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Über dieses Buch:

Das Glück sollte sich in Acht nehmen, denn drei Power-Frauen sind fest entschlossen, es sich zu schnappen … Während es auf der Karriereleiter steil nach oben geht, fehlt den drei Freundinnen Lisa, Marthe und Karen nur noch eins fürs Happy End: der richtige Mann. Also eröffnen sie kurzerhand die Jagdsaison! Doch dummerweise sieht das große Glück dem Chaos manchmal zum Verwechseln ähnlich … und statt hochkarätigen Verlobungsringen funkeln bald Handschellen an ihren Händen. Aber die Drei haben immer noch ein Ass im Ärmel. Und wenn das nicht hilft? Einfach freiküssen!

So erfrischend und süß wie Erdbeereis: Drei beste Freundinnen stürzen sich auf der Suche nach dem Richtigen in prickelnde romantische Abenteuer und erleben zwischen der Elbstadt Hamburg und dem südspanischen Marbella einen unvergesslichen Sommer.

Über die Autorin:

Alice Vaara, geboren in Speyer, studierte in Bonn Germanistik und Psychologie und lebt inzwischen in Hamburg, wo sie für verschiedene Fernsehproduktionen als Autorin arbeitet. Ihre wahre Leidenschaft aber ist die Schriftstellerei.

Bei dotbooks erscheint außerdem Liebesglück und Sommerregen.

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe März 2019

Dieses Buch erschien bereits 1998 unter dem Titel Die Männer sind an allem schuld bei Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach und 2015 unter dem Titel Weiblich, Single, auf der Jagd bei dotbooks GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 1998 Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Akugasahasy, naphat wannamard und S. Borisov

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95824-100-8

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Alice Vaara

Küsse mit Meerblick

Roman

dotbooks.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Lesetipps

Prolog

»Was hat er gesagt?«

»Falls wir frieren, könne er uns zur Nacht noch Wolldecken geben.«.

»Das ist nett. Und was wollte der andere?«

»Der hat seinen Kollegen laut und deutlich darauf hingewiesen, daß die schmucken Uniformen, die sie tragen, nicht vom Zimmerservice des Hilton seien.«

»Arschloch.«

Marthe verschränkte die Arme hinter dem Kopf und nahm ihre vorherige Tätigkeit wieder auf. Sie stierte scheinbar ungerührt die gegenüberliegende Wand an, von der sich der Putz in großen trockenen, irgendwie curryfarbenen Fladen abzuschälen begann. Sie hatte das übersetzen satt. Sie hatte diese bescheuerte Reise satt. Sie hatte ihre Freundinnen satt. Sie hatte die Aussicht satt, mit den beiden wer weiß wie lange an diesem beschissenen Ort, in dieser beschissenen Unterkunft festzusitzen, in der sie nun schon seit drei überaus deprimierenden Stunden die Kakerlaken zählte. Im Moment könnte sie fast beschließen, ihr ganzes Leben satt zu haben. Just bei diesem unerfreulichen Gedanken nervte Karen, die dem ganzen Desaster wie immer eine erfrischend abenteuerliche Seite abgewinnen konnte, auf ein neues mit ihrer völlig unangebrachten guten Laune:

»Nun seid doch nicht so mies drauf! Das war doch echt ‘ne prächtige Aktion, auch wenn sie etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Wir kriegen das hier schon geregelt. Macht euch mal keine Sorgen. Ich kümmer’ mich morgen drum!«

»Bitte tu uns das nicht an, Karen. Und jetzt halt endlich deine Klappe«, knurrte Marthe mit nun vor dem ganzen Elend geschlossenen Augen.

Nach zweiminütiger Stille, in der drei fette Stubenfliegen wie ein Helikopter-Propeller herumrührten, meldete sich Lisa zu Wort:

»Wie sind wir bloß hier reingeraten? Ich meine natürlich, wie bin ich bloß hier reingeraten? Ihr seid mir nämlich jetzt schnuppe. Bis ihr hier aufgetaucht seid, war mit meinem Leben alles in Ordnung. Ich habe mich sogar prächtig amüsiert! So gut wie schon lange nicht mehr. Und dann walzt ihr alles platt. Inklusive das Pflänzchen meiner aufkeimenden Liebe … Wessen bescheuerte Idee war das eigentlich? Wen darf ich dafür mein Leben lang abstrafen?«

»Karen«, seufzte Marthe.

Diese dreiste Behauptung, die lediglich einem durch übermäßigen Streß und von höllisch sich überstürzenden Ereignissen geprüften Gehirn entspringen konnte, war nicht nur eine – in moralischer Hinsicht – äußerst unfreundschaftliche Beschuldigung. Sie war auch schlicht falsch. Na ja, vielleicht nicht ganz falsch. Oberflächlich betrachtet, war sie sogar eher zutreffend. Doch oberflächliche Betrachtungen waren unter einigermaßen normalen Umständen nicht Marthes Ding. Und wenn sie in dieser Nacht nicht so vom Schicksal, dummen Zufällen, falschen Schlußfolgerungen, diversen Insekten, Schlimmerem und einer Schwellung am rechten Handgelenk geplagt worden wäre, hätte sie ihr vorschnelles Urteil noch einmal überdacht. Und wäre zu einem ganz anderen, weitaus tiefgründigeren Schluß gekommen: Die Männer waren schuld. An allem.

Kapitel 1

Auch Lisas Urteilskraft war getrübt von den Ereignissen. Denn mit ihrem Leben war mitnichten alles in Ordnung gewesen. Wenige Monate, bevor das ganz große Chaos als Akkumulation kleinerer, alltäglicher Katastrophen seinen Lauf nahm, fühlte sich Lisa gar nicht im Einklang mit sich und der Welt. Und das war immerhin ein Zustand, der schon seit einigen Jahren mal mehr, mal weniger heftig seinen Ausdruck fand. Dieser vorletzte Samstag im Oktober gehörte jedoch zu den glücklicheren Tagen. Also zu jenen, an denen die Einsamkeit weder mit geballter Faust zuschlug, noch Lisa am Wert ihres gutdotierten Werber-Jobs, ihrer Schickimicki-Eigentumswohnung in unmittelbarer Stadtparknähe und ihrem hochtourigen Boliden in der hauseigenen Tiefgarage zweifeln ließ. Die Sonne schien – vielleicht zum letzten Mal für dieses Jahr. Und da jeder, der in Hamburg wohnt, für jedes noch so kleine Fitzelchen blauen Himmels alles stehen und liegen läßt, um ungeachtet der meist niedrigen Temperaturen cool im Cabrio durch Schnöseldorf zu cruisen, an der Alster zu joggen oder an der Elbe den Lenkdrachen direkt über den Köpfen harmloser Spaziergänger rotieren zu lassen wie eine amoklaufende Kreissäge – deswegen schnappte sich auch Frischluft-Fanatikerin Lisa ein Buch und trabte Richtung Stadtpark.

Es war einer dieser Herbsttage, die dem Oktober das Attribut golden verliehen. Die Blätter waren schon in allen erdenklichen Erdfarben getüncht, zwischen ihnen blinzelte die Sonne hindurch. Ausnahmsweise fegte heute kein scharfer Nordwest-, Südost- oder sonst irgendein Wind durch die Hansestadt. Heute war es relativ warm. Lisa lief am Observatorium vorbei, begab sich zu der großen Wiese, auf der die Hamburger Football-Mannschaften sich gerne zur Ertüchtigung ihrer Kampfkraft im Dreck wälzten, und setzte sich auf eine leere Bank im Sonnenlicht. Sie vertiefte sich in ihr Buch über die Entdeckung und Befreiung des ungeliebten Kindes, welches in fast eines jeden Unterbewußtsein vor sich hin weint. Und erst, als sie einmal träge von den Seiten aufblickte, um über eine neue Wendung in der gedruckten Lebenshilfe nachzusinnen, bemerkte sie den ebenfalls lesenden jungen Mann auf der Bank neben sich. Nach geübtem Abscannen seiner durchaus vorhandenen optischen Qualitäten, die ihn als potentielles Lust- oder gar Liebesobjekt auswiesen, spulte sich in Lisa blitzschnell das »Ausgerechnet jetzt«-Programm ab: Ausgerechnet jetzt trug sie nämlich keinen BH – bei Lisas Komplexen wegen ihres sehr großen, von der Schwerkraft nicht vollständig verschonten Busens ein Manko, das ihre Chancen auf eine Kontaktaufnahme mit dem jungen Mann ihrer Meinung nach ungemein schrumpfen ließ. Erschwerend kam hinzu, daß sie das Buch auf ihren Knien ausgerechnet jetzt statt via Kontaktlinsen per Brille – und zwar mit wirklich dicken Glasbausteinen – entzifferte. Und ausgerechnet jetzt trug sie ihr seidenweiches, honigblondes, halblanges Haar wegen eindeutiger Verfettung zu einem verfranzten Gordischen Knoten hochgezwirbelt. Mal ganz abgesehen von den Sportswear-Klamotten, die sie mit ihren stattlichen 1,85 Metern Körpergröße und den gutverteilten, etwas übermäßigen, wenn auch durchtrainierten Pfunden darauf wie der martialische Quarterback irgendeiner Football-Mannschaft aussehen ließen. Ausgerechnet jetzt. Wo dieser Schnuckel fast in Greifnähe saß. Und auch schon rübergelinst hatte. Dabei wußte Lisa genau, wie betörend sie aussehen konnte. In ihrem engen, angemessen ausgeschnittenen Business-Kostüm etwa, das ihre weiblichen Formen hervorragend zur Geltung brachte. Oder in dem Ausgehmini, der ihre phantastischen Beine den begehrlichen Blicken freilegte. Oder einfach nur mit ein bißchen Make-up, welches ihre großen blauen Augen und den sinnlichen Mund unterstrich. Na ja. Ausgerechnet jetzt war von ihren Vorzügen wohl nichts zu erahnen. Mit einem resignierten Seufzer vertiefte sie sich wieder in ihr Buch. Bis sie recht seltsame Geräusche hörte, die sie wieder aufblicken ließen …

Karen hingegen stellte gerade die Weichen neu für ihre berufliche Zukunft, die – und daran glaubte sie trotz diverser gegenteiliger Erfahrungen unerschütterlich – eine brillante sein würde. Wenn sie jetzt auch noch den Chef der Privatdetektei ARGUS von ihren Qualitäten überzeugen konnte, dann wäre ihr bislang im Verborgenen strahlender Stern endlich am Aufgehen.

Nachdem sie an der Gegensprechanlage des betongrauen Sechziger-Jahre-Bürogebäudes in der Innenstadt brav ihren Namen genannt hatte, wurde der Summer betätigt, und sie betrat einen muffig riechenden Flur. Langsam, aber bestimmt stieg sie in den vierten Stock, die Bequemlichkeiten des Aufzugs mißachtend, und überdachte noch einmal ihr Outfit. Sie hatte sich für schwarze Jeans, die schweren Harley-Boots und die Lederjacke entschieden, um jedes Mißverständnis bezüglich ihrer Durchschlagskraft gleich im Keim zu ersticken. Wie oft war es ihr schon passiert, daß sie wegen ihrer zierlichen Figur und der mangelnden Körpergröße unterschätzt worden war. Deshalb hatte sie heute ihr bestes Stück, das grüne Kookai-Kostüm, das so gut zu ihren rotblonden, kurzgeschnittenen Haaren paßte, im Schrank gelassen. Es war schwierig gewesen zu entscheiden, ob sie sich ihrem Chef in spe als damenhafte, aber souveräne Karrieristin oder als Energiebündel mit Intelligenz und Durchsetzungsvermögen präsentieren sollte. Karen wußte, wieviel vom ersten Eindruck abhing. Und sie entschied sich für das kraftvollere Styling. Diesen Job wollte sie unbedingt, bot er doch die Möglichkeit, all ihre Erfahrungen einzubringen und für ein Leben nach ihrem Geschmack – wild und gefährlich – auch noch bezahlt zu werden. Die kantige Sonnenbrille nahm sie vorsichtshalber vor der Tür zur Detektei ab. Sie wollte es nicht übertreiben. Als Herr Becker-Siemens, Chef von ARGUS, höchstpersönlich die Tür öffnete, sprach sie ihn augenzwinkernd und verschwörerisch an:

»Mir ist keiner gefolgt. Ich habe die natürliche Deckung genutzt.« Doch an seinem verständnislosen Gesichtsausdruck konnte sie eindeutig ablesen, daß er die Dialoge der James-Bond-Filme nicht zu seinem Zitatenschatz zählte. Sie durfte dennoch eintreten.

Als sie einige Stunden später nach Hause kam in ihr kleines Haus am Niendorfer Gehege, ein geradezu winziges Haus mit einem wunderschönen Garten mitten im Stadtwald, warf sie zuerst beschwingt ihre Handtasche in welche Ecke auch immer, ging dann zum CD-Spieler, legte eine ihrer aggressiven Sister-Souljah-Scheiben ein und drehte den Lautstärkeregler Richtung Maximum. Nachdem sie unter der Dusche kräftig einen Berappt hatte, stieg sie in frische, aber alte Klamotten und machte sich mit Scheuerlappen und -pulver über ihre Bude her. Karen war fest davon überzeugt, daß ihr Leben nun eine Wende erfahren hatte. Und dieses neue Leben sollte sich auch in ihrer nächsten Umgebung widerspiegeln. Weg mit den herumliegenden Klamotten, diesen weitverstreuten Zeichen von Trägheit. Runter in den Keller mit Altpapier und Altglas, diesen mahnenden Zeugen der Ziellosigkeit! Hinfort mit den Essensresten auf den Küchenkacheln, diesen deutlichen Beweisen der Verrohung! Als Karen ungefähr drei Stunden später mit ihrer generalstabsmäßig durchgeführten Säuberungsaktion fertig war, blickte sie sich höchst zufrieden in ihren kaum wiederzuerkennenden Räumlichkeiten um. So sieht die Wohnstatt einer Karrierefrau aus, dachte sie voller Stolz. Sie gestattete sich eine zweite Dusche und cremte ihren Alabaster-Leib sorgfältig ein. Danach zog sie ihren neuen String-Tanga an, den sie gerade erst bei H&M erstanden hatte, legte die Hände vor ihrer Brust zusammen und deutete eine kleine Verbeugung an, ganz so wie sie im Karate-Training immer beim Betreten der Halle den rituellen Gruß entbot. Dann ging sie vor der feuchten Stelle der linken Badezimmerwand in die Shotokan-Grundstellung, also locker in die Knie, und boxte viermal abwechselnd mit der rechten und der linken Faust dagegen. Es waren gezielte, knallharte Geraden, deren Wucht durch die Drehung aus dem Ellbogengelenk heraus noch verstärkt wurde. Ein allabendliches heimliches Ritual, das sie »Schimmel-Dreschen« nannte, und das neben der minimalen körperlichen Ertüchtigung vor allem psychologische Wirkungen zeitigte. Auf Karen, die sich jeden Abend an der Wand für jegliche Unbill des Alltags rächte, auf die Spaziergänger im Wald, die an Karens Haus vorbeikamen und wegen des unheimlichen Kampfgebrülls verunsichert und feige das Weite suchten – und natürlich auf den Schimmel an der feuchten Badezimmerwand, der deprimiert seine einzige Chance zum Widerstand gegen die Prügel in wildem Weiterwuchern fand.

Just in dem Moment, als Karen mit Schimmel-Dreschen beschäftigt war, betrat Marthe die »Krücke«, eine angesagte Eppendorfer Kneipe, in der sich hauptsächlich Werber und sonstige Selbstverliebte tummeln. Wie zu erwarten, drängte sich die halbe Menschheit und noch einige dazu in fünf Reihen vor der Theke und zwischen den wenigen Tischen. Der Raum, rauchgeschwängert, flirrte in einer hektischen Betriebsamkeit, die Marthe schon nervös machte, als sie noch versuchte, ihren Mantel auf den überfüllten Garderobenständer zu hängen. Wie sollte sie in der labernden und wabernden Werber-Masse diesen Soeren finden? Schließlich hatte sie ihn noch nie gesehen, und seine Beschreibung »ich trage einen silbernen Ohrring und bin meist ganz in Schwarz gekleidet« traf auf ungefähr 98 Prozent der hier anwesenden Männer zu. Und was sollte ihr dieses »meist« schon nützen, wenn Herr Soeren sich ausgerechnet heute für eine unpuristisch rote oder grüne Aura entschieden hatte? Da verließ sich Marthe dann doch lieber darauf, daß er sie erkannte. Denn ihr dunkel-grau-weiß meliertes, dickes langes Haar machte sie auf jeden Fall unverwechselbar. Überall und jederzeit.

»Hey, Maaarthe, bist du Maarthe?« schallte es auch schon durch die Rauchschwaden zwischen anderen Wortfetzen hindurch. In der hinteren linken Ecke des Raumes, natürlich direkt neben der Klotür – es hätte kaum noch schlimmer kommen können – hüpfte ein blonder Schopf auf und ab, zu dem wahrscheinlich auch die winkende Hand gezählt werden durfte. Marthe kämpfte sich mit altbewährter Ellenbogen-Taktik eine Schneise durch die über wichtige Präsentationen und große Etats diskutierenden Kreativen, bis sie, schon leicht angeschwitzt und schwer genervt, vor Soeren stand.

»Sofort zu erkennen. Du bist der einzige hier ganz in Schwarz mit Ohrring«, maulte sie ihn an.

»Wie gut dann, daß du dein dir von der Natur geschenktes Prachthaar heute offen trägst und ich mit meiner feinnervigen Künstler-Sensitivität sofort deine freundlich-fröhliche Aura spüren konnte, als du dies Feindesland betratst«, konterte er nicht ungeschickt. Marthe mußte lachen.

»Wieso brauchst du jemanden, der deine Bildchen betextet? Du kannst doch ganz famos mit der Sprache umgehen?« fragte sie ihn.

»Na ja, das ist bei mir eine Frage des Alkoholpegels. Je mehr Promille, desto lockerer wird mein Sprachzentrum, und gelegentlich lalle ich dann sogar in ganzen Sätzen. Wie jetzt, dank Tequila. Aber ich kann schließlich nicht immer zechen. Auch wenn meine grafische Kunst – so bezeichne ich die Bildchen – es durchaus wert wäre, ich möchte ihr dennoch Leber und Leben nicht opfern. Aber jetzt mal im Ernst. Lisa hat dir sicher erzählt, daß ich ein unglaublich begabter Ex-Kollege von ihr bin, Grafiker natürlich, nicht im Text wie Lisa. Leider befriedigen mich Storyboards von knallbunten Fischstäbchen-Kapitänen nicht mehr, und so habe ich wieder begonnen, in meiner Freizeit kleine deprimierte Männchen in ästhetischem Schwarz/ Weiß zu kritzeln. Aber laß uns doch erst mal was trinken. Was möchtest du denn?«

»Ein bodenständiges Bier wäre klasse«, meinte Marthe, dankbar, daß Soeren ihr die Arbeit, sich zur Theke durchzuwühlen, abnahm. Während er sich auf diesen langwierigen Kreuzzug begab, nahm Marthe das Publikum der »Krücke« unter die Lupe. Und fand all die jämmerlichen Klischees bestätigt, die sie schon vor zwei Jahren veranlaßt hatten, diese Szene-Kneipe nicht mehr zu betreten. Es hatte sich nicht viel geändert: Die Typen waren entweder ganz schmucklos in Schwarz gewandet, aus gutem Tuch versteht sich, oder unterstrichen ihre Individualität durch ein grellfarbiges Hemd oder Accessoires wie Fliege oder ein »du, ist doch echt ‘n witziges Schälchen«. Die Brillen huldigten dem Kassengestell-Design der frühen Fünfziger, waren aber sicher viel teurer. Oder schimmerten wagemutig in rot oder grün mit lila Punkten. Zwei Fraktionen also, wovon die eine Marthe genauso unsympathisch war wie die andere: zur Schau getragenes Understatement oder ein wahrhaft erschreckender Mut zur Häßlichkeit. Den bewiesen übrigens auch die beiden einzigen Vertreter des Grunge-Unstils, die sich ihr gegenüber auf der Fensterbank herumlümmelten. Sicher Junior-Hipster, dachte sich Marthe mit einem Bruchteil der Galle, zu der sie in Hochform fähig war.

»Was guckst’n so angewidert? Immerhin bring’ ich dir ‘n frisches Bier. Und sooo langweilig bin ich auch nicht!« Soeren reichte ihr das Glas, wurde von seinem namenlosen Nebenmann angerempelt, das Bier schwappte über in hohem Bogen auf Marthes makelloses Dekolleté, und Soeren sprach: »Hooops«. »Danke«, befand Marthe und setzte jenes verächtliche und offensichtlich gequälte Grinsen auf, das sie jedesmal produzierte, wenn jemand sie im Beavis-and-Butthead-Stil zu amüsieren suchte.

Als sie sich um zehn vor zwei Uhr des nachts am Treppengeländer ihres Hauses in den fünften Stock zu ihrer Wohnung hochhievte, hatte sie ganz schön einen im Tee. Der Abend war wider Erwarten dann doch sehr nett verlaufen. Soeren und sie hatten sich blendend unterhalten, auch wenn der eigentliche Grund ihres Treffens, die geplante Zusammenarbeit an Soerens Comics kaum Thema war. Karen schloß ihre Wohnungstür auf und wieder zu, begrüßte noch im Mantel ihren schwarzen Kater Schmeichel mit den ihm zukommenden Streicheleinheiten. Dann warf sie sich – immer noch im Mantel – auf ihr Sofa und fing erbärmlich zu schluchzen an.

Am nächsten Morgen wachte sie genau da wieder auf. Ihr Kopf dröhnte, die Augen waren verquollen, die Klamotten völlig verwurschtelt. Ihr war heiß, sie fühlte sich ausgedörrt wie nach einem Dauerlauf durch die Wüste Namib. Schmeichel lag neben ihr und schnarchte. Jetzt habe ich zwei Kater, dachte Marthe, als sie sich vorsichtig, um Schmeichel nicht zu wecken, vom Sofa schälte. Mit langsamen Bewegungen schlurfte sie zum Kühlschrank, hielt sich die Mineralwasser-Pulle an den Hals und trank in langen, vollen Zügen. Dann zog sie sich aus, nahm eine zuerst lauwarme, dann gnadenlos eiskalte Dusche und schließlich ein kräftigendes Frühstück zu sich. Schon glaubte sie, sich etwas wohler zu fühlen, als das Klingeln des Telefons sie eines Besseren belehrte. Das schrille Geräusch bohrte sich durch ihr Trommelfell in jede kleinste Gehirnwindung, krachte von innen an verschiedenen Stellen gleichzeitig an die Schädeldecke und hinterließ ihr Denkzentrum als staubigen Trümmerhaufen.

»Ja?« hauchte sie in die Sprechmuschel.

»Hallooho, hier ist Lisa«, donnerte es ihr ins Ohr, so daß sie den Hörer sofort einen halben Meter weit weg hielt, »sag mal, hast du Lust, dich heute nachmittag mit mir und Karen zum Kaffee zu treffen, dann erzählen wir ‘n bißchen. Ich bin so gut draahauf.«

Marthe konnte Lisas lautstarkem Singsang über mindestens zwei Oktaven hinweg lediglich ein »Wie spät isses eigentlich?« entgegenhalten.

»Halb zwölf. Was issen mit dir?« wurde Lisa nun etwas dezenter.

»Nichts Besonderes. Ich sterbe nur gerade. Vielleicht muß ich aber auch nur mein Innerstes veräußern, wenn du verstehst, was ich meine. Aber das erzähle ich dir dann bis ins Detail beim Kaffee. Wann soll ich kommen?«

»Um vier wär’ klasse. Schaffst du’s auch? Ich meine, bist du okay?«

»Wenn du mich jetzt nicht länger vollaberst, bin ich es vielleicht um vier. Also bis dann.« Marthe legte schnell auf, um sich etwaige Mitleidsbekundungen zu ersparen. Sie hatte keine Zeit für Gefühlsduseleien. Die Kloschüssel rief.

Kapitel 2

Als Marthe, immer noch leichenblaß, aber wenigstens wieder einigermaßen Frau ihrer Sinne, bei Lisa ankam, war Karen schon da. Sie saß im kombinierten Wohn-/Eßzimmer am Tisch und blätterte gerade in einer der Zeitschriften, die bei Lisa immer in Hülle und Fülle herumlagen. Während Marthe noch ablegte, fragte Lisa, die in ihrer luxuriösen Bulthaup-Küche herumwuselte, schon interessiert:

»Sag mal, hast du dich gestern abend nicht mit Soeren getroffen? Was lief denn da ab? Also wenn ich nicht genau wüßte, daß der liebe Soeren stockschwul ist, würde ich vermuten, ihr hättet euch eine in mehrerer Hinsicht feuchtfröhliche Nacht gemacht: Oder hast du hinterher noch jemanden getroffen? Erzähl doch mal! Oder warte. Ich mach dir erst ‘n koffeinfreien Kaffee. Setz dich hin und iß ein Brownie. Selbstgebacken. Extra für euch. Mein Gott, siehst du beschissen aus.«

»Hey, Lisa, nun gib ihr doch mal Zeit, anzukommen. Los, setz dich, Marthe«, rief Karen dazwischen. Marthe nahm, das Bombardement an Fragen erst einmal ignorierend, an Lisas riesigem Eßtisch Platz, über dem ein mächtiger, prunkvoller Kronleuchter von der fünf Meter hohen Decke herabhing. Der Tisch war schon gedeckt. Die Mitte dominierte ein großer Teller, prall voll mit den ultrasüßen Fudge-Brownies, die sie alle drei mit Vorliebe in sich hineinstopften. Daneben eine große Schüssel Sahne und ein etwas kleinerer Teller mit aufgetauten Brom- und anderen beeren. Die Bewirtung war also, wie immer bei Lisa, üppig.

»Danke, Mädels. Hab’ ich schon viel Klatsch und Tratsch verpaßt? Oder komme ich noch rechtzeitig, um an allen Schweinereien, mit denen ihr euch den Samstagabend versüßt habt, zumindest retrospektiv teilzuhaben?« fragte Marthe, während sie sich das erste Brownie genehmigte.

»Na, wenn hier eine einen aufregenden Samstag gehabt hat, bist du das ja wohl. Die Spuren der Nacht zerfurchen noch jetzt dein lieblich Antlitz«, lachte Karen und legte die Zeitschrift beiseite.

»Auch wenn ihr ‘s nicht glaubt, heute habe sogar ich eine vielversprechend prickelnde Geschichte beizutragen«, ging Lisa, die gerade den Kaffee brachte, mit betont geheimnisvoller Miene in die Offensive.

Dabei war dieses bescheidene »sogar ich« aus Lisas Mund wirklich nicht angebracht. Auch wenn sie definitiv Probleme mit dem anderen Geschlecht hatte, konnte sie nicht behaupten, völlig außerhalb jeglichen erotischen Geschehens zu darben. Die Rollenverteilung bei den drei Freundinnen war relativ gut definiert, wenn auch sehr unterschiedlich. Genau wie ihr Erfolg bei Männern. Karen hatte eigentlich immer am meisten zu erzählen, zumindest was Neuigkeiten betraf. Die Männer lagen ihr zu Füßen, und zwar wöchentlich neue. Karen genoß es in vollen Zügen, weigerte sich aber, eine feste Beziehung einzugehen, die über ungefähr zwei Monate hin andauerte. Marthe hingegen hatte gerade eine langjährige Beziehung hinter sich, den ersten Schmerz überwunden und begann jetzt langsam wieder, den Markt zu sondieren – vermutlich mehr, um sich abzulenken, als aus wirklicher Bereitschaft oder gar Notdurft, sich neu zu verlieben. Lisa hingegen war das Sorgenkind der drei. Nicht, daß keine Männer auf sie abfuhren. Davon gab es genug. Dummerweise waren es fast immer Vollidioten und Charakter-Eunuchen, die Lisa von einer Enttäuschung in die nächste stürzten. Seit ihrer ersten Jugendliebe hatte Lisa keine feste Beziehung gehabt. Ein Umstand, den sie jahrelang ähnlich wie Karen, aber weit weniger überzeugend handhabte: Ich will gar keine Beziehung, ich will nur gelegentlichen, aber guten Sex, ich will Karriere, keine Kinder, ich will meine Freiheit, denn einen Mann, der mich anbetet und vor mir auf den Knien rutscht, den könnte ich sowieso nicht achten, und so weiter blablabla.

Wie oft jedoch geriet sie auf diesem Kurs des In-die-eigene-Tasche-Lügens gefährlich ins Schleudern. Wie oft hatten Karen und Marthe mit ihr zusammengesessen, ihr wieder und wieder über ein neues Männer-Drama hinweggeholfen. Wie oft hatten die beiden versucht, Lisa klarzumachen, daß sie mit ihren oberflächlichen Single-Argumenten lediglich »rationalisiere«, ihre bestehende Situation mit hingebogenen Theorien sich selbst schönrede. Und im Laufe der Jahre hatte tatsächlich ein Wandel in Lisas Einstellung zu Männern im allgemeinen und Beziehungen im besonderen stattgefunden. Seit geraumer Zeit konnte sie sich endlich selbst eingestehen, daß sie sich nichts so sehnlich wünschte wie eine feste Partnerschaft. Und das schnell, denn schließlich tickte mit ihren 33 Jahren die Bio-Uhr schon sehr vernehmlich! Dummerweise hatte sich nur ihre Einstellung gewandelt, nicht die Situation. Und seitdem waren Marthe und Karen damit beschäftigt, Lisa zu erklären, daß sie sich die ultimative, glückbringende und alles heilende Beziehung nur zu sehr wünschte. Daß sie zu verkrampft auf der Suche sei, und deswegen jeder Mann sofort die Flucht ergreife. Zu Marthes und Karens Theorie gehörte nämlich die These, daß Männer zwar bar jeglicher tiefergehenden Sensibilität seien – gemessen an den erstaunlichen Fähigkeiten der Frauen natürlich –, aber dennoch ein untrügliches Warnsystem gegen klammernde »Weiber« hätten. Und klammern würde Lisa, wenn auch ganz subtil, sobald sie nur die leichte Witterung eines Knackarsches aufgenommen hätte. Brunft und Beute, ein einfaches Verhältnis. Und verdammt noch mal, wie sollte Lisa nicht ständig an das denken, worum ihr ganzes Denken kreiste. Raten Sie mal einem Epileptiker während eines Anfalls, er solle sich entspannen! Und Lisa litt eindeutig unter einem Dauer-Anfall. Manchmal fürchteten Marthe und Karen sogar, daß sie aus lauter unkontrollierbarer Gier Schaum vor den Mund bekäme. Mit einem Wort, das Ganze war kompliziert.

Nichtsdestotrotz – und das war einer der vielen Gründe, weshalb Marthe und Karen ihre Freundschaft zu Lisa nie als Belastung, sondern eher als Riesenspaß mit Tiefgang betrachteten – neigte Lisa nicht zu permanenter Verzweiflung. Abgesehen von gelegentlichen und durchaus verständlichen akuten Problemphasen, zeichnete sich Lisa durch ein überaus sonniges Gemüt aus, welches nach fünf mageren Jahren eine kleine, blasse Made als hervorragendes Omen für zehn fette interpretieren konnte. Und so war es auch heute. Mit begeisterter Stimme begann sie zu erzählen, eine gestisch und mimisch derart ausgefeilte Vorstellung, daß sie damit selbst einen professionellen Hamlet-Darsteller zur Knallcharge degradieren würde.

»Also ich sitze da im Stadtpark und lese in meinem Buch und neben mir dieser süüüße Typ. Der sah richtig klasse aus, war braungebrannt und hatte gaaanz lange Beine in engen Jeans und so’n Baseball-Käppi auf, und der las auch. Ich sah total scheiße aus, ohne BH und mit fettigen Haaren, und deswegen habe ich mich kaum getraut rüberzugucken. Aber dann plötzlich waren diese beiden Hunde direkt vor uns und haben wie wild gevögelt und wollten gar nicht mehr aufhören. Ich mußte höllisch lachen und der Typ neben mir auch. Und schwups, setzt er sich zu mir, und wir sind mitten im schönsten Gespräch. Wir haben uns ganz lange unterhalten, über Gott und die Welt, und als die Sonne weg war und es zu kühl wurde, um draußen zu sitzen, sind wir in dieses Café da am Rand des Parks gegangen und haben weitergequatscht. Und das, obwohl ich meine Brille auf hatte und fettige Haare! Na ja, und demnächst wollen wir zusammen ins Kino. Und ihr könnt es euch nicht vorstellen, der hat heute morgen schon angerufen! Ist das nicht toll?« Lisa schien gerade zum ersten Mal Luft zu holen. Wie immer, wenn sie von einem neuen Mann erzählte, sah sie aus wie gerade mal zwölf Jahre alt und mit neuen Rollschuhen gesegnet. Ihre Augen blitzten, der Mund stand von einem Ohr zum anderen offen, und sie schaute ihre Freundinnen glücklich und erwartungsvoll an.

»Ja, klingt gut«, meinte Karen, »wie alt isser denn?«

»Hm, wahrscheinlich irgendwas unter Dreißig«, antwortete Lisa, den Blick plötzlich unbeteiligt ins Nichts gerichtet.

»Wieviel unter Dreißig denn, Lisa?« fragte nun ihrerseits Marthe.

»So acht Jahre etwa. Oder neun? Aber das ist doch egal. Ich will ihn ja nicht heiraten, nur ins Bett zerren. Und was man da so macht, wird er schon wissen«, rechtfertigte Lisa sich sogleich mit mauligem Unterton. Karen und Marthe lachten. »Na ja, wenn du deine neue Bekanntschaft ausnahmsweise nicht gleich ehelichen willst und dir auch nicht sofort überlegt hast, wie bewundernswert lang wohl die Beine eurer Kinder sein werden, dann können wir das Ganze mal durchgehen lassen. Nimm dir das Baby zur Brust, auch wenn du ihm erst einmal das mit den Bienchen und den Blümchen erläutern mußt!« prustete Karen los, einige Brownie-Krümel aus ihrem gefüllten Mund spuckend.

»Okay, wir werden ja sehen wie sich die Geschichte mit diesem Benjamin entwickelt. Apropos Benjamin, wie heißt er eigentlich?« lenkte Marthe ein.

»Jesko. Und er studiert Kulturwissenschaften. Der hat echt was zu erzählen und ist irrsinnig interessiert an allem möglichen. Und offensichtlich an mir. Aber du hast recht Marthe, warten wir erst einmal ab. Ich bin ja schon oft reingefallen«. Lisas Enthusiasmus schien plötzlich stark gedämpft. Ihre blauen Augen, die bei Begeisterung wirklich strahlten wie die Osram-Werke bei Nacht, wurden etwas dunkler. Das glückliche Gesicht rutschte ein wenig in sich zusammen. Es war sonnenklar, daß sich hinter ihrer Stirn dunkle Erinnerungen zusammenbrauten an all die vielen Idioten, in die sie Hoffnungen gesetzt hatte, die sie aber alle nach mehr oder weniger befriedigenden Liebesnächten wieder haften fallenlassen. Bestes Symptom für Lisas plötzlichen Stimmungsumschwung, den Ladenschluß ihrer guten Laune, waren die drei Brownies, die zwei Bällchen Vanilleeis, der Riesenlöffel Sahne und der kräftige Schuß Schokoladensoße – heißgeliebte Frust-Fressalien, die die rechte Hand, ganz unabhängig von ihrem bewußten Willen oder dem Rest ihres Körpers, bei den letzten Worten auf ihren Teller geschaufelt hatte. Und weil das Zeug halt schon mal auf ihrem Teller war, aß sie es eben. Und schon bei der dritten Löffelladung hellte sich ihre Miene wieder auf.

Karen hatte die plötzliche Verletzlichkeit Lisas sehr wohl bemerkt, und noch bevor Marthe in ihrer dogmatischen, wenn auch nicht böse gemeinten Art Lisa ermahnen konnte, nicht so viel zu futtern, wechselte Karen das Thema: »Was ist eigentlich mit dir, Marthe? Wolltest du dich nicht gestern mit diesem Ex-Kollegen von Lisa treffen? Und wieso bist du so verkatert?«

»Ja, erzähl doch mal«, griff Lisa das Thema dankbar auf.

»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Wir hatten uns in der ›Krücke‹ verabredet, und nach anfänglichen Kabbeleien haben wir uns dann ganz nett unterhalten und dabei einen zu viel hinter die Binde gegossen. Mehr war nicht.« Marthe war von den dreien diejenige, die immer am langsamsten mit ihren Erlebnissen herausrückte. Das lag sicher nicht daran, daß sie ihre kleinen Alltags-Geschichten in einer Art Geheimniskrämerei für sich behalten wollte. Obwohl sie auch dazu eine Tendenz zeigte. Aber nur, wenn sie einen neuen Mann kennengelernt hatte. Solche Geschichten hielt sie immer zurück, bis sie ungefähr abschätzen konnte, ob es gut laufen oder der Neue gleich wieder von der Bildfläche verschwinden würde. Und wenn ihr einer besonders wichtig war, verlor sie in der Anfangsphase des Kennenlernens kein Wort über ihn – ganz als würde ein lautes Aussprechen seines Namens oder der Umstände, die zu dieser Begegnung geführt hatten, die Magie zerstören, die sie verspürte oder auf die sie hoffte. Das konnte hier jedoch nicht der Grund für ihre knappe Schilderung der Ereignisse sein. Schließlich wußte Karen von Lisa, daß dieser Soeren schwul war. Wahrscheinlich empfand Marthe die Ereignisse des Abends, die zu ihrem offensichtlichen Vollrausch geführt hatten, als zu langweilig, um große Worte darüber zu verlieren. Diese prinzipielle Zurückhaltung Marthes besaß Vor- und Nachteile. Sie laberte einen nie voll, wie Karen oder Lisa es gelegentlich taten. Problematisch war jedoch, daß diese mangelnde Redseligkeit auch bei ernsthaften Schwierigkeiten Marthes wie ein genetisches Programm verhinderte, daß sie sich alles von der Seele quatschen konnte. Man mußte sie auffordern, wichtige Details erfragen, ihr die Probleme sozusagen aus der Nase ziehen. Doch auf Grund ihrer gut eingespielten Gruppendynamik kannten Lisa und Karen dieses Muster und funktionierten selbst in weniger dramatischen Fällen danach.

»Was heißt Kabbeleien? Soeren ist doch ‘n Netter. Ich kam immer gut mit ihm klar«, hakte Lisa deswegen gleich nach.

»Wahrscheinlich war ich einfach genervt von der Kneipe und den Leuten da. Du weißt ja, daß ich mit Werbern – abgesehen von dir natürlich – im Grunde nichts am Hut habe. Und von deiner Idee, Soerens Comics zu betexten, war ich von Anfang an nicht begeistert, das weißt du. Als ich gestern abend in die Kneipe kam, hatte Soeren offensichtlich schon einige Tequila intus. Ich motzte ihn an, er blaffte zurück, und dann war es aber auch gleich gut. Eigentlich ist er ja wirklich ganz sympathisch.« Marthe fing langsam an, ihren Erzählrhythmus zu finden. Noch ein, zwei Zwischenfragen …

»Und? Wirst du mit ihm zusammenarbeiten?« versuchte Karen Marthes Redefluß am Laufen zu halten.

»Ich weiß nicht. Wir werden es vermutlich mal probieren. Allerdings haben wir gar nicht so viel darüber gesprochen. Mir ist es eigentlich zu unkreativ, vorgefundene Geschichten auszuformulieren. Aber Soeren meinte, wir könnten ja in beiden Richtungen fahren. Daß ich also seinen schon gezeichneten Ideen die richtigen Worte verleihe oder daß ich auch mal ‘ne Geschichte anbiete, die er dann in Bilder umsetzt. Wir haben verabredet, uns demnächst bei ihm zu Hause zu treffen, damit ich mir seine Sachen ansehen kann. Schließlich müssen wir auch zu einem gemeinsamen Stil finden. Oder den Stilbruch als Stilmittel einsetzen …« Marthe war mit ihren Gedanken nun etwas abgeschweift, schien schon halb am Arbeiten zu sein.

»Du sagst, ihr habt eigentlich nicht viel über die Comics geredet. Was habt ihr denn den ganzen Abend gemacht?« versuchte Lisa, sie wieder in die Spur zu bringen.

»Och, wir haben über Gott und die Welt gequatscht. Übers Schwulsein, über Frauen, Männer, Beziehungen, Sex, Kunst, Agenturen, Werbung, Journalismus und Katzen. Und dabei habe ich einfach zu viel Bier getrunken. Als ich nach Hause kam, war mir ziemlich übel. Ich bin auf dem Sofa eingeschlafen und war heute morgen, als du anriefst, noch echt matschig in der Birne. Aber jetzt bin ich wieder okay.« Damit war das Thema für Marthe unmißverständlich erledigt. Und die erste Runde Brownies war es auch. Lisa ging in den Küchenbereich ihres großen Wohnraumes und holte Nachschub. Während sie noch einmal frischen Kaffee aufbrühte, rief sie Karen zu:

»Und wie war’s bei dir? Dein Rapport fehlt noch. Du hast dich doch gestern bei dieser obskuren Detektei vorgestellt?«

»Yes, Ma’am. Das habe ich. Und ab sofort dürft ihr mich Sherlock Holmes oder sagen wir einfach Super-Girl nennen.«

»Super-Gau wäre passender«, warf Marthe lachend ein.

»Papperlapapp, nehmt mich gefälligst ernst, ihr Kühe. Und merkt’s euch: In der Öffentlichkeit müßt ihr mich in Zukunft mit meinem Code-Namen 006 ansprechen, es könnten ja Gangster am Nebentisch sitzen, die meine Identität nicht erfahren dürfen. Ich arbeite doch Undercover. 006 heißt bei mir natürlich 00-S-E-X. Denn wie ihr euch denken könnt, werde ich mit all meinen Waffen kämpfen. Widerstand zwecklos. Unter vollem Einsatz von Latissimus und Libido werde ich die Hamburger, ach was, die deutsche, ach was, die internationale Unterwelt vor 00Sex erzittern lassen.«

Lisa und Marthe brüllten vor Lachen. Karens gespielt ernsthaftes und eifriges Gesicht bei diesem dämlichen Vortrag war aber auch zu komisch.

»Hör auf mit dem Scheiß«, bat Lisa, die gerade eine neue Kanne Kaffee auf dem Tisch abstellte, vergnügt, »erzähl lieber mal, wie dein Vorstellungsgespräch gelaufen ist. Und wie dein Chef aussieht. Sieht er gut aus?«

»Du kannst wohl an gar nichts anderes denken, du männermordendes Ding du … Ich habe ihn selbstverständlich nicht mit den Augen der Frau betrachtet, was sich im übrigen bei ihm auch nicht weiter lohnen würde. Obwohl, dir könnte er vielleicht gefallen, Lisa, schließlich ist er männlichen Geschlechts. Aber von vorne. Ich bin rein in sein Büro und hab’ ihm erst mal erzählt, was ich alles schon gemacht habe. Ihr wißt schon: abgebrochenes Orientalistik-Studium, Karate bis zum Schwarzgurt zweiter Dan, Taxi gefahren, und zwar die harten Nachttouren auf’m Kiez. Ich hab’ ihm auch erzählt, daß ich ‘ne Zeitlang nachts auf der Reeperbahn an der Großen Freiheit Blumen verkauft habe und aus der Zeit noch ‘ne Menge Nutten, Luden und wichtige Türsteher kenne. Also, zusammengefaßt habe ich ihm einfach klargemacht, daß ich perfekt für den Job bin: intelligent, verführerisch, skrupellos, superfit und schlagkräftig, mit guten Kontakten im Rotlichtviertel, daß ich auch überhaupt nicht ängstlich bin und außerdem und insgesamt klasse und zusätzlich noch verdammt gut Auto fahre. Eine Verfolgungsjagd mit Bleifuß wäre für mich überhaupt kein Problem. Okay, vielleicht habe ich die Klappe etwas weit aufgerissen, aber im Grunde habe ich doch recht, oder?« Karen mußte selbst über sich lachen. Dann riß sie sich zusammen und fuhr fort: »Na ja, er hat sich das alles sehr ruhig angehört, mir zwischendurch ein paar interessierte Fragen gestellt und dann gemeint, ich könne am Ersten anfangen. Die ersten drei Monate bekomme ich viertausend Mark, und wenn er dann von mir überzeugt ist, können wir noch mal über Kohle verhandeln. Mensch, viertausend Mark! Für euch ist das ‘n Klacks, aber ich hatte noch nie so viel Geld als regelmäßiges Salär zur Verfügung. Außerdem freue ich mich wirklich auf den Job. Und ich seh’ das schon ziemlich realistisch, macht euch da bloß mal keine Sorgen. Wahrscheinlich muß ich die erste Zeit nur untreue Ehemänner beschatten und so’n Kram. Aber das braucht man halt zur Übung. Ich habe das ja auch noch nie gemacht. Kann bestimmt noch was lernen.« Und zufrieden schenkte sie sich Kaffee nach.

Marthe war etwas nachdenklich geworden.

»Ich hoffe, daß dein Arbeitgeber ein seriöser Typ ist und du da nicht in irgendwelche seltsamen Geschichten verstrickt wirst. Sei bloß vorsichtig, Karen, und leb diesen Job nicht mit irgendwelchen Groschenroman-Phantastereien. Du weißt, daß es in Hamburg immer heftiger zur Sache geht im kriminellen Milieu. Also wirklich, paß auf.«

»Marthe hat recht«, fügte Lisa hinzu, »wir kennen dich gut genug, um zu wissen, daß du dich gerne auf alle möglichen unkoscheren Situationen einläßt, damit dein Leben wild und gefährlich ist. Benimm dich nicht wie ‘ne Dumpfbacke. Bleib schön auf dem Teppich. Wir brauchen dich.«

Karen, die Marthes Mahnungen schon als nervige mütterliche Triebe in den Wind schießen wollte, war nun doch gerührt von der ernsthaften Sorge der Freundinnen. Sie nahm schnell einen großen Schluck Kaffee, um ihren sentimentalen Kloß im Hals herunterzuspülen und sagte dann mit fester Stimme: »Ich danke euch und gelobe hiermit, alles in meiner Macht stehende zu tun, um mich euch zu erhalten.«

Kapitel 3

Zwei Wochen später hatte Karen die Nase voll. Sie klopfte an die Bürotür von Becker-Siemens und trat ein, ohne einen auffordernden Zuruf abzuwarten. Ihr Chef saß hinter seinem Schreibtisch und telefonierte. Karen schaute ihn fragend an, aber er gab ihr ein Zeichen, sich zu setzen. Sie nahm in dem Besucherstuhl auf der anderen Seite seines Tisches Platz und beobachtete ihn, während er sprach – offensichtlich mit einem Kunden. Becker-Siemens war etwa fünfzig Jahre alt, groß und schlank und besaß jene graumelierten Schläfen, die manche wohlwollend als interessant bezeichnen. Interessant fand Karen an Becker-Siemens jedoch weniger sein recht annehmliches Aussehen als vielmehr seine berufliche Biographie. Viel wußte sie nicht, aber immerhin war durchgesickert, daß der Chef, bevor er vor neun Jahren seine Detektei eröffnete, angeblich bei einer kämpferischen Elite-Einheit des Staates angestellt gewesen sein sollte. Und da kam für Karen nur eine in Frage: GSG 9. Vermutlich lag Karens Sicherheit bezüglich der GSG daran, daß diese die einzige Elitetruppe Deutschlands war, von der sie jemals gehört hatte. Darüber hinaus war sie sich – auf Grund untrüglicher weiblicher Intuition – auch sicher, daß Becker-Siemens bei der Mogadischu-Aktion dabei gewesen war. Diese Vorstellung verlieh ihrem ansonsten etwas farblosen und sehr zurückhaltenden Chef einen Hauch von Geheimnis und Abenteuer. Außerdem war er immer stark gebräunt. Karen verschloß bei dieser Tatsache die Augen vor dem mehr als wahrscheinlichen Umstand, daß diese Bräune aus einem Eppendorfer Sonnenstudio stammte. Sie glaubte vielmehr daran, daß Becker-Siemens’ Teint sich verdunkelte, während er in ihren Tagträumen als perfektes detektivisches Vorbild, also weitaus professioneller, viel ernsthafter und noch härter als James Bond, Waffenschmuggler in Afrika, Mädchenschänder in Thailand oder Chinesen in Tibet jagte. Im Büro-Alltag ließ sich Becker-Siemens sein aufregendes Doppelleben allerdings nicht anmerken. Was wohl daran lag, daß er nichts davon wußte. Er blieb stets sachlich, unverbindlich und freundlich. Karen hatte keinen Schimmer, was er eigentlich von ihr hielt. Und sie nahm es ihm gelegentlich übel, daß er keinerlei Anstalten machte, sich ihr zu offenbaren. Etwa so: Okay, Karen, du hast mich durchschaut. Eigentlich bin ich ein Held, dessen Leben wild und gefährlich ist. Und da mich deine unglaubliche Intelligenz, deine unübersehbare Schönheit und dein hell strahlender Charakter geradezu wahnsinnig vor Verlangen machen, möchte ich, daß du in Zukunft nie mehr von meiner Seite weichst. Wir werden ab sofort gemeinsam in Afrika, Thailand und Tibet jagen. Karen grinste. Eigentlich waren ihre Tagträume total hirnrissig. Außerdem konnte nicht im entferntesten die Rede davon sein, daß sie auch nur eine Woche ihres Lebens gerne mit Becker-Siemens verbracht hätte. Aber schließlich ging es ja nicht um Becker-Siemens, der ihrer in seinem tatsächlichen Dasein eh nicht würdig war, sondern um den Helden. An und für sich. Und unter diesem Aspekt waren ihre Tagträume einfach unschlagbar. Ein Kurzurlaub von der Tristesse der Durchschnittlichkeit, die sie in ihrem Alltag umgab, die stets drohte, von ihr Besitz zu ergreifen, und die sie gerade deshalb fürchtete wie den Tod.

»Haaallooo, Kaaaren … Wo sind Sie denn gerade?« unterbrach er schnöde ihre gedankliche Reise in die fernen Länder ihres Inneren, die noch ferneren Leben und die verdammt nahen Lebensängste, »was kann ich für Sie tun?«

Karen schlug ein Bein über das andere, so daß man den Anblick des rechten, wohlgeformten Oberschenkels unter ihrem am Rand ausgefransten Leder-Rock sehr gut genießen konnte, holte tief Luft und startete konzentriert durch zu ihrer bis ins Detail geplanten Rede:

»Also, Herr Becker-Siemens, ich bin jetzt seit zwei Wochen hier. Und in diesen zwei Wochen habe ich nichts getan, als die Karteikarten von vor 1990 auszusortieren und zu archivieren und die neueren zu scannen, per Computer die Scans zu erfassen und alphabetisch zu sortieren. Das bot mir zwar, wie Sie gesagt haben, einen ganz guten Einblick in die Verwaltungssystematik und auch in die Art der Fälle, die Sie gewöhnlich übernehmen. Aber im Grunde möchte ich jetzt doch ganz gerne so langsam mal in den Außendienst. Das heißt, ich will jetzt endlich einen Fall übertragen bekommen, an dem ich mich beweisen kann. Sie haben mich doch nicht als Sekretärin eingestellt. Dafür bezahlen Sie mich auch viel zu gut. Ich glaube einfach, daß sie meine Kompetenzen unterschätzen, meine Kapazitäten verschwenden.« Dann fügte sie etwas versöhnlicher und weicher hinzu: »Geben Sie mir doch ‘ne Chance. Ich werde Sie nicht enttäuschen.«

Becker-Siemens hatte ihr ruhig und mit gefalteten Händen zugehört. Jetzt beugte er sich in seinem imponierenden Schreibtischsessel nach vorn, griff zu einem Notizzettel und schob ihn Karen zu. »Sie fahren jetzt mit einem unserer Dienstwagen – nehmen Sie bloß nicht ihren antiken Volvo – nach Hause, ziehen sich etwas Salonfähiges an und fahren dann zu dieser Adresse. Es handelt sich bei diesem Auftraggeber um eine anscheinend recht wohlhabende Dame aus Blankenese. In ihrem Haushalt wird jemand vermißt. Morgen erstatten Sie mir Bericht. Und jetzt kein Wort mehr und raus.« Seine Stimme bekam etwas Donnerndes.

Karen griff blitzschnell nach der Adresse, wagte ein schüchternes »Danke« und verließ ganz leise das Büro. Sie konnte nicht mehr sehen, wie Becker-Siemens breit zu grinsen begann. Kaum hatte Karen die Tür hinter sich geschlossen, führte sie einen kleinen, aber heftigen Freudentanz auf. Erst als sie bemerkte, daß außer ihr noch jemand im Vorzimmer anwesend war, der sich ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen konnte, fing sie sich wieder und kehrte zu ihrer kühl-souveränen Rolle zurück, die sie ab sofort zu spielen gedachte.

»Was gibt es da zu lachen, lieber Kollege?« fragte sie in herablassendem Ton. Sven, der im Türrahmen stand, gluckste immer noch vor Vergnügen. »Du siehst als Großstadt-Indianer mit Hummeln im Hintern echt albern aus, liebste Karen«, neckte er sie. Karen lachte nun mit. Das Kühl-Souveräne lag ihr halt nicht. Und außerdem mochte sie Sven ganz gerne. Der dickliche, aber sehr gewitzte und immer gutgelaunte Kollege war der ARGUS-Fachmann fürs Beschatten. Meist mußte er sich an die Fersen von untreuen Ehemännern oder -frauen heften, und nach seinen Touren sparte er nicht mit sarkastischen Witzen über das Menschlich-Allzumenschliche oder gelegentlich auch Absurd-Perverse, was er bei seiner Voyeurtätigkeit zu sehen bekommen hatte. Eben seine ganz persönliche Art, den Schmutz, dem er tagtäglich begegnete, von sich wegzuschieben. Neben Sven arbeiteten noch Willi, ein Computer-Experte, Peter, Svens Partner, und Karl, der Mann fürs Grobe, bei ARGUS als Detektive. Die einzige Frau außer Karen war Esther, die Sekretärin. Dazu kamen noch einige »Freiberufler« – drei, vier nicht unbedingt bieder zu nennende Damen, die in gewissen Fällen als Lockvogel dienten. Sven nannte sie statt Lockvögel »locker zu vögeln«.