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1. Auflage 2015
 
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Redaktion: Bärbel Knill
Korrektorat: Leonie Zimmermann
Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, München
Bildbearbeitung: Pamela Machleidt, München
Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-89879-892-1
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-691-5
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-692-2
 
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Für F. und A. und F.

Inhalt

Titel
Impressum
Widmung
Inhalt

Einleitung
Leben
Riskieren
Planen
Schwitzen
Handeln
Finanzieren
Investieren
Zurückblicken
Resümee

Über den Autor

Einleitung

Fragen Sie sich auch, was zu tun ist, wenn die Zombie-Apokalypse kommt? Grübeln Sie auch darüber nach, ob Hacker zu den Guten oder zu den Bösen gehören? Und stellen Sie sich auch manches Mal vor, was passieren würde, wenn Drogen nicht verboten wären?

Dieses Buch handelt von der Freiheit und davon, was die Menschen imstande sind zu erreichen, ohne dass sie dazu eine ordnende Hand, eine Macht von oben benötigen. Vieles in diesem Buch dreht sich um die Schaffenskraft jedes Einzelnen, um seine Fähigkeit, Neues zu produzieren und etwas Gutes für seine Mitmenschen zu leisten. Das Werkzeug, das ihm dabei hilft, nennt sich »Markt«. Der Markt ist eine wunderbare Einrichtung, die freiwillige und friedfertige Kooperation ermöglicht. Und das Beste: Der Markt wurde nicht eines schönen Tages von einem Genie erfunden. Nein. Er war schon immer da. Und noch heute ist er überall dort, wo Menschen zusammenleben – auch wenn man ihn manches Mal vor lauter Politik und Regulierung kaum noch erkennen kann.

Träfen sich zwei Menschen auf einer einsamen Insel, würden sie ganz automatisch die Regeln des freien Marktes anwenden. Sie würden Eigentum definieren, ihre Talente entfalten und Kooperation üben. Und sie würden stets versuchen, besser als zu sein als der andere. Sie würden im Wettbewerb stehen. Dies ist der natürliche Instinkt der Menschen. Und deshalb ist der Markt die natürliche Ordnung, die Ordnung, die keinen Planer, keinen Verwalter und keinen Herrscher benötigt. Der Markt folgt den Menschen. Im Gegensatz zum Markt steht die Politik. Politische Systeme werden erdacht, entworfen, geplant. Sie stehen über den Menschen, die in diese Systeme lediglich hineingeboren werden. Politische Systeme setzen Folgsamkeit voraus. Und manchmal noch schlimmer: Sie formen »neue Menschen«.

Heutzutage aber wird nicht politischer Übermut, sondern der Markt verschrien. Es wird diffus über »Ausbeutung« und »Kapitalismus« geschimpft, über die böse »Gier« und den zerstörerischen »Neoliberalismus«. Erst kürzlich, im Februar 2015, veröffentlichte die Freie Universität Berlin die Ergebnisse einer Studie, in der sie 1362 Bürger Deutschlands nach ihrer Einstellung zu politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten befragen ließ. Die Resultate waren erschreckend. Eine absolute Mehrheit der Befragten war der Meinung, der Einfluss der Wirtschaft sei zu groß, wobei sie wahrscheinlich die Bosse der großen Dax-Unternehmen meinten. Ein Drittel sagte, das, was sie als »Kapitalismus« kennen, führe immer und automatisch zu Armut, Hunger und Krieg. Und gar 42 Prozent sagten, der Kommunismus sei eine gute, bis dato nur schlecht umgesetzte Idee.

Dieser freiheitsfeindlichen Litanei werde ich mit diesem Buch etwas entgegensetzen. Ich werde aufzeigen, wie die natürlichen Gesetze des Marktes beschaffen sind, wie sie zum Vorteil aller Beteiligten wirken und warum ihre Mechanismen und Wirkungsweisen nicht von Menschenhand und Menschengeist unterdrückt werden können. Der Markt wirkt immer – auch dann, wenn die Menschen seine Regeln nicht verstehen und ihn gerade deshalb als schädlich erachten. Die Menschen können sich dem Markt nicht entziehen. Er ist die natürliche Ordnung. Doch wer sie nachvollziehen kann, lebt sicherer und beschwingter. Deshalb dieses Buch.

Der Markt wirkt auch, wenn die Menschen mal wieder voll und ganz von einem politischen System begeistert und von dessen Nutzen überzeugt sind. Ich werde zeigen, dass politische Systeme, auch wenn ihre Protagonisten nette, sympathische Menschen sind, die stets nur das Beste für ihre Mitmenschen zu erreichen versuchen, immer zum Scheitern verdammt sind. Jeder Versuch, auf politischem Wege Einfluss auf den Markt zu nehmen, endet in falschen Anreizen, schädigt das Signalsystem des Marktes, das den Einzelnen anzeigt, wo sich Vor- und Nachteile des eigenen Handelns andeuten, und führt dazu, dass sich die Menschen langfristig zu ihren eigenen Ungunsten und kurzfristig zu denen ihrer Mitmenschen verhalten. Der gute Wille, Moral, Anstand und das reine Gewissen erscheinen auf den ersten Blick als nette Anreize, doch in der Lebenspraxis führen sie allzu oft zu unerwünschten und schädlichen Ergebnissen.

Auch werde ich zeigen, dass sich Markt und Politik nicht miteinander vertragen. Sie sind wie Feuer und Wasser. Der Markt ist geprägt von Demut. Er kennt keine Herrschaft. Doch wo die Politik den Thron bestiegen hat, kennt sie kein Pardon, kein Miteinander. Während der Markt gerade durch eine reichhaltige und bunte Angebotsplatte seinen Glanz erhält, dulden politische Systeme und gesellschaftliche Großentwürfe keine alternativen Lebensmodelle und unterdrücken die Kraft und Kreativität von Individuen und kleinen, selbst organisierten Gemeinschaften.

Zum Aufbau des Buches: Sie werden acht Abschnitte vorfinden. Unter den Schlagworten Leben, Riskieren, Planen, Schwitzen, Handeln, Finanzieren, Investieren und Zurückblicken habe ich meine Einwürfe für die Freiheit subsummiert. Jedem Kapitel steht ein kursiv gedrucktes Stereotyp vor, das den gegenwärtigen Zeitgeist zum Thema, die vielleicht auch in Ihrem sozialen Umfeld beliebtesten Argumente zum jeweiligen Thema zusammenfasst. Das Stereotyp leitet ein und wird gekontert – sportlich und in freisinnigem Geiste.

Das Buch muss nicht in einem Zug von vorn bis hinten gelesen werden. Die Kapitel dürfen unabhängig voneinander genossen werden. Verstehen Sie sie bitte als das, was sie sind: Anregungen zum Nachdenken, Diskutieren und Weitersagen.

Auf die Plätze!

Werfen Sie alles über Bord, was Sie bislang über den »Kapitalismus«, den »Neoliberalismus« und das »böse Geld« gehört haben. Vergessen Sie für ein paar Momente die Ihnen vertrauten Begrifflichkeiten und Definitionen.

Fertig? – Betreten Sie Neuland!

Los!

Rheinland im März 2015

Henning Lindhoff

Leben

Das Allermeiste wird immer besser

Der Klimawandel bedroht die Erde. Der Terrorismus bedroht unser ­Leben. Der Neoliberalismus spaltet die Gesellschaft. Den meisten Menschen geht es immer schlechter. Nur wenigen geht es noch gut. Wir sind wahrlich arm dran.

Haben Sie heute schon die neuesten schlimmen Nachrichten gehört? Haben Sie heute schon die neuesten angsteinflößenden Meldungen gelesen? Ja? Ist Ihnen denn auch etwas Positives aufgefallen? Nein? Keine Sorge. Damit sind Sie nicht allein. Der Mensch ist darauf programmiert, schlechte Nachrichten intensiver zu betrachten, zu speichern und zu verarbeiten. Unfälle und Tragödien erzeugen viel Aufmerksamkeit, während schöne Neuigkeiten und Erfolgsmeldungen eher Langeweile und Gähnen provozieren. So ist die Natur des Menschen. Eine eher pessimistische Grundeinstellung war überlebenswichtig, als der Mensch noch jeden Tag um seine pure Existenz kämpfen musste.

Dieser Mechanismus ist heute allerdings einer der Gründe dafür, dass viele Menschen ihr Heil in den Versprechen von Planern, Politikern und deren Ideologien suchen. Sie wollen vor den Unwägbarkeiten und Gefahren des Lebens beschützt und geführt werden.

Dabei gäbe es allen Grund – vor allem in der westlichen Hemisphäre –, sich seines Lebens und des stetig wachsenden Wohlstandes zu erfreuen. Von der »Ersten« bis zur »Dritten« Welt sorgt nämlich die Markwirtschaft – allen politischen Hindernissen zum Trotz – dafür, dass es den Menschen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt besser ergeht. Wagen wir also einmal einen kleinen Rückblick:

Vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts war die Weltbevölkerung weitaus weniger wohlhabend als heute. Im Jahr 1900 lebten nach Angaben der Vereinten Nationen zirka 1,65 Milliarden Menschen auf der Erde. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug weniger als 50 Jahre. Das durchschnittliche Jahreseinkommen betrug 1000 US-Dollar.

Schauen wir uns die genauen Zahlen seit 1960 an, wird die kurzfristige und massive Steigerung des weltweiten Wohlstands ersichtlich. Lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines jeden Erdenbürgers im Jahr 1960 noch bei gut 52 Jahren und sein durchschnittliches Jahreseinkommen bei etwas mehr als 450 US-Dollar, stiegen beide Werte bis zum Jahr 2012 auf nahezu 71 beziehungsweise 10 430 US-Dollar (siehe Abbildung 1).

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Abbildung 1: Jahreseinkommen und Lebenserwartung weltweit

Und mit diesem Geld können wir heute Dinge kaufen, über die sich selbst die reichsten Männer des anbrechenden 20. Jahrhunderts noch verwundert die Augen gerieben hätten. Viele Werkzeuge, die wir heute als selbstverständlich erachten, sind zu nahezu jedem beliebigen Preis erhältlich. Es ist heute keine wirkliche Frage des Einkommens mehr, mit dem Flugzeug zu reisen oder mit einem Smartphone im Internet zu surfen. Und dies ist allein das Verdienst von strebsamen Menschen in freiem Austausch von Waren, Geld und Dienstleistungen.

Im Zuge der sich weltweit durchsetzenden freien Marktwirtschaft versechsfachte sich das Bruttoweltprodukt seit 1980 (siehe Abbildung 2). Damit einhergehend hat sich die Zahl der Menschen, die weltweit in existenzbedrohender Armut leben, seit 1991 halbiert – von 40 auf 20 Prozent der Weltbevölkerung. Noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte ist es gelungen, so viele Menschen wie heute zu ernähren. Noch nie lebten so viele Menschen wie heute in Freiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit.

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Abbildung 2: Bruttoweltprodukt zwischen 1960 und 2013 in Milliarden US-Dollar

Die Kindersterblichkeit sank vor allem auch in den ärmsten Ländern der Welt. Zwischen den Jahren 1966 und 2013 fielen die Werte in den laut UN am wenigsten entwickelten Ländern von 158 auf 55 Todesfälle vor dem ersten Geburtstag pro 1000 Geburten, in den Ländern südlich der Sahara von 150 auf 61 und im weltweiten Durchschnitt ging die Kindersterblichkeit um mehr als 70 Prozent zurück (siehe Abbildung 3).

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Abbildung 3: Kindersterblichkeit

Auch die Zahl der Unterernährten weltweit sank drastisch. Seit 1994 ging laut Erfassung durch die Weltbank der Anteil der Unterernährten in der Bevölkerung in den Ländern der Welt mit dem niedrigsten ­Pro-Kopf-Einkommen um 15 Prozent zurück, in der Subsahara um 11 Prozent und im weltweiten Durchschnitt um 8 Prozent (siehe Abbildung 4).

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Abbildung 4: Bevölkerungsanteil der Unterernährten in Prozent

Und nicht nur die menschlichen Grundbedürfnisse können von Jahr zu Jahr in jedem Land der Erde besser befriedigt werden. Auch das Streben nach Höherem wird möglich für immer mehr Menschen in immer mehr Ländern. So stieg der regelmäßig von der UNESCO ermittelte Bildungsindex, in dem vor allem der Alphabetisierungsgrad und die Integration der Bürger in ein Schulsystem dargestellt wird, allein zwischen den Jahren 1999 und 2011 auch in den ärmsten der armen Länder in drastischer Weise (siehe Abbildung 5).

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Abbildung 5: Bildungsindex

Auch wir gut Genährten und Gebildeten in Deutschland profitieren vom freien Markt. Arbeitsteilung und freier Handel haben dazu geführt, dass der durchschnittliche Bürger Deutschlands nach Berechnungen des ifo-Instituts (siehe Abbildung 6) mehr als sechs Stunden Freizeit täglich zur Verfügung hat (die Zeit für menschliche Grundbedürfnisse schon herausgerechnet). Zeit, in der er sich Gedanken machen kann über seinen Fußballklub, über seine Vorbereitung auf den nächsten Marathon, über das Kinoprogramm und über das angesagteste Restaurant. Zeit, die er mit seiner Familie und seinen Freunden verbringen kann und in der er nicht in einem Bergwerk oder am Hochofen rackern muss.

Es gibt also keinen Grund, in Depression und Zukunftsangst zu verfallen. Hätten die Menschen in der Vergangenheit so arg gezweifelt wie der Großteil der westlichen Bevölkerung heute, hätten wir so einige wichtige Erfindungen und sehr viel Wohlstand sicherlich verpasst.

Natürlich leben wir nicht in einem Paradies. Auch heute noch sterben viel zu viele Menschen an Unterernährung und leicht heilbaren Krankheiten. Auch heute noch gibt es viel Elend auf der Welt, das nicht sein müsste. Aber wir haben dennoch allen Grund, optimistisch zu bleiben. Der Mensch ist kein Schmarotzer, kein Zerstörer und erst recht kein Virus, der die Erde befallen hat. Der Mensch strebt stets zum Besten und zu neuen Fortschritten. Auch das liegt in seiner Natur.

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Abbildung 6: Zeitverwendung

Kunstflieger in der Steuergeldblase

Ohne den Staat gäbe es keine Kultur. Wir brauchen Steuern, um Museen, Theater und all die anderen künstlerischen Höchstleistungen genießen zu können. Ohne staatliche Förderung würden wir nur noch billige Unterhaltung à la Privatfernsehen erleben. Wir würden verdummen und kulturell verarmen.

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was einen Künstler ausmacht? Wovon er lebt? Wie er Einkommen generiert und worauf er angewiesen ist?

Schenken wir so manchen Interessengruppen und ihren Vertretern Glauben, dann sind wahre Künstler hierzulande rar gesät. Dann sind sie eine nahezu bedrohte Art, immer kurz vor dem Hungertod, wenn der Staat und seine Bediensteten nicht zu Hilfe eilen und Steuergroschen spendieren würden. Die Kunst-und-Kultur-Lobby besitzt in Europa schon seit Dekaden einen bemerkenswerten Einfluss auf die Politik. In den USA stellt sich dies etwas anders dar. Dort galten Schriftsteller, Schauspieler, Musiker und Co. bis spät in die 1960er-Jahre noch als ein ganz besonders individualistischer Menschenschlag, der auf jede Unterstützung des Staatsapparats weitgehend verzichten wollte. Doch mit der Gründung der Stiftung National Endowment for the Arts (NEA) im Jahr 1965 änderte sich diese Haltung auch in Übersee langsam, aber stetig. Seitdem sind nicht mehr nur diesseits des Atlantiks lautes Jammern und Wehklagen und apokalyptische Visionen über den unvermeidlichen Untergang der westlichen Hochkultur zu vernehmen. Nur Steuergeld scheint diese Zunft noch bewahren zu können.

Doch wo genau läge das Problem, müssten sich Bildhauer, Regisseure und Opernsänger ihre Brötchen auf dem freien Markt verdienen? Bieten sie etwa ein Produkt an, das nicht nachgefragt wird?

Keine Ahnung. Beim besten Willen nicht. Auch die Künstler selbst werden es kaum wissen. Schließlich agieren die allermeisten von ihnen eben nicht auf freien Märkten, auf denen die Kunden über Qualität und Nutzen der Produkte entscheiden können, sondern rufen stattdessen immer lauter nach immer mehr Staatsknete. Museen wachsen, Opernhäuser schmücken sich, Galerien sprießen allerorten. Doch die Finanzierung übernimmt stets, wenn auch manches Mal nicht zu 100 Prozent, der Steuerzahler. Wird diese Kunst überhaupt nachgefragt? Man weiß es nicht. Der Kulturmarkt ist bis ins Absurde hinein verzerrt. Steuergeld wird dazu genutzt, eine künstliche Nachfrage und damit Überkapazitäten zu erzeugen. Eintrittskarten werden genauso subventioniert wie Immobilien und Personal. Manche deutsche Stadttheater gleichen eher einem Verwaltungsapparat aus Kafkas Albträumen als Orten der Reflexion, Erbauung und Bildung. Über den finanzamtlichen Umweg subventioniert der einfache Malocher mit seiner eigenen Hände Arbeit, aber oft ohne blassen Schimmer von Botticelli und Raffael, den Museumsnachmittag BAföG-gepamperter Vollakademiker. Die nettostaatsprofitierenden Kulturerschaffer selbst werden diesen Umverteilungsprozess kaum stoppen wollen. Der Rubel muss schließlich rollen – Nachfrage hin oder her.

Ein weiterer gewichtiger Punkt drängt sich auf: das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Kunst. Denn genauso wie eine Regierung Meinungsäußerungen nicht zensieren und verbieten darf, sollte sie auch nicht einzelne Künstler fördern oder nicht fördern. Als »positive Zensur« könnte man die staatlichen Subventionen, die über der Kulturszene abgeworfen werden, jedoch durchaus betrachten. Denn nur wer spurt, bekommt auch die heiß ersehnte Kohle. Wie wir seit Jahren beobachten können, ruft dieses Belohnungssystem der politischen Korrektheit immer mehr pseudointellektuelle Zöglinge auf den Plan, die auf keinem Markt etwas anzubieten haben und sich stattdessen an den Steuertöpfen laben wollen. Unerwünschte Meinungen werden dagegen zwar nicht verboten, aber eben auch nicht gefördert. Idealistische, politisch unkorrekte Künstler haben es dabei schwer. Sie sind es, die am Ende mit den staatlicherseits verzerrten Preisen mithalten und dadurch allzu oft am Hungertuch nagen müssen.

Hoch über ihnen schwebt derweil die Blase. Die Blase, die der praktischen und ökonomischen Realität längst entflohen ist. In ihr tummeln sich neckische Staatskulturschaffende. Sie bewerfen sich mit Schecks aus einem der vielen Kulturministerien und lachen und schwärmen vom Prenzlauer Berg, von Rotwein und von Waldorf-Pädagogik. Nur manchmal noch blinzelt einer von ihnen in einem schwachen Moment herab und vergießt leise ein Tränchen: »Ach, wär ich doch bloß Künstler geblieben.«

Nichtdiskriminierung ist diskriminierend

Es ist gut und wichtig, dass es endlich Gesetze gegen Rassismus und Diskriminierung gibt. Dieses Problem kann nur durch den Staat beseitigt werden.

Am 28. August 1963 hielt der Bürgerrechtler Martin Luther King seine beeindruckende Rede I have a dream vor 250 000 Menschen am Lincoln Memorial in Washington. Er träumte von einer besseren Zukunft für schwarze Bürger in den Vereinigten Staaten von Amerika, von Gleichberechtigung und von Versöhnung. Die wuchernde Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe in großen Teilen der amerikanischen Bevölkerung war sein Gegner: »Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird.«

Doch 50 Jahre nach Kings Rede könnten die USA nicht weiter von seinem Traum entfernt sein. Seine Kinder und Kindeskinder werden auch heute noch strengstes nach ihrer Hautfarbe beurteilt. Rassistische Diskriminierung grassiert in den USA, im ganzen Land. Einziger Unterschied: Sie wird nun nicht mehr nur von verwirrten Dummköpfen eines Ku-Klux-Klans propagiert und betrieben, sondern mittlerweile von allen Teilen der staatlichen Strukturen abgesegnet und mit horrenden Steuergeldern finanziert. Alle Lebensbereiche sind durchsetzt. Der beschönigende Begriff lautet hier Affirmative Action. Die »positive Diskriminierung« bahnt sich seit den 80er-Jahren auch in Deutschland und in der EU ihren Weg.

Den Grundstein für das Konzept legte US-Präsident John F. Kennedy im Jahr 1961. Mittels der Executive Order 10925 rief er die Equal Employment Opportunity Commission ins Leben. Neben speziellen Bildungsprogrammen gegen Rassismus und Sexismus bedeutet die »positive Diskriminierung« seitdem vor allem die Senkung von Leistungsanforderungen für eine staatlicherseits definierte Zielgruppe. An Hochschulen der USA wird dies zum Beispiel durch ein Punktesystem erreicht. So können an der Universität von Michigan Studienbewerber Punkte für »sozioökonomische Benachteiligung« und für die Zugehörigkeit zu einer »unterrepräsentierten rassisch-ethnischen Minderheit« geltend machen, die ihnen die Immatrikulation erleichtern. Und nicht nur an staatlichen Bildungseinrichtungen wird diskriminiert. Die US-Bundesregierung verpflichtet alle staatlichen Subventions- und Auftragsempfänger zur Umsetzung der Affirmative Action. Die Vergabe öffentlicher Aufträge und Subventionen wird an die Einhaltung »positiver Diskriminierung« gebunden. Eine Kontrollbehörde existiert selbstverständlich auch. Das Federal Office for Contract Compliance Programs (OFCCP) ist dem US-Arbeitsministerium unterstellt und sorgt für die entsprechenden bürokratischen Arbeitsplätze. Staatlich subventionierte Einrichtungen und Betriebe werden von den Beamten des OFCCP zur Überwachung und Lenkung der ethnischen Zusammensetzung ihrer Belegschaft sowie zur Vorlage von Trendberichten verpflichtet. In solchen Berichten müssen die Arbeitgeber die möglichst rosige Zukunft der »positiven Diskriminierung« in ihren Arbeitsstätten darlegen.

Die Beweggründe des staatlichen Diskriminierungsprogramms erläuterte US-Präsident Lyndon B. Johnson in einer Rede im Jahr 1965: »Man kann einen Menschen, der jahrelang in Ketten humpeln musste, nicht einfach auf die Startlinie eines Wettrennens stellen mit den Worten: ›Du bist nun frei fürs Wettlaufen‹ – und dabei auch noch glauben, man sei überaus fair.«1 Staatsbedienstete sorgen somit einmal mehr für angeblich allumfassende Gerechtigkeit. Sie sorgen für Ausgleich und Entschädigung. Der Größenwahn ist mit ihnen. Ganz abgesehen davon, dass mittels Affirmative Action heutzutage auch Bürger für die an ihren Vorfahren begangenen Rechtsverletzungen und Gräueltaten entschädigt werden sollen. Sind sie bedürftig aufgrund ihrer genetischen Herkunft? Ist dies nicht auch »negative Diskriminierung«?

Nichtsdestotrotz: In Deutschland wird die »positive« negative Diskriminierung seit 1981 ebenfalls von den Behörden und öffentlichen Körperschaften umgesetzt. Begründung der initiierenden Ausländerbeauftragten Liselotte Funcke damals: »Um den Ausländern Chancen­gleichheit zu verschaffen, muss für wenigstens zwei Generationen mehr für Ausländer getan werden als für Deutsche.«2 Auch in den Brüsseler Amtsstuben der Eurokraten ist diese Denke schon seit langer Zeit in Mode. Unter anderem über den Europäischen Sozialfonds (ESF) wurden die gleichen Strukturen geschaffen wie durch das ­OFCCP in den USA.

Auch hier: Offensichtlich sehen Frau Funcke und ihre zahllosen Nachfolger in allen Ämtern ausländische Mitbürger als sehr viel lebensuntüchtiger an als in Deutschland geborene Menschen. Wo bleibt der Protest des Zentralrates der Türken? Wann erheben die Vertreter des Zentralrates der Serben ihre Stimmen? Warum ist hier nichts vom Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma zu hören? Grund zum Aufschrei hätten sie allemal. Tausende praktische Beispiele zeigen nicht nur in Deutschland, dass Ehrgeiz, Tüchtigkeit, wirtschaftliches und soziales Fortkommen nicht an Hautfarbe oder Herkunft gebunden sind. Der türkische Gemüseladen ist ein Geschäftsmodell mit Tradition und Zukunft, welches das Modell des vom Staatstrog abhängigen deutschen Schulabbrechers aus dem Plattenbau mit Leichtigkeit überleben wird.

Der promovierte Ökonom Thomas Sowell (Hautfarbe: schwarz) hat die negativen Auswirkungen von Affirmative Action umfassend analysiert. Nach seinen empirischen Studien in Indien, Malaysia, Sri Lanka, Nigeria und den USA kam er zu dem Schluss3, dass derartige Programme dazu führen, dass Menschen, die nicht Teil von Zielgruppen der staatlichen Diskriminierungsprogramme sind, sich als solche ausgeben (Filmtipp: »Soul Man«), dass die Affirmative Action primär den Bestgestellten innerhalb der Zielgruppen nützt (z.B. schwarzen Millionären) und dabei den am schlechtesten Gestellten in Nichtzielgruppen (z.B. arme Weiße) schadet. Auch reduziere »positive Diskriminierung« den Anreiz für Zielgruppen und Nichtzielgruppen, eigene Kraft und Mühen aufzuwenden. Und hoch qualifizierte Mitglieder von Nichtzielgruppen gelangten seltener in verantwortungsvolle Positionen als unqualifizierte Mitglieder von Zielgruppen – oder sie wandern ab. Schlussendlich erzeuge die staatliche Diskriminierung Abneigung gegenüber den Zielgruppen und damit gesellschaftliche Spannungen.

Rassismus folgt also den staatlichen Maßnahmen zur Nichtdiskriminierung. Einmal mehr die wiederkehrende Kausalität: Was die Politik auch anpackt und versucht, zu unser aller Wohl zu optimieren, es wird nur schlimmer. Und so müssen auch Martin Luther Kings Enkel und Urenkel noch lange darauf warten, endlich einmal nicht mehr nur nach äußerlichen Belanglosigkeiten wie der Hautfarbe bewertet zu werden.

Wie Reiche in Gated Communitys allen nützen

Die Reichen sind hochnäsig. Hinter dicken Mauern und hohen Zäunen verbarrikadieren sich die feinen Schnösel und wollen von den Armen und den Problemen der Gesellschaft nichts wissen. Ihnen geht die Allgemeinheit doch am Allerwertesten vorbei. Hauptsache, ihnen geht es gut. Dass vor ihren Zäunen und Mauern Menschen für einen Hungerlohn schuften müssen, interessiert sie doch nicht. Das ist die wahre, die hässliche Fratze des Kapitalismus.

Uwe Peter Braun war stolz. Als einer der ersten Wohnungseigentümer bezog er im Jahr 2009 gemeinsam mit seiner Frau Andrea die Arkadien-Siedlung in Potsdam. Das Viertel gilt als Deutschlands erste Gated Community – eine privatunternehmerisch organisierte Stadt. »Wir können auch mal länger wegfahren und müssen keine Angst haben, dass bei uns eingebrochen wird«, berichtete das Paar vor einigen Jahren den staunenden Spiegel-Reportern, die darin Unheilvolles, weil Elitäres zu erahnen glaubten.4

Seitdem sind viele Wohnungseinbrüche ins Land gezogen. Gated Communitys sind auch in Deutschland keine Seltenheit mehr. Und es müssen bei Weitem nicht immer die klassischen suburbanen Festungen sein, die der brave Bundesbürger dank US-amerikanischer Fernsehserien kennen und werten gelernt hat. Die Sicherheitsbranche boomt in ganz Deutschland in vielen verschiedenen Formen. Angefangen beim privaten Wachmann, der für eine Handvoll Euro auf Streife geht, bis hin zur Nobelfestung. Gerade Letztere steht jedoch immer wieder in der linkslastigen Kritik. Von Gentrifizierung wird gesprochen. Farbbeutel werden geworfen.

Womöglich sind es nur Geburtswehen. Allein in den USA wird die Zahl der Gated Communitys auf mehr als 40 000 geschätzt. Ähnlich hoch ist der Faktor in den sogenannten Schwellenländern. In Süd- und Mittelamerika entstanden die ersten privaten Städte am Rande der Gewaltmetropolen in den 1970er-Jahren. Und auch dort werden es noch heute, angesichts stetig steigender Kriminalitätsraten, jeden Tag mehr – wie auch in den europäischen Vorreiterstaaten Polen, Russland und Türkei. Hier wie dort drängt eine wachsende Mittel- und Oberschicht in sicherere »Häfen«.

»Eine Sicherheitsberatung von der Polizei brauchen Sie nicht, wenn Sie bei uns eine Wohnung kaufen«, sagt Roland Kober, Projektmanager bei der AS Central Park Residence Bauträger GmbH in Leipzig. »Alles, was Sie dort empfohlen bekommen, haben wir schon.« Anders als die Arkadien-Siedlung in Potsdam liegen viele von Kobers Communitys mitten in den Stadtzentren: »Unser Angebot richtet sich an Menschen, die sicher und angenehm leben wollen«5, sagt Kober.

Wichtiger Baustein eines jeden privaten Sicherheitskonzeptes sind Kameras. Vor allem dienen sie der Abschreckung, auch und besonders in Gated Communitys. Hier sitzt kein zwangsfinanzierter, undurchsichtiger Sicherheitsapparat vor den Überwachungsbildschirmen, sondern Wachleute, die per freiwillig abgeschlossenen Vertrag von der Zufriedenheit ihrer überwachten Kundschaft abhängen. Ein Missbrauch der Daten in jedweder Form hätte für sie ganz konkrete wirtschaftliche, womöglich gar existenzbedrohende Folgen. Selbst wenn er böse Absichten hegen würde: Kaum ein Sicherheitsanbieter wäre aus rationalen wirtschaftlichen Erwägungen heraus motiviert und imstande, dauerhaft Unverdächtige zu überwachen, so wie es sich NSA, BND und Konsorten tagein, tagaus zwangsfinanzieren lassen. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht. Die natürlichen Gesetze der Marktwirtschaft ermöglichen in Gated Communitys größtmögliche Sicherheit zum besten Preis.

Das Konzept setzt sich durch. Nicht nur »elitäre Schnösel«, wie sie die Spiegel-Autoren so gerne hinter Mauern und Schlagbäumen erspähen möchten, können sich mittlerweile ein sicheres Leben leisten. Das Erfolgsmodell setzt sich nach unten hin durch und geht damit den marktwirtschaftlichen Weg eines jeden erfolgreichen Produkts, wie Henning Füller und Georg Glasze in einem Artikel für das politikwissenschaftliche Fachblatt Aus Politik und Zeitgeschichte berichten konnten:

»Hitzige Debatten um Gated Communities und die dort unmittelbar gezogene Schlussfolgerung von städtebaulich-morphologischen Formen (wie Tore, Zäune, Mauern) auf bestimmte soziale Prozesse (zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft) greifen sicherlich zu kurz. In zahlreichen Immobilienmärkten lässt sich etwa beobachten, dass bewachte Wohnanlagen nicht ausschließlich für die sozioökonomischen Eliten errichtet werden, sondern vielfach in besonders hohem Maße auch für eine breite mittlere Einkommensgruppe.«6

Einmal mehr gilt: Die »Reichen« ermöglichen die Anfangsinvestition und finanzieren die Massenproduktion eines erfolgversprechenden Produkts. Die »Armen« profitieren von der Durchsetzungskraft des Produkts auf dem Markt und von dementsprechend sinkenden Preisen. Das staatliche Monopol gerät ins Wanken. Bald vielleicht auch in Ihrer Gemeinde.


1 http://www.infoplease.com/spot/affirmativetimeline1.html, abgerufen am 21. Februar 2015.

2 In der Schrift »Ausländer oder Deutsche. Integration ausländischer Bevölkerungsgruppen in der Bundesrepublik«, Bund-Verlag, 1981.

3 Thomas Sowell: Affirmative Action Around the World – An Empirical Study, 2005.

4 http://www.spiegel.de/panorama/gated-communities-todsicher-in-der-isolation-a-656192.html, abgerufen am 21. Februar 2015.

5 http://www.manager-magazin.de/lifestyle/wohnen/a-656658-3.html, abgerufen am 21. Februar 2015.

6 Henning Füller und Georg Glasze. Gated Communities und andere Formen abgegrenzten Wohnens. In: APuZ 4-5/2014. Online abrufbar unter http://bit.ly/fullergated