Fin im Glück?

 

 

Roman von

 

Kai Steiner

 

 

 

Der Autor

Kai Steiner studierte Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik und Geografie in Hamburg. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer an einer öffentlichen Schule war er Dozent an verschiedenen norddeutschen Akademien, schulte Personal in mehreren Unternehmen und veröffentlichte viele Schulbücher (Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaft, Gesellschaftslehre) und wissenschaftliche Beiträge (Pädagogik, Rechnungswesen) in bekannten deutschen Verlagen. Außerdem war er 15 Jahre lang Mitherausgeber der kaufmännischen Zeitschrift 'Industriekaufleute' für Auszubildende im Dr. Gabler Verlag.  

Seit fünfzehn Jahren beschäftigt er sich mit Belletristik, einige seiner Kurzgeschichten sind im Himmelstürmer Verlag in den Büchern Pink Christmas 1 + 2 + 3 erschienen, weitere in Anthologien ( Novum Verlag) sowie in Mein Schwules Auge 8, 9 und 10 (Konkursbuchverlag).

Kai Steiner lebt in Hamburg.

 

Im Himmelstürmer Verlag erschienen:

Schmetterlinge im Bauch 2006 – ISBN:978-3-934825-52-9

Eingelocht 2006 – ISBN: 978-3-934825-61-1

Surfer Dreams 2007 – ISBN:978-3-934825-83-3

Sommerlust am Mittelmeer, 2009 – ISBN: 978-3-940818-11-9

Capri, amore mio, 2009 – ISBN: 978-3-940818-31-7

Paris, mon amour, 2010 – ISBN: 978-3-940818-49-2

Mein Blut in seinen Adern, 2012 -978-3-863611-00-2

 

Alle Bücher sind auch als E-Bücher erschienen.

 

Himmelstürmer Verlag, Kirchenweg 12, 20099 Hamburg,

Himmelstürmer is part of Production House GmbH

www.himmelstuermer.de

E-mail: info@himmelstuermer.de
Originalausgabe, Februar 2014  

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

Coverfoto: Coverfoto: © panthermedia.com

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de 


ISBN print: 978-3-86361-376-1
ISBN epub: 978-3-86361-377-8
ISBN pdf:   978-3-86361-378-5

 

Das Herz hat Gründe, die die Vernunft nicht kennt

                                                                                                       Blaise Pascal 

 

 

 

Prolog

 

Fin hatte es geschafft, mich rumzukriegen, einfach so. Dabei war ich bisher Hetero. Damit war Schluss.

Mein neues Leben ist absolut top. Wer hätte das gedacht?

Meine Ehe war gescheitert, meiner Geliebten hatte ich den Laufpass gegeben, dann kam der Alkohol.

Verzweiflung?

Scheinbar. Ich machte mir vor, nur mit Frauen leben zu können. Es war pure Eitelkeit. Machogehabe. Genau das ließ mich mein bester Freund Benjamin wissen. Er lachte mich dabei aus. Meine Angst, dass es ein neuer Mann an der Seite meiner Frau Sonja besser machte als ich, hatte in mir gebohrt wie ein Holzwurm. Ich fühlte mich als Versager, als ein Nichts. Also begann ich zu trinken.

Dann traf ich ihn.

Der Junge, der mich von Anfang an kirre machte. Bei diesen Gedanken läuft mir bereits wieder das Wasser im Mund zusammen.

 

Im Alkohol-Rausch spazierte ich durch die Trennscheiben eines Supermarktes. Man kann sich die Folgen vorstellen. Schnittwunden zuhauf, einen doppelten Spiralbruch des Schienbeins inklusive. Das reichte fürs Krankenhaus.  

Und genau da begann mein Sinneswandel, die Neuorientierung meiner Gefühlswelt.

Mein Glück.

Als die dreiwöchige Kur (Rehabilitation) in einer Ostseeklinik anstand, war dort kein Zimmer frei. Was nun? Unter Voraussetzung einer Betreuung sollte ich für eine Woche nach Hause geschickt werden. Man traute mir nicht zu, mich mit zwei Gehhilfen allein zu versorgen.

Man hätte recht gehabt, sicher wäre ich verhungert …, es gab niemand, der auf mich wartete.

Aber das Schicksal meinte es gut mit mir. Mit Fin begann meine Zukunft, in der ich jetzt schon lebe. Und sie ist wunderbar. Meine Vergangenheit konnte mir nichts mehr anhaben, ich hatte sie überwunden.

 

 

Stunden der Besessenheit

 

Eine Taxifahrt

 

Das Taxi brachte mich um zehn Uhr von der Uni-Klinik zum Dammtor-Bahnhof. Ich hatte dem Therapeut eine SMS zukommen lassen. Sein Name: Fin.

Der Verkehr war mäßig, wir kamen schnell voran. Der Chauffeur schob eine Scheibe  in den CD-Spieler: 'Silbermond mit Verschwende deine Zeit'. Der Titel war mir auf den Leib geschrieben, ich ergänzte ihn um: nicht mit der Vergangenheit was mich zu einem Grinsen herausforderte … 

Wir durchquerten Hamburgs feinsten citynahen Stadtteil. Wieder wurde mir bewusst, wie sehr mir die Stadt lag. Hier die fünfstöckigen Häuser aus der Gründerzeit mit ihren verschnörkelten Balkonen und Putten, davor meist Linden, die Autofahrer beim Parken zur Weißglut bringen. Aber nur während der Blüte.

Der Fahrer sprach mich nicht an. Vielleicht konnte er bis auf Namen der innerstädtischen Straßen kein Deutsch, vielleicht mochte er mich nicht. Jedenfalls gefiel mir sein Schweigen.

 

Ich sah Fin bereits, als das Auto auf die Rückseite des Bahnhofvorplatzes einbog. Er winkte wie jemand, der auf dem Bahnsteig inmitten der vielen Reisenden einen Ankömmling suchte. Das verhieß gute Laune.

Meine Gedanken gingen zurück auf unsere fast täglichen Begegnungen im Krankenhaus.

Er war mein Therapeut.

Aufeinander angewiesen, begleitete er mich bei meinen Gehübungen regelmäßig, gab Anweisungen, korrigierte mich und das behutsam. Er war ein nachsichtiger, zurückhaltender Trainer.

Zuerst lehnte ich ihn ab, anfänglich schien er mir zu vorlaut, zu selbstbewusst und obendrein zu neugierig. Aber unser Verhältnis besserte sich mit jedem Tag, an dem ich seine Vorgaben befolgte. Wir akzeptierten uns. Schließlich hatten mich sein Können und unsere Gespräche überzeugt. Als er mir von seinen zwei Müttern erzählte, war der Bann zwischen uns vollkommen gebrochen, er wurde mir sympathisch. Eine Auseinandersetzung brachte diese Haltung am vorletzten Tag zum Wanken. Ich benahm mich daneben, mehr als das, ich gebärdete mich als Chauvi, brüllte alles und alle zusammen. Fin war mein auserwähltes Opfer. Wir hätten kein Wort mehr miteinander gewechselt, wäre ich nicht zur Einsicht gekommen. Ich entschuldigte mich bei ihm kleinlaut, und er akzeptierte mein Einlenken mit Nonchalance.

Eine große Geste.

Meine Sympathie für ihn nahm eine neue Dimension an.

Dies alles bewog mich, ja zu seiner Betreuung vor der Kur (Reha) zu sagen. Privat sozusagen, er hatte nämlich zur selben Zeit (wie meine Zwangspause) Urlaub. Ich stellte mir die paar Tage mit ihm so vor: Um zehn Uhr morgens sollte er bei mir eintreffen. Um vier Uhr nachmittags würde ich ihn entlassen. Das wären sechs Stunden am Tag. Da er auch in Hamburg und immer noch bei seinen Müttern wohnte, hätten er und sie auch füreinander Zeit, andererseits er für sich selbst. Junge Menschen brauchen Freiraum. Die Zeit bei mir könnte ausreichen, alle Besorgungen zu erledigen, gegebenenfalls das Essen zuzubereiten und zweimal am Tag das Gehen zu vervollkommnen, das immer noch nicht sicher genug war.  

Natürlich verschwiegen wir den Krankenhausmitarbeitern und Ärzten die bevorstehende Konstellation. Es hätte wohl nur Rederei gegeben. Und wer weiß, was man Fin vorgeworfen hätte, dabei wollte er sich nur Geld verdienen, sein Medizinstudium begann nämlich im November.

 

Sein Aussehen machte mich jetzt allerdings stutzig. Da ich aber neben dem Fahrer saß, passierte nichts weiter, als dass ich mich energisch in meinen Sitz drückte. Hatte er mich im Krankenhaus blind gemacht? Waren dort seine Ernsthaftigkeit und Natürlichkeit nur gespielt?

Warum trug er heute eine so auffällige Kleidung?

Rotbrauner, weiter Lederblouson. Vorn zwei wuchtige, quadratische Taschen, man könnte meinen, er gehöre einer Militäreinheit an. Sein Haar steckte unter einer roten Legionärsmütze, die diesen Anstrich unterstützte.

Was wollte er zum Ausdruck bringen?

Für Aufdringlichkeit fehlte mir jedes Verständnis.

Ich war wirklich platt.

Konnte diese Hilfe gut gehen?

Und dann die nur bis zur Hälfte zugebundenen Schnürstiefel. Sofort war ich an Rockerbands erinnert, die phasenweise Zeitschriften, sonstige Berichte und die Mattscheiben überschwemmten. Mit ihnen hatte ich nichts im Sinn. Sie mit mir natürlich auch nicht.

Was war in Fin gefahren? Ich hatte ihn so überhaupt nicht eingeschätzt, eher wie einen Denker. Manchmal glaubte ich sogar, dass er etwas weltfremd war.

Wollte er mir imponieren? Das wäre voll daneben. Er konnte es auch nicht. Er war nämlich keiner dieser Typen, denen Gewalt und Brutalität aus dem Gesicht sprangen.

Meine Skepsis löste sich wie eine dunkle Nebelwand bei Sonnenschein auf, als ich seine Miene wahrnahm: ein Lächeln ohne Absicht, eins, was allein aus seinem Inneren zu kommen schien. Offensichtlich freute er sich darauf, mich während der paar Tage zu unterstützen.

Ich lächelte zurück.

Er sagte, dass er Motorrad-Freak wäre, dass er mit seiner BMW gekommen sei und diese in der Garage im Hotel nebenan abgestellt hätte. Seinen vorgeschriebenen Helm hätte er in einer Seitentasche der Maschine verstaut.

Im Stillen schimpfte ich mit mir. Wie schnell man sich vertun kann!

Sein Gang zum Wagen war schaukelnd, aber leicht, wie Jugendliche das oft an sich haben.

Währenddessen lauschte ich dem rhythmischen Klang des Motors.

Seine Sommersprossen grinsten mich an wie beim ersten Zusammentreffen. Ihr Gegensatz zur weißen Haut war nie bestechender, nie auffälliger. Damals, als er sich als mein Therapeut vorstellte, musste ich an Pippi Langstrumpf denken. Das ahnte er, worauf er meinte, dass ihm nur die Pigtails fehlten. 

„Meinten Sie Zöpfe?“, fragte ich pikiert. Gewisse englische Fremdwörter kotzten mich an, obwohl ich sie unbewusst selbst benutzte. Man findet sie heute beinahe in jeder Werbung, an jeder Ladentür (closed oder open), von der Computersprache ganz zu schweigen. Ich hasste sie, weil sie unsere Sprache verhunzen. Damit hatte er gleich bei mir verschissen.  

Fin stieg im Fond ein.

Der Fahrer lenkte sein Auto um die Parkinsel herum, nahm Richtung Stephansplatz, bog dort nach rechts in den Holstenwall ein. Wir sprachen kein Wort, aber ich beobachtete ihn. Seine Augen hatten jenes Strahlen, das Schulkinder beim Lob des Lehrers überzieht. Er war entspannt, was ihn jetzt jünger machte, als er in Wirklichkeit war. Aber bei dreiundzwanzig Jahren ist das vielleicht Unsinn, was ich da von mir gebe.

 

Blick über den Strom

 

Nach zwanzig Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Die Taxe hielt unterhalb des Süllbergs am Ende einer Sackgasse, von hier führt eine Treppe zur Elbterrasse. Mein Domizil lag fast an der Straße, dennoch waren es vierzig Stufen, die man bewältigen musste. Fin warf sich den langen Trageriemen meiner Tasche über den Kopf und drehte das Gepäck auf den Rücken. Dann gab er mir eine der zwei Gehhilfen.

Während ich mich am eisernen Geländer mit einer Hand festhielt und Stufe für Stufe nahm, sprang er nach unten. Eh ich mich versah, verschwand er hinter der Gartenpforte, Haus Nummer 1.

Ich hörte ihn singen.

Als ich endlich im Garten stand, sah ich ihn über die noch nicht vom letzten Jahr gesäuberten Rosenbeete hopsen, dann flitzte er auf den Ausguck, von wo ich

„Mann, der reinste Wahnsinn!”

hörte und kam zurück. Seine Miene strahlte, der Glanz seiner Augen zeugte von Freude, die er wohl beim Anblick der Elbe und der beiden Inseln empfunden haben wird. Er konnte sich nicht einkriegen. Offensichtlich nahm er erst jetzt das versteckt liegende Haus am Ende des Gartens wahr. Es stammt aus dem 18ten Jahrhundert.

Ich hatte mich gegen den Eingangstürrahmen gelehnt.

Sein Übermut, seine Fröhlichkeit ließen mich seine Kleidung vergessen. Was junge Menschen für eine himmlische Atmosphäre verbreiten können, wenn es ihnen gut geht. Er kam angerannt, stellte seine Tasche links am Eingang ab und legte von hinten seine Hände über meine Schulter.

Nanu, das hatte ich natürlich nicht erwartet.

Ich hatte seine Sympathie, aber mehr konnte es angesichts unseres Altersunterschiedes auch nicht geben. Als er seine Brust aber an meinen Rücken presste, sein Untergestell gegen meinen Po, sagte mir mein Gefühl, dass diese Haltung Zuneigung widerspiegelte, Vertrautheit, die man selten offenbart. Von solchen Gefühlsausbrüchen konnte ich vorher nicht ausgehen. Daher war ich auch nicht auf sie vorbereitet. Als er mich berührte, flutete ein elektrisierender Strom durch meine Adern. Was war mit mir?  

Er flüsterte mir zu, wie ihm das alles gefalle. „Die Tage hier werden mich glücklich machen!”

„Vorsichtig, ich weiß nicht, wie sie mir bekommen werden!”, gab ich ihm zu bedenken.

Er blickte mich verwirrt an.

Unwillkürlich kam mir der Gedanke, dass seine Formulierung darauf abzielte, bei mir zu schlafen, was ja einfacher für ihn wäre, als jeden Tag aus Eppendorf anzureisen. In jedem Fall kam das für mich nicht in Frage. Ich brauchte meine Unabhängigkeit. Dennoch hatte ich jetzt nur einen Wunsch, ihn zu umarmen. Das käme einer Wiedergutmachung meines Fehlverhaltens gleich. Außerdem hatte ich mehr als ein halbes Jahr zu niemand näheren Kontakt.

Ich ließ es. Meine Zurückhaltung hatte allerdings einen fadenscheinigen Grund. Frau Balin, meine Nachbarin über meinem Grundstück, wird uns sicher hinter ihren Gardinen beobachten.

Wieder diese Feigheit, die mein ganzes Leben kennzeichnete. Bloß nichts Unerlaubtes oder für andere Anormales tun.

Fin lachte mit einer Zuversicht, die mich ansteckte. Ich fühlte mich plötzlich jung und voller Tatendrang. Es war, als würde mich ein Rausch erfassen, ein Kick, der mich anregte.

Ich drehte meinen Kopf zu ihm nach hinten und schon drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange.

Nun hatte meine Nachbarin doch etwas zu vermelden!

„Öffnen!”, stieß er aus.

Ich ging vorweg.

Bewaffnet mit den beiden Gehhilfen und meiner Tasche folgte er mir.

Immer diese Fröhlichkeit im Gesicht …

Sein Lachen ist ein Lächeln geworden, es war sanft. Ich schloss die Tür auf. Ohne abzuwarten, huschte er an mir vorbei.

„Philipp!”, rief er begeistert aus, „du und ich, ist das nicht total cool?”

Es war das erste Mal, dass er mich duzte. Er hatte mich nicht gefragt, ob er das durfte. Ich hätte es ihm sofort erlaubt. Nun brauchte ich mir hierüber keine Gedanken mehr zu machen.

Sein Satz hörte sich sehr pubertär an. Aber wen störte das? Er küsste mich gleich auf die Lippen, und ich ließ es geschehen. Keine Einwände mehr, keinen Zweifel.  

Er war so ungestüm, dass ich beinahe stürzte, wofür er sich entschuldigte. Er ließ mich wissen, dass er lange auf diesen Augenblick gewartet hätte, und dass sein Glück darin bestand, dass ich nicht gleich zur Reha konnte. Da wäre in ihm der Plan gereift, mir das Angebot zu machen, die paar Tage zur Verfügung zu stehen.

„Denn Hilfe brauchst du immer noch!”

Ein Plan gereift? Hatte er nicht vorher vom Zufall gesprochen, gerade jetzt ein paar Tage frei zu haben? War er doch ein Schlitzohr?

Mir kam sein Angebot damals allerdings zur rechten Zeit, denn sonst hätte ich ins Hotel gehen müssen, eine miese Vorstellung.

Mir waren die Worte der Oberschwester noch im Ohr, die sagte, ich könnte jetzt allein fertig werden. Spazierengehen in den Gängen meiner Station natürlich, aber Besorgungen konnte ich wirklich nicht unternehmen – schon gar nicht hier im 'Treppenviertel'  - und das Frühstück zubereiten, das Abendessen zusammenstellen, ebenso nicht. Ich brauchte für diese Tage in jedem Fall jemand, und das hatten Ärzte im Krankenhaus erkannt.

Als ich meine Jacke ablegen wollte, seine war längst irgendwo hin geflogen, half mir Fin sofort.

 

 

Überraschung

 

Ich setzte zuerst einen Kaffee auf. Ich schwor mir, während Fin mit ziemlichem Getöse durch die Räume sprang, nichts zu überstürzen, verhalten zu bleiben, meinem Alter gemäß, auch wenn ich mir schon einmal im Traum einen Orkan mit ihm gewünscht hatte. Ich dachte, dass es besser wäre, wenn Fin erst einmal zur Ruhe kommen würde. Dann hätte ich mir nichts vorzuwerfen. Ich sah auf die Uhr, wir hatten bis sechzehn Uhr noch genügend Zeit, in der er sich umsehen und ich Anweisungen zum Kauf einiger Lebensmittel geben konnte. Danach werde ich erst einmal meine eigenen Räume genießen und mich auf die Veranda zurückziehen. Von ihr hat man einen herrlichen Blick durch den Garten hindurch zur Elbe hin, die achtzig Meter tiefer liegt. Mein Haus steht nämlich oben am Hügel.

Ich hatte mich gerade im Bad kämmen wollen, als er hinter mir auftauchte.

Ohne Kleidung … ein nackter junger Mann …ein Spiegel kann nicht täuschen!

Wie lange war es her, dass ich am Strand von Sylt nackte Menschen gesehen hatte? Wie lange hatte ich keine Pornos mehr gesehen, und wenn, ging es doch immer nur um Frauen. 

Nein … nein, das durfte er nicht tun …

Angst erfasste mich. Wohin könnte seine Blöße gleich führen? Schon spürte ich sein erigierendes Glied. Gefährdete er nicht unser gegenwärtiges Dasein? Könnte sich unser Leben nicht in eine Richtung bewegen, die wir beide nicht wollten?

Wahrscheinlich ist seine Traute nur Übermut!

Man darf sich in solchen Situationen nicht anstecken lassen, selbst wenn die Gefühle etwas anderes signalisieren. Ich hatte nur Mädchen geliebt und Frauen. Es kann nicht sein, dass mich ein Männerkörper reizte. Ein Hormonwechsel in meinem Alter ist ausgeschlossen, davon war ich überzeugt. Und doch …

Der Schreck brachte meinen Körper zum Zittern. Seine Arme ruhten immer noch auf meiner Schulter.

Ich könnte ihn wegstoßen.

Könnte die Dinge richten. Was tat ich? Nichts. Meine Hände waren gelähmt, mein Mund verschlossen. Von mir war nichts zu erwarten.

Er presste seinen Körper gegen mich, sein Geschlecht stärker gegen mein Hinterteil. Mir wurde mulmig. Meine Gedanken waren einzig und allein auf mein Unvermögen gerichtet, mein Versagen, ich könnte ihn enttäuschen. Zwanzig Jahre Unterschied. Das konnte nicht gut gehen. Mein Körper schlotterte. Die Barthaare seines Kinns kitzelten an meinem Hals. Als seine Zunge über meinen Nacken glitt, durchfuhr mich ein nie erlebtes Gefühl. Es prickelte eindringlich. Nicht nur an der berührten Haut. Ich wehrte mich nicht.

Leitete ich mit meinem Einverständnis eine unheilvolle Entwicklung ein?  Wie sollte sie beginnen? Ich war ahnungslos.

Fin … ohne Vorankündigung …Wie kam er dazu? Nur Dreistigkeit eines jungen Mannes?

Natürlich!

Er hatte Raketen unter seiner Haut wie alle Twens. Jederzeit zur Zündung bereit. Aber ich?

 

Die Vergangenheit blitzte in mir auf, nicht Charlotte, meine Geliebte, es war die erste innige Begegnung mit Sonja. Wir konnten nicht warten. Wir waren früh morgens am Strand. Wir waren allein. Obwohl kühl, gab es kein zurück. Plötzlich lagen unsere Kleidungsstücke am Boden. Wir hopsten in ein Ruderboot.

Alles war egal. Es musste sein, wir fühlten dasselbe. Sonja lachte, strahlte Glück aus.

 

Genau diese Empfindungen überfielen mich jetzt.

Die Erinnerungen lösten allerdings nichts mehr in mir aus. Sie kamen zwar an die Oberfläche meines Bewusstseins, aber berührten mich nicht mehr. Ich wollte sie auch nicht vergessen, ich wollte ihnen nur keine Träne mehr nachweinen. Was gewesen war, gehörte der Vergangenheit an.

Heute ist heute!

Als Fin meine linke Hand auf seinen Po legte, verschwand Sonja aus meinem Blickfeld. Jetzt waren er und ich allein.

Es war eingetreten, was ich einmal im Traum vor mir sah, aber wovor ich mich fürchtete. Sein Alter, meine Unerfahrenheit mit einem Mann zusammen zu sein, die Schnelligkeit des Geschehens.

Außerdem bereitete mir das Wie Probleme.  

Dennoch spürte ich Sehnsucht nach seinem Körper, ein neues Begehren, das mir in dieser Form unbekannt war.

Später sollte es mich fast zerfressen.

Es war mehr als ein Gefühl.

Es war wie ein Sog.

Steckten dahinter unerfüllte Wünsche? Waren meine wirklichen Empfindungen in der Ehe verschütt gegangen? Hatte Fin sie belebt?

Ich gierte plötzlich danach, seine Haut zu streicheln, seine stramme Brust zu berühren, über die feinen Härchen auf den Armen zu gleiten. Ich war verrückt nach ihm. Ich wollte, dass sich der junge Mann nach mir verzehrte.

Ob dieser Satz so stehen bleiben darf, ich kann dies nicht beurteilen.

Berühmte Frauen haben oft behauptet, dass sexuelle Wildheit, diese ungebändigte Gier nach Erotik in ihrer Seele schlummern. Danach hatte meine Begierde etwas Feminines. Gene, die bisher in mir geschlummert haben mussten.

Gleichzeitig fühlte ich eine tiefgreifende Nähe zu meinem Therapeut. Am liebsten wäre ich in ihn hineingekrochen, wie Jungs das Innere einer Höhle erobern. Ich drehte mich spontan um, blinzelte ihn fragend an.

Er verstand. Ich zog mein Hemd aus.

Er knöpfte meine Hose auf, zog die Hosenbeine nach unten, stützte mich, damit ich mich ihrer ganz entledigte. Streifte meinen Slip herunter. Dieser hatte meinen Schwanz eingezwängt, der nun wie ein vom Wind bewegter Halm heraussprang. Ich blickte der Peinlichkeit wegen unvermittelt zur Seite. Fin zog mich unter die Dusche. Wir beide sahen uns an, mir schien, dass wir uns beide schämten. Wir zitterten beide. Ich hatte später für mich hierzu eine Erklärung. Ich hatte noch nie mit einem Mann zusammen geduscht, geschweige denn mit ihm geschlafen. Nach seinen unsteten, ja sogar ängstlichen Blicken konnte ich nur ahnen, dass es ihm nicht anders ging. Und doch entnahm ich seinem Antlitz Entschlossenheit. Wir wollten es beide. Man musste nur die Grenzen überspringen, die Scham verdrängen. 

Unsere Schwänze waren steinhart erigiert, Fin presste sich gegen meinen stehenden Penis und hatte eine helle Freude daran. Er sah mich an und all seine Spannung von eben war von ihm abgefallen. Er legte beide Arme um meine Taille.

Wir legten jede Hemmung ab. Die Körper leiteten uns.

Stürmisch begann er …

Die Sinne hatten uns im Griff.

Dass ich zum Sex mit einem Mann in der Lage war, ich konnte es nicht fassen. Wie sollte ich auch gewusst haben, dass mir dieser solchen Spaß verschaffen könnte?

Es war alles so einfach.

Man brauchte nichts zu wissen, die Hände fanden allein den Weg, weil das Herz die Richtung vorgab. Jedes Detail war uns vertraut. Das warme Wasser rann unaufhaltsam unsere Haut hinunter.

Ekstase pur.

Wir riefen uns gegenseitig mit unseren Namen. Stöhnen, Seufzen, Lächeln.

Pause.

Wenn ich unser Spiel aus dem Blickwinkel eines Boxers erklären sollte, würde ich sagen, wir hingen nach den ersten Minuten noch keinesfalls in den Seilen. Fortsetzungen folgten.

Ermüdet? Nein!

Die nächste Runde stand vor uns.

Er hatte mich gedreht, ich hatte meine Arme gegen die Kacheln gestemmt, mich leicht gebeugt. Es gab kein Zurück mehr.

Ich hatte das andere Ufer erreicht.

Schon bohrten sich seine Hände in meine Haut. Seinen Kopf drückte er gegen meine Rücken, ich spürte den Rückschlag seiner Stöße im Po. Der Schmerz, den er mir zufügte, war so wahnsinnig wie der Rausch, den ich vorhin mit ihm empfand. Es dauerte, bis mein Leiden von der Lust überwuchert wurde.

Ein völlig unbekanntes Gefühl, das mich trunken machte. Später wurde ich mir bewusst, dass es mich süchtig gemacht hatte. Eine neue Art körperlicher Sehnsucht war in mir geboren, das Verlangen, gefickt zu werden.

Es ist der menschlichste Traum jedes weiblichen Geschöpfs. Nun auch von mir. 

Wir wurden eins.

„Ist das Glück?”, fragte er.

„Ich glaube!”, ächzte ich, jetzt vollkommen gelöst.

Dann hauchte er mir zu:

„Ich hatte noch nie mit irgendeinem Menschen Sex.”

„Unsere Plattform ist dieselbe: Ahnungslosigkeit. Bei mir allerdings nur, was Männer angeht!”

Es war längst nach sechzehn Uhr. Sollte Fin nicht bereits auf dem Weg nach Hause sein?

Wir trockneten uns gegenseitig ab. Dann wollte ich frische Wäsche anziehen, die ich im Schrank fand, Fin nahm sie mir einfach weg.

„Warum jetzt Wäsche”, flüsterte er mir zu. Ein Tremolo in der Stimme. Mir gefiel alles. Ich genoss seine Anwesenheit. Zwar wusste ich nicht, was in mich gefahren war, aber ich akzeptierte ihn. Ben sprach später vom Teufel. Fin hampelte vor mir her, grinste über sein wippendes Glied oder vielleicht deshalb, weil er das erste Mal jemand sexuell erregt hatte.

Ich griff nach seinem leicht verdickten Schwanz, dessen Mütze hatte sich unter dem Eichelring versteckt. Ich rieb mit den Fingerkuppen den Schaft entlang und genoss die stramme Haut, fühlte seine sich mit Blut füllenden Adern.

Die Schamhaftigkeit, oft zweifelhafter Begleiter einer ersten Berührung, manchmal sogar eines ersten Anblicks, hatte längst die Segel gestrichen.

„Musik gefällig?”, fragte ich, unterschlug bewusst, was ich gern auflegen würde: Händel. 

Nur mit Champagner!” grunzte er und lachte mir frech ins Gesicht.  

„Okay, aber was Vernünftiges!”

„Wie wär’s mit Händels Wassermusik?” 

„Wie bitte?”

„He Mann, du bist doch ein Wasserfan. Mit Duschen und so …!”

„Stimmt, wenn die Töne so sind wie deine waren … “

„Hinterher … “, ich wollte sagen, dass er danach seine mitgebrachte CD auflegen könnte, doch er unterbrach mich.

„Für danach lass ich mir was andres einfallen. Wie auch             immer …!”

Seine Gedanken kreisten nur um Sex.

 „Was von Pink. Titel: 'The Truth About Love'. Total ätzend, neue Maßstäbe aus der  O2World, harter Rock und weiche Stimme!”  

Ich nickte mit dem Kopf. Ich suchte seine Augen.

Fin schielte mich an, griente und leuchtete wie eine Butterblume. Ich legte Händel auf. Dann faltete er seinen schlanken Körper im Sessel über mir, in dem ich saß, und wir hörten andächtig zu. Na ja, ob es andächtig war, ich konnte es nicht so recht beurteilen, dauernd fummelte er irgendwo an mir herum. Mal in den Haaren, dann fuhr er mit dem Daumen über meine Lippen, bohrte mit den Zeigefingern in meinem Bauchnabel herum.

Ich störte ihn nicht dabei.

Er sagte hinterher, ihm wäre ein Teil der Musik richtig unter die Haut gegangen.

Na bitte, dachte ich. Vielleicht ist er doch noch mit der Klassik anzufreunden.

„Jetzt Pink!” 

„Dazu passt Kaffee!” Im Nu löste er sich von mir, sprintete in die Küche, nahm den Kaffee aus der Maschine, füllte zwei Becher und brachte diese zurück.

Schon lag die CD im Gerät. Fin blieb davor stehen.

Von zwei stimmgewaltigen Background - Sängerin begleitet, säuselte Pink den Song voller Emphase hin. Zugegeben: Großartig.

Mein Liebhaber hopste umher wie ihre Tänzer in aufregender Choreographie – ich hatte sie gestern Abend im Fernsehen gesehen - sprang bis an die Decke, fiel in sich zusammen, raffte sich auf, summte einige Töne mit - ein Irrwisch, außer Rand und Band.

„Pop vom Feinsten!”, rief er mir zu. Ich sah nur seine Bewegungen und seine Umrisse.

Er hatte eine wunderschöne Statur. Ausgewogen, nicht zu athletisch, aber edel wie Michelangelos David - Skulptur in Florenz. Plötzlich hingen seine Arme an meinem Hals, seine Finger kraulten meinen Nacken, seine Beine stützten meinen linken Schenkel ab. Konnte es etwas Schöneres geben?  

Ich sog seinen Geruch tief ein.

 

Fortsetzung folgt …

 

Als wir am nächsten Tag in aller Herrgottsfrühe aufwachten, lag Fin quer im Bett, sein Kopf ruhte auf meinem Bauch. Ich kraulte seine Haare, die kurz geschnitten waren. Genug Leute behaupten, dass Locken dem Aussehen eine besondere Sanftheit verleihen, was richtig sein mag. Ich denke an Hermes, (römische Marmorstatue, 2. Jh n.Chr., Kopie eines griechischen Originals) und finde sie bestätigt. 

Allerdings genoss ich mehr die Konturen seines Schädels. Verlängert man dessen Linien über das Profil, hatte ich die Wirklichkeit vor mir, ein eigenwilliges, ja energisches Konterfei.  

Ich empfand mich als Liebling der Götter.

Übertrieben?

Ich lächelte über diese Vorstellung, hatte das antike Griechenland vor Augen. Männer und Jungen.

Konnte es wirklich sein, dass mich ein junger Mann liebte?

War es Liebe?

Immer wieder diese Zweifel.

Ich selbst bekannte mich vollends zu ihm.

Gedanken an Frauen?

Nein, obwohl sie mir die schönsten Stunden meines bisherigen Lebens geschenkt hatten.

Dennoch!

Ein Zauber hatte mich erfasst. Ich konnte ihn noch nicht erklären. Fin hatte ihn in mir geweckt, ihn zum Leben verholfen.

Er zwinkerte mir zu. Sollten wir schon aufstehen?

Ich verneinte. Man müsse gute Stunden ausdehnen, ließ ich ihn wissen. Er legte sich daraufhin neben mich. Seine rechte und meine linke Hand suchten einander festzuhalten.

Ich rekelte mich, wenn er mit den Fingerkuppen über meinen Hals strich, den Nasenrücken entlang glitt und zur Brust wechselte, wo er meine Nippel umspielte. War das der Zauber, von dem ich sprach?

Inbegriffen. Ganz sicher. Ein Teil meiner Sehnsucht. Der andere rumorte in meinem Inneren, suchte nach passenden Worten, die meine Empfindungen erklären könnten. Ich hatte sie nie bei Charlotte. Bei Sonja? Darauf musste ich eine Antwort schuldig bleiben, aber ich glaube, jein, vielleicht?

„Rasiert?” Mit dieser Frage strich Fin mit der flachen Hand über meinen Brustkasten.

„Nein, es gibt keine Härchen, keine Haare, keine Stoppeln! Stört ’ s?”, fragte ich ängstlich.

„Ach, mein großer Freund mit einem Komplex?” Fin grinste bis über beide Ohren. War er mir jetzt überlegen? Verrückt, was für Gedanken mir kamen.

„Hätte es sonst so geklappt?”

Ein beruhigender Satz.

 

Draußen war es inzwischen hell geworden. Von Sonne keine Spur. Wie so oft im April, es sieht nach Regen aus. Die Zweige der Kirsche vor der Veranda bewegten sich leicht. Ihnen fehlte noch das Grün. Es war zu kalt im Winter, der Frost setzte zu spät ein und hielt zu lange vor.

Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte, was er an mir so anziehend fände. Unsinn.

Fin wird es wissen. Wäre sein Motiv unehrlich, wäre er nicht so unbeschwert aufgetreten. Er hatte mich mit seinem Pflege-Angebot akzeptiert. Das stand fest. Und Geld war für ihn kein Thema, wie ich anfänglich glaubte.

Wer sich nackt präsentiert, ist entweder unverfroren und will sich nur produzieren oder offenbart seine Bedenkenlosigkeit, seine Zuneigung, seine Hoffnung. Mein Alter spielte für ihn keine Rolle. Er zuckte nicht mit den Augen, als er meine kleine Falte am Bauch wahrnahm. Ganz zu schweigen von den Lachfältchen an den Augen.

Wie angenehm.

Wir schwiegen beide.

Mir war, als ob auch Fin seinen Gedanken nachhing. Ob er auch an unsere Unersättlichkeit dachte? An die Gier, jenen Wahnsinn, der uns in den Bann zog, nicht voneinander zu lassen? An das Festkrallen der Hand im Fleisch des anderen, an die Schnelligkeit der Bewegungen? Danach das Einseifen, das himmlische Duschen, und Abbrausen.

Die folgenden Tänze waren besonnener. Sie wirkten nachhaltiger.

Fin sprach von gigantisch.

Na ja, der Ausdruck ist nicht poetisch, aber aussagekräftig. Das Erlebnis wird uns unvergessen bleiben, meine Überzeugung. Das erste Mal, dass wir mit einem Mann schliefen.

Ich ließ meine Augen kreisen. Wir lagen im Ehebett, und doch hatte ich noch keinen Augenblick einen mich belastenden Gedanken an Sonja verschwendet.

Ich hatte sie überwunden. Endgültig.

 

Ein bisschen Vergangenheit

 

Fin begann plötzlich, aus seinem Leben zu erzählen.

Komisch eigentlich, oder doch Zeichen eines besonderen Vertrauens?

„Weißt du, wann ich geboren wurde? Am 3. Oktober l990!”

Jetzt sah er mich an. Er schien darauf zu warten, dass ich ihn mit einem Ereignis verknüpfte. Tatsächlich, Ich hatte den Schriftzug im Kopf. Was war damals passiert? Richtig….

„Die Deutsche Wiedervereinigung wurde durch den Beitritt der DDR zur BRD vollzogen!” 

„Wow!”

Vor meinen Augen rollte ein Teil der Geschichte ab. Die Teilung Deutschlands, die einzelnen Besatzungszonen, der Aufstieg einer jungen Demokratie, der Bundesrepublik Deutschland. An diesem Tag hatte sich die Welt verändert. Meine Gedanken gingen auf den Beginn der friedlichen Revolution 1989 zurück. Was für eine bedeutende Zeit: der 9. November, dem Fall der Mauer am Brandenburger Tor. Der Kalte Krieg zwischen der UdSSR und der USA war beendet.  

Wer weiß, was der Jugend in der Zukunft bevorsteht.

„Woran denkst du?”

„Zuerst an meine Mütter! Du musst wissen, dass meine Zeugung Mutter aus dem Gleichgewicht stürzte. Sie war ein Tiefschlag für sie.”

„Wie das?”, fragte ich erstaunt.

„Als mein Grundstein gelegt wurde, war meine Mutter US-Soldatin. Genau gesagt: Krankenschwester. Es gibt bei der US-Armee viele von ihnen. Ich stamme von einem Vergewaltiger ab, er war ihr Vorgesetzter.”

Fin hielt einen Augenblick inne. Seine Offenbarung rüttelte irgendetwas in ihm wach. Hatte seine Seele entfacht. Vielleicht auch sein Herz? Ich glaubte, Feuchtigkeit in seinen Augen wahrzunehmen.

Er drehte verschämt den Kopf zur Seite.

„Soll ich uns einen Kaffee machen?”, fragte er unvermittelt. Ich vermutete, dass es eher Verlegenheit war, die ihn in die Küche trieb.

Aber auch das war mir recht! Ich hörte das Wasser laufen, dann Geräusche mit der Kaffeemaschine.

Guter Einfall.

„Milch?”

Ich bejahte.

Der Verschluss der Kaffeedose, das Tröpfeln des Aufgusses, das Klirren der Becher, der Klick des Filters beim Einrasten, das Gluckern der Milch aus der engen Öffnung, der Riegel der Küchenschranktür, nie haben mich die Geräusche mehr berührt als im Augenblick. Mir wurde bewusst, dass man als Journalist auf solche Nebensächlichkeiten achten muss, damit man sie beschreiben kann. Erst sie machen eine Schilderung plastisch. Vielleicht war es das, was meinen Erzählungen fehlte und meiner Frau an ihnen missfiel?

 Fin kam mit zwei Bechern duftenden und dampfenden Getränks zurück.

„Wünschen der Herr weitere Zutaten?”, gab er lachend von sich.

„Vorstellbar ist es, aber kalter Kaffee ist nicht so mein Ding!”

„Weiter erzählen? Noch interessiert?”

Natürlich war ich das, aber andererseits wäre eine Erfrischung nach der Nacht empfehlenswert, besser gesagt, eine Säuberung.

Fin las meine Gedanken.

„Erst schnell unter die Dusche!”, sagte er mit entwaffnender Überzeugung. 

Wieder so eine Überraschung.

Er setzte meine Gedanken nämlich fort. Wirklich, das war Telepathie. Oder wollte er mich nur entlarven? Wollte er meine Ohnmacht nach gestern Nachmittag entdecken? Schwäche, über die er bei älteren Männern gehört hatte? Quatsch.

Er hatte einfach wieder Lust. Ich auch.

 

Fin war nicht zu bremsen

 

Ich bewegte mich behutsam aus dem Bett. Fin wartete davor, wollte wohl sehen, wie ich mich fühlte. Seine Augen waren auf meinen Unterleib gerichtet, und dieser konnte ihm nichts vormachen. Ich hatte eine Latte. Kaum entdeckt, machte Fin es mir nach. Wir lachten beide lauthals. Wir hatten gleichzeitig das Gefühl, schon nach den paar Stunden des Zusammenseins ein verschworenes Paar zu sein.

Fin drehte den Wasserhahn auf. Die warmen Strahlen ließen uns wohlig seufzen.

Wir seiften uns gegenseitig ab. Zuerst den Rücken. Fin begann.

Dieser Schelm, als er mit einem Lappen über meinen Po wischte, schnellte seine Hand - unbeobachtet von mir - nach vorn und berührte meinen harten Penis, zog die Haut über die Eichel und beließ es dabei. Das hatte er gestern gelernt. Er wusste genau, dass es nun von mir keinen Rückfall mehr geben wird.

Dann forderte ich ihn auf, sich umzudrehen, damit ich mein Werk beginnen konnte. Ich nahm dazu einen mit Noppen versehenen Massagehandschuh aus dem Regal, und der machte Fin noch zappeliger als er schon war. Geschickt mit ihm auf der Haut gekreiselt, und schon hüpfte sein Schwanz vor Vergnügen auf und ab.

Das konnte ja noch heiter werden!

Nun vor mir ein scheinbar wehrloser Mann, offensichtlich von einer Tarantel gestochen. Auf Zehenspitzen wippte er hoch und runter wie Tänzerinnen auf der Bühne. Sein leichtes Stöhnen, unterbrochen von schnellem Atem, machte aus mir einen Champion. Ich ergriff energisch seine Eier, zerrte hemmungslos an ihnen herum und merkte, dass ihm eine leichte Gewalttätigkeit, aber noch keine Brutalität, sehr zusagte. Er keuchte nämlich vor Vergnügen. Fin hatte ja bisher keine Sex - Erfahrungen, also wusste er auch wenig über sexuelle Praktiken und deren Wirkungen Bescheid. Rohheit kann durchaus stimulierend wirken, oft sogar nicht zu bändigende Lust auslösen. Besser, ich spräche von Gier, nur scheint mit dieser Begriff zu negativ besetzt.

Ich bückte mich, schnappte urplötzlich nach seinem Glied. Mit seiner Steife passte es kaum in meinen Mund. Wahrscheinlich musste ich mich mehr als er anstrengen. Fin juchzte dabei, als er sich rhythmisch bewegte. Ich hatte meine Lippen zusammengepresst, so dass sein Eichelring eine natürliche Begrenzung fand, der Schaft nicht aus meinem Rachen sprang.