Unter dem Eis

 

 

 

Logo-DH

Band 79

 

Unter dem Eis

 

von Logan Dee und Catherine Parker

 

 

© Zaubermond Verlag 2015

© "Dorian Hunter – Dämonenkiller"

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Titelbild: Mark Freier

eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

 

http://www.zaubermond.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

 

Was bisher geschah:

 

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Ihn kann Dorian schließlich töten.

Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass sie in Wirklichkeit hinter dem wiedererstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Der in ihr schlummernde Asmodi übernimmt die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf.

Und die Umstände wollen es, dass ausgerechnet Coco Zamis die neue Schiedsrichterin wird. Das Dämonenkiller-Team droht zu zerfallen, Dorian stirbt. Die Dämonen scheinen gesiegt zu haben.

Aber mit vereinten Kräften gelingt es Dorians Freunden, ihn ins Leben zurückzuholen. Das Team formiert sich neu. Nur eines der alten Mitglieder fehlt noch: Kiwibin.

 

 

 

 

Erstes Buch: Chatanga

 

 

Chatanga

 

von Logan Dee

nach einem Exposé von Susanne Wilhelm

 

1. Kapitel

 

Ich erwachte mit einem pelzigen Geschmack im Mund. Meine Kehle war so ausgetrocknet, dass ich im ersten Moment fürchtete, keine Luft zu bekommen. Mir pochte der Schädel, als würde ein winziger sadistischer Dämon darin sitzen und mit einem Hammer von innen dagegenschlagen.

Durch die Vorhänge des Schlafzimmers fiel graues Licht. Nicht unbedingt das, was mich aus dem Bett trieb. Das Pochen der Regentropfen gegen die Scheibe erzeugte einen trostlosen Sound.

Mein Blick war verschwommen, so als wären die Regenschleier auch ins Zimmer eingedrungen. Ich tastete mit der Hand zur Nachtkonsole und stieß mit den Fingern gegen eine Flasche, die daraufhin zu Boden rollte. Zum Glück landete sie auf dem weichen Teppich und ging nicht zu Bruch.

Als Nächstes bekam ich die Schachtel Players zu fassen. Wie ein Erstickender griff ich mit zittrigen Fingern hinein und zog eine Zigarette heraus.

Fehlte nur noch Feuer.

Fluchend setzte ich mich auf. Das Feuerzeug war nirgends zu sehen. Die Zigarette hing nutzlos zwischen meinen Lippen.

Ein Tag, der so anfing, konnte eigentlich nur besser werden. Würde zumindest ein Optimist sich einreden.

Ich bin kein Optimist. Also erwartete ich das Schlechteste.

Herzlich willkommen, Dorian, flüsterte der Dämon, der noch immer unverdrossen meinen Schädel malträtierte. Willkommen zu einem weiteren Tag in deiner ganz persönlichen Hölle, die du Leben nennst.

Ich schlurfte aus meinem Zimmer auf der Suche nach Feuer. Der verführerische Duft von gebratenem Speck stieg mir in die Nase. Ich folgte ihm und landete in der Küche. Als ich die Tür aufstieß, stand ein bereits ziemlich geschniegelter George Morales vor dem Herd und rührte in einer Pfanne herum.

Er trug eine Schürze, um sich vor Fettspritzern zu schützen. An besseren Tagen hätte ich ihn damit aufgezogen.

Heute war einer der schlechteren Tage.

Wie zur Bestätigung sagte Morales: »Mann, Hunter, sehen Sie vielleicht scheiße aus!«

»Feuer!«, murmelte ich und sah mich verzweifelt um.

»Wollen Sie die Villa abfackeln, oder warum?«

Ich deutete auf die Zigarette.

Es war Don, der mir aus der Klemme half. »Setz dich, Dorian.« Ich setzte mich zu ihm an den Küchentisch. »Ich vermute, das hier ist dein Feuerzeug, oder?«

Er warf es mir zu, und endlich konnte ich die Zigarette ihrer wahren Bestimmung zuführen.

»Das hab ich auf der Toilette gefunden«, sagte Don. »Du solltest da gleich mal sauber machen.« Er sah mich an, als wäre ich ein ekliges Insekt. Während ich rauchte, hielt er mir eine Morgenpredigt: »Ich mache mir allmählich Sorgen. Du solltest wirklich weniger trinken. Die ganze Toilette ist vollgekotzt.«

»Ich bemühe mich ja, aber Lady Bourbon ist zu verführerisch.«

Don schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich begreife nicht, wie man sich so gehen lassen kann. Okay, ich gebe zu, dass unser Junggesellenhaushalt nicht das ist, was man unter einem gemütlichen Zuhause versteht. Und ich gebe auch zu, dass wir im Moment ein wenig herumhängen. Das ist aber noch lange kein Grund, sich Abend für Abend derart volllaufen zu lassen.«

»Kaffee?«, krächzte ich.

Don schob mir die Kanne hin. Meine Tasse stand noch vom letzten Morgen auf dem Tisch. Nachdem ich einige Schlucke die Kehle heruntergeschüttet hatte, nickte ich. »Du hast ja recht, Don. Ich ...«

»Sie sitzen auf meinem Platz«, sagte Morales. Er stand mit der Pfanne vor mir und sah verächtlich auf mich herab. »Aber so fertig, wie Sie aussehen, mache ich heute mal eine Ausnahme.«

Er nahm an anderer Stelle Platz und füllte sich und Don den Teller: Rühreier, Speck, Bohnen und Würstchen. Mein Magen knurrte vernehmlich.

»Und ich?«

Morales gönnte mir ein mitleidiges Lächeln. »Können Sie heute Morgen überhaupt etwas bei sich behalten? Würde mich wundern. Außerdem habe ich die letzten Eier gerade verbraucht. Und raten Sie mal, Hunter, wer mit dem Einkauf an der Reihe ist?«

Während die beiden sich über das Frühstück hermachten, ging es mir allmählich besser. Vor allem, nachdem ich eine weitere Players geraucht und eine zweite Tasse Kaffee getrunken hatte.

»Kaffee brauchen wir auch neuen«, knurrte Morales. Er war schon ein Sonnenschein. Ich wusste gar nicht, womit ich einen solchen Charmebolzen an meiner Seite verdient hatte. Und noch dazu in meinem eigenen Haus.

George Morales gehörte nun schon seit Längerem zum Team. Trotzdem benahm er sich nicht so, als bemühte er sich darum, Freunde zu gewinnen. Der ehemalige Secret-Service-Mitarbeiter war ein hoch aufragender, durchtrainierter Mann mit streichholzkurz geschnittenem schwarzbraunem Haar und markanten, entschlossen wirkenden Gesichtszügen. Genau wie Don legte er Wert auf ein gepflegtes Aussehen. Ich war so etwas wie ein Paria zwischen den beiden.

Ich schaute zu Don Chapman. Auch er hatte sich wie immer herausgepellt, als hätte er gleich ein Rendezvous. Er war genauso durchtrainiert wie Morales, und auch ihm sah man den ehemaligen Secret-Service-Agenten an. Irgendwie waren sie alle gleich: Den Stallgeruch konnten sie auch nach Jahren nicht abschütteln. Dons Haare waren schneeweiß, dennoch wirkte er jünger, als er eigentlich war.

Nachdem die beiden sich weiterhin schweigend ihrem Frühstück widmeten, stand ich auf. »Ich geh dann mal. Wünsche noch einen guten Appetit.«

»Vergessen Sie nicht, die Toilette sauber zu schrubben«, erinnerte mich Morales. »Und, ganz unter uns, mein Freund, so wie Ihr Schlafanzug aussieht, vergraulen Sie jedes weibliche Wesen.«

»Ich sehe keins«, knurrte ich. »Ich sehe nur einen Stinkstiefel mit einer ziemlich albernen Kochschürze.«

»Sind Sie etwa auf Krawall aus?«

In diesem Augenblick spielte Dons Handy die englische Nationalhymne. Ich wollte mich schon verdrücken, als mit einer hastigen Handbewegung andeutete, dass es wohl ein wichtiger Anruf war.

Und dann hörte ich ihn einen Namen sagen, der mich augenblicklich die Ohren spitzen ließ: Kiwibin!

Der Russe war seit einer ganzen Weile schon verschollen. Wir alle hatten nach ihm gesucht, doch er war wie vom Erdboden verschwunden. Insgeheim hatte ich mich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass ihm etwas zugestoßen war. Wie sonst war sein Schweigen zu deuten?

Doch dann hatte vor ein paar Tagen Fred Archer angerufen. Er und Hermann Falk befanden sich in Russland und suchten dort die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Kiwibin war zwar nach wie vor nicht aufgetaucht, doch Fred hatte angedeutet, so etwas wie den Hauch einer Spur gefunden zu haben – eine Möglichkeit, keine Garantie. Das waren seine genauen Worte gewesen.

Nicht nur deshalb hatte ich das Gefühl, endlich etwas tun zu müssen. Ich fühlte mich zur Untätigkeit verdammt, während die anderen aus dem Team meine Aufgaben übernahmen. Gut, ich war eine Zeit lang außer Gefecht gewesen, und vielleicht war es deshalb ganz natürlich, dass sie die Verantwortung nicht sofort wieder abgaben. Sie ersetzten mich so gut, dass ich quasi ohne Job dastand.

»Kiwibin? Ist er am Apparat?«, wollte ich wissen. Aber Don schüttelte den Kopf und hielt mich auf Distanz. Nach zwei Minuten war das Gespräch bereits wieder zu Ende.

»Das war Fred«, klärte uns Don auf.

»Hat er eine Spur?«, fragte ich ohne große Hoffnung.

»Kiwibin war in seinem ersten Leben nicht umsonst Spion beim russischen Geheimdienst«, sagte Don. Er meinte es natürlich im übertragenen Sinne. Mit dem ersten Leben war die Zeit gemeint, als Kiwibin noch nicht zum Team gehört hatte. »Er versteht es nicht nur, Spuren zu verwischen, sondern sie so geschickt zu hinterlassen, dass nur die sie finden, die sie auch finden sollen.«

»Du meinst, er hat gewusst, dass wir ihn suchen werden?«

»Nicht ›wir‹, aber Fred und insbesondere Hermann.«

Fred Archer war der beste Spürhund unseres Teams. Wenn er einmal eine Fährte aufgenommen hatte, verfolgte er sie so verbissen wie ein Bluthund. Bis zum Ende – auch wenn das nicht immer so aussah, wie es zu Anfang den Anschein gehabt hatte.

Hermann Falk war Mitglied der Frankfurter Loge der Magischen Bruderschaft und als solches Spezialist in Weißer Magie.

Wenn also jemand überhaupt Chancen hatte, Kiwibin zu finden, dann die beiden. Moment mal, jetzt dachte ich schon so wie alle anderen. Und was war mit mir? Bisher hatte mir in der Hinsicht keiner was vormachen können.

»Du guckst, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen«, unterbrach Don seine Ausführungen. Er betrachtete mich, als ahnte er meine Gedanken. Als ich nicht antwortete, fuhr er fort: »Unser Freund Kiwibin war so clever, Spuren zu hinterlassen. Spuren, die nur jemand wie Hermann lesen kann. Sie haben einen persönlichen Gegenstand von Kiwibin gefunden, und Hermann hat einen Aufspürungszauber gewirkt, mit dem sie Kiwibins Position ungefähr lokalisieren konnten.«

Während Don eine hoffnungsvolle Miene aufsetzte, gab Morales den Spielverderber: »›Ungefähr‹ klingt wie die kleine Tochter von ›keine Ahnung‹.«

Ich warf Morales einen grimmigen Blick zu. »Jedenfalls tun die beiden etwas, während wir hier nur herumsitzen und den Hintern nicht hochbekommen.« Ich wandte mich an Don: »Und wo, meinen die beiden, steckt nun Kiwibin?«

»Wie gesagt, Hermann konnte den Ort nur ungefähr festmachen. Aber laut der Karte, die er zur Verfügung hatte, befindet sich Kiwibin nördlich des Polarkreises irgendwo in Sibirien.«

»Was auch immer er da zu suchen hätte«, murmelte Morales. »Wer sagt uns, dass er überhaupt noch lebt?«

»Ich glaube, das hätte Hermann gespürt«, sagte Don. »Seine Magie hätte dann gar nicht erst angeschlagen. Schließlich ist er kein Nekromant.«

Ich schlug ungeduldig die Faust in die offene Hand und sagte: »Wie auch immer, es gibt nur eine Möglichkeit, herauszufinden, was mit Kiwibin los ist: Wir müssen ihn endlich aufstöbern! Vielleicht steckt er ja in ernsthaften Schwierigkeiten.«

Don schüttelte den Kopf und sah mich mit zusammengekniffenen Augen skeptisch an. »Ich weiß genau, was jetzt in deinem Hirn vorgeht, Dorian.«

»So? Dann weißt du mehr als ich.«

»Du willst dich selbst auf die Suche machen.«

»Und was spräche dagegen?«

»Fred und Hermann sind ihm weiterhin auf den Fersen. Wie ich die beiden kenne, werden sie alles tun, um ihn zu finden.«

Ich wischte seinen Einwand beiseite. »Das höre ich mir alles schon zu lange an. Wir müssen endlich handeln. Sofort.«

»Und wenn es eine Falle ist?«, wandte Morales ein. »Ist doch irgendwie komisch, dass Kiwibin plötzlich so aus dem Nichts wieder auftaucht.«

Don hob belehrend den Zeigefinger: »Noch ist er nicht aufgetaucht, sondern wir haben nur die Bestätigung, dass er noch lebt. Aber ansonsten hat Morales recht: Vielleicht will ja jemand, dass wir uns alle gemeinsam auf die Suche machen.«

Bevor die Diskussion noch in ein Kaffeepläuschchen ausartete, setzte ich dem Ganzen ein Ende. »Schluss mit dem Gerede. Kiwibin braucht unsere Hilfe, das spüre ich. Ich setze mich noch heute in den Flieger und helfe Fred und Hermann bei der Suche nach Kiwibin. Basta!!«

 

Als ich aus der Maschine stieg, schlug mir ein eisiger Wind ins Gesicht. Die wenigen Passagiere, die mit mir die uralte Propellermaschine verließen, waren allesamt auf die Temperaturen besser vorbereitet als ich. Sie trugen dicke Daunenjacken und Pelzmützen.

Wie ich wahrscheinlich auch, sahen sie hundemüde aus. Allerdings schätze ich, dass ich den weitesten Flug hinter mir hatte. Von London aus hatte ich zwar einen Nonstop-Flug direkt nach Moskau-Scheremetjewo erwischt, aber dort saß ich erst mal auf dem Trockenen. Denn regulär wurde der Flughafen von Chatanga, dem ersten Ziel meiner Reise, von Moskau nicht angesteuert. Also musste ich die 3300 Kilometer irgendwie anders schaffen. Mit der Bahn wäre ich tagelang unterwegs gewesen. In einer der Flughafenbars hatte ich Glück. Einer der Kellner erkundigte sich, ob ich für die Nacht schon eine Begleitung hätte. Als ich ihm zu verstehen gab, dass ich auf der Suche nach einer Weiterreisemöglichkeit war, ging der nächste Bourbon auf seine Rechnung. Anscheinend witterte er ein gutes Geschäft.

»Das trifft sich gut, ich kenne da jemanden, der noch heute direkt nach Chatanga fliegt. Ist nicht ganz billig ...«

»Geld spielt keine Rolle«, sagte ich. Er nannte mir den Betrag, und ich schob ihm unauffällig ein Geldbündel hin.

Er zog sein Handy und telefonierte kurz. Danach schüttelte er den Kopf. »Leider schon ausgebucht. Aber in zwei Tagen ...«

»So lange kann ich nicht warten.« Ich nahm das Geld wieder an mich.

»Warten Sie, vielleicht gibt es eine Möglichkeit. Kostet aber extra.«

»Das ist mir klar«, knurrte ich. Schließlich waren wir in Moskau.

Nachdem er abermals telefoniert hatte, lag ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. »Sie haben Glück, gerade eben hat jemand seine Reise storniert.«

Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, auf welche Weise man den Passagier überzeugt hatte, die Reise nicht anzutreten.

Nachdem ich einen unverschämt hohen Preis bezahlt hatte, war höchste Eile geboten. Das Flugzeug startete von einer der Nebenbahnen. Als ich die Maschine erblickte, wäre ich am liebsten umgekehrt. Das Himmelfahrtskommando teilten sich mit mir noch fünf andere Passagiere. Allesamt Russen, mit denen ich nicht weiter ins Gespräch kam.

Nun also war ich am Ziel meiner Reise. Ich drückte dem Piloten ein üppiges Trinkgeld in die Hand und erkundigte mich nach einem Hotel. Ich schlief fast im Stehen ein. Während des unruhigen Fluges hatte ich wegen der Wetterverhältnisse kein Auge zumachen können. Er nannte mir zwei Adressen. Ich bedankte mich, fasste meine Reisetasche und kämpfte gegen den Wind an, während ich über das Flugfeld stapfte. Meine Reisegefährten waren bereits irgendwo in der Dunkelheit verschwunden. Aufgrund der nördlichen Lage herrschte hier zu dieser Jahreszeit eine mehrmonatige Polarnacht.

Am Rande des Flugplatzes stand eine Wellblechhalle. In der mich umgebenden Dunkelheit wirkte sie wie ein Fanal. Wahrscheinlich würde ich von dort aus ein Taxi rufen können. Vielleicht erwarteten mich sogar Hermann und Fred dort.

Vor der überstürzten Abreise aus London hatte Don sie nicht mehr erreichen können. Aber er hatte versprochen, sich darum zu kümmern, dass sie von meiner Reise hierher erfuhren und sich nicht allein auf die Suche machten.

Noch während ich unverdrossen mein Ziel anvisierte, blitzte in meinem linken Sichtfeld etwas auf. Ich schaute genauer hin. In Kopfhöhe schwebte eine geisterhafte blaue Flamme. Wie aus dem Nichts war sie dort aufgetaucht. Sie flackerte leicht im Wind, schien sich aber zu behaupten.

Es war kein natürliches Licht. Unwillkürlich tastete ich nach der gnostischen Gemme. Aber da verwandelte sich die Flamme bereits. Die Gesichtszüge von Hermann Falk schälten sich heraus.

»Hermann!«, entfuhr es mir verblüfft.

Sein Gesicht strahlte die gleiche Energie und Entschlossenheit wie immer aus, aber trotzdem wirkte es eigenartig starr. Irgendetwas stimmte damit nicht. Als er nicht antwortete, ahnte ich, woran es lag. Es war nur eine Vision, eine Art Signatur, damit ich wusste, dass er die Flamme erschaffen hatte.

Das Gesicht verschwand wieder, und die Flamme tanzte voran. Ich folgte ihr. Vielleicht hatte er sie mir ja als eine Art Wegweiser geschickt, der mich zu meinen Freunden führen würde.

Als ich die Halle erreichte, war die Flamme nur noch daumennagelgroß. Mehrere andere Fluggäste gingen an mir vorbei, ohne sie zu beachten. Offensichtlich sah nur ich sie.

Ich schaute mich um. Ein trostloseres Terminal hatte ich selten betreten. Die letzten Fluggäste hatten wahrscheinlich gerade die Halle verlassen. Ansonsten lungerte in einer der dunklen Ecken eine Gruppe Obdachloser, die hier offensichtlich Zuflucht vor der Kälte suchten. Sie ließen eine Flasche Wodka kreisen.

Es gab ein paar Schalter und sogar einen Kiosk und ein Café, aber um diese Uhrzeit hatten sie alle dicht. Ich fragte mich, wohin meine Mitreisenden wohl inzwischen verschwunden waren.

Ich hatte umsonst gehofft, dass Fred oder Hermann mich hier empfangen würden. Die blaue Flamme irrte herum, so als wäre sie unschlüssig, wohin sie mich führen sollte.

Ich zuckte die Schultern und entschied mich, notgedrungen erst einmal eine Toilette aufzusuchen. Der Eingang lag gleich unter einer riesigen Marlboro-Leuchtreklame, deren zuckendes Licht infolge eines Defektes die ganze Trostlosigkeit dieses Ortes hinausmorste.

Als ich die Toilettenräume betrat, schlug mir ein infernalischer Gestank entgegen. Am liebsten hätte ich gleich wieder kehrtgemacht. Da erschien neben mir erneut die blaue Flamme. Gleichzeitig sagte eine Stimme: »Da sind Sie ja endlich. Ich dachte schon, Sie kämen gar nicht mehr.«

Ich fuhr herum und erkannte im Schatten eine alte Frau, die auf einem niedrigen Schemel hockte. Vor ihr auf dem Tisch stand ein Teller mit ein paar Münzen darauf. Ihr Gesicht war runzlig und zerknittert. Der Kopf thronte direkt auf dem massigen Leib. Ich musste unwillkürlich an eine riesige Kröte denken.

»Wer sind Sie?«, fragte ich misstrauisch.

»Warwara ist mein Name. Ich soll Ihnen sagen, dass Ihre Freunde Sie erwarten. Im Hotel Sibir.«

Ich schaute sie misstrauisch an, aber ich konnte ihren Blick nicht fangen. Der Pilot hatte mir zwei andere Hotels genannt. Als ich das der Frau sagte, lachte sie nur meckernd. »Es gibt nur noch das eine Hotel. In Chatanga ist der Zug abgefahren. Wenn es so weitergeht, wird alles hier zur Geisterstadt. Und wir alle werden zu Geistern.«

Ich spürte, wie es mir bei Ihren Worten kalt über den Rücken lief. Die ganze Atmosphäre seit meiner Ankunft empfand ich als gespenstisch. Konnte ich der Frau trauen? Noch immer wich sie meinem Blick aus.

»Woher kennen Sie meine Freunde? Wie sehen sie aus?«, fragte ich.

Ein Zittern durchlief ihren Körper. Sie hob den Kopf und sah mich unfreundlich an. »Machen Sie schnell, ich schließe gleich ab.«

»Erst beantworten Sie mir meine Frage.«

»Welche Frage?«

»Die nach meinen Freunden?«

Sie runzelte die Stirn und sah mich verständnislos an. »Sind Sie noch bei Trost?«

Am liebsten hätte ich die Alte am Kragen ihres speckigen Mantels gepackt, aber dann begriff ich, dass sie sich nicht verstellte. Offensichtlich hatte ihr Hermann einen posthypnotischen Befehl eingegeben. Eine Botschaft, die sie an mich weitergeben sollte. Dennoch wäre mir wohler gewesen, wenn er mich persönlich abgeholt hätte.

»Wollen Sie jetzt zur Toilette oder nicht?«, drängte die Alte.

Ich nickte. Trotz des Gestanks, der hier herrschte, hatte ich wohl keine andere Wahl. Ich warf ihr einen Schein auf den Teller. Ihre Augen blitzten gierig auf.

Es gab nur drei Kabinen, und alle waren sie gleich schmutzig. Ich fragte mich, was die Frau überhaupt tat, außer Geld zu kassieren. Kotiges Wasser umspülte meine Schuhe. Wahrscheinlich war irgendein Rohr geplatzt, und niemanden kümmerte es.

Noch während ich mich erleichterte, hörte ich plötzlich Stimmen. Sie klangen rau und aggressiv. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass ich sie von irgendwoher kannte.

Ich zog den Reißverschluss meiner Hose zu und spähte aus der Kabine nach draußen.

Der Toilettenraum war verschwunden!

Ebenso wie die Frau.

Stattdessen schaute ich in ein karg eingerichtetes Zimmer. Ich sah ein Bett, einen Kleiderschrank, ein Tisch mit einem Stuhl ...

Ich griff erneut nach der gnostischen Gemme. Sie fühlte sich warm in meiner Hand an. Ein Beweis dafür, dass schwarzmagische Kräfte zu Werke waren.

Ich trat aus der Kabine heraus. Der Boden des Zimmers war mit Holzdielen ausgelegt. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass meine Schuhe darin versanken.

Dann hörte ich die Stimmen erneut. Nun konnte ich sie besser lokalisieren. Sie kamen aus der Wand. Ich ging darauf zu, wobei es mir schwerfiel, mich auf den Beinen zu halten. Mit jedem Schritt versanken meine Füße tiefer – als würde ich in einem Wattenmeer oder im Sumpf waten.

Ich presste ein Ohr gegen die Wand. Die Stimmen kamen aus einem anderen Zimmer. Mein Blick huschte zur Tür. Wo auch immer ich mich hier befand, es gab einen Ausgang.

Noch während ich überlegte, meine seltsame Umgebung weiter zu erforschen, verstummten die Stimmen. Einen Augenblick später wurde die Tür aufgestoßen. Mit voller Wucht knallte sie gegen die Wand. Putz fiel von der Decke. Ein Mann stürmte ins Zimmer. Er war sichtlich wütend, während er auf mich zukam.

Ich ging in Kampfstellung, musste aber verblüfft feststellen, dass mich der Mann keines Blickes würdigte. Er lief an mir vorbei, erreichte das Ende des Zimmers, ballte die Fäuste und lief wieder zur Tür, um sie zuzuknallen. Danach lief er mehrmals im Zimmer auf und ab.

Allmählich begriff ich, dass ich tatsächlich unsichtbar für ihn war.

Ich wollte es genau wissen und stellte mich ihm direkt in den Weg. Er stoppte nur wenige Zentimeter vor mir. Er schien kurz irritiert, dann drehte er sich um und setzte den Gang durchs Zimmer in der anderen Richtung fort.

Ich startete einen letzten Versuch, räusperte mich und klatschte in die Hände. Erneut keine Reaktion.

Ich schaute mir den Mann genauer an. Er trug einen wadenlangen Pelzmantel und kniehohe Stiefel. Offensichtlich war es in dem Zimmer eiskalt. Dafür sprachen auch die Atemwolken, die vor seinem Gesicht tanzten. Obwohl der Mann offensichtlich kein Russe war, sondern eher wie ein Europäer oder Amerikaner aussah, machte er einen irgendwie wilden Eindruck. So als wäre sein Mantel nur eine Verkleidung, die ihn weniger barbarisch wirken ließ. Die schulterlangen Haare wirkten ungepflegt, ebenso wie der lange zerzauste Bart. Er war mindestens zwei Meter groß und erinnerte mich an einen Bären. Als ich in die Augen des Fremden blickte, sah ich darin ein geradezu fanatisches Glitzern.

Es klopfte an der Tür. Der Mann hielt in seinem Gang inne und rief ein harsches »Herein!«. Als sich die Tür öffnete, betrat ein kleinerer Mann den Raum. Er wirkte angesichts seines Gegenübers wie ein Zwerg. Die linke Seite seines Gesichtes war von einem roten Feuermal entstellt.

»Was willst du jetzt schon wieder, Frederique?«, fragte der Riese ungeduldig.

»Anatolij verlangt mehr Geld. Er sagt, er habe neue Informationen, Gerüchte, und sie alle besagen, dass es gefährlicher werden könnte, als er zunächst angenommen hat.«

»Dieser Idiot! Was hilft ihm alles Geld der Welt, wenn er bei der Expedition draufgeht?«

»Er denkt an seine Familie.«

»Also schön, gib ihm den Lohn, den er fordert. Auch wenn ich das als Erpressung bezeichne. Er weiß genau, dass wir bis morgen keinen anderen Führer herbeizaubern können. Wenn wenigstens Faucon nicht so ein Weichei wäre. Er besteht darauf, seine gesamten wissenschaftlichen Geräte mitzunehmen. Leider sind wir auf ihn und sein Geld angewiesen. Zumindest so lange, bis wir gefunden haben, was wir suchen ...«

Der Kleine grinste zufrieden. »Ja, ich glaube an unseren Erfolg! Ich habe heute erst Madeleine einen Brief geschrieben und ihr versichert, dass wir prunkvoll heiraten werden, wenn wir das Gold ...«

Mit einem Schritt war der Riese bei ihm und hielt ihm den Mund zu. »Psst. Kein Wort darüber! Du weißt doch, dass die Wände Ohren haben! Offiziell dient unsere Expedition allein der Erforschung Sibiriens. Ich hoffe, du verliebter Idiot hast den Brief noch nicht aufgegeben?«

»Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen.«

»Dann gib ihn mir. Ich werde mich darum kümmern.«

Nur zögernd folgte der Kleine der Aufforderung. Schließlich holte er ein versiegeltes Kuvert aus seinem gefütterten Wams und gab es seinem Gegenüber.

»Jetzt schau nicht so, als würdest du zum Schafott geführt. Glaubst du denn, der Brief wird von den korrupten Beamten hier nicht geöffnet und gelesen? Mach dir keine Gedanken. Deine Braut wird den Brief erhalten. Vertraue mir! Ich verfüge über andere Kanäle ... Und jetzt beruhige diesen Russen, damit wir morgen pünktlich aufbrechen können.«

Der andere nickte, drehte sich um und ging aus dem Zimmer. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, verdüsterte sich das Gesicht des Riesen. Mit seiner Pranke zerknüllte er den Brief. Dann warf er ihn in den erloschenen Kamin, entzündete ein Streichholz und ließ das Papier in Flammen aufgehen. Dabei schüttelte er den riesigen Schädel und murmelte: »Ich bin wahrhaftig nur von Schwachköpfen umgeben!«

Es klopfte erneut.

Noch immer wusste ich nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Umso gespannter war ich, wer als Nächster das Zimmer betreten würde.

Doch ich erlebte es nicht mehr. Der Raum flimmerte vor meinen Augen. Gleichzeitig erfasste mich ein Schwindel. Mir wurde kotzübel. Ich konnte mich kaum mehr auf den Beinen halten. Stöhnend sank ich in die Knie und kippte vornüber.

Aber ich schlug nicht auf dem Holzboden auf.

Eine stinkende Flüssigkeit drang in meinen Mund. Ich würgte und spuckte. Mühsam versuchte ich, mich aufzurichten. Der Boden war von zentimeterhohem Abwasser bedeckt. Meine Hand rutschte weg, aber ich konnte mich gerade noch fangen.

Langsam klärte sich mein Blick. Das flackernde Neonlicht enthüllte mir, dass sich meine Umgebung erneut verändert hatte. Ich befand mich wieder in dem Toilettenraum auf dem Flugplatz von Chatanga.

Wie lange hatte meine Vision gedauert? Sekunden? Minuten? Ich hatte das Gefühl, dass eine Ewigkeit vergangen war.

Das Licht hatte vorher noch nicht geflackert. Die Umgebung wirkte dadurch noch grotesker. Die teilweise herausgebrochenen Kacheln und die mit Graffiti beschmierten Wände waren mir vorher nicht aufgefallen.

Und auch nicht das ständige Tropfen.

Ich hievte mich auf die Knie. Meine Kleidung war durchtränkt von dem stinkenden Abwasser. Ich schaute in die Richtung, aus der das Tropfen kam.

Mein Blick fiel auf die Toilettenfrau. Sie saß noch immer auf dem für ihre Größe viel zu kleinen Schemel. Doch der Kopf war ihr auf die Brust gesackt. Deutlich war das faustgroße Loch in der Schädeldecke zu erkennen. Blut tropfte daraus.

Mit einem Sprung war ich auf den Beinen. Im gleichen Moment erkannte ich, dass ich nicht mehr allein war. Sie kamen aus den beiden Nachbartoiletten. Eine andere Gruppe versperrte den Eingang. Es waren die Obdachlosen, die mir schon zuvor aufgefallen waren.

Aber es waren keine harmlosen Bettler. Es waren Freaks!

Alle waren sie mehr oder weniger verunstaltet. Einem fehlten die Beine, er bewegte sich auf einem Rollbrett fort. Dafür hatte er drei schlangengleiche Arme.

Einem anderen wuchs der Kopf direkt aus der Brust.

»Wart ihr das?«, fragte ich und nickte zu der Toten.

»Und wenn, was geht es dich an, Dämonenkiller?«, fragte einer der Freaks frech. Ich schaute ihn mir genauer an. Er war über und über mit Fell bedeckt und erinnerte an einen Affen. Er ging mir zwar nur bis zur Brust, sah aber ziemlich muskulös aus. Aus seinen Nasenlöchern triefte ständig Schleim. Als er den breiten Mund zu einem Grinsen öffnete, erkannte ich nadelspitze Zähne. Sogar mehrere Reihen davon.

»Ich habe was dagegen, wenn man wehrlose Menschen abschlachtet«, sagte ich.

»Na und? Morgen sitzt eine andere auf ihrem Stuhl.« Er sog den Schnodder ein und spuckte der Toten in den offenen Schädel. Allein dafür hätte ich ihn am liebsten erschlagen. Ich ballte die Fäuste und bemühte mich, ruhig zu bleiben.

»Und was soll dieser Empfang? Wollt ihr mich auch umbringen?«

»Wir haben den Auftrag, dir deine Waffen abzunehmen. Du kannst sie uns auch freiwillig geben, das wäre weniger schmerzhaft für dich. Danach werden wir dich jemandem vorstellen.«

»Und wem?«

»Das geht dich nichts an.«

Ich griff in meine Manteltasche, und sofort zog sich der Kreis der Freaks um mich enger.

»Nur eine Zigarette!«, beruhigte ich die Freaks rasch und zog eine Packung Players hervor.

Während ich eine Zigarette aus der Schachtel holte und sie mir zwischen die Lippen steckte, fragte ich: »In wessen Auftrag seid ihr hier?«

»Ich sagte doch, dass dich das nicht zu interessieren hat.«

»Na ja, ich dachte, ich würde vielleicht dem Bürgermeister vorgestellt, und ihr wäret so was wie das Empfangskomitee«, sagte ich spöttisch und fing mir einen bösen Blick ein.

»Willst du mich verarschen? Jedenfalls mag man es hier nicht, wenn ein selbst ernannter Dämonenkiller unser Territorium betritt.«

Allmählich sah ich klarer. Wahrscheinlich war ich bereits in Moskau erkannt worden. Die Schwarze Familie hatte ihre Spitzel überall, und ich konnte von mir nicht behaupten, dass ich ein unbeschriebenes Blatt war. Die Freaks hatten den Auftrag, mich abzufangen und jemandem zu übergeben. Wie die ›Vorstellung‹ ausgehen würde, konnte ich mir gut vorstellen. Wahrscheinlich hatte die Sippe, die hier den Ton angab, vor, sie mit meinem Ableben enden zu lassen.

»Tja, wenn das so ist ...«, sagte ich langsam. »Ich habe wohl keine andere Wahl.«

Der Blick des Freaks hing gierig an meiner Zigarette. Ich hielt ihm die Schachtel hin. »Willst du auch eine?«

Er riss mir die Schachtel aus der Hand. Auch die anderen Freaks griffen nach den Players.

»Feuer?«, fragte ich. Mit der anderen Hand griff ich erneut in die Jackentasche.

Aber ich zog keine Streichhölzer heraus, sondern die Beretta. Sie war zwar mit Silberkugeln geladen, aber das machte nichts. In diesem Fall war ich großzügig.

Ich zog durch, und der Knall hallte wie eine Explosion in den Toilettenräumen. Ich versenkte die erste Kugel genau in die Stirnmitte des Freaks. Er starrte mich noch im Tod ungläubig an. Die anderen Freaks stürzten schreiend auseinander. Ich dachte nicht daran, auch nur einen von ihnen entkommen zu lassen.

Es waren zwar keine Dämonen, aber Teufel. Und in diesem Fall arbeiteten sie für jemanden aus der Schwarzen Familie. Das war schlimm genug.

Auch die anderen Kugeln trafen ihr Ziel. Als das Magazin leer war, schöpften sie Mut. Sie formierten sich zu einem Angriff, und die Wut, die in mir loderte, ließ mich mit bloßen Fäusten weiterkämpfen. Einem brach ich die Rippen, dem Nächsten das Genick.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich gegen sie durchgehalten hätte. Plötzlich drängten zwei weitere Leute durch die Tür. Ich erkannte Fred Archer. Er hatte die Pistole in der Hand und setzte sie als Schlagwaffe ein.

»Schön, dass einer von euch doch noch zu meinem Empfang kommt«, rief ich ihm zu, während ich einem weiteren Freak einen Handkantenschlag gegen die Kehle versetzte.

Unter den Freaks kam erneut Panik auf. Sie traten den Rückzug an. Zu meiner Enttäuschung ließ Fred sie fast alle ziehen. Bis auf einen. Der Freak bestand fast nur aus Haut und Knochen. Sein Gesicht schien zu zerfließen. Fred hatte ihn in sicherem Griff, sodass er sich nicht bewegen konnte. Dafür jammerte er umso lauter.

»Gib mir deine Pistole, Fred«, verlangte ich.

»Was hast du damit vor?«

»Ihn abknallen.«

Fred sah mich abschätzend an. »Komm wieder runter, Dorian. Was ist mit dir los?«

»Was mit mir los ist?« Ich wies auf die tote Frau. »Schau dir an, was sie mit ihr gemacht haben!«

»Ist schon klar«, sagte Fred. »Dafür haben auch eine Menge von ihnen mit dem Leben bezahlt, wie ich sehe.«

Fred hatte recht. Ich hatte mich in eine regelrechte Raserei hineingesteigert. »Was hast du mit dem Freak vor?«, fragte ich ernüchtert.

»Wie heißt du?«, fragte Fred den Freak.

Die Gesichtszüge drohten wegzusacken, als der Freak seinen Namen nuschelte. Offensichtlich war er kaum in der Lage, deutlich zu sprechen. Fred gab sich damit zufrieden. Dann sagte er: »Richte deinem Herrn aus, dass wir kein Interesse daran haben, ihn zu bekämpfen. Wir sind morgen wieder fort. Sollte uns dein Boss daran hindern wollen, wird er es nicht überleben. Hast du das verstanden?«

Der Freak nickte hastig.

Fred entließ ihn aus seinem Würgegriff. Der Freak sah zu, dass er davonkam.

»Seit wann paktieren wir mit diesem Pack?«, fragte ich angewidert und meinte damit die Schwarze Familie.

Ich wollte mir die Players anzünden, die noch immer in meinem Mundwinkel steckte.

»Das solltest du besser lassen«, warnte mich Fred.

»Hast du Angst, dass aufgrund der Fäkaliengase hier alles in die Luft fliegt?«

»Nein, aber auf russischen Flugplätzen ist Rauchen verboten.« Fred grinste.