Emma Woodhouse, Tochter aus wohlhabendem Haus, gibt sich mit Vorliebe dem Vergnügen hin, die Geschicke anderer Menschen zu lenken. Sie lebt für das »matchmaking«, das Ehestiften, was zu allerlei Mißverständnissen und Komplikationen führt. Ihre enttäuschenden Erfahrungen zwingen sie jedoch zu Selbstkritik und sie muß lernen, daß nicht alles, was gut gemeint ist, schließlich auch zu einem guten Ende führt.

Jane Austen

Emma

Roman

Aus dem Englischen übersetzt
von Helga Schulz

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ERSTES BUCH

KAPITEL 1

Emma Woodhouse, schön, klug und reich, mit einem behaglichen Heim und einer glücklichen Veranlagung, schien einige der besten Segnungen des Lebens in sich zu vereinen, und es hatte in den fast einundzwanzig Jahren, die sie auf der Welt war, nur sehr wenig gegeben, das sie beunruhigt oder betrübt hätte.

Sie war die jüngere der beiden Töchter eines sehr liebevollen und nachsichtigen Vaters und war aufgrund der Heirat ihrer Schwester schon sehr zeitig die Herrin seines Hauses geworden. Ihre Mutter war schon vor zu langer Zeit gestorben, als daß sie mehr als eine undeutliche Erinnerung an ihre Liebkosungen haben konnte, und ihren Platz hatte eine vortreffliche Erzieherin eingenommen, die ihr kaum weniger Zuneigung entgegengebracht hatte, als es eine Mutter hätte tun können.

Sechzehn Jahre hatte Miss Taylor in Mr. Woodhouse’ Familie zugebracht – mehr als Freundin denn als Erzieherin –, und sie liebte beide Töchter sehr, besonders aber Emma. Zwischen ihnen war es mehr die Vertrautheit von Schwestern geworden. Selbst schon bevor Miss Taylor aufgehört hatte, zumindest dem Namen nach als Erzieherin zu wirken, hatte es ihr sanftes Gemüt kaum zugelassen, Emma irgendwelche Beschränkungen aufzuerlegen. Jegliche Spur von Autorität war nun längst aus ihren Beziehungen verschwunden, sie hatten wie zwei Freundinnen zusammen gelebt und waren einander sehr zugetan; dabei tat Emma ganz und gar, was sie wollte, schätzte Miss Taylors Urteil außerordentlich, ließ sich jedoch fast ausschließlich von ihrem eigenen leiten.

Das wirkliche Übel an der Sache war nur, daß Emma zu sehr ihren eigenen Willen haben konnte und daß sie dazu neigte, ein wenig zu viel von sich selbst zu halten; dies waren Nachteile, die ihre vielen Freuden zu trüben drohten. Doch gegenwärtig wurde diese Gefahr von ihr überhaupt nicht wahrgenommen, und sie betrachtete die Nachteile deshalb auch keineswegs als Mißgeschick.

Nun stellte sich Kummer ein, leichter Kummer, doch durchaus nicht in Gestalt unliebsamer Einsichten. Miss Taylor heiratete. Es war der Verlust von Miss Taylor, der ihr zum ersten Mal Leid brachte. Am Tag der Hochzeit dieser geliebten Freundin geschah es, daß Emma wirklich einmal eine längere Zeit in traurige Gedanken versank. Die Hochzeit war vorüber und die Brautleute fortgegangen; sie war mit ihrem Vater allein zurückgeblieben, um mit ihm ihr Dinner einzunehmen, ohne Aussicht auf einen Dritten, der ihren langen Abend hätte aufheitern können. Ihr Vater schickte sich wie gewöhnlich an, nach dem Dinner zu schlafen, und so konnte sie nun nichts weiter tun, als darüber nachzudenken, was sie verloren hatte.

Das Ereignis versprach ihrer Freundin alles Glück der Welt. Mr. Weston war ein Mann von tadellosem Charakter, er war wohlhabend, von passendem Alter und angenehmen Umgangsformen, und es lag eine gewisse Befriedigung in dem Gedanken, mit welcher selbstverleugnenden, großmütigen Freundschaft sie diese Heirat stets gewünscht und gefördert hatte; doch für sie selbst war es ein schwarzer Morgen. Miss Taylor würde ihr jeden Tag und jede Stunde fehlen. Sie rief sich ihre Güte ins Gedächtnis zurück – ihre Liebe und Güte während sechzehn langer Jahre –, wie sie sie von ihrem fünften Lebensjahr an unterrichtet und mit ihr gespielt hatte – wie sie ihr in gesunden Tagen all ihre Fähigkeiten gewidmet hatte, um ihre Zuneigung zu gewinnen und sie zu unterhalten, und wie sie sie während ihrer verschiedenen Kinderkrankheiten gepflegt hatte. Hierfür schuldete Emma ihr größten Dank; doch noch teurer und wärmer war für sie die Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit während der letzten sieben Jahre, an die Gleichstellung und die vollkommene Freimütigkeit in ihrem Umgang, die der Hochzeit Isabellas, als sie einander überlassen blieben, bald gefolgt waren. Sie war eine Freundin und Gefährtin gewesen, wie nur wenige sie besaßen – intelligent, vielseitig gebildet, hilfsbereit und sanftmütig, war vertraut mit allen Gewohnheiten der Familie, nahm an allen familiären Belangen teil, besonders an den ihren, an jeder ihrer Vergnügungen und an jedem Plan – eine Gefährtin, mit der sie über alle ihre Gedanken sprechen konnte, wie sie ihr gerade in den Sinn kamen, und die ihr eine solche Liebe entgegenbrachte, daß sie niemals etwas an ihr auszusetzen fand.

Wie sollte sie diese Veränderung nur ertragen? – Es war ja richtig, daß ihre Freundin nur eine halbe Meile von ihr fortging; doch Emma war sich klar darüber, daß es einen großen Unterschied geben mußte zwischen einer Mrs. Weston eine halbe Meile entfernt von ihr und einer Miss Taylor im Hause; und bei all ihren vorzüglichen Voraussetzungen, natürlichen und häuslichen, war sie nun in großer Gefahr, unter geistiger Einsamkeit zu leiden. Sie liebte ihren Vater von ganzem Herzen, aber er war kein Gefährte für sie. Er war ihr im Gespräch, sei es rational oder scherzhaft, nicht gewachsen.

Der Mißstand ihres großen Altersunterschiedes (Mr. Woodhouse hatte erst spät geheiratet) wurde noch weit größer durch seine Konstitution und seine Gewohnheiten; denn da er sein ganzes Leben lang kränklich gewesen war, ohne geistige oder körperliche Aktivitäten, war er seinen Gewohnheiten nach ein viel älterer Mensch, als er es an Jahren war; und obgleich überall beliebt wegen seiner Herzensgüte und seines freundlichen Wesens, hätten ihn doch seine Gaben zu keiner Zeit empfehlen können.

Emmas Schwester war – wenngleich sie durch ihre Heirat nicht wirklich weit von ihr fortgezogen war, da sie in London, nur sechzehn Meilen entfernt, lebte – nun nicht mehr täglich zu erreichen; und es waren viele lange Oktoberund Novemberabende in Hartfield zu überstehen, bis das Weihnachtsfest den nächsten Besuch von Isabella, ihrem Gatten und ihren noch kleinen Kindern herbeibrachte, ihr wieder ein volles Haus und erfreuliche Gesellschaft schickte.

Highbury, das große, dicht besiedelte Dorf, das schon fast eine Stadt zu nennen war und zu dem Hartfield trotz seines separaten Parks mit seinen von Büschen umsäumten Spazierwegen und seines Namens tatsächlich gehörte, bot ihr keine Gleichgestellten. Die Woodhouses waren die Ersten am Ort. Alle sahen zu ihnen auf. Sie hatte viele Bekannte dort, denn ihr Vater war zu jedermann zuvorkommend, doch nicht einen Menschen unter ihnen, der auch nur für einen halben Tag anstelle von Miss Taylor hinnehmbar gewesen wäre. Es war eine betrübliche Veränderung; sie konnte nur darüber seufzen und sich unmögliche Dinge wünschen, bis ihr Vater erwachte und es notwendig wurde, wieder heiter zu sein. Seine Lebensgeister bedurften der Aufmunterung. Er war ein nervöser Mensch, war leicht niedergedrückt, liebte all diejenigen, an die er gewöhnt war, und haßte es, sich von ihnen zu trennen; er haßte Veränderungen jeglicher Art. Verehelichungen als Ursache von Veränderung waren stets eine unangenehme Sache für ihn. Er war keinesfalls schon versöhnt mit der Heirat seiner eigenen Tochter; und obgleich es eine reine Liebesheirat war, sprach er von Miss Taylor, als er sich nun auch noch von ihr trennen mußte, immer nur in mitleidigem Ton. Aufgrund einer gewissen Selbstsucht und da er niemals imstande war, sich vorzustellen, daß andere Leute anders empfinden könnten als er, neigte er sehr zu der Auffassung, daß Miss Taylor sich selbst etwas ebenso Beklagenswertes angetan hatte wie ihnen beiden und daß sie um vieles glücklicher gewesen wäre, hätte sie ihr ganzes Leben in Hartfield verbracht. Emma lächelte und plauderte so fröhlich sie konnte, um ihn von solchen Gedanken abzubringen; doch als der Tee kam, war es ihm unmöglich, nicht wieder genau das gleiche zu sagen, was er schon beim Dinner gesagt hatte.

»Arme Miss Taylor! Ich wünschte, sie wäre wieder hier. Was für ein Jammer, daß Mr. Weston jemals auf sie gekommen ist.«

»Ich kann dir nicht zustimmen, Papa, das weißt du. Mr. Weston ist ein so gutmütiger, angenehmer und vortrefflicher Mensch, daß er eine gute Frau vollkommen verdient; und du würdest doch nicht wollen, daß Miss Taylor für immer bei uns leben und all meine seltsamen Launen ertragen muß, wenn sie ein eigenes Haus haben kann?«

»Ein eigenes Haus! Aber worin liegt denn der Vorzug eines eigenen Hauses? Dies hier ist dreimal so groß. Und du hast niemals irgendwelche seltsamen Launen, meine Liebe.«

»Bedenke doch, wie oft wir uns gegenseitig besuchen werden! Wir werden ständig zusammenkommen! Und wir müssen damit beginnen und ihnen bald unseren Hochzeitsbesuch abstatten!«

»Aber mein Kind, wie kann ich denn überhaupt bis zu ihnen kommen? Es ist so weit nach Randalls. Ich könnte nicht halb so weit zu Fuß gehen.«

»Nein, Papa, niemand denkt daran, daß du zu Fuß gehen sollst. Wir nehmen natürlich die Kutsche.«

»Die Kutsche! Aber James wird die Pferde nicht gern für einen so kurzen Weg anspannen wollen; und wo sollen die armen Pferde bleiben, während wir unseren Besuch machen?«

»Sie sollen in Mr. Westons Stall gebracht werden, Papa. Du weißt, das haben wir schon alles geregelt. Wir haben das gestern abend alles mit Mr. Weston besprochen. Und was James angeht, kannst du sicher sein, daß er immer gern nach Randalls fahren wird, wo doch seine Tochter dort Hausmädchen ist. Ich zweifle nur, ob er uns jemals irgendwo anders hinfahren will. Das war deine Schuld, Papa. Du hast Hannah diese gute Stelle verschafft. Niemand hat an Hannah gedacht, ehe du sie nicht erwähnt hast – James ist dir so dankbar dafür!«

»Ich bin froh, daß ich an sie gedacht habe. Es war ein sehr glücklicher Zufall, denn ich sähe es gar nicht gern, wenn sich James wegen irgend etwas gekränkt fühlte; ich bin sicher, sie wird ein sehr gutes Dienstmädchen sein; sie ist ein höfliches Mädchen, das sich gut auszudrücken versteht, ich habe eine sehr hohe Meinung von ihr. Immer, wenn ich sie sehe, macht sie einen Knicks und fragt mich sehr gefällig, wie es mir geht; und wenn du sie zu Näharbeiten hier hast, fällt mir auf, daß sie stets die Tür in der richtigen Weise schließt und sie niemals zuschlägt. Ganz bestimmt ist sie ein vortreffliches Hausmädchen, und das wird ein großer Trost für die arme Miss Taylor sein, wenn sie jemand um sich hat, den sie zu sehen gewohnt ist. Und wenn James rübergeht, um seine Tochter zu besuchen, wird sie immer von uns hören. Er kann ihr dann erzählen, wie es uns allen geht.«

Emma scheute keine Mühe, diese glücklicheren Gedankengänge in Fluß zu halten, und hoffte, mit Hilfe von Backgammon ihren Vater einigermaßen durch den Abend zu bringen und mit keinem anderen Bedauern als ihrem eigenen behelligt zu werden. Der Tisch für das Backgammonspiel wurde aufgestellt, doch unmittelbar darauf kam ein Besucher herein und machte es unnötig.

Mr. Knightley, ein kluger, verständiger Mann von etwa sieben- oder achtunddreißig Jahren, war nicht nur ein vertrauter Freund der Familie, sondern besonders noch durch den Umstand mit ihr verbunden, daß sein jüngerer Bruder Isabellas Gatte war. Er lebte etwa eine Meile von Highbury entfernt, war ein häufiger Besucher und stets willkommen, und gerade jetzt noch mehr als gewöhnlich, da er direkt von ihren gemeinsamen Verwandten in London kam. Er war nach einer mehrtägigen Abwesenheit zu einem späten Dinner zurückgekehrt und nun zu Fuß nach Hartfield gekommen, um zu berichten, daß in Brunswick Square alles wohlauf sei. Das war eine glückliche Fügung, die Mr. Woodhouse eine Zeitlang wieder aufmunterte; Mr. Knightley hatte ein heiteres Wesen, das ihm immer guttat, und seine vielen Fragen nach der »armen Isabella« und ihren Kindern wurden höchst zufriedenstellend beantwortet. Als das geschehen war, bemerkte Mr. Woodhouse dankbar: »Es ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. Knightley, zu dieser späten Stunde noch aus dem Haus zu gehen und bei uns vorbeizuschauen. Ich fürchte, es war ein schlimmer Weg für Sie.«

»Ganz und gar nicht, Sir. Es ist ein schöner Abend, der Mond scheint, und es ist so mild, daß ich von Ihrem großen Feuer wegrücken muß.«

»Aber Sie müssen den Weg doch feucht und schmutzig gefunden haben. Hoffentlich holen Sie sich keine Erkältung.«

»Schmutzig, Sir! Sehen Sie sich meine Schuhe an. Nicht ein einziger Fleck.«

»Na, das ist aber sehr verwunderlich, denn wir hatten eine Menge Regen hier. Während wir beim Frühstück saßen, hat es eine halbe Stunde lang schrecklich geregnet. Ich wollte sie schon die Hochzeit verschieben lassen.«

»Übrigens – ich habe Ihnen noch gar nicht meinen Glückwunsch ausgesprochen. Da ich mir sehr wohl bewußt bin, wie es mit Ihrer Freude aussehen muß, habe ich mich mit meiner Gratulation nicht beeilt. Aber ich hoffe, es ist alles einigermaßen gut gelaufen. Wie haben Sie sich denn alle betragen? Wer hat am meisten geweint?«

»Ah, die arme Miss Taylor, das ist eine traurige Sache.«

»Armer Mr. Woodhouse und arme Miss Woodhouse, wenn ich bitten darf; aber ich kann unmöglich sagen ›arme Miss Taylor‹. Ich hege eine große Achtung für Sie und Emma; aber wenn es um die Frage von Abhängigkeit oder Unabhängigkeit geht … Auf jeden Fall muß es besser sein, wenn man es nur einem recht zu machen hat statt zweien.«

»Besonders wenn einer von diesen zweien ein so launenhaftes und schwieriges Wesen ist!« sagte Emma schelmisch. »Das ist, woran Sie denken, ich weiß es, und was Sie bestimmt sagen würden, wenn mein Vater nicht dabei wäre.«

»Ich glaube, das ist nur zu wahr, mein Kind«, sagte Mr. Woodhouse mit einem Seufzer. »Ich fürchte, ich bin manchmal sehr launenhaft und schwierig.«

»Mein liebster Papa! Du glaubst doch nicht, ich könnte dich meinen, oder annehmen, Mr. Knightley würde dich meinen. Was für ein schrecklicher Gedanke! O nein! Ich meinte mich selbst. Du weißt, Mr. Knightley hat gern etwas an mir auszusetzen – aber im Scherz – alles nur im Scherz. Wir sagen einander immer alles, was wir denken.«

Mr. Knightley war in der Tat einer der wenigen Menschen, die an Emma Woodhouse Fehler finden konnten, und der einzige, der das ihr gegenüber jemals aussprach; und obgleich das für Emma selbst nicht besonders angenehm war, wußte sie, daß es für ihren Vater noch viel weniger angenehm wäre – so daß sie ihm den Verdacht ersparen wollte, nicht jedermann könne sie für vollkommen halten.

»Emma weiß, daß ich ihr niemals schmeicheln würde«, sagte Mr. Knightley, »aber ich habe an niemand im besonderen gedacht. Miss Taylor war daran gewöhnt, zwei Personen zufriedenzustellen, und nun ist es nur eine. So kann es durchaus ein Gewinn für sie sein.«

»Nun«, sagte Emma, und ließ es schließlich dahingestellt sein, »Sie möchten etwas über die Hochzeit hören, und ich werde es Ihnen gern erzählen, denn wir haben uns alle ganz reizend benommen. Alle waren pünktlich und waren aufs beste gekleidet. Nicht eine Träne war zu sehen und kaum ein langes Gesicht. O nein, wir alle fühlten, daß wir ja nur eine halbe Meile voneinander entfernt sein und gewiß jeden Tag zusammenkommen würden.«

»Die liebe Emma erträgt das alles so wunderbar«, sagte ihr Vater, »in Wirklichkeit aber, Mr. Knightley, tut es ihr sehr leid, die arme Miss Taylor zu verlieren, und ich bin sicher, sie wird sie mehr vermissen, als sie denkt.«

Emma wandte sich ab, halb mit Tränen in den Augen, halb lächelnd.

»Es kann gar nicht sein, daß Emma eine solche Gefährtin nicht vermißt«, sagte Knightley. »Wir hätten sie nicht so gern, Sir, wenn wir das annehmen könnten. Aber sie weiß, wie sehr die Heirat Miss Taylor zum Vorteil gereicht; sie weiß, wie angenehm es in Miss Taylors Alter sein muß, einen eigenen Hausstand zu bekommen, und wie wichtig es für sie ist, auf ein hinreichendes Auskommen bauen zu können; sie kann sich deshalb auch nicht gestatten, ebensoviel Kummer wie Freude zu empfinden. Jeder Freund Miss Taylors muß sehr froh darüber sein, daß sie so glücklich verheiratet ist.«

»Und Sie haben noch einen Grund zur Freude für mich vergessen«, sagte Emma, »und zwar einen sehr bedeutenden – daß ich die Heirat selbst vermittelt habe. Das habe ich nämlich schon vor vier Jahren getan; und daß sie nun wirklich stattfand und ich recht behalten habe, wo doch so viele Leute sagten, Mr. Weston würde niemals wieder heiraten, das kann mich mit allem versöhnen.«

Mr. Knightley sah kopfschüttelnd zu ihr hin. Ihr Vater erwiderte liebevoll: »Ach, mein Kind, ich wünschte, du würdest keine Ehen mehr stiften und Dinge voraussagen, denn was du auch sagst, immer geschieht es. Stifte bitte keine Ehen mehr.«

»Ich verspreche dir, daß ich keine für mich selbst stiften werde, Papa, aber für andere Leute muß ich es wirklich tun. Es ist das größte Vergnügen der Welt! Und dann erst nach einem solchen Erfolg! Alle haben gesagt, Mr. Weston würde nie wieder heiraten. Du liebe Güte, nein! Mr. Weston, der so lange schon Witwer war und der so vollkommen zufrieden schien ohne Frau, der ständig so von seinen Geschäften in der Stadt oder hier von seinen Freunden in Anspruch genommen war, immer gern gesehen, wohin er auch kam, immer heiter – Mr. Weston brauchte nicht einen einzigen Abend allein zu verbringen, wenn er es nicht wollte. O nein, Mr. Weston würde gewiß niemals wieder heiraten. Einige Leute sprachen sogar von einem Versprechen gegenüber seiner Gattin auf dem Sterbebett, andere wiederum sagten, daß der Sohn und der Onkel es nicht zulassen würden. Jegliche Art feierlichen Unsinns wurde darüber verbreitet, aber ich habe nichts davon geglaubt. Gleich an dem Tag (vor etwa vier Jahren), als Miss Taylor und ich ihn in Broadway-Lane trafen, und als er, weil es zu nieseln begann, mit einer solchen Zuvorkommenheit davonstürzte und von Pächter Mitchell zwei Schirme für uns auslieh, habe ich die Sache für mich beschlossen. Ich habe die Heirat von dieser Stunde an geplant; und wenn ich in diesem Fall mit einem solchen Erfolg gesegnet wurde, lieber Papa, kannst du doch nicht annehmen, daß ich mit dem Ehestiften aufhören werde.«

»Ich verstehe nicht, was Sie mit ›Erfolg‹ meinen«, sagte Mr. Knightley. »Erfolg setzt Bemühungen voraus. Sie haben Ihre Zeit sehr passend und zartfühlend verbracht, wenn Sie sich während der letzten vier Jahre darum bemüht haben, diese Heirat zustande zu bringen. Eine ehrenwerte Beschäftigung für den Geist einer jungen Dame! Aber wenn, wie ich mir eher vorstellen kann, Ihr Ehestiften, wie Sie es nennen, nur heißt, daß Sie die Ehe geplant, daß Sie sich eines müßigen Tages gesagt haben: ›Ich glaube, es wäre eine sehr gute Sache für Miss Taylor, wenn Mr. Weston sie heiraten würde‹, und Sie sich das danach immer wieder einmal gesagt haben – warum sprechen Sie da von Erfolg? Wo liegt Ihr Verdienst? Worauf sind Sie stolz? – Sie haben einfach eine glückliche Eingebung gehabt; und das ist alles, was darüber zu sagen ist.«

»Und haben Sie nie das Vergnügen und den Triumph einer glücklichen Eingebung kennengelernt? Dann tun Sie mir leid. Ich hatte Sie für klüger gehalten, denn Sie können sicher sein, eine glückliche Eingebung ist niemals nur allein eine glückliche Eingebung. Es ist immer eine gewisse Gabe mit im Spiel. Und was mein armes kleines Wörtchen ›Erfolg‹ betrifft, an dem Sie etwas auszusetzen haben, so wüßte ich nicht, warum ich so ganz und gar keinen Anspruch darauf haben sollte. Sie haben zwei hübsche Bilder entworfen – aber ich denke, man kann noch ein drittes hinzufügen –, etwas zwischen dem Nichts-dazu-tun und dem Alles-tun. Wenn ich Mr. Westons Besuche hier nicht gefördert und ihm nicht viele kleine Ermutigungen gegeben und viele kleine Dinge geglättet hätte, wäre am Ende vielleicht überhaupt nichts daraus geworden. Ich denke, Sie müssen Hartfield gut genug kennen, um das zu verstehen.«

»Einem aufrichtigen, freimütigen Mann wie Weston und einer natürlichen, verständigen Frau wie Miss Taylor kann man es ganz getrost überlassen, ihre Angelegenheiten allein zu regeln. Wenn Sie sich eingemischt haben, ist es wahrscheinlicher, daß Sie sich selbst geschadet, als daß Sie ihnen Gutes getan haben.«

»Emma denkt niemals an sich selbst, wenn sie anderen Gutes tun kann«, entgegnete Mr. Woodhouse, der nur teilweise folgen konnte. »Aber mein Kind, bitte stifte nicht noch mehr Ehen, sie sind so töricht und reißen den Familienkreis so schmerzlich auseinander.«

»Nur noch eine, Papa, nur noch für Mr. Elton. Der arme Mr. Elton! Du magst doch Mr. Elton, Papa – ich muß mich nach einer Frau für ihn umsehen. Es gibt keine in Highbury, die ihn verdient; er ist nun schon ein ganzes Jahr hier, und er hat sein Haus so behaglich eingerichtet, daß es ein Jammer wäre, ihn noch länger allein bleiben zu lassen. Als er heute ihre Hände ineinanderlegte, fand ich, er sah ganz so aus, als hätte er es gern, wenn ihm der gleiche Dienst erwiesen würde. Ich habe eine sehr hohe Meinung von Mr. Elton, und dies ist für mich die einzige Art und Weise, in der ich ihm von Nutzen sein kann.«

»Mr. Elton ist gewiß ein sehr gutaussehender junger Mann, und auch ein sehr ehrbarer junger Mann, ich schätze ihn sehr. Aber wenn du ihm irgendeine Aufmerksamkeit erweisen willst, mein Kind, dann bitte ihn einmal zum Dinner zu uns. Das wird viel besser sein. Und ich denke, Mr. Knightley wird so freundlich sein und ebenfalls kommen.«

»Mit dem größten Vergnügen, Sir, jederzeit«, sagte Mr. Knightley lachend, »und ich bin völlig Ihrer Meinung, daß es so viel besser sein wird. Laden Sie ihn zum Dinner ein, Emma, und setzen Sie ihm Fisch und Geflügel vom Besten vor, aber überlassen Sie es ihm selbst, sich eine Frau zu suchen. Sie können sicher sein, daß ein Mann von sechs- oder siebenundzwanzig Jahren für sich selbst sorgen kann.«

KAPITEL 2

Mr. Weston war in Highbury geboren und stammte aus einer achtbaren Familie, die während der letzten zwei bis drei Generationen zu Vornehmheit und Wohlstand gelangt war. Er hatte eine gute Erziehung genossen, doch da er schon frühzeitig ein kleines Vermögen geerbt hatte, spürte er schließlich keine Neigung zu einem der bescheideneren Berufe, die seine Brüder ausübten, und er hatte seinen tätigen, heiteren Geist und sein geselliges Naturell damit befriedigt, daß er in die Bürgerwehr seiner Grafschaft eingetreten war, die damals gegründet wurde.

Hauptmann Weston war allgemein beliebt, und als ihm seine militärische Laufbahn Gelegenheit bot, Miss Churchill, die einer bedeutenden Familie aus Yorkshire angehörte, vorgestellt zu werden, und Miss Churchill sich in ihn verliebte, überraschte das niemanden außer ihrem Bruder und dessen Gattin, die ihn noch nie gesehen hatten und die in ihrem Stolz und ihrem Dünkel diese Verbindung als eine Verletzung sahen.

Doch da Miss Churchill volljährig war und über ihr ganzes Vermögen verfügte – wenngleich ihr Vermögen in keinem Verhältnis zu dem Familienbesitz stand –, war sie von der Heirat nicht abzubringen, und sie fand zum unendlichen Verdruß von Mr. und Mrs. Churchill statt, die sich in aller Form von seiner Schwester lossagten. Es war eine unpassende Verbindung, und sie brachte nicht viel Glück. Mrs. Weston hätte mehr darin finden sollen, denn sie hatte einen Gatten, dessen warmes Herz und freundliches Wesen ihn glauben ließen, daß ihr, als Gegenleistung für die große Güte, in ihn verliebt zu sein, alles Erdenkliche gebühre; doch obgleich sie wohl eine Art Courage besaß, war dies nicht die beste. Sie besaß genug Entschlossenheit, ihren eigenen Willen auch gegen ihren Bruder durchzusetzen, doch nicht genug, um sich wegen des unvernünftigen Ärgers ihres Bruders eines unvernünftigen Bedauerns oder der Sehnsucht nach dem Überfluß in ihrem früheren Heim zu enthalten. Sie lebten über ihre Verhältnisse, trotzdem war ihr Leben nichts gegen das von Enscombe; sie liebte ihren Gatten immer noch, doch sie wollte die Gattin Hauptmann Westons und Miss Churchill von Enscombe zugleich sein.

Es stellte sich heraus, daß Hauptmann Weston, von dem es, besonders von seiten der Churchills, hieß, er habe eine so erstaunliche Partie gemacht, dadurch viel schlechter dran war; denn als seine Gattin nach dreijähriger Ehe starb, war er eher ärmer als am Anfang und hatte noch ein Kind zu versorgen. Von den Kosten für das Kind wurde er jedoch bald entbunden. Der Junge war, zusätzlich zu dem milder stimmenden Umstand einer schleichenden Krankheit seiner Mutter, das Mittel für eine Art Versöhnung gewesen; und da Mr. und Mrs. Churchill keine eigenen Kinder und auch keine anderen jungen Menschen von gleichem Verwandtschaftsgrad zu versorgen hatten, erboten sie sich bald nach dem Ableben der Mutter, den kleinen Frank völlig in ihre Obhut zu nehmen. Es ist anzunehmen, daß der verwitwete Vater einige Bedenken und eine gewisse Abneigung dagegen verspürt hatte; doch da diese durch andere Erwägungen verdrängt wurden, wurde das Kind der Obhut und dem Reichtum der Churchills anvertraut; er selbst mußte nur mehr auf sein eigenes Wohl bedacht sein und versuchen, seine eigene Lage so gut es ging zu verbessern.

Es wurde wünschenswert für ihn, ein ganz neues Leben anzufangen. Er quittierte die Bürgerwehr und betätigte sich im Handel, da er Brüder hatte, die sich in London bereits mit Erfolg niedergelassen hatten und ihm eine günstige Ausgangslage verschaffen konnten. Es war ein Unternehmen, das ihm gerade genug Beschäftigung bot. Er hatte noch immer ein kleines Haus in Highbury, wo er den größten Teil seiner freien Zeit zubrachte; und zwischen nützlicher Beschäftigung und gesellschaftlichen Vergnügungen verliefen die nächsten achtzehn bis zwanzig Jahre seines Lebens recht erfreulich. Er hatte inzwischen ein gutes Auskommen erzielt – genug, um den Kauf eines kleinen Gutes in der Nachbarschaft von Highbury zu ermöglichen, wonach er sich immer gesehnt hatte – genug, um eine Frau zu heiraten, die so ganz ohne Heiratsgut war wie Miss Taylor, und um so zu leben, wie er es sich gemäß seiner eigenen freundlichen und geselligen Veranlagung wünschte.

Es war nun schon einige Zeit her, daß Miss Taylor in seinen Plänen eine Rolle zu spielen begann; doch da weder er noch sie unter dem tyrannischen Einfluß der Jugend standen, hatte ihn dies in seinem Entschluß nicht wanken lassen, nicht eher einen Hausstand zu gründen, ehe er nicht Randalls kaufen konnte – auf den Verkauf von Randalls hatte er schon lange gehofft –, und dieses Ziel hatte er stetig verfolgt, bis es erreicht war. Er hatte nun sein Vermögen gemacht, sein Haus gebaut und seine Frau bekommen, und es begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt, der ihm aller Wahrscheinlichkeit nach ein größeres Glück bringen würde, als er es bis dahin erlebt hatte. Er war niemals wirklich unglücklich gewesen, davor hatte ihn sein eigenes Naturell bewahrt, selbst in seiner ersten Ehe; doch seine zweite Ehe mußte ihm zeigen, wie wunderbar eine gescheite und wahrhaft liebenswerte Frau sein konnte, und sie mußte ihm den angenehmsten Beweis erbringen, daß es sehr viel besser ist, selbst zu wählen als gewählt zu werden, und Dankbarkeit hervorzurufen als zu empfinden.

Bei seiner Wahl konnte er allein seinen eigenen Wünschen folgen, sein Vermögen stand ihm uneingeschränkt zu Gebote; denn was Frank betraf, so wurde er nicht mehr nur stillschweigend als Erbe seines Onkels aufgezogen, es war eine erklärte Adoption daraus geworden, so daß man ihn, als er volljährig wurde, den Namen Churchill annehmen ließ. Es war daher höchst unwahrscheinlich, daß er jemals die Hilfe seines Vaters benötigen würde. Der erwartete das auch nicht. Die Tante war eine launenhafte Frau, und sie beherrschte ihren Gatten vollkommen; doch es lag nicht in Mr. Westons Natur sich vorzustellen, daß irgendwelche Launenhaftigkeit stark genug sein könnte, auf einen so teuren und, wie er glaubte, so verdientermaßen teuren Menschen einen schädlichen Einfluß auszuüben. Er sah seinen Sohn jedes Jahr in London und war stolz auf ihn; und seine liebevolle Darstellung von ihm als einem prächtigen jungen Mann hatte dafür gesorgt, daß auch Highbury eine Art Stolz für ihn empfand. Man betrachtete ihn als genügend ortszugehörig, um seine Verdienste und Aussichten zu einer Art gemeinsamen Interesses zu machen.

Mr. Frank Churchill gehörte zu den Menschen, deren Highbury sich rühmte, und man war allgemein voller Neugier, ihn kennenzulernen, obgleich dieses Kompliment von ihm so wenig erwidert wurde, daß man ihn dort überhaupt noch nicht gesehen hatte. Darüber, daß er einmal kommen und seinen Vater besuchen würde, war oft gesprochen worden, doch es war niemals etwas daraus geworden.

Nun, als sein Vater heiratete, befand man allgemein, daß der Besuch schließlich als eine höchst gebührende Aufmerksamkeit stattfinden müsse. In dieser Frage gab es keine einzige abweichende Meinung, weder als Mrs. Perry bei Mrs. und Miss Bates beim Tee saß, noch als Mrs. und Miss Bates den Besuch erwiderten. Nun war es an der Zeit, daß Mr. Frank Churchill zu ihnen käme; und die Hoffnung darauf verstärkte sich noch, als es hieß, er habe aus diesem Anlaß an seine neue Mutter geschrieben. Ein paar Tage lang gehörte es zu jedem Morgenbesuch in Highbury, daß der reizende Brief, den Mrs. Weston erhalten hatte, erwähnt wurde. »Sie haben doch gewiß von dem reizenden Brief gehört, den Mr. Frank Churchill an Mrs. Weston geschrieben hat? Es heißt, es sei ein wirklich reizender Brief gewesen. Mr. Woodhouse hat mir davon erzählt. Mr. Woodhouse hat den Brief gesehen, und er sagt, er hat noch nie in seinem Leben einen so reizenden Brief gesehen.«

Es war in der Tat ein hochgeschätzter Brief. Mrs. Weston hatte sich natürlich eine sehr günstige Meinung von dem jungen Mann gebildet; und solch eine gefällige Aufmerksamkeit war ein unwiderlegbarer Beweis für sein großes Anstandsgefühl und eine höchst willkommene Ergänzung zu all den Glückwünschen, die sie anläßlich ihrer Heirat bereits bekommen hatte. Sie fühlte sich selbst als eine sehr vom Glück begünstigte Frau, und sie lebte schon lange genug, um zu wissen, wie glücklich man sie nennen durfte, war doch ihr einziges Bedauern eine räumliche Trennung von Freunden, deren Freundschaft für sie niemals nachgelassen hatte und die es nur schwer ertragen konnten, sie gehen zu lassen!

Sie wußte, daß sie zuweilen vermißt werden mußte, und konnte nicht ohne Kummer daran denken, daß Emma ohne ihre Gesellschaft auch nur ein einziges Vergnügen missen oder eine Stunde unter Langeweile leiden könnte; doch die liebe Emma war kein so schwacher Mensch, sie würde mit ihrer Lage weit besser fertig werden als die meisten Mädchen; und sie besaß Vernunft, Energie und Geist, von denen man hoffen durfte, daß sie ihr gut über kleine Schwierigkeiten und Entbehrungen hinweghelfen würden. Und dann lag ja auch ein solcher Trost darin, daß es nur ein kurzer Weg von Randalls nach Hartfield war, selbst für eine Frau bequem allein zu gehen, und darin, daß Mr. Westons Neigungen und Verhältnisse sie nicht daran hindern würden, in der herannahenden Winterzeit jeden zweiten Abend der Woche zusammen zu verbringen.

Insgesamt bestand Mrs. Westons Leben nun aus Stunden der Dankbarkeit und nur Augenblicken des Bedauerns; und ihre Befriedigung, ja, mehr als Befriedigung, ihr tiefempfundenes Glück war so aufrichtig und offenkundig, daß Emma, so gut sie ihren Vater auch kannte, manchmal überrascht war, daß er immer noch die ›arme Miss Taylor‹ bedauern konnte, wenn sie sie in Randalls inmitten all ihrer häuslichen Behaglichkeit zurückließen oder wenn er sie in Begleitung ihres liebenswürdigen Gatten am Abend zu ihrer eigenen Kutsche fortgehen sah. Aber sie gingen niemals fort, ohne daß Mr. Woodhouse einen leichten Seufzer ausstieß und sagte: »Ach, arme Miss Taylor. Sie wäre doch sehr gern hiergeblieben.«

Miss Taylor konnte man nun einmal nicht zurückbekommen – und es war auch kaum wahrscheinlich, daß er aufhören würde, sie zu bedauern; doch nach ein paar Wochen wurde für Mr. Woodhouse alles ein wenig leichter zu ertragen. Die Höflichkeitsbezeigungen waren vorbei, er wurde nicht länger damit gequält, daß man ihn zu einem so beklagenswerten Ereignis beglückwünschte; und der Hochzeitskuchen, der ihm eine solche Sorge bereitet hatte, war vollkommen verzehrt. Sein eigener Magen konnte nichts Gehaltvolles vertragen, und er konnte niemals glauben, daß es anderen Leuten anders erging als ihm selbst. Was für ihn unzuträglich war, betrachtete er auch als untauglich für jeden anderen; und er hatte deshalb ernsthaft versucht, sie davon abzubringen, überhaupt einen Hochzeitskuchen backen zu lassen; und als sich das als vergeblich erwies, hatte er ebenso ernsthaft versucht, jedermann davon abzuhalten, davon zu essen. Er hatte sich sogar die Mühe gemacht, Mr. Perry, den Doktor, um Rat zu fragen. Mr. Perry war ein kluger, gebildeter Mann, dessen häufige Besuche zu den Freuden in Mr. Woodhouses Leben gehörten; und als er darum befragt wurde, konnte er nicht umhin zuzugeben (wenngleich sich dies ziemlich gegen seine eigenen Neigungen zu richten schien), daß Hochzeitskuchen gewiß für viele, vielleicht für die meisten Leute nicht bekömmlich sein könne, es sei denn, man esse nicht zu viel davon. Mit einer solchen Meinung, die seine eigene bestätigte, hoffte Mr. Woodhouse auf jeden Besucher des neuvermählten Paares einwirken zu können; jedoch der Kuchen wurde verzehrt, und es gab keine Ruhe für seine wohlwollende Seele, ehe er nicht ganz verschwunden war.

In Highbury machte das seltsame Gerücht die Runde, man habe all die kleinen Perrys mit einem Stück von Mrs. Westons Hochzeitskuchen in der Hand gesehen; doch Mr. Woodhouse wollte das nicht glauben.

KAPITEL 3

Mr. Woodhouse liebte Gesellschaft, doch auf seine eigene Weise. Er hatte es sehr gern, wenn ihn seine Freunde besuchten; und aus den verschiedensten Gründen – wegen seiner langen Ansässigkeit in Hartfield und seiner Gutmütigkeit, wegen seines Vermögens, seines Hauses und seiner Tochter – konnte er weitgehend nach Belieben über Besuche aus seinem eigenen kleinen Bekanntenkreis verfügen. Über diesen Kreis hinaus pflegte er nicht viel Verkehr mit anderen Familien; sein Grauen vor spätem Zubettgehen und großen Dinner-Gesellschaften machte ihn ungeeignet für alle Bekanntschaften außer solchen, die sich bei ihren Besuchen seinen eigenen Bedingungen fügten. Zu seinem Glück gab es viele solche in Highbury – Randalls, das in der gleichen Gemeinde lag, und Mr. Knightleys Wohnsitz Donwell Abbey in der benachbarten Gemeinde miteingeschlossen. Nicht selten hatte er durch Emmas Überredungskünste einige der auserwählten und besten Familien bei sich zum Dinner; doch was er bevorzugte, waren Abendbesuche, und wenn er sich nicht gerade einmal außerstande glaubte, jemand zu empfangen, verging kaum ein Abend in der Woche, an dem Emma keinen Kartentisch für ihn aufstellen konnte.

Wirkliche, seit langem bestehende Freundschaft führte die Westons und Mr. Knightley zu ihm; und Mr. Elton, ein junger Mann, der allein lebte, ohne daß ihm das gefiel, hütete sich davor, das Privileg zu verschmähen, jeden unausgefüllten Abend seiner eigenen trüben Einsamkeit mit der Gepflegtheit und der Gesellschaft von Mr. Woodhouses Salon und dem Lächeln seiner schönen Tochter zu vertauschen.

Nach diesen kam eine zweite Gruppe; zu denen, die am leichtesten zu haben waren, gehörten hier drei Damen, Mrs. und Miss Bates und Mrs. Goddard, die fast immer für eine Einladung von Hartfield zu Diensten waren und die so oft geholt und heimgefahren wurden, daß Mr. Woodhouse es weder für James noch für die Pferde mehr als Härte ansah. Hätte dies nur einmal im Jahr stattgefunden, wäre es für ihn ein Grund zur Klage gewesen.

Mrs. Bates, die Witwe des früheren Pfarrers von Highbury, war eine sehr alte Dame, die außer Tee und Quadrille fast nichts mehr interessierte. Sie lebte zusammen mit ihrer alleinstehenden Tochter in sehr bescheidenen Verhältnissen und wurde mit der ganzen Aufmerksamkeit und dem Respekt bedacht, die eine harmlose alte Dame unter solch unglücklichen Umständen hervorrufen kann. Ihre Tochter erfreute sich eines höchst ungewöhnlichen Maßes an Beliebtheit für eine Frau, die weder jung noch schön, weder reich noch verheiratet war. Miss Bates befand sich in der allermißlichsten Ausgangslage, um jemals allgemeine Gunst zu erlangen; und sie besaß keine große Intelligenz, um sich damit einen Ausgleich zu verschaffen oder bei jenen, die sie vielleicht nicht mochten, zumindest äußeren Respekt zu erzwingen. Sie hatte sich niemals eigener Schönheit oder Klugheit rühmen können. Ihre Jugend war völlig ereignislos dahingegangen, und die Mitte ihres Lebens war der Betreuung einer gebrechlichen Mutter und dem Bemühen gewidmet, aus einem kleinen Einkommen so viel wie möglich zu machen. Und doch war sie eine glückliche Frau, und eine Frau, die niemand ohne Wohlwollen erwähnte. Es war ihre eigene allgemeine Gutwilligkeit und ihr zufriedenes Wesen, die solche Wunder hervorbrachten. Sie liebte jeden, nahm an jedermanns Glück teil, fand mit Scharfblick rasch die Vorzüge eines jeden heraus, betrachtete sich selbst als ein äußerst bevorzugtes Wesen, das von Segnungen umgeben war, mit einer so vortrefflichen Mutter und so vielen guten Nachbarn und Freunden und einem Heim, das nichts entbehrte. Die Schlichtheit und Heiterkeit ihres Wesens, ihre zufriedene und dankbare Seele empfahlen sie jedermann und waren eine Quelle der Glückseligkeit für sie selbst. Sie redete viel über unbedeutende Dinge, was genau das richtige für Mr. Woodhouse war, steckte voll alltäglicher nichtssagender Mitteilungen und harmlosen Geschwätzes.

Mrs. Goddard war die Vorsteherin einer Schule – nicht eines Seminars oder einer Anstalt oder dergleichen, die in langen Sätzen gebildeten Unsinns vorgeben, nach neuen Prinzipien und Systemen umfangreiche Fähigkeiten und Fertigkeiten mit vornehmer Moral zu vereinen – und wo sich junge Damen gegen enorme Bezahlung die Gesundheit verderben und wo ihnen nur Eitelkeit vermittelt wird –, sondern eines echten, redlichen, altmodischen Pensionats, wo eine angemessene Menge Kenntnisse und Fertigkeiten für einen angemessenen Preis verkauft wird und wohin die Mädchen geschickt werden, damit sie aus dem Wege sind und ein wenig Bildung zusammenraffen, ohne daß sie dabei irgendeine Gefahr laufen, als Wunder an Gelehrsamkeit zurückzukehren. Mrs. Goddards Schule genoß hohes Ansehen – und das sehr verdientermaßen, denn Highbury galt als ein besonders gesunder Ort: Mrs. Goddard besaß ein großes, geräumiges Haus und einen großen Garten, sie gab den Kindern viel gesunde Nahrung, ließ sie im Sommer viel herumlaufen und verband im Winter eigenhändig ihre Frostbeulen. Da war es kein Wunder, daß ein Zug von zwanzig jungen Paaren hinter ihr in die Kirche wanderte. Sie war eine schlichte mütterliche Frau, die in ihrer Jugend hart gearbeitet hatte und sich nun berechtigt fühlte, sich gelegentlich einen freien Nachmittag zu einem Teebesuch zu gönnen; und da sie früher Mr. Woodhouses Güte viel zu verdanken gehabt hatte, meinte sie, daß er einen besonderen Anspruch darauf habe, daß sie, wann immer es ihr möglich war, ihren hübschen, ringsum mit feinen Handarbeiten behängten Salon verließ, um in seinem häuslichen Kreis ein paar Sixpence zu gewinnen oder zu verlieren.