alte Wohnung bekam an der Stelle, wo Alexanders Zimmer gewesen war, ein Badezimmer. Fließend Wasser gab es schon, jetzt erhielt das Haus eine richtige Nasszelle mit einem Abort, der endlich auch nachts und im Winter problemlos erreichbar war, ohne dass man dazu über den Hof musste.

Die räumliche Trennung tat der Familie gut. Zum Abendessen trafen sie sich weiterhin oben in der großen Wohnstube und Louise tischte für alle auf. Diese gemeinsamen Abende dienten auch dem familiären Austausch.

So erklärte Alexander eines Abends: „Ich habe da unten eigentlich viel mehr Platz, als ich brauche, und ihr wohnt hier immer noch wie die Hühner zusammengepfercht.“

Louise winkte ab. „Iwo, das geht schon. Wir haben’s doch gern ein bisschen kuschelig. Das spart uns im Winter Kohle zum Heizen.“

Louise meinte es ernst. Nach dem Krieg, der ihre Lieben in alle Winde zerstreut hatte, war sie froh und dankbar, dass sie alle wieder zusammen waren. Zumindest fast alle. Maximilian, der jüngste der Geschwister, hatte den Krieg nicht überlebt. Der kleine, der wunderliche, der herzensgute Bruder lebte nicht mehr. Der Verlust schmerzte Louise, aber zumindest Rudolph und Alexander ging es gut. Es tat ihr nur weh zu sehen, dass ihre beiden verbliebenen Brüder es nicht fertigbrachten, den alten Groll ganz hinter sich zu lassen. Selbst jetzt nicht, wo Gertrud wieder zu Hause war. Und dabei entwickelte sich das Mädchen doch trotz allem so gut.

„Los, es ist Samstag. Wer will als Erstes in die Wanne?“

Louise klatschte in die Hände und hob den strampelnden Peter hoch.

Zwischen Gisela und Lotte entbrannte sofort ein Streit an der Badezimmertür. „Ich will zuerst!“

„Du hast letzte Woche so lang in der Wanne gelegen, dass das Wasser ganz kalt war, bis ich drankam!“, warf Lotte ihrer jüngeren Schwester vor.

„Ruhe! Dann kommt heute Gertrud als Erste rein“, entschied Louise diplomatisch. „Und du nimmst dann Peterchen mit.“ Damit drückte sie Gisela den protestierenden Zweijährigen in den Arm.

Als Louise zurück an den Esstisch kam, sagte sie wehmütig: „Ach, ich weiß noch, was für ein erhebendes Gefühl es war, zum ersten Mal in der eigenen Badewanne zu liegen. Und jetzt? Jetzt haben wir jeden Samstag einen Wannenkrieg! Man könnte fast meinen, unsere Töchter würden lieber immer noch ins städtische Tröpferlbad gehen, anstatt sich im eigenen Badezimmer auszustrecken.“

Alle lachten in Erinnerung an das alte Müllersche Volksbad in der Au nahe dem Deutschen Museum, das die Geschwister in ihrer Jugend noch gekannt hatten. Alexander nahm den Faden von vorher wieder auf. „Trotzdem. Ich finde, so kann das nicht weitergehen. Die Fabrik läuft wieder ganz gut und ich bin mit dem Ausbau unten fast fertig. Einer von euch könnte zu mir runterziehen, was haltet ihr davon?“

Er stellte das Angebot allgemein in den Raum, sein Blick jedoch ruhte auf seinem jüngeren Bruder. Rudolph sah von seiner Zeitung auf, direkt in Alexanders fragendes Gesicht. „Was meinst du?“

Alexander, sonst immer ganz das entschlossene Familienoberhaupt, wirkte plötzlich unsicher. Rudolph runzelte die Stirn, als müsse er über den Vorschlag erst nachdenken. Die Familie hielt gespannt den Atem an. Eine derart große Annäherung hatte Alexander bislang noch nie gewagt.

„Ihr zwei Männer da unten, das könnte was werden“, warf Louise gezwungen fröhlich ein, um die Stimmung aufzulockern.

Rudolph zuckte nur die Schultern. „Meinetwegen. Dann haben die Mädchen hier oben auch mehr Platz“, sagte er, als ob es keine große Sache wäre.

Doch Louise wusste, was es Alexander gekostet hatte, dieses Angebot zu machen. Im Hinausgehen drückte sie seinen Arm und bedachte ihn mit einem dankbaren Blick. In der Küche verdrückte sie dann sogar noch ein paar Tränchen der Freude.

Ihrer Tochter Lotte, die ihrer Mutter mit einem Stapel schmutzigem Geschirr gefolgt war, entging die Rührung nicht. „Was hast du denn, Mama?“

„Nichts, Lottchen. Aber ich glaube, jetzt ist in unserer Familie auch endlich der Frieden eingekehrt.“

II.

München, Dezember 1949

„O du fröhliche, o du selige,

gnadenbringende Weihnachtszeit!

Welt ging verloren, Christ ward geboren:

Freue, freue dich, o Christenheit!“

Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz als Verfassung der Bundesrepublik Deutschland in Kraft, und somit galt der westdeutsche Staat formal als gegründet. Am 15. September wählte der Bundestag den dreiundsiebzigjährigen Konrad Adenauer mit einer einzigen Stimme Mehrheit zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in einer Koalition aus CDU/CSU, FDP und der Deutschen Partei. Vierzehn Jahre sollte er den Westen anführen und dabei einer ganzen Ära seinen Namen geben: der Adenauer-Zeit.

Die junge deutsche Republik musste sich an die Demokratie erst gewöhnen. Während der Kaiserzeit hatten die Herrschenden kein Interesse daran gehabt, zu einer parlamentarischen Regierungsform überzugehen. Die Weimarer Republik war vielen noch in schlechter Erinnerung, da das Scheitern der Demokratie Not und Mangel über das Volk gebracht hatte. Das NS-Regime schließlich hatte jeden demokratischen Gedanken im Keim erstickt. Und nun sollte dieses Volk, das an die demokratischen Grundsätze erst herangeführt werden musste, einen Staat aufbauen, in dem gemäß dem Grundgesetz „alle Gewalt vom Volk ausging“. Zudem war nun klar, dass es kein einheitliches Deutschland mehr geben würde.

Die Ostzone ging einen Sonderweg, ganz nach dem Wunsch der sowjetischen Besatzer, während die drei anderen Sektoren zur Bundesrepublik Deutschland zusammengeschlossen wurden. Im Westen hoffte man noch immer, dass man sich auf eine gemeinsame Lösung würde einigen können. Aus diesem Grund wurde die neue Grundordnung der BRD nur Grundgesetz genannt, um die endgültige Trennung in zwei deutsche Staaten nicht auch noch durch eine westdeutsche Verfassung zu zementieren. Bis zum Zusammenschluss sollte diese einstweilen festgelegte Ordnung als provisorische Grundlage dienen. Doch dass diese Wiedervereinigung noch Jahrzehnte auf sich warten lassen würde, damit rechnete in dieser frühen Stunde der Demokratie niemand.

Auch das kulturelle Leben erholte sich, die Menschen hatten wieder Geld und Lust, sich zu amüsieren. Bereits am 1. Juli 1945 gaben die Münchner Philharmoniker ihr erstes Nachkriegskonzert, kurz darauf folgte das Staatsorchester und bereits im Herbst 1945 hatte München wieder einen regelmäßigen Opernbetrieb. Kabaretts und Kleinkunstbühnen schossen wie Pilze aus dem Boden, versuchten mit Satire und Witz die Vergangenheit zu bewältigen und positiv auf die Zukunft einzustimmen. Freizeitbeschäftigungen erblühten in unterschiedlichsten Gestalten: klassische Konzerte, Opern, Theater, aber auch Massenveranstaltungen wie Boxkämpfe, Sechstagerennen, der Karneval und Modenschauen fanden begeistertes Publikum. Leider war im September 1949 der Tod des bedeutenden Komponisten Richard Strauss zu beklagen, den Louises Eltern noch persönlich gekannt hatten. Das Radio, inzwischen das beliebteste Medium der Deutschen, brachte zu seinen Ehren die Rundfunkaufnahme von Capriccio, dem letzten Konzert, das der Meister im Alter von einundachtzig Jahren selbst dirigiert hatte.

Ebenfalls im September fand das erste Oktoberfest seit dem Krieg statt. Beim festlichen Einzug der Brauereigespanne kam sofort wieder die richtige Stimmung für das traditionsreiche Wiesenfest auf. Elf Jahre hatten die Münchner auf ihre „Wiesn“ verzichten müssen, nun boten auf mehr als fünfundzwanzigtausend Quadratmetern über dreihundert Schausteller in hundert Buden ihre Vergnügungen an. Zeitgleich hielt man auf der Theresienwiese die größte deutsche Landwirtschaftsschau seit dem Krieg ab. Die Mass Bier bekam man für stolze zwei Mark, ein Brathendl schlug gar mit sechs Mark zu Buche. Trotzdem erwartete man Millionen von Besuchern.

Im Oktober rief der populäre Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer mit einer spektakulären Aktion dazu auf, die Stadt endgültig von den Überresten des Weltkriegs zu befreien. Morgens um sieben reihten sich bereits mehr als vierhundertfünfzig Lastwagen auf dem Königsplatz aneinander, die meisten davon amerikanische. Unter dem Motto „München vom Schutt befreien“ lud ein Heer aus Freiwilligen die Schutthaufen, die immer noch das Straßenbild prägten, auf die bereitgestellten Wagen. Bäcker und Metzger stifteten Brotzeiten, Brauereien das Bier für die etwa siebentausend Arbeitenden. Auch der Oberbürgermeister selbst schwang die Schaufel; sein Schlachtruf „Rama dama“ sollte in die Annalen der Stadt eingehen. Auch Rudolph, Alexander und Konrad beteiligten sich an der schweißtreibenden Arbeit.

„Jetzt hab ich für die Fabrik schon so viel geschaufelt und geschleppt, da kommt‘s auf die paar Eimer auch nicht mehr an“, hatte Alexander befunden. Und Bruder und Schwager folgten seinem Beispiel.

„Man muss ja etwas tun, damit das Leben wieder normal wird“, bestätigte Konrad und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Fünfzehntausend Kubikmeter Schutt und Trümmer karrten die Helfer aus der Stadt.

Mit dem Einzug in die gemeinsame Wohnung hatte sich das Verhältnis von Rudolph zu seinem Bruder Alexander erholt, obgleich es nie mehr wie früher werden sollte. Die beiden Männer hausten zusammen in der neuen Wohnung im Erdgeschoss, aber im Wesentlichen lebten sie dort nebeneinander her. Rudolph verbrachte die meiste Zeit oben bei seiner Schwester und seiner Tochter, Alexander steckte seine gesamte Energie in den Wiederaufbau der Fabrik.

Er produzierte wieder unter seinem eigenen Namen, ohne die Unterstützung der Reiters. Die Fabrik in Potsdam hatte ihren Betrieb immer noch nicht wiederaufgenommen. Seit seinem Besuch dort hatte er keinen Kontakt mehr mit seiner Schwiegerfamilie gehabt.

„Willst du nicht langsam die Scheidung einreichen?“, fragte Louise Alexander eines Tages beim Abendessen und das nicht zum ersten Mal.

„Wozu denn? Ist doch gleich, ob wir auf dem Papier verheiratet sind oder nicht.“

„Aber so könntest du wieder heiraten“, gab Konrad zu bedenken.

Alexander stieß ein abfälliges Schnauben aus. „Wen denn?“

Konrad zuckte die Schultern. „Weiß ich nicht. Aber vielleicht kommt ja eine, die passt.“

„Ich werde zu Silvester fünfzig, bitte vergiss das nicht. Für die Brautschau bin ich wohl doch schon ein wenig zu alt.“

Louise ließ das Argument nicht gelten. „Unfug. Für die Liebe ist man nie zu alt! Wer weiß, was noch kommt.“

„Ist schon recht“, erwiderte Alexander müde. „Wenn‘s so weit ist, kann ich mich immer noch scheiden lassen. Mir ist das egal, ob ich verheiratet bin oder nicht.“

Konrad hob die Tafel auf, indem er aufstand und fragte: „Trinkt ihr noch ein Bier mit?“

Alexander willigte ein und auch Rudolph ließ sich nicht zweimal bitten. Die drei Männer zogen sich ins Wohnzimmer auf das Sofa zurück. Louise begann den Tisch abzuräumen. Gisela, die gerade ihren sechzehnten Geburtstag gefeiert hatte, half der Mutter in der Küche, während die anderen beiden Mädchen sich entschuldigten und auf ihr Zimmer gingen.

Nachdem das Geschirr vom Abendessen verräumt war, holte Louise ihre mit Argusaugen gehüteten Blechdosen mit dem Weihnachtsgebäck hervor und verteilte einige Plätzchen und Lebkuchen auf einem Teller. Damit ging sie hinüber zu ihren Brüdern und ihrem Mann.

„Aberhallo!“, begrüßte Konrad die angebotenen Leckereien freudig. „Du wirst dich doch nicht schon vor der Zeit von einigen von deinen Plätzchen trennen?“

„Es ist ja schon fast der dritte Advent“, räumte Louise ein und stellte den Teller auf den Tisch. Alle langten gerne zu.

„Deine Plätzchen sind die besten“, lobte Rudolph mit vollem Mund. „Sogar besser als das Schokozeug aus der Fabrik.“

Alexander ließ den Seitenhieb heute unpariert, stattdessen schob er sich eines von Louises Vanillekipferl in den Mund.

„Wie einem so ein kleines Plätzchen schmeckt, wenn man sich‘s wieder leisten kann“, sinnierte Konrad und drehte einen Spitzbuben in den Fingern, bevor er ihn in einem Stück verspeiste.

„Mei, an Backzeug hat‘s uns ja die meiste Zeit nicht gemangelt. Aber an allem anderen halt“, erinnerte sich Louise, die sich auf Konrads Armlehne gesetzt hatte.

Er legte ihr den Arm um die Hüfte, wo sie noch ihre Küchenschürze umgebunden hatte.

„Ja, da müssen wir schon dankbar sein, dass wir die Fabrik gehabt haben.“

„So bist du aber dafür noch nicht in den Genuss der neuen Selbstbedienungsläden gekommen“, warf Alexander ein.

Nachdem sich das wirtschaftliche Leben in Westdeutschland durch die Einführung der D-Mark erholt hatte, brummte endlich wieder der Handel. Im Juni hatte der erste Lebensmittelladen nach amerikanischem Vorbild in Augsburg eröffnet: Die Kunden bedienten sich selbst an den Regalen, in denen die Waren übersichtlich ausgelegt und mit Preisschildern etikettiert lagen, sammelten alles in Holzkisten und bezahlten an der Kasse. Lediglich Obst, Gemüse, Butter und Wurstwaren wurden nach wie vor von einer Verkäuferin abgewogen und an die Kunden ausgegeben. Seit November gab es in der Schützenstraße in München ebenfalls solch einen Laden.

Louise widersprach: „Doch, da war ich schon drin!“

„Und?“, wollten die Männer wissen.

„Na ja, es ist schon ein bisschen gewöhnungsbedürftig, wenn man sich alles selber zusammensuchen muss. Aber es wird gut angenommen, sagt die Inhaberin“, berichtete Louise.

„Da werden wir noch allerhand erleben“, vermutete Konrad. „Jetzt, wo die Konjunktur angeblich so anzieht.“

„Zu allererst erleben wir jetzt hoffentlich ein ruhiges und friedvolles Weihnachtsfest, weil das brauchen wir am allernotwendigsten“, befand Louise.

III.

München, Mai 1952

„Froh zu sein bedarf es wenig

und wer froh ist, ist ein König.“

Eine Volkszählung im September 1950 ergab fast zwei Millionen Geflüchtete, die im bayerischen Raum eine neue Heimat gefunden hatten – Vertriebene aus dem Sudetenland, den Gebieten östlich von Oder und Neiße sowie aus dem ehemaligen Ostpreußen, Pommern und Schlesien. Fast jeder zehnte Münchner war ein Heimatvertriebener. Die stark zerstörten Großstädte konnten jedoch nur einen kleinen Teil aufnehmen, die meisten Flüchtlinge fanden auf dem Land Zuflucht. Aus den provisorischen Auffanglagern entwickelten sich neue Gemeinden wie Traunreut, Waldkraiburg oder Geretsried.

Noch herrschte ein rechtes Chaos im Land, und allein in der ersten Jahreshälfte 1951 erreichten das Amtsgericht vierhundert Gesuche um Todeserklärung von Vermissten. Hauptsächlich stellten diese Anträge Frauen, deren Männer im Krieg verschollen waren und die sich nun wiederverheiraten wollten. Der Zonensuchdienst des Roten Kreuzes hatte seit 1949 mehr als eine Viertelmillion Suchanzeigen zu bearbeiten gehabt, wovon lediglich bei einem Bruchteil eine eindeutige Todesnachricht oder ein Verbleib gegeben werden konnte.

Lebensmittelkarten und andere Marken zur Verteilung der knappen Güter hatten endgültig ausgedient und wurden vernichtet. Je eine Karte übergaben die Verteilungsstellen jedoch als Erinnerung an die schweren Zeiten dem Stadtarchiv in München.

Als Professor der Universität erhielt Rudolph 1951 eine kleine Wohnung in Schwabing, woraufhin er mit der fünfzehnjährigen Gertrud aus der Fabrikwohnung auszog. Gertrud hatte sich augenscheinlich von den Gräueln der NS-Zeit gut erholt, sie sprach allerdings niemals über das, was sie im KZ erlebt hatte. Keiner in der Familie wagte es, sie danach zu fragen. Sie besuchte das städtische Gymnasium und ihre Zensuren waren allesamt hervorragend. Von ihren Lehrern wurde Gertrud als stille, gewissenhafte Schülerin gelobt. Sie besuchte auch immer noch den katholischen Religionsunterricht, doch in ihrer Nachttischschublade hatte sie jetzt ein Exemplar der Thora.

Lotte hatte Glück. Im Sommer 1950 schloss sie am Gymnasium mit dem Abitur ab. Im darauffolgenden Schuljahr führte die neue Regierung die dreizehnte Klasse wieder ein. 1936 hatte ein Erlass der Nationalsozialisten die höhere Bildung aus „bevölkerungspolitischen Gründen“ auf zwölf Jahre verkürzt. Die neue Regelung hätte die damals Einundzwanzigjährige noch ein Jahr mehr gekostet, und Lotte brannte doch darauf, mit dem Medizinstudium zu beginnen. So schrieb sie sich 1950 an der Ludwig-Maximilians-Universität ein. Voller Eifer stürzte Lotte sich in ihr Studium. Ihre Verbindung zu Friedrich Degner hielt sie aufrecht. Der junge Arzt kam oft in die Fabrikwohnung und half Lotte bei ihren Studien. Louise und Konrad ließen sie gewähren. Sie hofften insgeheim sogar, Lotte würde sich mit dem sympathischen Mediziner verloben. Doch dann überstürzten sich die Ereignisse.

Es war im Mai 1952 – Lotte hatte gerade ihren vierundzwanzigsten Geburtstag gefeiert und in Louises kleinem Garten hinter der neuen Fabrikhalle blühten die Pfingstrosen. Die alten Rosen, die teilweise noch ihre Mutter Eleanor gepflanzt hatte, pflegte Louise mit akribischer Sorgfalt. Die Kleintierhaltung hatten sie fast aufgegeben, nur ein paar Kaninchen gab es noch, die jetzt allerdings mehr als Streicheltiere für die Kinder als dem Verzehr dienten. Nesthäkchen Peter hatte in einer schattigen Ecke einen kleinen Sandhaufen zum Spielen. Es war mittlerweile schon dunkel, als Louise und Peter endlich hineingingen.

Wie so oft setzte Louise sich mit einer Tasse Tee in den Lehnstuhl im Wohnzimmer und schaltete das Radio an. Konrad las die Abendzeitung, Alexander war noch in seinem neuen Büro, was sie am charakteristischen quadratischen Lichtschein erkannten, der vom Fenster in den Hof fiel. Er arbeitete sehr viel, wollte um jeden Preis die Fabrik seines Vaters wieder zu dem machen, was sie vor dem Krieg gewesen war.

Gisela hatte Geschirr gespült und kam nun kurz herein, um den Eltern eine gute Nacht zu wünschen. Der Vater hob den Blick von seiner Zeitung. „Schlaf gut, mein Kind.“

Gisela teilte sich das Zimmer jetzt mit ihrem kleinen, sechsjährigen Brüderchen, während Lotte zum besseren Lernen und Arbeiten Rudolphs altes Zimmer bekommen hatte. Seit Alexander unten in der neuen Wohnung wohnte und Rudolph mit Gertrud nach Schwabing gezogen war, hatten die Herbsts richtig viel Platz.

„Ich bin glücklich, dass es uns so gut geht“, sagte Louise unvermittelt.

Konrad sah von seiner Zeitung auf. „Im Vergleich zu vielen anderen ist es uns nie richtig schlecht gegangen“, antwortete er liebevoll.

„Das mag sein. Aber ich bin trotzdem froh, dass wir alle zusammen sind und dass wir wieder hier in der Fabrik wohnen.“

Konrad lächelte. „Du bist eine alte Glucke! Willst immer all deine Küken unter deinem Flügel haben. Aber unsere Mädchen sind bald groß, dann brauchen sie keine Mutterhenne mehr.“

Louise seufzte; das war ihr nur allzu schmerzlich bewusst. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie irgendwann aus dem Haus gehen.“

„Das wird schon bald sein, wenn Lotte sich für den feschen Arzt entscheidet. Vielleicht heiratet er sie uns noch in diesem Sommer weg.“

Louise drohte Konrad mit dem Zeigefinger. „Mal nicht den Teufel an die Wand! Ich will meine Mädchen noch nicht so schnell hergeben!“

Konrad schlug die Zeitung zu und erhob sich vom Sofa. „Komm, lass uns ins Bett gehen.“

Er ging voraus ins Schlafzimmer. Louise räumte noch schnell ihre Tasse in die Küche, schaltete das Radio ab und folgte ihm dann. Im Nachthemd tapste sie hinüber ins Badezimmer. Als sie am Zimmer ihrer Ältesten vorbeikam, sah sie, dass dort noch Licht brannte, und klopfte deshalb an die Tür.

„Du bist ja noch auf, Liebes.“

Lotte saß an dem kleinen Schreibpult unter dem Fenster und arbeitete. Sie wandte den Kopf zur Tür, wo ihre Mutter im Türrahmen lehnte. „Ja, ich habe noch so viel zu tun.“

Louise trat hinter ihre Tochter. „Du arbeitest viel zu viel, Lottchen. Der Mensch muss auch schlafen. Das solltest du als angehende Ärztin doch wissen“, tadelte sie sanft.

Lotte seufzte.

„Ich kann mich sowieso kaum konzentrieren. Mir ist schon den ganzen Tag speiübel, Mama“, gestand sie.

Louise fuhr mit mütterlich routinierter Geste über die blasse Stirn ihrer Tochter. „Wirst du etwa krank? Das würde mich nicht wundern.“

Die Stirn war klebrig von kaltem Schweiß. Jetzt machte Louise sich ernsthaft Sorgen. „Du gehst mir jetzt augenblicklich ins Bett! Ich bring dir noch einen Kräutertee. Und keine Bücher mehr, hörst du?“

Lotte ließ sich zum Bett bugsieren. Bleischwer fiel sie hinein und war eingeschlafen, noch ehe ihre Mutter ihr den versprochenen Tee bringen konnte. Louise löschte das elektrische Licht und deckte ihre Tochter zu.

Friedrich war inzwischen an der zur Uni gehörenden Medizinischen Klinik Innenstadt tätig. Da sie denselben Weg hatten, pflegte er Lotte zur Uni zu bringen, bevor sein Dienst im Krankenhaus begann. Als er am nächsten Morgen kam, um Lotte abzuholen, fing Louise ihn an der Tür ab.

„Herr Degner, entschuldigen Sie bitte. Hätten Sie einen Moment?“

Friedrich nickte erstaunt und folgte Louise in die Küche.

„Ich mache mir große Sorgen um Lotte“, kam sie ohne Umschweife zum Punkt.

„Weshalb?“ Auch der junge Mann klang alarmiert.

„Sie arbeitet zu viel und zu hart, lernt bis tief in die Nacht hinein. Sie schläft kaum und klagt über Übelkeit.“

„Übelkeit? Davon hat sie mir nichts erzählt. Dann sollte sie vielleicht zu Hause bleiben.“

Louise nickte. „Das halte ich auch für das Beste, aber wenn ich ihr das vorschlage, wird sie es nicht tun.“

Friedrich verstand. „Dann werde ich ihr das nahelegen. Sozusagen als ihr Arzt.“

Als Friedrich in Lottes Zimmer kam, saß diese erschöpft auf ihrem Bett. Friedrich sah nun auch, was ihre Mutter gemeint hatte. Er fühlte ihren Puls und ihre Temperatur. „Lotte, deine Mutter hat recht. So kannst du nicht zur Uni. Du siehst ziemlich mitgenommen aus. Hast du dich erkältet?“

Lotte winkte ab. „Ach wo. Es geht gleich wieder. Nur ein bisschen schwindlig. Das bin ich schon gewohnt.“

„Hast du das öfter?“, fragte Friedrich streng.

„In letzter Zeit schon“, gestand Lotte. „Aber das ist halt gerade eine etwas anstrengende Phase. Das geht wieder vorüber.“

Louise kam hinzu und beobachtete die beiden. „Was meinen Sie, Doktor Degner?“

Friedrich lächelte. „Sie wissen doch, Frau Herbst, ich bin noch gar kein Doktor. Meine Promotion ist noch nicht abgeschlossen.“

Louise wusste das, sie wusste aber auch, dass der junge Mann sich geschmeichelt fühlte, wenn er Doktor genannt wurde.

„Ich würde Lotte gerne mit in die Klinik nehmen. Ich möchte sie untersuchen.“

Lotte protestierte, aber Louise stimmte ihm zu. „Keine Widerrede, Liebes. Es hat doch keinen Sinn, wenn du dich kaputtarbeitest, bevor du überhaupt einen einzigen Patienten gehabt hast. Lass dich untersuchen, werde gesund und dann kannst du dich wieder in deinen Büchern vergraben.“