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Tom Krausz

Wie verhalte ich mich richtig beim Erstkontakt mit einem Außerirdischen?

Copyright der eBook-Ausgabe © 2014 bei Hey Publishing GmbH, München

 

Originalausgabe © 2013 by epubli GmbH

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: FinePic®, München

Autorenfoto: © privat

ISBN: 978-3-95607-086-0

 

 

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Im Thono Audio Verlag auch als Hörbuch erschienen, gelesen von Boris Aljinovic.

 


 

Wie verhalte ich mich beim Erstkontakt mit einem Außeriridschen

 

Was tut man so einer nicht gerade alltäglichen Situation? Zückt man sogleich das Handy, ruft die Polizei oder den Geheimdienst? Oder simuliert man eine simple Ohnmacht und hofft, dass das Alien wieder verschwindet? Fragt man es nach seinem Wohlbefinden? Oder könnte das schon der erste Fehler sein? Warum hat es gerade Sie ausgesucht und wieso sagt es nichts? Gab es da etwas in Ihrer Vergangenheit, weswegen Sie jetzt hier in dieser verdammten Situation stecken? Oder gibt man doch eher den coolen James Bond und macht dem Besucher den Garaus, bevor er es tut? Schließlich wurde uns durch Film und Fernsehen oft genug suggeriert, was für Typen da draußen so herumschwirren könnten. Warum hilft Ihnen keiner, wo sie doch die Welt retten müssen? Was für eine Verantwortung - und die Zeit ist nicht gerade auf ihrer Seite. Doch leider stehen Sie dort ganz allein. Doch nein, nicht ganz: Dieser Ratgeber wird Ihnen helfen, die ersten Sekunden ihrer Begegnung der anderen Art zu meistern!

 

"Witzig und intelligent, eine Mischung aus Realsatire und sozialem Gewissen"

Elke Heidenreich.

Über den Autor

Tom Krausz

 

Tom Krausz, geboren 1951, arbeitete nach seinem Studium in Hamburg als Assistenz beim NDR Fernsehen und für diverse Werbefotografen. Seit 1980 ist er freier Fotograf und Dokumentarfilmer. Gemeinsam mit Elke Heidenreich hat er mehrere Bücher im Verlag Frederking & Thaler veröffentlicht, zuletzt den musikalischen Reiseführer "Eine Reise durch Verdis Italien".

Lesetipp

Brandnacht von Robert Brack

 

Titel: Brandnacht

 

Der Tag fing ganz harmlos an. »Sandra will dich umbringen«, sagte Carol.

»Hm?«

Wir saßen in einer Fensternische von »Carol's Bar & Grill« mit Blick auf meine Werkstatt. Jeder hatte eine Flasche Corona vor und einen harten Arbeitstag hinter sich. Jenseits der Werkstatt, auf dem Gelände des alten Altonaer Güterbahnhofs, ging die Sonne unter, und der verrottete ehemalige Stellwerkturm ragte als schwarze Silhouette vor orangerotem Hintergrund auf. Sommer in Hamburg, sechzig Grad Fahrenheit, Tendenz stagnierend.

Ich nahm einen Schluck Bier und lehnte mich zurück.

»Jetzt einen Beef-Burger, innen schön rosig und so frisch, dass der Saft über die Finger tropft …«

»… und auf die Hose«, sagte Carol.

Sie sah hinreißend aus in diesem flammenden Scheinwerferlicht.

»Mein Overall kann das ab«, sagte ich und deutete auf die antiken Ölflecken. Auf der Brusttasche stand das Gleiche wie auf dem Schild über dem Werkstatt-Tor: »Don Muller's Exile Style – American Cars Support Abroad«. Don Muller war ich, wenn ich mich nicht gerade als Jakob Rossi ausgab oder mich mit meinem vollen Namen Donald Jakob Muller-Rossi vorstellte. Ich bin ein Produkt der deutschamerikanischen Freundschaft mit italienischem Einschlag.

»Kann dein Overall auch Blut ab?«

»So rosig möchte ich den Burger dann doch nicht haben.«

»Ich meine nicht wegen des Burgers, ich meine wegen der nackten Frau in deinem Spind.«

»Hä?«

»Sandra meint, du wärst ein spätpubertärer Angeber.«

»Und deshalb will sie mich umbringen?«

»Ja, ja.« Carol griff nach ihrer Corona-Flasche und drückte die Limettenscheibe in den Hals.

»Dann muss sie ihre Lehre abbrechen.« Carols sechzehnjährige Tochter Sandra machte eine inoffizielle Kfz-Mechaniker-Ausbildung bei mir, nachmittags nach der Schule.

»Sie meinte, das mit den Autos sei jetzt sowieso passé.«

»Solange Amerika die Welt regiert, werden Autos über die Highways rollen.«

Sie lächelte: »Ich mag deine romantische Seite, Don Muller.«

Und ich deine grünen Augen, dachte ich. Über die nahe gelegene Eisenbahnbrücke donnerte ein Zug, dann rumpelte ein Lastwagen mit Bierkisten vorbei.

»Was ist mit dem Burger?«

Carol sah mich spöttisch an. »Das mit der nackten Frau in deinem Spind interessiert mich auch«, sagte sie.

»So nackt ist Yvonne auf dem Bild gar nicht«, sagte ich.

Sie schob die Corona-Flasche ein Stück beiseite. »Da, bitte, jetzt hast du dich verraten.«

»Hm?«

»Sandra meint, du würdest allen Ernstes behaupten, eine Pornodarstellerin zu kennen.«

»Es ist ein ganz harmloses Bild. Sie hat doch was an, so einen Schleier. Ist bloß eine Parfümwerbung.«

»Du interessierst dich neuerdings für Parfüm?«, fragte Carol.

Ich schlug mit der Faust auf den Tisch. »Jetzt fang du nicht auch noch damit an!«

»Vorsicht, das Bier!«

Die leere Corona-Flasche fiel auf den Boden und rollte unter die Sitzbank.

»Was geht euch überhaupt mein Spind an?«

»He, Donnie, was ist denn los? Bleib cool.«

Ich starrte sie wütend an.

»Ich mach dir jetzt deinen Burger, okay?«

»Erst noch ein Bier«, sagte ich.

Carol ging hinter den Tresen, holte noch eine Flasche aus dem Kühlschrank und stellte sie vor mich hin.

Dann drehte sie sich zum Grill um.

 

Sandra hatte sich unerlaubt an meinem Spind zu schaffen gemacht. Vielleicht war es ja nur Spaß gewesen, aber ich kann es nicht ab, wenn jemand sich an privaten Dingen vergreift.

Wir hatten gerade einen AMC Javelin reinbekommen, den ein Spinner aus Pinneberg auf einem Acker gegen einen Mähdrescher gefahren hatte. Aber meine inoffizielle Azubi war nicht ganz bei der Sache gewesen, hatte abwechselnd rumgealbert und geschmollt und mich damit nervös gemacht. Dann hatte sie aus lauter Übermut das Vorhängeschloss an meinem Spind mit einem Dietrich geöffnet, weil sie mir zeigen wollte, was für tolle Sachen sie von ihrem Klassenkameraden Skai gelernt hatte. Die Spindtür flog auf, und sie starrte gebannt auf das Bild von Yvonne. Ich hatte es in einem Anflug von Sentimentalität aus einer Frauenzeitschrift ausgeschnitten, die im Wagen eines Kunden herumgelegen hatte.

Wer kann schon von sich behaupten, ein Model zu kennen, das für »White Satin« wirbt? Warum sollte mir also peinlich sein, ein Foto von Yvonne aufzuhängen? Ich hatte sie auf einer Party meines Kumpels Heiner kennen gelernt. Heiner war Buchhändler und kannte eine Menge Promis. Yvonne war nicht irgendein Model, sogar nur mit einem Fetzen Seide leicht bedeckt, sah sie aus wie die stahlgeborene Venus – so hatte sie mal ein Journalist genannt.

Sandra war zuerst der Mund offen geblieben, als sie das Bild entdeckte. Dann hatte sie losgeprustet.

»Mach den Spind zu!«, hatte ich gesagt und dann versucht, ihr zu erklären, wer Yvonne war.

Aber sie lachte immer mehr und immer gekünstelter.

»Hör auf zu kichern, was ist denn so lustig?«

»Ich stell mir nur gerade vor, wie du hier stehst und dir einen runterholst.«

Da hab ich ihr eine gescheuert. In null Komma nichts war sie raus aus der Werkstatt. Kein Wunder, dass sie mich jetzt umbringen wollte.

 

Carol stellte den Hamburger vor mich hin.

»Ich hoffe, der ist saftig genug.«

Das Telefon wimmerte. Carol hob ab und reichte es mir, nachdem sie dreimal Ja gesagt hatte.

»Hallo?«

»Don, bist du's? Hier ist Heiner.«

»Was gibts Neues?«

»Ich brauch deine Hilfe, jemand hat versucht, meinen Wagen abzufackeln.«

»Den T-Bird?« Seit er mit seinem Laden so richtig Erfolg hatte, fuhr Heiner einen nagelneuen Ford Thunderbird mit allen Extras. »Es sind schwere Lackschäden zu beklagen.«

»Wenns nur das ist.«

»Der Lack wurde in Schriftform abgefackelt«, sagte Heiner.

»Wie bitte?«

»Es wurde eine Botschaft eingebrannt: ›Farewell, my lovely‹.«

»Na, solange sie dir kein brennendes Kreuz vor den Laden stellen.«

»Das war letzte Woche«, sagte Heiner. »Kannst du mal kommen und dir den Wagen ansehen?«

Ich sagte zu und legte auf.

Carol sah mich fragend an. »Was ist passiert?«

»Heiner hat Probleme mit seinem Wagen.« Ich packte den Hamburger im Genick und biss rein.

»Was soll denn der Quatsch mit dem brennenden Kreuz.«

»Kein Quatsch«, sagte ich mit vollem Mund. »Vor seinem Laden.«

»Ach, du Scheiße«, sagte Carol, »der Ku-Klux-Klan im Schanzenviertel?«

Ich ging rüber in die Werkstatt und überlegte, ob ich den Camaro oder den Cougar nehmen sollte. Über die Diskussion mit mir selbst verging einige Zeit. Außerdem klingelte ab und zu das Telefon, und irgendwelche Typen versuchten, meine Tarife runterzuhandeln, bevor ich ihren Wagen überhaupt gesehen hatte. Das längste Gespräch hatte ich mit einem Redakteur von »Chrom & Flammen«, der mich dazu überreden wollte, einen 1920er Packard Twin Six im Stil seiner Zeitschrift umzuspritzen. Ich lehnte ab, obwohl die Durchführung dieses barbarischen Aktes mich für kurze Zeit reich gemacht hätte. Aber eine ehrwürdige Limousine zu einem Comic-Mobil umzurüsten ging mir gegen den Strich.

Vielleicht bummelte ich auch so lange herum, weil ich hoffte, Sandra würde noch reinschneien und alles käme wieder ins Lot, aber sie kam nicht.

Also mühte ich mich eine Weile mit dem Verdeck meines grünen 1967er Mercury Cougar ab und fuhr dann gegen zweiundzwanzig Uhr los Richtung Schanze.

Seit Heiner mal mit seinem nagelneuen T-Bird vorbeigekommen war, um die Stoßstange gerade ziehen zu lassen, waren wir Freunde geworden, obwohl er seine Rechnungen immer in alten Paperbacks begleichen wollte. Bei Krimis bin ich allerdings wählerisch. Außer Klassiker wie Latimer und Thompson, die je nach Gemütslage zum Einsatz kommen, lese ich nur den Hypertrash von Jackie Adenauer und Herb Perls.

 

Der Krimi-Buchladen »Heiner K.« lag in der Weidenallee, war also nur noch Rand-Schanze im Übergang zu Eimsbüttel. Eine gute Lage, denn die Straße war breit genug für einen mittelprächtigen Straßenkreuzer. Außerdem konnte man einen US-Oldtimer jederzeit auf dem Taxenstand vor dem Laden parken und von den Taxifahrern bestaunen lassen. Heute stand überhaupt kein Taxi vor dem Buchladen, und die Straße machte auch sonst einen ziemlich verlassenen Eindruck. Vielleicht lags daran, dass die Ami-Kneipe »R & B« ihre Südstaatenflagge eingeholt hatte und zwei Straßenlampen ausgefallen waren.

Das schwarz-rote Ladenschild wurde von einem Halogenscheinwerfer angestrahlt, ein zweiter beleuchtete den Eingang, um Kriminelle vom Diebstahl krimineller Literatur abzuschrecken. Ich parkte, stellte den Motor ab und starrte auf die schwarzen Rauchwolken, die aus der zerschlagenen Scheibe der Ladentür quollen.