cover.jpg

img1.jpg

img2.jpg

 

Nr. 2815

 

Die falsche Welt

Teil 4 von 4

 

Der letzte Kampf der Haluter

 

Atlan wagt den Angriff auf das Richterschiff – unterstützt von einer sterbenden Armee

 

Verena Themsen

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

img3.jpg

 

Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende von Welten zählen sich zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen.

Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Sie stehen – wie alle anderen Bewohner der Galaxis – unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Die sogenannten Atopischen Richter behaupten, nur sie und ihre militärische Macht könnten den Frieden in der Milchstraße sichern.

Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter überhaupt kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß.

Ein Zeitriss trennt die Freunde Rhodan und Atlan. Mit dem Fernraumschiff RAS TSCHUBAI strandet Perry Rhodan mehr als 20 Millionen Jahre in der Vergangenheit. Der Arkonide Atlan setzt die Reise durch die Synchronie fort. Dabei gerät er mit der ATLANC tausend Jahre in die Zukunft. Die Atopen haben gesiegt, und ein lemurisches Imperium beherrscht die Milchstraße.

Es gibt nur eine Möglichkeit, diese »falsche Welt« zu verhindern: die Atopentechnik der 236-COLPCOR. Atlans erster Versuch, an Bord des Richterschiffs auf dem neuen Erdmond Suen zu gelangen, ist jedoch gescheitert. Der Arkonide braucht mächtige Verbündete, um sein Ziel auf anderem Weg zu erreichen.

Unerbittlich gejagt von den Machthabern des Tamaniums, muss der Unsterbliche ins Reich der Draugh vordringen. Dort beginnt DER LETZTE KAMPF DER HALUTER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Bahonner – Der Schlafhirte soll seine Schäfchen wecken.

Coiro-Karn – Der Butler hat Gebrechen und Geheimnisse.

Atlan – Der Arkonide muss Freunden den Tod bringen.

Jawna Togoya – Die Posbi-Frau kämpft gegen ihr Spiegelbild.

Miuna Lathom – Die kybernetische Agentin will den Weltuntergang verhindern.

1.

Sonnenfrau

 

Träge schwebte die Funktionsblase an der durchsichtigen Wand entlang nach oben und fing das Licht der Abendsonne ein. Um sie herum folgten weitere schillernde Perlen den Windungen der zwanzig Meter durchmessenden Röhre. Manche waren größer, manche kleiner, manche schneller, manche langsamer. Einige schienen sogar stillzustehen. Früher oder später würden aber auch sie entweder zu der blaugoldenen Halbschale aufsteigen, in die sich der Turm fünfhundert Meter höher ausweitete, oder in die Tiefe unter der Mondoberfläche absinken.

Alles in allem war es ein schönes, ein erhebendes Bild, fand die Lemurerin, die das Schauspiel verfolgte.

Der Oberflächenturm des APASHEMIONS war ein Wahrzeichen ästhetischer Anmut, das sich mühelos in das Städtchen Tohezen einfügte. Es wirkte wie eine weitere der vielen Künstlerskulpturen, die überall in der Parklandschaft verteilt waren.

Hier und da sah man Häuser zwischen den Büschen und Bäumen hervorschimmern. Die meisten waren Oberflächengebäude der Therapiezentren, die hier den subsuenischen Raum ausfüllten. Andere waren Wohnhäuser der dort arbeitenden Ärzte und Mediker. Kein einziger Gleiter war zu sehen. Lediglich Schwebesessel gab es vereinzelt, für Patienten, die nicht genug Kraft zum Gehen hatten.

Tohezen war eine Stadt, die sich gänzlich der Heilung und Erholung gewidmet hatte. Vieles von dem Wissen, das die USO – so war es im Tamanium überliefert – vor einem Jahrtausend auf verbrecherische Art missbraucht hatte, war vor der Zerschlagung der Organisation von Tahun gerettet worden, um hier der reinen Heilanwendung zu dienen. Seither war die Technologie um ein Vielfaches verbessert worden. Womit man damals noch gekämpft hatte, gehörte heute in die Lehrbücher für Anfänger. Das war nicht zuletzt der Unterstützung durch die Atopen zu verdanken.

Die Lemurerin machte sich wieder auf den Weg. Am Himmel wurde soeben die blauweiße Kugel des Planeten über den Windungen des in der Ferne aufragenden Technogeflechts sichtbar. Er war fast voll. Einige Jahrhunderte lang hatte man ihn Terra genannt, doch seit tausend Jahren trug er wieder seinen alten Namen – Lemur.

Sie war nicht die Einzige, die in den letzten Strahlen der Sonne Apsu durch die Landschaft wanderte. Patienten, Pfleger, Besucher, Ärzte und Angestellte der verschiedenen Institute flanierten auf den Wegen. Manche kamen wie die Frau von einem der kleinen Automat-Märkte, die verstreut in der Landschaft standen. Andere genossen einfach nur die Wärme der Sonnenstrahlen und den sanften Wind auf der Haut. Leises Gurren und Singen erfüllte die Abendluft, die nach Blüten, Früchten und frisch geschnittenem Gras duftete. Auf Suen sorgte die Klimakontrolle für ewigen Frühsommer.

Die Lemurerin nahm eine Kolista aus dem neben ihr dahingleitenden Einkaufskorb und biss hinein. Süßer Saft rann über ihre samtbraune Haut. Zwei weitere Bisse, und die kleine, auf Suen angebaute Frucht war verschwunden. Sie wischte den Saft weg, leckte ihn von den Fingern und trocknete die Fingerspitzen an dem langen Ende des Schals, mit dem sie ihr schwarzes Haar zurückgebunden hatte.

Sie erwischte einen entgegenkommenden jungen Pfleger dabei, wie er sie anstarrte. Als er ihrem Blick begegnete, wurden seine Wangen dunkel und er sah hastig weg. Die Frau lächelte. Es klappte immer noch.

Sie erreichte den Ringwall des Raumhafens von Tohezen und schaute zurück auf die Landschaft, genoss die Ruhe, die von ihr ausging. Von hier aus konnte man die goldene Kugel sehen, die über der Schale an der Spitze des APASHEMION-Turms schwebte. Das Licht der Abendsonne fügte ihrem Glanz einen Kupferton hinzu.

Anstandslos ließ der Wachautomat die Lemurerin passieren. Gefolgt von ihrem Korb, betrat sie das Landefeld für Langzeitbesucher. Selbst hier wurde Wert darauf gelegt, Enge zu vermeiden. Allerlei Raumgleiter und -boote standen weit verstreut und nach keinem erkennbaren System angeordnet auf der mehrere Kilometer durchmessenden Kreisfläche. Weit hinten konnte sie den einzigen langstreckentauglichen Raumer erkennen, die MAHELEN, ein lemurisches Klinikschiff.

Aber so weit hatte sie nicht zu gehen. Nach einigen Hundert Metern bog sie auf eines der markierten Parkfelder ab. Ein an den Polen abgeflachter, kleiner Kugelraumer stand dort, dessen Seite der Schriftzug GONWARTH zierte. Die untere Polschleuse der im Akonsystem registrierten Jacht glitt auf, als sie daruntertrat, und ein Traktorstrahl hob sie ins Innere.

Ein Mann erwartete sie bereits. Er trat auf sie zu und betrachtete den Inhalt des Korbes. »Und, wie war dein Ausflug?«

»Schön«, antwortete sie und reichte ihm ein Schälchen mit Weißspeise aus dem Korb. »Schön und ergiebig. Lass es dir schmecken, Atlan.«

 

*

 

Jawna Togoya, die zurzeit als Lemurerin akonischer Abstammung getarnte positronisch-biologische Frau, löffelte selbst eine Weißspeise, als sie später in der Zentrale zusammensaßen. Auch Germo hatte begeistert ein Schälchen angenommen. Genauso wie Atlan und Jawna trug er eine leichte Maske, wenngleich man bei ihm nicht so viel anpassen musste, da er ein echter Lemurer war.

Sogar die GONWARTH war nichts als eine weitere Haut, in die das Raumschiff MUTTER geschlüpft war. Seit Ch'Daarns Tod gehorchte es Germos Anweisungen, der seinen Gästen weitreichende Freigaben erteilt hatte.

MUTTER und Jawna hatten noch sorgfältiger als voriges Mal darauf geachtet, dass ihnen so schnell niemand auf die Schliche kommen würde. Mehrere Tage hatten sie dafür ins Land ziehen lassen, bevor sie nach Suen zurückgekehrt waren. Trotzdem würde auch diese Tarnung irgendwann aufgedeckt werden.

»Ich habe einen Mann namens Bahonner gefunden«, berichtete die Posbi-Frau. »Das ist der Name, den die Archivarin Germo genannt hat, und auch sonst passt er ins Bild.«

»Bahonner ... Ich war nicht ganz sicher«, nuschelte Germo mit vollem Mund. »Denetree war so gut wie tot, und ihre Aussprache war nicht sonderlich klar. Aber wenn es tatsächlich so einen gibt, scheint's ja zu stimmen.«

Jawna sah dem Jungen beim Essen zu. Sie war froh, dass er inzwischen wieder Appetit hatte. Erst den Tod seines topsidischen Ziehvaters erleben zu müssen und dann einer sterbenden Frau nicht helfen zu können, hatte ihn sehr mitgenommen. Er gab sich gerne rau, aber im Innern schmerzten ihn diese Dinge.

»Dieser Bahonner ist jedenfalls kein ganz unbekannter Mann und in den Nachrichten Tagesgespräch«, berichtete sie. »Anscheinend hat er gerade eine hässliche Trennung hinter sich ... Seinesgleichen sind auf lokaler Ebene interessant genug, dass solche Dinge Erwähnung in den Gesellschaftsnachrichten finden.«

»Ist er ein Chefprogrammierer im APASHEMION oder was?«, fragte Germo.

»Besser. Einer der sogenannten Schlafhirten, die Denetree ja auch erwähnte. Und drei Mal dürft ihr raten, wessen Schlaf diese Hirten bewachen.«

Diesmal war es Atlan, der antwortete. »Die Haluter.«

»Richtig. Das ist eines dieser Dinge, die hier für jeden selbstverständlich sind. Seit über tausend Jahren sind die fünfundneunzig Haluter, die mithilfe der Lemurer die Seuche überlebten, dauerhaft mit dem APASHEMION vernetzt. Kybermediker mit allerlei Sonderausbildungen und auch Sonderrechten überwachen ihre Körper und den Verbund. Für die Leute hier sind sie hoch qualifizierte Betreuer eines Kernelementes des Zentralrechners, der alle Vorgänge im Tamanium überwacht. Niemand denkt mehr daran, dass es um lebende Wesen geht.«

»Oder es ist ihnen gleich«, murmelte Germo.

»Vermutlich«, pflichtete Atlan ihm bei. »Gewohnheit ist der größte Feind der Freiheit.«

»Jedenfalls ist Bahonner einer der wenigen Schlafhirten, die trotzdem am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, und entsprechend beliebt bei den Medien«, fuhr Jawna fort. »Oft ziehen Schlafhirten sich völlig zurück und führen eine Art Eremitendasein im APASHEMION. Statt der Haluter werden sie als diejenigen angesehen, die ihr Leben für diese Sache opfern. Es ist ein Beruf, den man lebenslang ausübt – vermutlich, weil er mit einigen Einsichten in Dinge verbunden ist, die der Geheimhaltung unterliegen.«

»Als Geheimnisträger wird er aber mit Sicherheit überwacht sein.«

»Dieses Risiko muss ich wohl eingehen. Jedenfalls habe ich vor, mich als Trösterin in seiner Seelennot anzubieten. Eine hässliche Trennung ist immer eine Belastung. Das sollte glaubwürdig genug sein, um nicht gleich alle Alarmglocken klingeln zu lassen, und ich kann in Ruhe mehr über ihn herausfinden.«

Atlan nickte. »Gut. Auch wenn Denetree uns seinen Namen gegeben hat und sie vermutlich eine Gefolgsfrau des Sehers Ch'Daarn war – wir wissen nicht, ob wir offen an ihn herantreten können oder nicht. Vorsicht ist angebracht, das hat sie selbst gesagt, auch wenn es uns weitere Zeit kostet.«

»Ich werde aufpassen und mir Mühe geben, es nicht zu viel Zeit werden zu lassen.« Jawna war über die Sorge des Arkoniden amüsiert.

Natürlich konnten sie nicht ausschließen, dass Bahonner eine Falle war, die man ihnen stellte. Womöglich hatte man Denetree bei dem Verhör, das zu ihrem Tod geführt hatte, auch etwas eingepflanzt, das die Gesuchten direkt hierherführen sollte. Sie selbst hatte das Wort »Vorsicht« benutzt. Andererseits war nicht vorhersehbar gewesen, dass sie noch einmal Kontakt mit der Archäo-Archivarin aufnehmen würden.

»Wirst du dich denn richtig an ihn ranmachen?«, fragte Germo.

Jawna leckte ihren Löffel ab und lächelte zufrieden. »Ich werde tun, was notwendig ist. Und soweit ich gesehen habe, ist Bahonner ein attraktiver Mann.«

Germo verzog das Gesicht, als wäre das mehr, als er hatte hören wollen. Er rieb sein Kinn an der verwachsenen Schulter mit dem Psi-Induktor und konzentrierte sich darauf, seinen Nachtisch zu beenden.

 

*

 

Das Morgenlicht ließ Bahonners zerzaustes Haar wie eine Aureole schimmern. Jawna küsste ihn auf die Stirn. Er schlug die Augen auf und betrachtete sie, als sei sie ein Wunder, an das er noch nicht richtig glauben mochte.

»Woher bist du gekommen?«, fragte er leise. »Was hat dich ausgerechnet in mein Leben treten lassen?«

Sie tippte ihm auf die Nasenspitze. »Willst du wirklich anfangen, solche Fragen zu stellen? Wenn ja, wirst du nur lauter unsinnige Antworten finden.«

»Welche zum Beispiel?«

»Hmmm ...« Jawna stützte den Kopf auf und sah durchs Fenster auf die regenfeuchte Landschaft. »Zum Beispiel, dass die Sternengötter erkannt haben, welches Leid dich trotz all der Opfer trifft, die du auf dich nimmst, und endlich Mitleid hatten. Also formten sie aus reinem Sonnenlicht einen Körper, dessen Schönheit sie an der Schönheit deiner Seele maßen, und schickten diese Frau nach Suen, auf dass sie dir in der Oper ein Glas Sekt über den Anzug schütte ...«

Er kicherte wie ein kleiner Junge, obwohl er bereits in seiner Lebensmitte stand. Seine Schüchternheit ließ ihn so unschuldig wirken, dass auch Jawna sein Alter anfangs unterschätzt hatte. Seine Befangenheit hatte sich allerdings schnell verflüchtigt, als sie erst einmal unter sich gewesen waren.

»Lebendig gewordenes Sonnenlicht. Du bist eine sehr phantasievolle Frau mit einer Menge Selbstvertrauen und ohne jede Scham.« Bahonner ließ einen Finger von ihrer Kehlgrube abwärts zu ihrer Brust wandern.

»Hätte ich mehr Scham, würden wir womöglich immer noch auf dem Balkon stehen und den künstlichen Sternenhimmel bewundern.«

»Den Sternengöttern sei Dank, dass sie damit sparsam waren.«

Danach folgten für eine Weile keine artikulierten Worte mehr.

Geraume Zeit später saßen sie auf dem besagten Balkon und bekamen unter den missbilligenden Augen von Bahonners Butler das Frühstück serviert.

»Du musst wirklich besser auf deine Gesundheit achten, Bahonner«, quäkte der Mann und schniefte. »Dieses unhygienische Herumgetreibe in Betten bekommt dir nicht!«

Bahonner seufzte. »Keine Sorge, ich werde mich nicht verausgaben. Vielleicht solltest aber besser du wieder reingehen. Der Servoroboter wird auch ohne dich zurechtkommen, und mir scheint, dass du wieder eine Erkältung anziehst.«

»Und dich der hirnlosen Maschine und dieser ... dieser Frau ausliefern? Wo denkst du ...« Ein Hustenanfall unterbrach seinen Empörungsausbruch. Die Hand auf die Brust gedrückt, keuchte er sich die Seele aus dem Leib.

Jawna erhob sich, legte einen Arm um die Schultern des alten Mannes und strich mit geübten Fingern über seinen Hals und Rücken. Im nächsten Moment holte der Alte pfeifend Atem und reckte sich.

»... hin! Natürlich werde ich das nicht tun!«

»Könntest du noch etwas Weißspeise zubereiten lassen?«, gurrte Jawna. »Ich weiß, dass Bahonner sie sehr liebt, und es ist viel zu wenig da. Das reicht ja kaum für einen.«

Der Alte beäugte die servierten Speisen. »Zu viel Weißspeise ist nicht gut. Er sollte lieber gesündere Sachen essen. Er bekommt da unten kaum Bewegung und darf nicht ansetzen!«

»Mit ein paar Roggenkeimen und Sprossen gemischt, würde die Speise schneller sättigen und hätte eine optimale Zusammensetzung an Nährstoffen, ohne dass der Geschmack darunter leiden würde.«

»Hm ja, gut, vielleicht. Aber ihr solltet nicht so lange hier draußen sitzen bleiben. In diesem feuchten Wind holt Bahonner sich noch den Tod!«

»Wir gehen bald wieder rein. Und je schneller wir das ganze Frühstück serviert bekommen haben, umso eher.«

»Hm, hm. Also gut. Ich bin gleich wieder da. Klingele, wenn du etwas brauchst, Bahonner.«

»Ja, Coiro-Karn.«

»Und verschwindet nicht wieder in irgendeinem Bett. Du wirst erst einmal ein stärkendes Kräuterbad nehmen!«

»Ja, Coiro-Karn.«

»Nie wissen diese jungen Männer es zu schätzen, wenn man für sie sorgt«, murmelte der alte Mann, während er zurück ins Haus schlurfte. »Kaum wendet man ihnen den Rücken zu, gehen sie Abenteuer erleben und hüpfen von einem Bett ins nächste ...«

Jawna kehrte an ihren Platz zurück. Bahonner beugte sich über den Tisch. »Du musst Coiro-Karn entschuldigen. Er ist quasi ein Erbstück, und als einer der letzten lebendigen Butler unersetzbar. Man bekommt sonst nur noch Roboter für diese Stellung. Ich lege aber sehr viel Wert auf menschliche Nähe.«

»Wie ich gemerkt habe«, wisperte Jawna. »Keine Sorge, ich finde ihn eigentlich ganz liebenswürdig. Ich denke, wir werden schon noch lernen, miteinander zurechtzukommen.«

»Wenn er dich nicht aus diesem Haus vertreiben kann, sehe ich rosige Zeiten auf uns zukommen.« Er lächelte sein schüchternes Lächeln.

Jawna lachte auf. »Sei vorsichtig, Bahonner. Sonst hat dein Leibdiener doch recht, und ich bin ungesund für dich. Bisher genieße ich unsere Partnerschaft ebenso wie du, aber du solltest auf dein Herz achten. Ich verspreche dir nichts.«

»Und ich erwarte nichts.« Er legte seine Hand auf Jawnas. »Aber gerade dass du solche Warnungen aussprichst, macht dich umso gefährlicher für mich.«

Jawna seufzte, drehte ihre Hand, um Bahonners kurz zu drücken, und entzog sie ihm wieder. »Wann musst du zurück ins APASHEMION?«

»Morgen fängt mein nächster Dienst an. Dann habe ich erst in zwei Dekaden wieder einige Tage für mich.«

»Ein hartes Leben für jemanden, der nicht bereit ist, ein Eremitendasein zu fristen.«

»Bislang ist jede meiner Beziehungen daran zerbrochen. Aber ich liebe meinen Dienst ebenso wie das Leben. Die Haluter zu versorgen ...« Er stockte und senkte den Blick.

Jawna tat sich alles Notwendige für ein reichhaltiges Frühstück auf. »Ich habe gelernt, fast alle Haluter wären von einer Seuche getötet worden. Nur die wenigen in eurer Obhut konnten gerettet werden. Hat man eigentlich je herausgefunden, wo die Seuche herkam?«

Bahonner schüttelte den Kopf. »Irgendein Besucher muss sie nach Halut eingeschleppt haben. So etwas passiert bei aller Sorgfalt immer mal wieder ... Leider hatte der Erregerstamm eine so lange Inkubationszeit und war gleichzeitig so viral, dass bereits alle Haluter befallen waren, als die Krankheit beim ersten ausbrach. Er war innerhalb von wenigen Tagen tot.«

»Schwer zu glauben, bei ihrem so extrem widerstandsfähigen Organismus.«

»Genau der wurde gegen sie gekehrt. Sie sind quasi versteinert, weil sie die Kontrolle über diese Verhärtung verloren haben, und kamen dann um, weil der Körper keine Nährstoffe mehr aufnehmen konnte oder sie sogar abstieß. So zumindest habe ich es verstanden. Ich habe zwar eine volle Ausbildung als Mediker, aber über diese Krankheit ist nur sehr wenig in der Literatur zu finden.«

»Klingt nach einem grausamen Tod.«

Bahonner nickte. »Ein Tod, vor dem wir sie jeden Tag aufs Neue bewahren. Auch die Haluter in unserer Obhut sind infiziert und müssen ständig unter Medikamenten gehalten werden. Wir haben die Krankheit niemals wirklich besiegt. Wir haben nur herausgefunden, wie man sie in Schach hält.«

»Aber eines Tages ändert sich das vielleicht, und dann werden sie euch Schlafhirten sehr dankbar sein. Es wird doch sicher weiter an einem Gegenmittel geforscht?«

»N... natürlich. Ich denke schon.« Es klang nicht sonderlich überzeugt.

Lautes Husten verriet Coiro-Karns Rückkehr. Jawna wechselte das Thema und verwickelte Bahonner in ein Gespräch darüber, wie er den letzten Tag vor der nächsten Schicht verbringen sollte.

Schließlich beugte sie sich vor und wisperte: »Wie wäre es, wenn du heute Abend zu mir kämst? Auf unserem Raumschiff könnte ich dafür sorgen, dass wir ganz unter uns sind und du auch vor Coiro-Karn mal deine Ruhe hast.«

Mit zusammengekniffenen Augen musterte der Butler sie, als habe er ihre Worte genau gehört.

Bahonner warf ihm einen nervösen Blick zu und flüsterte zurück: »Ich weiß nicht. Kommst du sonst wieder zu mir?«

Sie tippte sich an die Lippen. »Mal sehen ... Vielleicht werde ich der Meinung sein, dass nur die Tapferen in der Nacht eine Frau aus Sonnenstrahlen verdienen.«

»Du bist eine fordernde Frau!«

»Ich weiß. Ich habe dich vor mir gewarnt.« Jawna lächelte ihn an, zog seine Hand zu sich und küsste die Fingerspitzen. Sie spürte den leisen Schauer, der ihn überlief.

»Na schön. Ich werde darüber nachdenken und dir nachher Bescheid geben.«

»Ich erwarte deine Nachricht mit Spannung. Aber jetzt muss ich langsam gehen; auch mich erwarten Pflichten.«

»Wir sehen uns am Nachmittag auf dem Weikermarkt?«

»Wie besprochen.« Jawna erhob sich und nickte Coiro-Karn zu.

»Dein Bad wartet auf dich, Bahonner«, knarrte der Butler und ignorierte Jawna geflissentlich. Der Servoroboter begleitete sie hinaus.

 

*

 

»Also wird er heute Abend herkommen?«, vergewisserte sich Atlan.

»Ich bin mir ziemlich sicher. Meine Argumente waren recht überzeugend.«