cover.jpg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 2591

 

Im Auftrag der Superintelligenz

 

Er forscht nach dem PARALOX-ARSENAL – die Spur führt durch Raum und Zeit

 

Michael Marcus Thurner

 

img2.jpg

 

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit einiger Zeit tobt der Kampf um die Polyport-Höfe, der mehrere Galaxien umspannt.

Die sogenannten Polyport-Höfe sind Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, mit denen sich gigantische Entfernungen überbrücken lassen. Als die Frequenz-Monarchie aus einem jahrtausendelangen Ruheschlaf erwacht, beanspruchen ihre Herren, die Vatrox, sofort die Herrschaft über das Transportsystem und mehrere Galaxien.

Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – und sie entdecken die Achillesferse der Vatrox. Rasch gelingen ihnen entscheidende Schläge in der Milchstraße sowie in Andromeda. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt. Mit den Vatrox hängen zwei rivalisierende Geisteswesen zusammen, die weitaus bedrohlicher für die Menschheit sind.

Gleichzeitig droht eine noch schlimmere Gefahr: der Tod von ES, jener Superintelligenz, mit der Perry Rhodan und die Menschheit auf vielfältige Weise verbunden sind. Rhodan muss das PARALOX-ARSENAL finden, um ES helfen zu können – und er stößt dabei auf einen Totgeglaubten: Lotho Keraete, der genau wie Rhodan unterwegs war IM AUFTRAG DER SUPERINTELLIGENZ …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Julian Tifflor – Der plötzlich Sterbliche wählt eine Alternative.

Lotho Keraete – Der Bote von ES scheiterte bei der schicksalhaften Suche in der Schneise.

Perry Rhodan – Der Terraner muss sich von einem alten Weggefährten trennen.

TiefenEins – Ein Element des Boten von ES macht sich selbstständig.

Negra Tolt – Lotho Keraetes große Liebe droht zu sterben.

1.

Zwei Teile eines Wesens

 

Ein wurmartiges Ding löst sich aus Lotho Keraetes Mund. Es rast auf mich zu. Mikru versucht mir zu helfen – vergeblich. Schutzschirme, Traktorstrahlen und Prallfelder – sie alle können das handlange Etwas nicht aufhalten.

Ich erkenne, dass es nicht etwa organisch ist, sondern aus blaugrauem Metall besteht. Praktisch im gleichen Moment klatscht dieses Es gegen meine Schulter – gegen die Zellaktivator-Schulter! –, kriecht, wie von Tausenden kleinen Beinchen getragen, in den Halsteil meines SERUNS und bleibt am Schlüsselbein kleben, eng an mich geschmiegt.

Ich will das Ding abstreifen, öffne den SERUN; doch es widersetzt sich meinen Bemühungen. Wo auch immer ich es berühre, daran zupfe oder zerre – es wird weich und nachgiebig und entzieht sich meinem Zugriff. Mein Schutzanzug reagiert nicht; er nimmt den Metallwurm nicht wahr.

Ich fürchte, Lotho Keraete ist ihm zum Opfer gefallen, und zugleich hoffe ich, dass es nicht so ist, dass dieses Ding in irgendeiner Weise hilfreich ist, vielleicht ein kleines Hilfsmittel, das ES seinem Boten mitgegeben hat. Aber wenn dem so wäre – würde er mir dann helfen oder mich lediglich im Sinne von ES instrumentalisieren?

Ich taste über den Wurm, der gar keiner ist. Er kommt mir formlos und inkonsistent vor; eine amorphe Metallmasse, die von einer Art Instinkt-Intelligenz angetrieben wird.

Alles ringsum fühlt sich mit einem Mal schwammig an und so, als wäre ich diesem Universum ein kleines Stückchen weit entrückt. Der kleine Körper, der auf mir lastet, reißt mich mit sich. Woandershin. Sozusagen um die Ecke der Realität.

Der Wurm flüstert mir zu: »Keine Sorge. Ich prüfe. Ich schmecke. Ich taste. Ich suche.«

Will mir jemand vorwerfen, dass ich Sorgen habe und am liebsten in Panik verfallen würde? Aber ich weiß: Genau das darf ich nicht. Der Realitäts-Raum, in dem ich mich nun befinde, dämpft meine Empfindungen und bewirkt, dass ich die Geschehnisse nahezu teilnahmslos akzeptiere. Ich möchte gegen diese Schwammigkeit ankämpfen – und scheitere.

»Ich bin 6B-8Y5889 Hoch. Nenn mich TiefenEins. Entspann dich. Ah … wahrer, ah, wahrhafter Herzschlag!«

Ich greife zu, versuche den metallenen Körper von mir zu lösen. Ich taste daneben. Ich habe jegliches Gefühl für mich selbst verloren.

Warum unternehmen Perry, Icho, Mondra und die anderen Anwesenden nichts?

Ich gebe mir selbst die Antwort: Weil sie zurückgeblieben sind, auf ihrer alten, langweiligen Wirklichkeitsebene, während ich woandershin versetzt wurde, in einen Bereich, der sich bloß um eine Marginalie von dem unterscheidet, den ich kenne – und dennoch ganz, ganz anders ist.

»Ein leckeres Ding sitzt in deiner Schulter«, sagt TiefenEins. »Ich kenne solche Wunderwerke nur zu gut. Aber ach! – Wenn deines bloß funktionieren würde … Ich könnte mich ernähren, könnte Lotho helfen, könnte ihn stabilisieren.«

»Was ist mit Keraete?« Ich versuche, mich auf den Boten von ES zu konzentrieren. Er steht von seltsamen Rottönen umgeben unmittelbar neben Perry und atmet langsam, wie in Zeitlupe.

»Hat ein bisschen was hinter sich, seine Systeme sind überlastet. Er benötigt eine Erholungspause. Aber er wird wieder, keine Sorge.«

»Wer, besser gesagt: Was bist du?«

»Eine Teileinheit des Boten«, antwortet TiefenEins. »Ein Sicherheitsmodul mit Eigenbewusstsein, das für den Fall der Fälle in Lothos Leib eingepflanzt wurde.«

Die »Stimme« des Wurms klingt stolz.

»Mein Körpermaterial ist höchst belastbar; ich kann selbst im Vakuum oder in der Korona einer Sonne für eine Weile überleben, und meine Lebenszeit misst bei geringfügiger Beanspruchung mehrere Jahrhunderttausende.«

»Und Lotho …«

»Hörst du nicht zu? Ich bin sein Sicherheitsmodul. Angesichts aller Gefahren, die er meistern musste, war es notwendig, dass ich mich aus ihm löste. Er könnte sterben. Und wo würden dann all die Informationen bleiben, die er gespeichert hat?«

Die Situation ist abstrus. Ich unterhalte mich mit einer Metallschnur, die sich an mich schmiegt und offenbar meinen Metabolismus erforscht.

Ich versuche gelassen zu bleiben. Alles deutet darauf hin, dass der Wurm aus der Werkstätte von ES stammt. Und er ist ungewöhnlich redefreudig.

»Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen und zu meinen Freunden zurückbringen?«

»In Ruhe sterben lassen, meinst du?«, wispert TiefenEins. »Ha! Und nochmals: Ha!«

»Woher weißt du …«

Ich halte verärgert den Mund. Er misst das Versagen des Zellaktivators an; wenn er, wie ich vermute, über von ES gegebene Intelligenz verfügt, kann er sich den Rest zusammenreimen.

»Prüfung, Schmeckung, Tastung und Suche sind abgeschlossen. Ich werde vorerst auf dir bleiben. Du bist kompatibel und atmest viel Alter.« Die Stimme klingt fast vergnügt. »Sollen wir in deine Irrealität zurückkehren, oder möchtest du ein wenig hier verharren?«

»Zurück, so rasch wie möglich!« Rings um mich zeigen sich seltsame Schatten. Solche, die ich ahnen und aus den Augenwinkeln heraus wahrnehmen kann. Sie vermitteln Neugierde. Aber auch Gier. Sie lechzen nach mir.

»Hier wärst du außerhalb des Zeit-Zugriffs«, sagt TiefenEins mit verführerischer Stimme. »Du könntest ewig verharren, wärst für immer geschützt. In Stasis. Wenn wir zu deinen Freunden zurückkehrten, hättest du wohl nicht mehr allzu lange zu leben.«

TiefenEins rekelt seinen Körper und lässt ihn über den Oberarm hin zum Ellenbogen gleiten. »Wie viel Zeit hast du noch? Sechzig Stunden?«

»Ich möchte zurück!«, beharre ich.

Die Schatten rücken näher. Ich mag sie nicht. Sie wirken verführerisch. Viel zu verführerisch.

»Na schön. Es sei.«

Unvermittelt kehren wir in eine Welt aus Worten und Geräuschen und Temperatur und Atemluft zurück. Dinge, die mir stets so selbstverständlich gewesen waren, erscheinen mir plötzlich seltsam und ungewohnt. Perry beendet einen Befehl an Mikru; Mondra bemüht sich, Ramoz zu beruhigen. Icho Tolot, der Koloss, steht ruhig da, als würde ihn dies alles hier nichts angehen, und Lotho – Lotho röchelt nach wie vor verzweifelt nach Luft.

»Zufrieden?«, fragt TiefenEins und schiebt sich tiefer unter meinen Anzug. Er quetscht sich an all den Körpersensoren vorbei und wird zu einer dünnen, den gesamten Arm umfassenden Schicht, um sich dann, sobald er meine Hand erreicht hat, wieder zu verdicken und sie fest zu umschließen. Der Druck, den er ausübt, ist fest und kalt. Ich fühle Angst. TiefenEins ist durch nichts und niemand aufzuhalten. Ich hasse seine kalten, glitschigen Berührungen!

»Es ist alles in Ordnung!«, sage ich, bevor meine Begleiter Fragen stellen können. »Das Ding an meiner Hand will uns nichts Böses. Zumindest hoffe ich das.«

Ein hässliches Geräusch ertönt. Ich drehe mich zum Boten der Superintelligenz und muss zusehen, wie er schwer zu Boden stürzt. Seine metallenen Beine sind nicht in der Lage, ihn zu tragen.

»Er benötigt Flüssigkeit«, wispert mir TiefenEins zu. »Sorg dafür, dass er destilliertes Wasser und flüssige Kunststoffmatrizen zu sich nimmt.«

Der SERUN rührt sich erstmals, seitdem ich vom Sicherheitsmodul angefallen wurde. Der Anzug meldet den Empfang eines Datenpakets, ohne den Absender feststellen zu können. Es handelt sich um einfach zu verstehende Anweisungen zur Herstellung einer mischbaren Substanz auf Basis mehrerer Kohlenstoff-Silikat-Verbindungen. Der SERUN gibt die Anweisungen auf meinen Wunsch hin an Mikru weiter. Ich hoffe, dass Perrys Schiff sich ohne weitere Verzögerungen an die Arbeit macht.

Bin ich vertrauenswürdig genug für MIKRU-JON? Ich habe soeben eine der seltsamsten Erfahrungen meines an Wundern sicherlich nicht armen Lebens durchgemacht – und ich höre auf ein Ding, von dem ich so gut wie nichts weiß.

Warum vertraue ich TiefenEins?

Ich finde keine schlüssige Antwort. Ich vertraue auf meinen Instinkt.

Der Avatar des Obeliskenraumers schafft binnen kürzester Zeit die benötigte »Nahrung« für Lotho Keraete heran.

»Du musst ihm das Zeug an den Versorgungsschnittstellen verabreichen«, weist mich TiefenEins an. Er sagt einige Worte, die ich nicht verstehe, und ich ahne, dass der Sprachrhythmus, das Tremolo, eine bedeutsame Rolle spielt. Denn kaum beendet er seine kleine Ansprache, fällt Keraetes Kopf unnatürlich weit nach vorne. Im Nacken leuchtet ein fingergroßer Fleck rot auf. Über diese Steckverbindung sollen wir wohl ES' Boten füttern.

Mikru lässt wie von Zauberhand zwei passende Aufsätze entstehen und die Nahrung über Beutel in Kanülen träufeln. Eine der beiden Flüssigkeiten wirkt tranig, die andere ist klar. Ich setze die Kanülen nacheinander in Keraetes Nacken an und jage ihm den Inhalt in den metallenen Körper.

Mondra, Tolot und Perry bleiben stumm, während die anwesenden Piloten der Silberkugeln und die Mutanten miteinander zu tuscheln beginnen. Sie versuchen zu begreifen, was vor sich geht. Ob sie ahnen, dass ich nicht viel mehr als sie weiß?

Fest steht: TiefenEins ist ein Bestandteil des Maschinenwesens, der sich extern lösen konnte, und er vermag den Hauptkörper – zumindest bedingt – zu kontrollieren. Dies ist ein schmerzhafter, unangenehmer Gedanke; bei aller Scheu, die ich im Beisein Lotho Keraetes stets empfunden hatte, hatte ich doch immer den ehemaligen Terraner vor Augen. Nun bekomme ich allzu deutlich vor Augen geführt, dass er längst den größten Teil seines Menschseins verloren hat.

Der Bote richtet sich auf. Wie ein Ertrinkender schnappt er nach Luft. Sein metallenes Gesicht, überzogen von einer Patina aus mehreren harmonierenden Blautönen, verändert sich.

Ich meine, eine Vielzahl von Emotionen zu erkennen: Besorgnis, Freude, Furcht, Überraschung, Erleichterung – und Verblüffung.

»Perry Rhodan? Julian Tifflor? Icho Tolot? Ich hätte nicht geglaubt, dass …« Er schluckt, als wäre er noch ein Mensch, und ein Geräusch entsteht, als würden zwei Steine gegeneinander schlagen, bevor er fortfährt: »Ich hätte es ahnen müssen. Ihr seid Plan C.«

»Plan C?«, hakt Perry nach. »Kannst du das etwas näher erklären?«

»Lasst mir ein wenig Zeit.«

Lotho Keraete tastet seinen Leib ab. Er biegt seine Arme so weit nach hinten über die Schultern, wie es selbst dem gelenkigsten Menschen nicht möglich wäre. Die Beine hingegen winkelt er nach vorne ab, als gäbe es keine Kniegelenke.

»Ich bin nicht vollständig«, sagt er nach einer Weile mit unsicherem Tonfall. »Mir fehlt Substanz.«

TiefenEins stößt sich von meiner Hand ab und macht durch ein gurrendes Geräusch auf sich aufmerksam.

»Da bist du!«, ruft Keraete aus. Er wirkt konsterniert. »Komm zurück!«

»Das scheint mir nicht sonderlich vernünftig«, sagt TiefenEins. »Wir sind noch nicht hundertprozentig einsatzfähig. Es ist besser, wenn ich extern bleibe und mögliche Krisen abfange.«

»Krisen …« Keraetes Kopf fällt weit nach vorne, und für einen Augenblick habe ich das Gefühl, als würde das kleine, wurmartige Geschöpf, das ich bei mir trage, wie ein Puppenspieler über den Boten verfügen und könnte ihn kraft seines Willens in Tiefschlaf versetzen.

Doch Keraete richtet sich nach wenigen Momenten wieder auf. Starrt Perry an, starrt mich an.

»TiefenEins hat recht«, sagt er, ohne weiter auf das Thema einzugehen.

Er sitzt da und sagt nichts mehr. Er wartet. Er bleibt passiv. Als brauchte er Zeit, um zu verstehen, was rings um ihn vor sich geht.

»Wir dachten, du wärst tot«, versucht Perry, ein Gespräch in Gang zu bringen.

»Ich habe mir vor Kurzem sagen lassen, dass der Tod eine äußerst überschätzte Angelegenheit wäre«, lautet die rätselhafte Antwort. »Doch du hast recht: ES muss davon ausgehen, dass ich nicht mehr am Leben bin.«

Lotho verzieht das Gesicht, und ich sehe so etwas wie schmerzliches Bedauern. »Ich habe versagt. Ich habe die Superintelligenz im Stich gelassen …«

»Selbstmitleid bringt uns im Augenblick nicht weiter«, mische ich mich ein und unterdrücke den Wunsch, auf die Uhr zu blicken. Ich habe es plötzlich wieder eilig. Ich werde mir mit schmerzlicher Dringlichkeit meiner eingeschränkten Lebenszeit bewusst.

»Wo bin ich?«, fragt Lotho, ohne auf meinen Einwand einzugehen. »In der Schneise?«

»Ja.«

»Und welches Datum haben wir heute?«

»1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Der zehnte Mai.«

»Dann fehlen mir einige Jahrzehnte.« Der Bote lacht, und es klingt bitter. »Ich habe wieder einmal zu lange geschlafen.« Er schüttelt den Kopf. »Erzähl mir bitte von TALIN ANTHURESTA. Von der Frequenz-Monarchie. Von den Entwicklungen auf Terra.«

Keraetes Wissenshunger ist groß. Perry gibt ihm die wichtigsten Informationen in Stichworten. Er muss sich wiederholen; der Zustand des Boten ist bemitleidenswert. Er wirkt zerstreut. Immer wieder bringt er Zeiten und Daten durcheinander, muss mehrmals von TiefenEins korrigiert werden.

Ich höre mit halbem Ohr Perrys Erzählungen zu. Mein Interesse kehrt immer wieder zum metallenen Wurm zurück, der sich deutlich bemerkbar macht. Ich weiß nicht, was ich von ihm halten soll. Er windet sich um mein linkes Armgelenk; mal fest, mal zärtlich. Er gibt mir Rätsel auf.

Ich wünschte mir, ich hätte mehr Muße, die richtigen Fragen zu stellen und in Erfahrung zu bringen, was dazu geführt hat, dass er sich von Lotho Keraete trennen musste. Doch ich habe keine Geduld. Meine persönliche Situation ist einer der Gründe, warum ich auf langwierige Erklärungen nicht sonderlich erpicht bin. ES' Sterben ist ein anderer.

Perry wirft mir einen Blick zu. Er möchte wissen, wie ich mich fühle. Ich deute mit einem Kopfnicken an, dass TiefenEins aktuell kein Problem für mich darstellt. Seine Berührungen mögen unangenehm sein; doch er will mir nichts Böses.

Perry und ich erzielen ein stummes Übereinkommen. Wir kennen uns lange genug, um auf langwierige Diskussionen verzichten zu können. Wir kümmern uns vorerst um Lotho. Was auch immer er zu berichten hat – es könnte ES helfen, und wenn ES geholfen ist, lässt sich womöglich auch der Grund für das Versagen meines Zellaktivators klären.

»Das PARALOX-ARSENAL«, sagt der Bote. »Du musst das Zeitkorn finden, Perry Rhodan. Das erste Zeitkorn. Es ist gut verborgen, aber es lässt sich machen, ganz gewiss. ES darf nicht sterben …«

Er murmelt unverständliche Worte, um dann mitten im Satz abzubrechen. Wer weiß – vielleicht schlägt soeben eine Datenroutine zu, die den letzten Rest an Menschlichkeit, das Gehirn Lotho Keraetes, kurzschließt, um es vor dem Ausbrennen zu bewahren und es für eine Weile zu schonen.

Wir warten ungeduldig. TiefenEins wirkt nervös. Er rotiert mit zunehmender Geschwindigkeit um meinen Unterarm.

»Weißt du, warum mein Zellaktivator nicht mehr arbeitet?«, frage ich den Boten in die Stille.

Er sieht mich unvermittelt an.

»Ich habe keine Ahnung«, sagt er, ohne besonderes Interesse an meiner Situation zu bekunden.

Er wendet sich wieder Perry zu. »Das PARALOX-ARSENAL – es ist so nah und doch so fern. Du musst wissen, wie es zu finden ist. Plan C. Du musst ihn ausführen. Jetzt. Bald. Sofort.«

»Sag mir, was du über das ARSENAL weißt!«, fordert mein Freund. »Erzähl mir, wie es dir bei deiner Suche ergangen ist.«

»Mein menschliches Ich meint dazu: Es war beschissen.« Der Bote versucht ein Lächeln, doch es misslingt ihm gründlich. »Doch wenn sich TiefenEins endlich erbarmen und zu mir zurückkehren würde, könnte ich euch alles ganz genau erzählen.«

»Ganz genau ist nicht das, was ich hören wollte«, werfe ich ein. »Gib uns einen Überblick, so rasch wie möglich.«

Lotho Keraete wirkt für einen Moment in sich gekehrt. Dann sagt er: »Hundert Minuten sind eine angemessene Zeitspanne. TiefenEins!«

Der Metallwurm löst sich von mir. Er reagiert auf den deutlich verbesserten Zustand des Boten. Die Rollen kehren sich um, und ich ahne, wie kompliziert das Verhältnis zwischen diesen beiden Teilen eines einzigen Wesens ist.

Ich fühle Trauer und Einsamkeit. TiefenEins hat einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen, als ich geglaubt hätte. Was würde geschehen, wenn die externe Einheit für längere Zeit an mir kleben würde?

Längere Zeit – was für ein dummer Gedanke! Es sind bloß noch 59 Stunden, bis mein Leben endet.

TiefenEins schwebt im Raum zwischen mir und Lotho Keraete. Er sinkt und lässt sich auf der Brust des Boten nieder.

Keraete quittiert die Berührung mit einem Laut der Zufriedenheit und verzieht die blauen Lippen zu einem erleichterten Lächeln.

»Danke«, sagt er. Und, an alle Zuhörer gerichtet: »Ihr müsst wissen, was mit dem PARALOX-ARSENAL geschehen ist. Warum es sich meinem Zugriff entzogen hat.«

Mikru lässt mit einer Handbewegung mehrere formenergetische Sitze erscheinen. Wir befinden uns nach wie vor in einem Hangar, der, streng genommen, zur Silberkugel Perry Rhodans gehört.

Ringsum liegen mehrere Gesteinsbrocken, in deren Innerem die Silberkugel Lotho Keraetes verbacken gewesen war.

Roboter unterschiedlichster Bauart stehen tatenlos umher. Räumgerät, Reinigungsmaschinen, medizinische Betreuungsgeräte, Forschungseinheiten – dies alles gibt der Umgebung einen nüchternen Charakter, der ganz und gar nicht dem Anlass dieses Gesprächs entspricht.

Ich lasse mich auf eine Couch fallen. Ich fühle mich unendlich müde.