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GEO
Die Welt mit anderen Augen sehen
Gruner + Jahr AG & Co. KG, Druck- und Verlagshaus,
Am Baumwall 11, 20459 Hamburg
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Einfach besser leben
Von Hanne Tügel und Anke Sparmann
Neue Ökonomie 1|3: Es reicht!
Neue Ökonomie 2|3: Die große Illusion
Neue Ökonomie 3|3: Betrifft: Jetzt oder nie
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Neue Ökonomie 1|3
Vielleicht wird der 12. Januar 2013 als der Tag in den Kalendern der Zukunft stehen, an dem der globale Wertewandel begann. Oder als Meilenstein in der Endzeit einer einst blühenden Kultur. Es war jener Samstag, an dem Beijing die Luft ausging. Apokalyptische TV-Bilder von Hochhaus-Silhouetten im Dunst vor einer verfinsterten Sonne flimmerten um die Welt. Feinstaubwerte unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter gelten als gute Luft, 150 Mikrogramm als problematisch für Kinder und Herzkranke, 300 als so ungesund, dass man längere Aktivitäten im Freien vermeiden sollte. Einen Höchstwert von 522 hatte die US-Botschaft in Beijing im Vorjahr schon einmal gemessen. Nun aber waren es bis zu 993 Mikrogramm.
Die Ursache: keine Naturkatastrophe. Kein Chemieunfall. Nur das ganz normale Wirtschaften. Die Natur wies plakativ darauf hin, dass die „Grenzen des Wachstums“ real sind, auf die der Club of Rome 1972 aufmerksam gemacht hat. Über 20 Millionen Einwohner unter der Smogglocke hofften nur auf eines: Wind. Im Abgasnebel um Luft zu ringen, zermürbt Reiche und Arme, Müllmänner wie Minister. Kurz darauf kündigte Beijings Bürgermeister Maßnahmen an, darunter den Plan, das „übermäßige Wachstum“ beim Autoabsatz stärker zu kontrollieren. In seiner Rede vor dem Volkskongress einige Wochen später übte der scheidende Premierminister Wen Jiabao Selbstkritik. Das chinesische Wirtschaftswachstum sei „unausgewogen, instabil und nicht nachhaltig“. Die Umweltverschmutzung zehrt nach Berechnungen chinesischer Umweltplaner inzwischen 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Saurer Regen aus Chinas Schwefelabgasen vergiftet dabei nicht nur das eigene Land; er regnet auch über Korea und Japan ab. Und giftige Quecksilberpartikel wehen bis in die USA.
Ein Anlass, sehr grundsätzlich über Wirtschaft, Wachstum und Wertschöpfung nachzudenken. Über die Folgen des „Immer mehr“ bei Produktion und Konsum. Über die leise innere Stimme, die sagt, dass es nicht ewig so weitergehen kann: Auf der einen Seite die Übersättigung in den Gesellschaften der Wohlhabenden; allein in Deutschland landen pro Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel und 400.000 Tonnen Schuhe und Textilien auf dem Müll. Auf der anderen Seite die Not der Armen, bei denen etwas Wachstum ankommen müsste, damit sie sich wenigstens das Lebensnotwendigste leisten könnten. Und über allem der ökologische Imperativ: Schützt eure Lebensgrundlagen, oder ihr werdet es bereuen!
Rohstoffvorkommen sind endlich; Umweltgüter wie Luft und Gewässer tolerieren Übernutzung und Verschmutzung eine Weile, aber nicht auf Dauer. Heute wissen wir ziemlich genau, wie weit wir jene Begrenzungen überschreiten, die uns die Natur vorgibt. Die Organisation „Global Footprint Network“ kalkuliert alljährlich den „ökologischen Fußabdruck“ der Menschheit. „2012 hat die Weltbevölkerung das 1,4-Fache dessen verbraucht, das die Biosphäre regenerieren kann“, schreibt ihr Präsident, der Schweizer Mathis Wackernagel. Das heißt: Wir zehren das Naturkapital auf: Wälder, Böden, Gewässer.