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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 6

 

Whistlers Weg

 

Ein Mann auf der Suche nach sich selbst – und im Mittelpunkt kosmischer Ereignisse

 

Rüdiger Schäfer

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Das Jahr 1513 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: In Anthuresta, einer fernen Galaxis, haben Menschen ein neues Sternenreich aufgebaut, das sich rings um das Stardust-System erstreckt. Noch gibt es Kontakte zur Erde, doch diese reduzieren sich von Jahr zu Jahr.

Mit ihren Raumschiffen erforschen die Stardust-Terraner ihre nähere kosmische Umgebung, ihre Abgesandten treten in Kontakt zu außerirdischen Völkern. In schier unglaublicher Ferne entwickelt sich eine neue Menschheit mit eigenen Visionen.

Im Rahmen einer diplomatischen Mission reist Perry Rhodan von der Erde aus ins Stardust-System. Eigentlich ist ein harmloser Auftritt geplant, der vor allem offizielle Gespräche mit Politikern umfasst. Doch während Rhodan die »ferne Menschheit« besucht, taucht ein unbekannter Feind auf: Sogenannte Amöbenschiffe greifen an, zerstören Raumschiffe und attackieren Welten.

Wegen seiner großen Erfahrung entschließt sich Rhodan, sofort zu handeln: Er betritt eine der geheimnisvollen Immateriellen Städte und will auf diese Weise zur Superintelligenz TALIN vorstoßen – doch dann gerät er in Gefangenschaft, muss ums Überleben kämpfen und wird unverhofft gerettet. Sein Retter ist Timber F. Whistler, ehemals ein Mensch und längst ein Wesen mit kosmischer Erfahrung.

Whistler und Rhodan treten gemeinsam gegen die Gefahr an – und Rhodan erfährt mehr über WHISTLERS WEG ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner hat viele Fragen.

Timber F. Whistler junior – Der ehemalige Administrator hat neues Wissen.

Eritrea Kush – Die Admiralin hat diesmal eine andere Rolle zu spielen.

Kerat Tinga – Der Jaranoc hat wenig zu sagen.

Posimon – Die Kleinpositronik hat nicht nur eine spitze Zunge.

1.

Jaroca, 22. Mai 1513 NGZ

 

Die gut zwei Meter durchmessende Kugel schwebte über den versammelten Jaroc und leuchtete in hellem Weiß. Perry Rhodan blickte auf die Gestalt, die er innerhalb der transparenten Sphäre deutlich sah. Sie hatte die Arme ausgebreitet und trug eine eng anliegende, ebenfalls weiße Kombination mit einer schmalen Seitentasche und kniehohen, hellgrauen Stiefeln.

Rhodan hatte Timber F. Whistler sofort erkannt, obwohl er nicht in dem gewohnten Robotkörper, sondern als junger Mann um die dreißig erschienen war. Eine Projektion? Möglich. Die Nachricht, die Rhodan in der Stardust-Felsennadel empfangen hatte, war noch von dem alten Whistler auf den Weg gebracht worden.

Wie konnte er so schnell hier sein?, fragte er sich unwillkürlich. Kerat Tinga hat den Notruf frühestens vor ein paar Minuten abgeschickt.

Doch das waren Fragen, um die er sich später kümmern konnte. Seine aktuelle Situation war kritisch: Er stand waffenlos und lediglich mit einem kittelähnlichen Opfergewand bekleidet inmitten einer Horde ziemlich aufgebrachter Jaroc. Die Echsenwesen bezichtigten ihn, eines ihrer wertvollsten Artefakte gestohlen zu haben.

Virvird, der Schamane, der sie in den letzten Tagen begleitet hatte, stierte abwechselnd auf den schwebenden Whistler und den konsternierten Rhodan. Schließlich rang er sich zu einer Entscheidung durch, sank auf die Knie und beugte sich so weit nach vorn, dass sein Gesicht den nackten Fels berührte. Sein Zeremonialstab, der mit Dutzenden von Platinen, Dioden und anderem Technoschrott behängt war, fiel klirrend zu Boden.

Zögernd folgten die anderen Schamanen, die sich vor den Schreinen versammelt hatten, seinem Beispiel. Nach und nach warfen sich die Jaroc vor Whistler in den Staub. Das bislang allgegenwärtige Geschnatter der Menge war schlagartig verstummt, und die nachfolgende Stille wirkte geradezu unheimlich.

Kerat Tinga, der auf der unteren Ebene des Heiligtums mit gezogener Waffe verharrte, beobachtete das Geschehen ebenso überrascht wie Rhodan.

»Wer ist der Typ?« Die Frage Posimons hallte wie ein Pistolenschuss durch das arenaartige Gewölbe. Die Stimme des wurmähnlichen Roboters riss Rhodan endgültig aus seiner Passivität.

»Wir sollten von hier verschwinden«, sagte er.

Im gleichen Moment fühlte er, wie er schwerelos wurde und in die Höhe stieg. Gleiches geschah mit Kerat Tinga.

Wehmütig warf Rhodan einen Blick über die Schulter. Der Schrein mit dem Transmitterkäfig fiel schnell hinter ihm zurück. Zu gern hätte er sich näher damit beschäftigt. Womöglich wäre es ihm gelungen, das uralte Gerät wieder funktionstüchtig zu machen, herauszufinden, ob es eine Empfangsstation gab, die man erreichen konnte.

Auch der zweite, leere Schrein hätte seine Aufmerksamkeit verdient gehabt. Worum handelte es sich bei der mysteriösen Phiole, die allem Anschein nach von Anthur gestohlen worden war? Was machte sie für den angeblichen Boten der Superintelligenz TALIN so wertvoll? Und wohin war er mit dem Artefakt geflohen?

Inzwischen hoben die ersten Jaroc zögerlich die Köpfe. Auch Virvird war offenbar der Ansicht, dass er für den Moment genügend Unterwürfigkeit gezeigt hatte, und kam ächzend auf die Beine. Seine Blicke trafen die des Terraners, und die Miene des Schamanen verwandelte sich in eine Grimasse des Zorns.

»Erhebt euch, Pilger!«, rief der Jaroc mit donnernder Stimme. »Huldigt nicht einem falschen Gott, sondern schaut die Scheinheiligkeit und die Hinterlist der Ungläubigen. Jene, die sich als unsere Freunde ausgaben, sind in Wahrheit die Diener des Bösen! Jene, die uns ihre Hilfe anboten, haben den Verkünder geschmäht und die Reinheit des Bewahrers beschmutzt! Sie haben uns hintergangen und ausgenutzt! Dafür sollen sie mit ihrem Leben bezahlen!«

Mit jedem weiteren, von Virvird in heiligem Zorn hervorgestoßenen Satz sprangen mehr Jaroc auf und brüllten ihre Zustimmung heraus. Hunderte von Fäusten reckten sich Whistler, Rhodan und Kerat Tinga entgegen. Hellebarden und Schwerter wurden geschüttelt, Armbrüste gespannt und mit den typischen sternförmigen Geschossen geladen, die Perry Rhodan und Kerat Tinga bereits kennengelernt hatten.

Virvird ist alles andere als dumm, dachte Rhodan. Ihm ist klar, dass man ihn für unsere Flucht verantwortlich machen wird. Wenn er uns jetzt zu Dämonen erklärt, stärkt das seine Position, und er kann später behaupten, die Götter hätten sich ihm im letzten Moment offenbart.

»Ergreift sie!«, schrie der Schamane ekstatisch und fuchtelte so wild mit seinem Zeremonialstab, dass sich einige der Platinen und Dioden lösten und durch die Gegend flogen.

Die ersten Wurfgeschosse zischten heran. Einige Jaroc schleuderten kurze Speere. Diejenigen, die keine Waffen besaßen, griffen nach losen Steinen und Geröllbrocken.

Rhodan duckte sich unwillkürlich, doch sämtliche Projektile prallten wirkungslos an einer unsichtbaren Barriere ab. Das versetzte die Jaroc endgültig in Raserei.

»Worauf warten wir eigentlich noch?«, meldete sich Posimon zu Wort. »Machen wir, dass wir hier wegkommen!« Ausnahmsweise war Rhodan mit seinem kleinen Quälgeist einer Meinung.

Whistler nickte ihm kurz zu, dann setzten sich die seltsamen Sphären in Bewegung. In beinahe gemächlichem Tempo schwebten sie über die versammelten Jaroc hinweg, die ihrem Unmut mit wilden Flüchen und Drohgebärden Ausdruck verliehen. Nach wie vor versuchten viele von ihnen, die Flüchtenden mit den Geschossen aus ihren Armbrüsten zu treffen.

Der Terraner sah, wie Virvird stumm und mit hängenden Schultern vor dem leeren Schrein stand, in dem sich die Phiole befunden hatte. Ein bisschen tat ihm der Schamane leid.

Rhodan erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Außerirdischen, als wäre es gestern gewesen. Vor mehr als 3000 Jahren hatte er als erster Mensch den Mond betreten, und für einen kurzen Moment durfte er sich für den Vertreter einer Spezies halten, die den Gipfel des technischen Fortschritts erklommen hatte. Die Entdeckung des notgelandeten Forschungskreuzers einer außerirdischen Zivilisation belehrte ihn eines Besseren.

Thora, die stolze Arkonidin und Kommandantin des gigantischen Kugelschiffs, hatte sich geweigert, auch nur mit ihm zu sprechen. In ihren Augen war er ein primitiver Barbar gewesen, ein Angehöriger einer unterentwickelten Lebensform, deren natürliche Entwicklung durch eine Kontaktaufnahme empfindlich gestört werden konnte.

Damals hatte Rhodan diese Einstellung für überheblich und verletzend gehalten, doch die Jahrhunderte hatten ihn gelehrt, dass die Arkoniden durchaus gute Gründe für ihre Überzeugung anführen konnten. Die Folgen eines Erstkontakts mit einer kulturell und technisch weniger weit fortgeschrittenen Gesellschaft waren unabsehbar. Ein solcher Kontakt konnte die rückständigere Zivilisation im schlimmsten Fall vollständig zerstören. Rhodan hoffte von ganzem Herzen, dass es den Jaroc besser ergehen würde.

Sie verließen das Heiligtum schwebend durch eines der drei Tore der Verehrung. Draußen erwartete sie der ewige trübe Dauertag des Planeten mit seinen zahlreichen Rottönen. Die Sphären stiegen auf Whistlers Geheiß schnell nach oben und nahmen dann Kurs auf die ferne Linie einer Bergkette. Rhodans Vermutung, dass der ehemalige Stardust-Administrator mit einem Raumschiff gekommen war, schien sich nicht zu bewahrheiten.

Er schloss die Augen und gab sich für einige Sekunden dem wunderbaren Gefühl hin, allen Gefahren entronnen zu sein. Sie waren in Sicherheit. Und mit Timber F. Whistler war eine neue Figur in diesem undurchschaubaren Spiel aufgetaucht; eine Figur, von der sich Rhodan einige wichtige Antworten erhoffte.

2.

Jaroca, 22. Mai 1513 NGZ

 

»Es tut gut, dich wiederzusehen. Du hast dich ... verändert.« Perry Rhodan musterte den Mann, der nur noch wenig Ähnlichkeit mit jenem Timber F. Whistler aufwies, den er einst kennengelernt hatte.

Von Eritrea Kush wusste er, dass der ehemalige Administrator des Stardust-Systems vor knapp fünfzig Jahren spurlos verschwunden war. Damals war er ein Cyborg gewesen, ein organisches Gehirn in einem hochentwickelten Robotkörper. Nun stand ein vitaler Terraner vor ihm. Dennoch hatte Rhodan ihn sofort erkannt. In Ansätzen waren seine energischen Züge mit der geraden Nase und dem markanten Kinn vorhanden. Vor allem verriet ihn jedoch der feste Blick aus seinen blauen Augen.

»Oh ja ...« Für einen Moment wirkte Whistler nachdenklich. »Das habe ich wohl. Du fragst dich sicher, warum ich meine Nachricht, die du auf Aveda empfangen hast, in meinem ... alten Körper aufgezeichnet habe ...«

»Wahrscheinlich, damit ich sicher sein konnte, dass du es bist.« Aus den Augenwinkeln bemerkte Rhodan, dass Kerat Tinga ihren Retter mit unverhohlener Ehrfurcht anstarrte.

»Gut, dass es funktioniert hat. Die Dinge sind in Bewegung geraten, und ich fürchte, dass uns nur noch wenig Zeit bleibt.«

Sie waren auf einem flachen Hügel gelandet. Nach Schätzung des Terraners hatten sie mindestens zehn Kilometer zurückgelegt. Die Gefahr, dass die Jaroc ihnen folgten, bestand also nicht.

»Ich will nicht undankbar erscheinen«, sagte Rhodan, »aber mein Freund und ich könnten frische Kleidung und Ausrüstung gebrauchen. Du hast nicht zufällig ein Raumschiff in der Nähe geparkt?«

»Nein«, antwortete Whistler. »Ich habe alles dabei, was ich brauche.« Mit den letzten Worten griff er in die Tasche seiner eng anliegenden Montur und zog zwei voluminöse Päckchen daraus hervor.

Rhodan blinzelte. Die Päckchen waren annähernd quadratisch und wiesen eine Kantenlänge von mindestens fünfzig Zentimetern auf. Es war vollkommen unmöglich, dass der Mann sie die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Sie hätten niemals in der vergleichsweise kleinen Tasche seiner Kombination Platz gefunden.

»Das Gewebe passt sich den Körperkonturen automatisch an.« Whistler warf sowohl Kerat Tinga als auch Rhodan je eines der Päckchen zu. »Beeilt euch bitte. Je eher wir von hier verschwinden, desto besser.«

»Verrätst du mir, wohin wir gehen?«

»Habe ich das in meiner Nachricht nicht erwähnt?«, lautete die Gegenfrage.

Während Rhodan sein Opfergewand ablegte, das Päckchen aufriss, und sich die darin enthaltene dunkelblaue Kombination überstreifte, dachte er an die Ereignisse in der Stardust-Felsennadel auf Aveda zurück. War das tatsächlich erst eine Woche her? Dort hatte seine Anwesenheit eine holografische Aufzeichnung von Timber F. Whistler ausgelöst, in der er aufgefordert wurde, sich mit ihm in der Basis-Station von Connajent zu treffen. Abgesehen davon, dass er nicht genau wusste, was eine Basis-Station war, war Connajent, die sogenannte Ultramarin-Stadt, von Alaska Saedelaere zerstört worden.

»Diese Basis-Station ...?« Rhodan zögerte. »Sie befindet sich auf Jaroca?«

Timber F. Whistler verzog die Lippen; auf seiner Stirn erschien eine steile Falte. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nein«, sagte er.

Ohne sein Gegenüber weiter zu beachten, ging er zu Kerat Tinga hinüber und wechselte einige Worte mit dem Jaranoc, die Rhodan nicht verstand.

»Die Basis-Station befindet sich auf Astogur, jenem Planeten, den ihr mit Marhannu bereits besucht habt«, sagte Whistler laut.

»Die Stadt hat uns nicht gehen lassen. Angeblich herrscht auf Astogur Krieg, und Marhannu hat sich Sorgen um unsere Sicherheit gemacht.« Rhodan wartete darauf, dass der einstige Administrator etwas erwiderte, doch dieser schwieg. »Hast du das gewusst?«, bohrte er nach. »Und wenn ja, warum hast du dann ausgerechnet diese Welt als Treffpunkt gewählt?«

»Ich habe getan, was nötig war!« Für eine Sekunde verlor der bislang so besonnene Timber F. Whistler die Beherrschung. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. »Es tut mir leid«, sprach er weiter. »Du musst verzeihen; ich hatte in den letzten Jahrzehnten nicht allzu häufig Kontakt mit anderen ... Individuen. Die Nachricht, die du auf Aveda empfangen hast, habe ich aus der Basis-Station abgeschickt. Natürlich war ich über die Verhältnisse auf Astogur informiert. Ich wusste allerdings nicht, das Marhannu die Situation so ... kompromisslos beurteilen würde. Wie auch immer: Kerat konnte mich gerade noch rechtzeitig verständigen.«

»Du warst erstaunlich schnell vor Ort«, warf Rhodan ein.

»Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte mir Zeit gelassen? Eure Jaroc-Freunde standen kurz davor, euch die Haut bei lebendigem Leibe abzuziehen.«

»Ich kritisiere nicht, ich wundere mich nur.«

»Du bist misstrauisch.«

»Wärst du das an meiner Stelle nicht?«

Whistler lächelte. »Natürlich wäre ich das, Perry. Ich gebe dir allerdings mein Ehrenwort, dass du mir vertrauen kannst. Und ich verspreche dir, dass du in Kürze alles erfahren wirst, was du wissen musst.«

»Was ich wissen muss?« Rhodan erwiderte das Lächeln. »Mit anderen Worten: Du erzählst mir nur das, was deinen eigenen Plänen nützt, richtig? Das ist keine besonders gute Basis für ein Vertrauensverhältnis.«

»Du kennst mich ...«, setzte Whistler an.

»Nein, das tue ich nicht«, unterbrach ihn Rhodan. »Ich kenne den alten Timber F. Whistler, den Mann der seine Integrität, seine Kraft und seine Klugheit bedingungslos in den Dienst der Stardust-Menschheit gestellt hat. Dich kenne ich nicht. Wo warst du in den letzten fünfzig Jahren? Man hat monatelang nach dir gesucht. Man hat um dich getrauert, aber du hast es nicht einmal für nötig gehalten ...«

Rhodan verstummte, als sich Whistler brüsk abwandte und ihm den Rücken zudrehte. Offenbar habe ich einen Nerv getroffen, dachte er.

Kerat Tinga machte einige Schritte auf ihn zu und bedachte ihn mit wütenden Blicken. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass er Whistler so hart anging.

»Ich wollte keine alten Wunden aufreißen, Timber«, lenkte Rhodan ein. »Aber du musst mich verstehen. Ich habe ein großes Risiko auf mich genommen, als ich deinem Ruf gefolgt bin. Wenn du mich wirklich brauchst, dann musst du mir schon ein bisschen mehr geben als vage Andeutungen und Versprechen.«

»Ich verstehe, Perry.« Whistler drehte sich wieder um und sah Rhodan ruhig an. »Warum fangen wir nicht gleich damit an. Du willst wissen, wer Anthur ist, oder?«

»Allerdings.«

»Nun, ich kann dir zumindest schon einmal verraten, wer er nicht ist: TALINS Bote!«

»Und woher weißt du das?«

»Weil ich TALINS Bote bin.«

3.

Stardust-System, Planet Aveda,

Februar 1465 NGZ

 

Thora und Crest hatten sich in den letzten Tagen immer weiter angenähert und standen inzwischen fast nebeneinander am Nachthimmel. Die beiden Monde schickten ihr fahles Licht durch eine Wolkendecke, die seit Wochen die Sterne verhüllte und dafür sorgte, dass die Temperaturen für diese Zeit des Jahres ungewöhnlich hoch lagen.

Ich hatte die Beleuchtung in der Pilotenkanzel des Gleiters auf ein Minimum reduziert. Unter mir huschten die Felsformationen Gols hinweg, kaum mehr als grauschwarze Schatten gegen den dunklen Hintergrund des Ozeans. Weit voraus erkannte ich undeutlich ein paar flackernde Positionslichter. Vermutlich die Boote von Sportfischern, die in der Wega-Bay vor Anker lagen und auf den kommenden Tag warteten.

Die aufgehende Sonne vertrieb nach und nach die Finsternis, und für einige kostbare Sekunden spürte ich jene milde Euphorie, die man manchmal nach einer durchwachten Nacht empfindet und die viel zu schnell wieder verfliegt.

Hinter den der Halbinsel nachgelagerten Hügeln machte ich jetzt ein schwaches Glimmen aus, eine blasse Aura aus Streulicht, die von Ferrol-Town erzeugt wurde. Die Stadt war die Heimat von gut zwei Millionen Stardust-Terranern, die sich an der Nordküste des Kontinents Rangoh angesiedelt hatten und das dort herrschende milde Klima genossen.

Ich korrigierte den Kurs geringfügig Richtung Süden, da ich nicht unmittelbar über das Stadtgebiet fliegen wollte. Die Sensoren der automatischen Luftüberwachung waren mit den Jahren verbessert worden und hätten mich womöglich trotz ausgeschalteter Positronikkennung registriert. Die gewählte Route würde mich über die große Seenplatte zum Helakar-Delta führen, einem fruchtbaren, wenn auch noch weitgehend unerschlossenen Gebiet, in dem Regenwald üppig wucherte. Der Sonnenaufgang über dem Testafor-Massiv würde von dort aus sicher spektakulär aussehen.

Der Gedanke, dass ich all das zum letzten Mal erblickte, hatte in den vergangenen Wochen seinen Schrecken mehr und mehr verloren. Nicht nur die bittere Tatsache, dass es schon lange nicht mehr meine eigenen Augen waren, die die erhabene Schönheit Avedas schauten, hatte mich in meinem Entschluss bekräftigt.