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»Zwischen den Seiten eines Buches ist
Sex viel aufregender als im Bett.«
Andy Warhol

Für meine Familie
In Liebe

Vorspiel

Augenblicke der Leichtigkeit hat sich die Lust im Kleinen immer mal wieder erlaubt – da kannte sie nichts. Ob auf den Rücksitzen amerikanischer Straßenkreuzer, in den Toilettenkabinen der Londoner Klubs oder auf Hochbetten in Berliner Wohngemeinschaften. Im Großen hatte er es aber ganz schön schwer, der Sex, in den letzten Jahrzehnten.

In den moralinsauren Fünfzigerjahren unterdrückt, folgten in den Sechzigern erste – schmerzhafte – Versuche, ihn zu befreien. Die sexuelle Emanzipation der Siebzigerjahre erlaubte endlich Ausschweifungen auf Augenhöhe, bis der Sex in den Achtzigern dann lebensgefährlich wurde – zumindest redeten sich die Menschen das ein. Kondome wurden Pflicht und die Neunziger zu so etwas wie den sexuellen Nachkriegsjahren, die in einem elektronischen Rausch gefeiert wurden. Der Sex wurde experimenteller, aber er bewegte sich bei den meisten immer noch auf dem »Mein erster Chemie-Baukasten«-Niveau unserer kleinen und großen Brüder. In den Nullerjahren wurde der Sex dank flächendeckender Teenager-Aufklärung durch fünfminütige YouPorn-Schnipsel immer jünger und dank RTL2 auch so ein bisschen peinlich. Aber es gab da noch etwas in diesen Jahren: Um überhaupt ernst genommen zu werden, mussten wir im Bett alles drauf haben, alles mindestens einmal ausprobiert und möglichst für gut befunden haben. Und dabei sollten wir am besten noch lasziv gucken, so als bekämen wir nie genug von alledem. Schlucken? Aber gern! Poposex? Unbedingt! Dreier? Vierer? Was für eine Frage! Dirty Talk? Geht’s überhaupt noch ohne? SM-Spielchen? Wenn ich bitten darf!

Ja, sie setzten uns schon ziemlich unter Druck, diese Nullerjahre.

Aber das ist ja alles nichts im Vergleich zu dem, was wir heute von uns erwarten, das, worum sich dieses Buch dreht: um Life-Changing Sex, um den Sex also, der unserer Leben verändert, der BOOM! macht und dafür sorgt, dass nach ihm nichts mehr so ist wie zuvor. So eine Art persönlicher 11. September, nur im positiven Sinne. Möglichst. Darf’s noch ein bisschen mehr sein?

In Zeiten, in denen wir viel zu viel Zeit in der virtuellen Welt verbringen, sehnen wir uns nach Kicks im echten Leben. Und da kommt Life-Changing Sex gerade recht. Nur: Woher nehmen? Die meisten von uns wissen ja noch nicht einmal, wo sie ihn stehlen könnten, wenn sie denn wollten. Der Witz dabei: Life-Changing Sex ist vom wirklichen Leben gar nicht so weit entfernt, wie wir glauben. So sind wir ihm doch alle entsprungen. Nur mal so als Beispiel. Life-Changing Sex ist nämlich mitnichten immer der atemberaubende Sex, der so gut ist, dass wir ihn nie wieder vergessen – er kann es sein, er muss es aber nicht. Nein, Life-Changing Sex hat eigentlich nur eine Aufgabe: unser Leben zu verändern. Auf welche Art auch immer.

Für die Recherche zu diesem Buch habe ich mich mit 24 Frauen getroffen und mir 24 Geschichten angehört und sie aufgeschrieben. Alle haben mich auf ihre eigene Art und Weise berührt. Manche auf emotionaler Ebene, so wie Carolins Geschichte Der Sex, der mich überleben ließ über die große Liebe ihres Lebens. Andere Storys haben mich amüsiert, allen voran Merles wiederholtes Scheitern auf der Suche nach Liebe in Gebrochene Herzen pflasterten ihren Weg oder Coras romantische Horrorkomödie (K)ein Baby namens Otis. Nikas Story Das Leben ist viel mehr als Punk, Baby! aus den »Guns N’ Roses«-Tagen der frühen Neunziger hat meine Sehnsucht nach Kalifornien wiedererweckt und einige der Storys haben mich regelrecht schockiert: vor allem der Polizist in Bad Lieutenant, der eine Frau durch Erpressung zum Sex nötigt und damit durchkommt. Und dann gab es natürlich auch noch die Storys, die mich unruhig auf meinem Stuhl hin und her rutschen ließen, die mich erregt haben. Besonders angemacht hat mich zum Beispiel die Geschichte von Katja, die in Das Biest, das meine Begierde weckte zum ersten Mal mit einer Frau schläft.

Und Euch so? Klar, das könnt Ihr noch nicht wissen, Ihr seid ja erst beim Vorwort. Aber wenn Ihr es dann wisst, könnt Ihr mich gern auf meiner Michmöger-Seite auf Facebook (http://www.facebook.com/dresslerodette) besuchen und mir schreiben, welche Geschichte Euch am besten gefallen hat. Das würde mich wirklich freuen!

Liebstes aus Berlin, April 2015

Die Hand keck in die Hüfte gestemmt und Euch schwesterlich zuzwinkernd,

Eure Odette

Wir bleiben wach

»Wir bleiben wach, bis die Wolken wieder lila sind!«, krächzt es wieder und wieder aus meinem Telefon. Doch auch wenn ich ewig wach bliebe – die Wolken würden schwarz bleiben. So fühlt es sich zumindest an. Das rote Plastikherz, das vor meinem Schlafzimmerfenster hängt – ein Geschenk von meinem Freund Dominic –, blinkt unaufhörlich und wirkt dabei, als würde es mich auslachen. Ich möchte schlafen, endlich schlafen. Aber wie? Eine Tablette nehmen? Oder vielleicht gleich hundert? Ich bin eine Dramaqueen, ich weiß. Aber diesmal zu Recht. Was er jetzt wohl macht? Was sie jetzt wohl bei ihm macht? Was sie jetzt wohl gerade zusammen machen? Dieses verdammte Blinke-Herz! Ich will irgendwas kaputt machen. Ich bin wütend, verletzt und traurig. Eine gefährliche Kombination! Ein Pulverfass. Ich versuche zu masturbieren. Das hilft ja manchmal bei Stress. Aber heute bleibt es bei einem lächerlichen Versuch. Geil war gestern. Und bald geht schon die Sonne auf. Ich beneide die beiden.

Dominic wollte mit mir ins Berghain gehen. Endlich mal. Das Berghain, dieses sagenumwobene ehemalige Heizkraftwerk in Berlin-Friedrichshain, ist sein ­Lieblingsklub. »Dort spielen sie den letzten wahren Techno!« Dominics Augen funkeln immer so schön, wenn er von etwas schwärmt. Wir hatten uns so darauf gefreut, endlich mal wieder zu zweit loszuziehen, endlich mal wieder zu zeigen, dass es auch coole Paare neben den ganzen Sofadösern gab. Wir zwei gegen den Rest der Welt im flackernden Licht auf der Tanzfläche. Doch dann musste ich ihm schweren Herzens absagen, weil Julia, eine Kollegin aus der Bar, in der ich jobbe, krank wurde.

Ich wollte mich gerade auf den Weg zur Arbeit machen, als mein Telefon klingelte. Julia.

»Hey Süße, ich kann heute doch arbeiten! Entschuldige den Wirbel, ich hoffe, ich hab deine Abendplanung nicht zu sehr durcheinandergebracht.«

Wie geil war das denn?! Sofort änderte ich meinen Plan. Ich beschloss, Dominic zu überraschen. Im Berghain plötzlich vor ihm zu stehen – das war super, oder? Fand ich auch. Damals. In den alten Tagen. Also vor etwa zwei Stunden.

Ich wusch mir mein »Gib mal ordentlich Trinkgeld!«-Make-up aus dem Gesicht und trug nur ein wenig Wimperntusche und Lippenstift auf. Dominic steht nicht auf zugekleisterte Frauen. Dafür stehe ich normalerweise nicht auf Strapse, aber heute hatte ich mir zur Feier des Tages extra welche gekauft. Strap on in the name of love! Ich grinste. Mit einem eiskalten Mädchenbier in der Hand machte ich mich mit den Öffentlichen auf den Weg ins Berghain. Als ich die etwa fünfzig Meter lange Schlange sah, sank meine Laune jedoch sofort. Ich hasste es zu warten. Was nun? Sollte ich Dominic anrufen und ihn bitten, mich reinzuholen? Dann wäre meine Überraschung dahin. Dem Türsteher schöne Augen machen, in der Hoffnung, dass er mich direkt reinwinkte? Das war einen Versuch wert. Ich drängelte mich also nach vorn zur Tür. Oha! Der in Schwarz gekleidete Schrank, den ich dort erblickte, machte mir ein bisschen Angst – nichts gegen Tätowierungen, aber im Gesicht? Mein Stil war das nicht. Aber ich war ja im Gegensatz zu ihm auch nicht der Partypapst. Wummernde Bässe drangen durch die Luft. Ich nahm all meinen Mut zusammen, schob meine Brüste zurecht und wollte gerade den unheimlichen Türsteher mit dem zugepiercten Mund davon überzeugen, mich sofort reinzulassen, als ich ihn sah.

Dominic. Der Mann, mit dem ich seit sechs Monaten zusammen war, der mir den Glauben an die Männer, an die Liebe zurückgegeben hatte, dem ich vertraute wie noch keinem Freund zuvor. Lachend kam er aus dem Dunkel ins Licht. Doch nicht allein, oh nein – wer zur Hölle war diese Tussi in seinem Arm?! Die war doch gar nicht sein Typ! Sie sah aus wie einem Porno entsprungen, gefühlt einen Meter neunzig groß, riesige Brüste aus Silikon, High Heels und – na klar – Strapse! Das war meine Überraschung, verdammt!

Es heißt, kurz bevor man stirbt, zieht das Leben im Zeitraffer an einem vorbei. Ich weiß nicht, ob das stimmt – immerhin bin ich noch nicht so oft gestorben –, aber es könnte etwas Wahres dran sein. Als ich die beiden zusammen erblickte, lief wie auf Knopfdruck unsere ganze Geschichte in meinem Kopf ab. Da war sein erster Blick, sein erster Kuss, unser erster Sex – mein ganzes Leben, unser Leben. Wir waren eins, verdammt! Und nun fühlte es sich auf einmal an, als gäbe es kein Wir mehr, nur noch ein kleines, jämmerliches Ich, dessen Herz gerade achtlos in einen Mülleimer gedonnert worden war. Als wäre ich eine leere, zerbeulte Dose. Ich hatte gehört, dass Herzen brechen können. Aber bislang hatte ich das für kitschiges Gelaber gehalten. Doch jetzt: vorbei! Knacks!

Sie stiegen in ein Taxi und ich beeilte mich, gleich das nächste direkt dahinter zu erwischen.

»Verfolgen Sie das Taxi da vorn!«

»Was glaubst du, was das hier ist? 2 Fast 2 Furious?«

Nachdem ich dem Fahrer einen Zehner extra versprochen hatte und wir nun beide überzeugt waren, dass das hier 2 Fast 2 Furious war, nahm er die Verfolgung auf. Fünf Minuten später hielt das Taxi, in dem Dominic und die Tussi saßen. Vor seiner Wohnung. Wo auch sonst?

»Fahren Sie weiter, bitte, in die Karl-Marx-Allee 47.« Sicher, ich hätte aussteigen können. Ihm eine Szene machen, kreischen, weinen, mit meinen Fäusten auf seiner Brust trommeln. Aber dafür fehlte mir die Kraft. Ich wollte nur noch nach Hause in mein Bett.

Das blinkende Herz an meinem Fenster lacht mich noch immer aus. Ich habe Durst. Doch um ihn zu stillen, müsste ich aufstehen und zum Kühlschrank gehen, der gefühlt am anderen Ende der Welt steht. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf. Früher glaubte ich, dass ich tatsächlich verschwinden würde, wenn man mein Gesicht nicht sehen konnte. Früher hatte ich auch noch keinen Schimmer von Liebeskummer. Von Liebe.

Was macht er gerade mit ihr? Hat er den Verstand verloren? Oder ich, weil ich mich so in ihm getäuscht habe? Man sagt ja, wenn man die eine oder den einen trifft, ändert sich alles. Was man will, was man braucht und was man sich wünscht, ist plötzlich etwas völlig anderes als noch zuvor. Plötzlich begannen alle schönen Ideen in meinem Leben mit D. Verdammt! Liebt er sie so, wie er mich geliebt hat? Und fickt er sie so, wie er mich gefickt hat? Und warum überhaupt?! Warum tut er das? Warum tut er mir das an? Ich dachte, unser Sex wäre der Wahnsinn. Jedenfalls hat er mir das immer ins Ohr gestöhnt: »Das ist Wahnsinn mit uns, Baby, weißt du das?« Reiche ich ihm nicht? Hat er mir nur was vorgespielt? Was hat sie, was ich nicht habe? Außer drei BH-Größen mehr und einen halben Meter längeren Beinen? Ist es das, was er will? Habe ich mich etwa so in ihm getäuscht?

Plötzlich klingelt mein iPhone. Dominic?! Ob er sich besonnen hat, ob ihm klar geworden ist, wohin er gehört? Oh je, ich klinge schon wie eine verzweifelte, klammernde Freundin. Dominic hat oft zu mir gesagt: »Du verdienst das Beste.« Dann hat er sich auf die Brust getrommelt und gerufen: »Und den Besten.« Anschließend hat er gezwinkert und ich war noch verliebter in ihn als davor. Jedes Mal.

Augen schließen, hoffen, beten, zum Telefon greifen. Nö. Es ist Tobi. Dominics bester Freund. Was will der denn jetzt von mir? Um diese Uhrzeit? Egal, ich lasse es klingeln. Doch Tobi gibt nicht auf. Beim dritten Versuch gehe ich ran.

»Party!«, brüllt es in mein Ohr. Wie mich seine gute Laune nervt!

»Was willst du, Tobi?«

»Oh, da hat eine aber miese Laune! Und das Samstagnacht! Was is’n los, Kleine?«

»Nichts.«

»Wenn Frauen sagen, es sei nichts los, kann das nur bedeuten, dass gerade die Welt untergeht.«

»Pass auf, Tobi, ich hab gerade echt keine Lust, mit dir zu quatschen, okay?«

»Nein, das ist nicht okay, Odette. Wenn es der Freundin meines besten Freundes schlecht geht, ist das auch mein Problem. Wo steckt Dom überhaupt?«

Nun hat er es geschafft: Ich muss weinen.

»Odette? Warum weinst du denn jetzt? Scheiße, sag mir doch endlich, was los ist!«

»Dominic fickt gerade irgend so eine Tussi, das ist los!«

»Was?!«

»Ja, Mann!«

»Das glaube ich nicht!«

»Dann glaub es halt nicht! Ich weiß es aber!«

Ich erzähle Tobias die ganze Story. Er will sie nicht wahrhaben, aber auch er kann die Fakten nicht schönreden.

»Ich würde ja zu dir kommen, aber die kleine Lilly schläft gerade so süß. Was hältst du davon, wenn ich dir ein Taxi vorbeischicke und wir reden über alles?«

Das ist nett von ihm. Aber ich lehne ab. Ich sage, dass ich es mir überlegen werde, doch das ist nur ein Vorwand, um ihn loszuwerden. Niemand bekommt mich jetzt aus meinem Bett. Niemand!

Zwanzig Minuten später: Schon wieder sitze ich im Taxi. Was? Wankelmütig? Ich? Na ja, ein bisschen vielleicht. Aber ich bin ja auch eine Frau! Wer denkt, Quantenphysik sei kompliziert, kennt die Frauen nicht. Das war so ein Spruch von Dominic – meinem zukünftigen Exfreund! Ich verstehe es immer noch nicht. Während der Fahrt fange ich schon wieder an zu weinen. Der Taxifahrer guckt ganz erschrocken und kramt eilig ein Taschentuch hervor. Und dann sagt er tatsächlich: »Sie sind viel zu hübsch, um traurig zu sein.« Normalerweise fände ich so einen Spruch schleimig. Aber in diesem Moment mache ich eine Ausnahme. Jetzt, wo ich mit verlaufener Wimperntusche im Taxi sitze und zu dem einzigen Mann fahre, der mir außer Dominic helfen kann. Tobi! Damit er mir erklären kann, wie es so weit kommen konnte. Denn Tobi kennt Dominic besser als jeder andere.

Tobi ist eigentlich ein ziemlich heißes Teil, aber ein notorischer Player. Er tauchte damals zusammen mit Dominic in der Bar auf und ehrlich gesagt gefiel mir Tobi rein optisch einen Tick besser. Aber Dominic hatte die schöneren Augen und wirkte – ganz im Gegensatz zu Tobi – wie ein Mann, dem man vertrauen konnte. Tja, wie man sich doch irren kann!

Tobi wohnt im Prenzlauer Berg. Das passt zu ihm: Er ist ein Macho, wie er im Buche steht. Dazu passt auch, wie er mich jetzt an der Wohnungstür empfängt. Was für ein Bild! Er steht an der Tür und versucht, verständnisvoll zu lächeln – was aber nicht klappt, denn bei Tobi wirkt jede Art von Lächeln wie ein dreckiges Grinsen. Er ist oben ohne und sein Oberkörper ist so durchtrainiert, dass sich kein Gramm Fett daran befindet. Dafür hat er mehr Brust als ich und ein auf den Bauch gemeißeltes Sixpack. Und als ob das alles noch nicht reichen würde, trägt er auch noch Lilly, seinen zwölf Wochen alten Bulldoggenwelpen, auf dem Arm. Wen versucht er, damit zu beeindrucken? Mich? Das kann er sich knicken! Was glaubt er denn? Dass ich ihm um den Hals falle, mich bei Dominic räche, indem ich mich ihm hingebe? Pft!

»Schlief Lilly nicht gerade eben noch so süß?«

»Äh ja, aber du kennst doch Babys, die wachen alle paar Stunden auf. Gott, was würde ich darum geben, mal wieder eine Nacht durchschlafen zu können!«

Welpen? Wachen nachts alle paar Stunden auf? Was redet er da? Ich glaube langsam wirklich, dass er es auf mich abgesehen hat. Doch wie kann er nur? Dominic ist schließlich sein bester Freund! Aber: Kenne ich Dominic überhaupt? Wer weiß, vielleicht ist er auch ein schlechter Kumpel. Tobi versucht, mir in die Augen zu sehen, aber immer wieder verirrt sich sein Blick weiter nach unten – oh, Mann. Wenn ich genauer darüber nachdenke, eine ziemlich verbotene Vorstellung. Es gibt auf jeden Fall weniger verlockende Ideen. Aber nein: Vergiss es! Vergiss es, Tobi! Vergiss es, Odette!

Tobi kocht mir einen Tee und wir setzen uns an seinen Küchentisch und quatschen. Genau wie ich versteht er die Welt und seinen besten Freund nicht mehr. Er habe Dominic in all den Jahren, die sie sich schon kennen, nie so glücklich gesehen wie mit mir. Aaah! Mein Herz. Tobi redet schnell weiter. Ich sei eine Topfrau, aber für ihn logischerweise absolut besetztes Gebiet. Doms Frau sei die einzige auf der Welt, die vor ihm sicher sei. Normalerweise. Und entweder sei Dominic über Nacht verblödet oder einfach eine gerissene Sau. Aber keine geile, fügt er noch hinzu und reicht mir den Honig. Komisch. Tobi wirkt beinahe wütend, dabei ist er sonst Mr. Cool. Er sieht mir auf den Mund und sagt, wenn er Dominic wäre, würde er niemals auch nur einen Gedanken daran verschwenden, mich zu betrügen. Ist klar, Tobi! Das glaube ich dir aufs Wort. Vor allem weil es mich gerade auch so unheimlich interessiert, wie du dich verhalten würdest, wenn du mein Freund wärst. Das tut es doch nicht, oder? Oder? Doofes Kopfkino! Ich fühle mich schmutzig. Ich möchte duschen.

»Hast du was dagegen, wenn ich mal kurz unter die Dusche hüpfe, Tobi?«

Nein. Natürlich nicht.

In Tobis Dusche hätte ein Basketballteam Platz. Oh, ein Dschungelregenduschkopf und sogar die Wassertemperatur lassen sich einstellen – Tobi weiß eben, was Frauen sich wünschen. Das heiße Wasser tut gut. Ich schließe die Augen, lasse es minutenlang einfach nur an meinem Körper herunterlaufen und versuche, an nichts zu denken, was mir sogar halbwegs gelingt. Der Schmerz lässt sich nicht wegspülen, aber die Anspannung der letzten Stunden schon. Bis – die Tür knarrt! Na, wer das wohl sein kann?

Obwohl ich weiß, dass Tobi das Badezimmer betreten hat, lasse ich mir nichts anmerken. Ich habe das Gefühl, gar nicht da zu sein und mich lediglich von außen zu betrachten. So langsam weiß ich gar nicht mehr, was hier überhaupt passiert – wie sonst ist es zu erklären, dass ich mich langsam in die Richtung drehe, in der ich Tobi vermute, damit er auch ja nichts verpasst, während er mich durch die spaltbreit geöffnete Tür beobachtet? Was ist nur los mit mir? Aber die Frage ist jetzt zweitrangig – it’s showtime!

Ich drücke den letzten Rest des Duschgels auf meine Handfläche und schäume mir meine Brüste ein. Ganz langsam in kreisenden Bewegungen. Das heiße Wasser perlt an meinen immer härter werdenden Nippeln ab. Ob Tobi bereits die Hand in seiner Jeans hat? Bestimmt. Ich werfe meine Haare zurück und stöhne leise. Jetzt ganz bestimmt. Noch mal, Odette: Was tust du da? Ich weiß es nicht, aber es fühlt sich gut an. Nicht richtig, aber gut. Was Dominic kann, der Mann, der mir ewige Liebe schwor, kann ich auch – kein Ding, Baby!

Meine Hände wandern tiefer und tiefer. Wie gut, dass ich mich gestern Abend frisch rasiert habe. Ich streichle meine Scham, stecke einen Finger in mich hinein, ziehe ihn wieder heraus und lutsche ihn ab. Und dann winke ich mit ihm Tobi hinein.

Zumindest ist das der Plan. Absolut sicher bin ich nicht, ob Tobi tatsächlich hinter der Tür steht. Steht – in jeder Beziehung.

Aber er enttäuscht mich nicht. Natürlich nicht. Tobi eben.

Als ob er gerade rein zufällig ins Bad gekommen sei, fragt er fast beiläufig: »Hey, brauchst du Hilfe? Beim Rückeneinseifen oder so?«

»Halt einfach deinen Mund, komm her und fick mich!« Wow! Mal ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Nummer draufhabe!

Natürlich lässt Tobi sich nicht zweimal bitten. Nie zuvor habe ich einen Menschen so fix aus seinen Klamotten schlüpfen sehen. Sein praller Schwanz ist der Beweis dafür, dass er mich nicht erst seit ein paar Sekunden beobachtet. Ich möchte ihn nicht küssen, keine Zärtlichkeiten mit ihm austauschen. Auch will ich ihm nichts Gutes tun, keinen Blowjob oder so. Er soll mir etwas Gutes tun, also drehe ich mich um, drücke meine Hände gegen die Kachelwand und strecke ihm meinen Arsch entgegen. Was er missversteht. Tobi versucht doch tatsächlich, mir seinen Schwanz in den Hintern zu schieben!

»Nicht das Loch, das bleibt vorerst jungfräulich! Los, nimm das richtige und zeig mir, was du kannst!«, halte ich ihn schnell auf.

»Alles, was du willst, Baby!« Dieser Satz klingt so klischeehaft, aber er ist genau das, was ich in diesem Moment hören will.

Tobi umfasst meine Hüften. Sein Griff ist so fest und er so stark, dass ich mich nicht aus seiner Umklammerung befreien könnte, selbst wenn ich wollte. Allein der Gedanke daran, ihm vollends ausgeliefert zu sein, bringt alles in mir zum Kribbeln. Gekonnt massiert er meine Brüste, während er seinen Unterleib gegen meinen Hintern drückt. Ich bin schon ganz feucht. Ich will ihn. Mir ist egal, ob er mich morgen noch will – ich will nicht mit ihm aufwachen, ich will nicht mit ihm frühstücken. Ich will, dass er mir den Verstand aus dem Leib vögelt! Spielerisch beißt er mir in meine Ohrläppchen, leckt meinen Nacken, dabei bin ich doch gerade noch diejenige gewesen, die keine Zärtlichkeiten wollte. Aber das ist mir jetzt alles egal. Tobi kann mit mir machen, was er will – wenn er mich nur endlich fickt! Doch zuerst umfasst er meinen Kopf mit beiden Händen und dreht mich zu sich. Er guckt mir in die Augen und steckt mir seine Zunge in den Mund. Seine Lippen sind weich, er schmeckt nach Tabak und Wodka. Unsere Zungen tanzen. Wow, kann der küssen!

»Fick mich! Fick mich jetzt!«, stöhne ich, als ich wieder Luft holen kann. Er grinst. Seine Stimme klingt heiser: »Gern!«

Oh mein Gott! Er tut es, endlich tut er es – endlich, endlich, endlich! Sein Schwanz ist groß, aber nicht zu groß, eher dick als lang – genau richtig für mich. Er füllt mich komplett aus, er passt einfach. Ich bin so nass, dass ich fast zerfließe. Tobi dringt langsam in mich ein und zieht ihn dann wieder raus, einmal, zweimal, dreimal, viermal, und erst beim fünften Mal stößt er richtig fest zu. In diesem Rhythmus macht er weiter, nur dass der harte Stoß manchmal schon beim vierten oder doch erst beim sechsten Mal kommt, sodass ich nie genau weiß, wann es so weit ist. Damit macht er mich vollkommen verrückt. Ich wimmere, ich schreie, ich weine – nicht vor Schmerz, vor Lust!

»Schlag mich! Bitte schlag mich!«

Seine Hand klatscht wieder und wieder auf meinen Arsch, während er mich langsam weiterfickt – einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal … sechsmal?

»Bitte stoß zu, bitte, bitte, bitte!«

Er tut es. Und ich komme. Für einen Moment lang wird alles unwichtig. Es gibt nur noch seinen harten Schwanz in mir drin. Ich vergesse meinen Namen. Nein, noch besser: Ich vergesse Dominics! Ein Feuerwerk der Lust. Und wie ich komme, verdammt noch mal! Er muss mir den Mund zuhalten, damit ich die Nachbarn nicht wecke, so laut schreie ich.

Und er hört nicht auf. Oh nein, nicht Tobi! Jetzt lässt er die harten Stöße weg und bringt mich so langsam wieder auf Touren. Er hat’s echt drauf! Ich werde schon wieder heiß. Seine Finger tasten nach meinem Kitzler. Er stößt jetzt härter. Er stöhnt, streichelt mich dabei, ich fließe. Ich spüre, wie er seine Muskeln anspannt, er ist kurz vorm Orgasmus. Schnell greife ich nach seinem Kinn und stecke ihm meine Zunge in den Hals. Er zuckt und stöhnt wie ein Tier in meinen Mund. Er kommt. Und das ohne Gummi, Mist – aber auch das ist mir gerade egal. Ich spüre seinen Saft in mir und fasse mich selbst an, werde schneller und komme schon wieder. Es ist unglaublich! Tobi zieht seinen Schwanz aus mir heraus und sein Sperma tropft aus mir. Ich zucke noch. Wahnsinn! Wir schwitzen. Es ist wie im Dampfbad. Ich muss lachen und fühle mich für einen Moment so frei. Nur Körper sein. Nur Lust.

Ich schäme mich ein bisschen dafür, aber ich muss zugeben, dass ich mit Dominic noch nie so einen intensiven Orgasmus erlebt habe. Noch nie habe ich mich so gehen lassen. Nur auf mein Verlangen gehört. Alles vergessen. Ich will mehr! Ich will, dass Tobi mich ins Bett trägt und mir den Schmerz wegfickt. Wieder und wieder, stundenlang!

Aber will ich das wirklich? Nein. Am liebsten würde ich jetzt meinen Kopf auf Dominics Brust legen und selig einschlafen.

»Lass mich los, Tobi!«

»Was?«

»Was verstehst du denn daran nicht, Tobi?«

»Okay, okay, ist ja schon gut.«

Ich möchte nur noch raus hier. Raus aus Tobis Bad, raus aus seiner Wohnung, einfach nur raus.

»War ’ne Scheißidee, hm?«, sagt Tobi. So viel Empathie hätte ich ihm gar nicht zugetraut.

»Ja, war es. Bleibt das unser Geheimnis?«

»Na klar! Du hast mich in der Hand, ich hab dich in der Hand – wie damals im Kalten Krieg: das Gleichgewicht der Supermächte.« Da ist es wieder, sein dreckiges Grinsen.

»Wie auch immer, Tobi. Und übrigens: Du bist göttlich im Bett und wenn du nicht so ein schrecklicher Macho wärst, könntest du ein echt toller Mensch sein.«

»Vielleicht will ich gar kein echt toller Mensch sein, Odette, denn so als echt toller Mensch wäre ich bestimmt nicht in den Genuss von dir gekommen …« Da ist es wieder. Verdammt!

»Fick dich, Tobi!«, sage ich, zwinkere ihm noch einmal zu und gehe. Eigentlich hätte ich sagen müssen: »Danke für den Fick!« Er versteht mich auch so.

Auf der Straße fällt mir ein, dass ich schon lange keine mehr geraucht habe. Ich krame eine Zigarette aus meiner Jackentasche, lasse mir von einem Zeitungsausträger Feuer geben und nehme einen tiefen Zug. Die Sonne geht auf. Wie kann sie nur? Weiß sie denn nicht, was letzte Nacht passiert ist? Aber das interessiert sie nicht. Vielleicht strahlt sie deswegen so.

Meine Füße schmerzen. Wohl eine Blase – wieder fällt mir ein, warum ich High Heels hasse. Ich ziehe die hohen Schuhe aus, stopfe sie in meine Handtasche und gehe barfuß weiter. Die Kühle des Asphalts bringt Klarheit in meine Gedanken. Ich werde Dominic nicht aufgeben. Noch nicht. Erst möchte ich wissen, warum er das Beste, was ich, was wir jemals hatten, für einen billigen One-Night-Stand aufs Spiel setzt. Und warum ich mich deshalb gerade von seinem besten Freund habe vernaschen lassen. Die Welt ist aus den Fugen geraten, so viel ist klar. Was eine einzige Nacht alles verändern kann …

Mein Handy vibriert. Eine Nachricht.

Schon wach, Kullerauge?

Du, ich war nur kurz im Berghain. Hab dort meine Schwester getroffen (wusste gar nicht, dass die in Berlin ist) und wir sind zu mir gefahren und haben zwei Flaschen Rotwein geköpft. War echt nett. Du musst sie unbedingt kennenlernen. Du wirst sie lieben! Trotz Doppel-D.

Sehen wir uns heute? Ich hoffe doch! Hab Lust auf Dich. Große. Und Du so?

Sieben Küsse – egal, wohin!

Dein Dominic für immer

Oh. Mein. Gott.

Odette Dressler / 27 / Berlin

Ein ganzer Kerl

Vorab eins: Ich bin Vegetarierin. Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet Fleisch im Brot mein Leben verändern könnte. Doch das hat es tatsächlich getan. Nicht das Fleisch an sich. Sondern unanständiger, heißer Sex auf dem Parkplatz vor der Dönerbude. Ermöglicht nur durch reine Fleischeslust. Es war perfekt: Ich war genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Jahre zuvor hatte ich mich nur noch falsch gefühlt. Leer. Gelähmt. Ich wollte mich endlich wieder bewegen, vor allem aber wollte ich bewegt werden. Wie bei Achterbahnfahrten üblich begann meine Geschichte, als ich ganz unten war. Weil mir das fehlte, was Frauen brauchen wie die Luft zum Atmen: Bestätigung. Nähe. Lust. Endlich mal wieder so richtig begehrt werden. Nicht einfach nur die Beine breit machen, weil es mal wieder an der Zeit ist. Es war mein Stolz, der nach Aufmerksamkeit verlangte. Und er wurde immer lauter und flehender. Denn er war längst mehr als gekränkt; er verkümmerte quasi schon auf der Intensivstation. Aufmerksamkeit, Begehren – das war es, was ich mir die vergangenen Jahre sehnlichst gewünscht hatte. Und das bekam ich schließlich auch.

Ich habe aus Liebe geheiratet. Nicht aus steuerlichen Gründen und auch nicht weil man das eben so macht, wenn man eine Weile lang zusammen ist und gemeinsam Kinder hat. Nein, verdammt, vor dem Traualtar habe ich aufrichtig und aus vollem Herzen »Ja« gesagt! Ich hatte gehofft, meinem Mann würde es genauso gehen, und so brach eine Welt für mich zusammen, als er im März dieses Jahres vor mir stand und sagte, dass er eine andere Frau im Kopf habe und nicht aufhören könne, an sie zu denken. Nicht schon wieder, dachte ich. Denn in den neun Jahren unserer Ehe hatte er mich bereits zweimal betrogen. Dabei war alles, was ich von ihm wollte, dass er seine Familie nicht verrät. Dass er zu uns steht. Zu mir. Dass er mein Mann ist. Aber vergeblich.

An diesem Tag sagte ich ihm, dass er erst wiederkommen solle, wenn er wusste, was er an uns hatte. Er entschied sich für sie – und kam im Mai zu uns zurück. Damals wollte ich das. Er versprach unseren Kindern hoch und heilig, nie wieder wegzugehen. Aber auch das war eine Lüge. Während dieser Zeit litt ich sehr, weil er in Gedanken ständig bei ihr war. Frauen spüren so etwas. Ein paar Wochen später brach er schließlich sein Versprechen und verließ uns abermals – ausgerechnet an meinem Geburtstag!

Betrogen zu werden, schmerzt immer, egal, mit wem der Mann einen betrügt. Aber ich glaube, ich hätte etwas mehr Verständnis aufbringen können, wenn es wenigstens eine tolle Frau gewesen wäre. Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre alt und allgemein ist er eher einfach gestrickt – es hat bei ihm mit Müh und Not zu einem Hauptschulabschluss gereicht. Ich hingegen bin neun Jahre jünger als er, Abiturientin, an guten Tagen hübsch, an schlechten Tagen immer noch herzlich. Und gegen wen tauschte er mich ein? Gegen eine 31-Jährige, an der nichts, aber auch überhaupt nichts Besonderes war! Das verletzte mich zutiefst.

Ich fühlte mich einfach nur noch hässlich und überhaupt nicht mehr begehrenswert. Also beschloss ich: Du musst dein Leben ändern! Ich färbte mir die Haare, ließ mich tätowieren, nahm ein paar Kilo ab und spazierte nur noch in sexy High Heels durch die Welt. Das war ein erster Schritt, der mir sehr guttat. Ich ging wieder aus und testete meine Wirkung auf Männer. Ich kam immer noch gut an, hatte viele Dates und auch den ein oder anderen One-Night-Stand, aber es war niemand dabei, den ich ein zweites Mal treffen wollte. Ich bin nicht der Typ Frau, der sich schnell verliebt. Dazu bin ich zu kopflastig und kann mich nicht leicht genug fallen lassen.

Doch dann klickte ich irgendwann im letzten Sommer durch meine Flirt-App auf dem Handy und er fiel mir sofort auf: dieser Kerl. Ich sage Kerl, weil er eben einfach ein ganzer Kerl war. Rau und kantig. So ganz anders als die Männer, die ich sonst hatte.

»Coole Tattoos!«, schrieb ich ihm. Dass dies nicht der originellste Gesprächseinstieg war, war mir schon klar, aber seine Tattoos fielen mir eben als Erstes ins Auge und eigentlich war es ja auch ganz egal, was ich schrieb – Hauptsache anfangen. Die meisten Männer sind doch sowieso begeistert, wenn die Frauen mal den ersten Schritt machen. Und so genügten bereits ein paar Nachrichten, um diesen Kerl, der übrigens Martin hieß, davon zu überzeugen, sich mit mir zu treffen. Daran, dass sich aus dem Treffen mehr als eine aufregende Nacht ergeben könnte, dachte ich damals noch nicht. Im Gegenteil, ich machte Martin sofort unmissverständlich klar, worauf ich hinauswollte: »Und nur damit wir uns nicht missverstehen: Ich will Spaß! Also Sex. Und zwar nur Sex!«

»So soll’s sein«, schrieb er in seiner lässigen Art zurück. Martin war kein Mann großer Worte.

Wir trafen uns. Wir liebten uns. Oberflächlich betrach­tet war es ganz normaler Sex. Aber irgendwas in seinem Blick und an seiner Körpersprache sagte mir, dass da mehr war. Etwas, das so ganz anders war als bei allen Männern, die ich vor ihm gehabt hatte. Ich bekam nicht genug von diesem Mann und er nicht von mir. Es war Martin, der nach unserer ersten gemeinsamen Nacht auf meiner Couch sagte, dass er mehr wollte. Mich wollte. Und so trafen wir uns, sooft wir konnten, drei-, viermal pro Woche. Der Sex wurde immer besser. Wenn ich Martin ansah, machte mich vor allem das unglaubliche Funkeln in seinen Augen an. Ich hatte bis dahin noch nie eine solche Gier in einem Menschen gesehen. Endlich fühlte ich mich wieder wie eine begehrenswerte Frau. Begehrenswert wie nie zuvor. Von mir aus hätte es ewig so weitergehen können.

Doch Pustekuchen. Das Leben, oder besser gesagt mein Ex, hatte andere Pläne. Gerade als ich endlich wieder glücklich war. Als ich wieder wusste, was ich wert war, und nach außen hin strahlte. Als Martin mich stark gemacht und mir meine Lebenskraft zurückgegeben hatte.

Ich kam gerade von einem Date mit Martin nach Hause – mein Unterleib pochte noch –, als plötzlich mein Mann in der Tür stand. Er hatte rote Flecken im Gesicht und redete irgendetwas von einer Pflicht, die wir unseren Kindern gegenüber hätten. Die Pflicht, es noch einmal miteinander zu probieren. Noch einmal »Heile Welt« wie in der Margarinewerbung zu spielen.

»Das fällt dir ja früh ein!«, erwiderte ich kühl.

Heute kann ich nicht mehr so genau sagen, warum ich meinem Mann damals die gefühlt einhundertste Chance gab, aber ich tat es. Wohl unseren Kindern zuliebe. Dabei hätte mir klar sein müssen, dass so ein halbherziger Versuch nicht klappen konnte und es auch den Kindern nicht guttat, wenn sich ihre Eltern so durch eine Beziehung quälten. Aber da saß ich nun. Mit einem Mann, den ich nicht mehr liebte, und einem Kerl im Kopf, den ich wollte wie keinen zuvor.

Ich meldete mich eine knappe Woche überhaupt nicht mehr bei Martin, doch dann hielt ich es nicht mehr aus. Ich rief ihn an und fragte, wie es ihm ging.

»Wie soll’s mir schon gehen? Ohne mein kleines Miststück, hm?« Diese Frage reichte, um mir klarzumachen, dass ich einen großen Fehler begangen hatte. Martins raue Stimme zu hören, war bereits genug. Zwischen meinen Beinen pochte es und ich wusste: Ich muss ihn unbedingt sehen! Aber das schlechte Gewissen nagte an mir. Ich war mir nicht sicher, ob ich tatsächlich den Befreiungsschlag wagen sollte. Ich fühlte mich zerrissen zwischen Abenteuer und Gewohnheit. Ich brauchte einen klaren Kopf. Frische Luft!

Da passte es ganz gut, dass mich gerade heute mein Mann nach seiner Spätschicht bat, ihm einen Döner zu besorgen. Das Leben schreibt eben manchmal die abgefahrensten Drehbücher. Denn kaum war ich auf dem Parkplatz des bevorzugten Dönergrills meines Mannes angekommen, da sah ich ein mir nur allzu bekanntes Auto. War er es wirklich? Konnte das sein? Ich war so aufgeregt! Mein Puls raste mindestens zehnmal so schnell wie der Beat von Snow Patrols Crack the Shutters, das gerade im Autoradio lief. Der Wagen hatte anscheinend gerade geparkt. Trotz der warmen Abendsommerluft zitterte ich am ganzen Körper, als tatsächlich Martin aus dem Auto stieg. Er entdeckte mich und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Langsam ging er auf mich zu und genoss dabei jeden Schritt. Ich stieg aus dem Wagen und blickte ihm in die Augen. Wir umarmten uns fest und lange. Schließlich sagte er: »Ich wäre die ganze Nacht durch die Stadt gefahren, um dich zu finden, Baby. Gut, dass ich zwischendurch auch mal Hunger hatte.«

Endlich fühlte ich mich wieder angekommen. So als hätte das Schicksal gewollt, dass wir uns noch heute begegnen. Es war so aufregend! Über uns leuchteten die Sterne und da standen wir, zwei Menschen, die sich endlich gefunden hatten und nie wieder verlieren durften. Der Gedanke an den männlichen Geruch, den Martin in dieser Nacht auf dem Parkplatz ausströmte, sorgt bei mir noch heute für ein Kribbeln in meinem ganzen Körper. Und damals erst! Martin stand direkt vor mir – 1,86 Meter geballte Männlichkeit und einfach umwerfend. Vom Schei­­tel bis zur Sohle purer Sex. Aber wir fielen nicht gleich übereinander her. Behutsam wie zwei Teenager redeten wir über den plötzlichen Abbruch unserer Affäre und wie sehr wir einander vermisst hatten. Auf dem Parkplatz inmitten einer Kleinstadt, eingepfercht zwischen einen weißen Golf und eine schwarze Familienkutsche, waren wir alles andere als unbeobachtet. Aber als Martin seine Lippen auf meine presste, konnte ich nicht widerstehen. Ich wollte mehr und mehr.

Als wir uns küssten, fiel so viel von mir ab. Der Frust über meine beschissene Ehe, die Sorgen um die Zukunft. Ich wollte für die nächsten hundert Jahre die Welt anhalten, reglos in den Armen dieses Mannes liegen und einfach nur ihm gehören. Seine Zunge war so fordernd, dass ich kaum Luft bekam. Seine Hände packten mich so kräftig, dass ich heute noch schwören könnte, dass er mich vom Boden hob. Mit einem Ruck drückte Martin mich gegen die Seite meines schwarzen Kombis. Seine linke Hand umfasste meinen Hals und drückte gerade fest genug zu, um mich bewegungsunfähig zu machen, aber mir nicht wehzutun. Mit der rechten riss er mir meine Leggings herunter und wie von selbst wichen meine Beine auseinander. Bis dahin war es mir völlig fremd gewesen, dass jemand einfach so über mich herfiel, über mich verfügte – aber Martin ließ mir keine andere Wahl. Ich wollte ihn nur noch in mir spüren und zuckte regelrecht zusammen, als er zwei Finger in mich hineinschob. Ich seufzte. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte sich alles vollkommen richtig an. Als ich gerade kurz davor war zu kommen, hielt Martin inne. Ich wollte protestieren, ihn anbetteln, damit er weitermachte. Aber das stand nicht auf seinem Plan.

Mit einer Hand öffnete er seine Jeans und zwang mich auf die Knie. Statt meiner Kehle umgriff er nun meinen Pferdeschwanz und schob mir seinen Schwanz tief in den Mund. Meine Wimperntusche lief mir über die Wangen und er sah zufrieden auf mich herab. »So ist’s brav!«

Ich leckte seine Eichel und schmeckte den ersten Tropfen seines Spermas auf meiner Zunge. Immer wieder schob er meinen Kopf so nah zu sich heran, dass ich kaum noch Luft bekam.

Unvermittelt riss er mich aus diesem wunderbaren Spiel heraus. Verdammt! Ich hatte seine Lust so genossen, das Raunen, das durch seine Kehle ging. Aber er zwang mich wieder auf meine Füße und drehte mich um. Auch nicht schlecht! Er platzierte meine Hände an der Dachreling meines Kombis – endlich war die mal zu etwas gut! In mir glühte das Begehren, alles, was ich wollte, war, seinen Schwanz in meiner Muschi zu spüren. Doch Martin hatte etwas anderes im Sinn. Mit der linken Hand zog er meinen Po ein Stück zu sich – und schob seinen Schwanz ganz langsam in mein Hinterteil. Ich schnappte nach Luft. Damit hatte ich nicht gerechnet. Meine Nippel wurden steinhart und vor lauter Überraschung – und ja, verdammt, auch vor Schmerz – wollte ich laut schreien, doch es kam kein Ton aus mir heraus. Meine Fingerknöchel traten vor ­Anspannung weiß hervor und meinem Kerl tropfte der Schweiß von der Stirn auf meinen Rücken. Mit jedem Ruck in mein Hinterteil wollte ich mehr. Mehr von dieser Gewalt, dieser rohen Kraft, dieser unglaublichen Dominanz. Nicht um Martins Wunsch zu erfüllen, sondern um mir selbst das zu nehmen, was ich wollte. Bis zu diesem Abend hatte ich nicht gewusst, dass auch Frauen anal kommen können. Doch jetzt zog sich alles in mir zusammen und ich spürte, dass ich kurz davor war. Ich schrie, weil ich nicht anders konnte, und Martin hielt mir den Mund zu. Als er sagte: »Ich bin gleich so weit, Baby, wie sieht’s mit dir aus?«, kam ich so heftig wie noch nie zuvor. Im selben Augenblick stöhnte auch er auf und ergoss seine Ladung in mein Hinterteil. Und ich wusste, dass ich nun endgültig angekommen war.

Nachdem wir uns angezogen hatten, nahm Martin mich in den Arm und küsste mich zärtlich. »Ach Mensch, der Döner!«, fiel es mir ein. Ich gebe zu, das war ein wenig unpassend, aber so war es eben. Ich ging schnell zu dem Imbiss und kaufte einen großen Kebab, damit ich es später nicht vergaß. Dann setzte ich mich mit Martin in meinen Wagen. Wir redeten über Belanglosigkeiten, aber auch über unsere Zukunft. Ich versprach ihm, dass ich bei ihm bleiben und nicht zu meinem Mann zurückgehen würde – oder besser: nur noch dieses eine Mal, um ihm seinen Döner zu bringen.

Als ich nach Hause kam, konnte ich Martin immer noch an mir riechen, selbst der eklige Fleischgeruch konnte daran nichts ändern. Auch seinen Schwanz konnte ich immer noch in mir spüren. Der Döner war längst kalt geworden, doch das war mir egal. Der beste Sex meines bisherigen Lebens gab mir die Kraft, meinen Mann ein für alle Mal zu verlassen. Meine Liebe für ihn war erloschen. Seit diesem Abend auf dem Parkplatz des Lieblingsdönerstands meines Exmannes schlägt mein Herz nur noch für Martin – diesen ganzen Kerl, der mir zeigte, wie guter Sex sich anzufühlen hat und wie es ist, jemandem mit Haut und Haaren verfallen zu sein. Im Nachhinein bin ich wirklich froh, dass mein Ex so gern Döner futterte.

Ulrike Remmling / 28 / Raguhn in Sachsen-Anhalt