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Inhaltsverzeichnis

Buch
Autor
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Copyright

Autor

Jonathan Kellerman ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Kriminalautoren. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Kinderpsychologe. Seine Reihe mit dem Psychologen Dr. Alex Delaware ist berühmt für höchst einfühlsam entwickelte Figuren und eine raffinierte Handlung: Hochspannung von der ersten bis zur letzten Seite. Dafür ist Jonathan Kellerman unter anderem mit dem »Edgar-Alan-Poe-Award«, Amerikas bedeutendstem Krimipreis, ausgezeichnet worden.

1

Die Frau hatte einen gehetzten Blick.

Aus hellen, an den äußeren Winkeln leicht nach unten gezogenen Augen starrte sie mit einer seltsamen Mischung aus Trotz und Niedergeschlagenheit in die unsichtbare Kamera.

Sie bewegte sich nicht. Die Kamera ebenso wenig. Die Wand hinter ihr war braun-blau, wie ein alter Bluterguss. Die Couch, auf der sie saß, war grau. Sie war eine hübsche Frau, die sichtlich Angst hatte. Ihre Schultern waren hochgezogen, die Sehnen am Hals straff wie Brückentrossen. Ein schwarzes, ärmelloses Kleid brachte die glatten weißen Arme zur Geltung. Die wasserstoffblonden Haare fielen schlaff auf ihre Schultern.

Mehrere Sekunden verstrichen. Nichts tat sich. Unter anderen Umständen hätte ich möglicherweise gelästert, dass es sich um einen von Andy Warhols alten Antifilmen handeln müsse: nicht enden wollende statische Aufnahmen vom Empire State Building oder einem schlafenden Mann.

Wenn einem ein Lieutenant der Mordkommission ein Video bringt, hält man den Mund.

Milo stand hinter mir. Sein schwarzes Haar war zerzaust, der billige grüne Regenmantel heillos zerknittert. Er sonderte einen nicht unangenehmen Pflanzengeruch ab. Milo hatte einen mächtigen, bislang nicht angerührten Frühstücksburrito in einer Take-away-Schachtel auf meinen Schreibtisch gelegt.

Wenn er vorbeischaut, geht er normalerweise schnurstracks zum Kühlschrank, trinkt irgendwas und verschlingt Unmengen an Kohlehydraten. An diesem Morgen war er in mein Büro marschiert und hatte schwungvoll eine DVD eingelegt.

»Damit du was zum Nachdenken hast.«

Blanche, meine kleine Französische Bulldogge, saß ungewöhnlich ernst neben mir. Sie hatte es mit ihrem üblichen Lächeln versucht, aber gemerkt, dass irgendetwas anders war, als Milo sich nicht bückte, um sie zu tätscheln.

Ich rubbelte ihren knubbeligen Kopf. Sie blickte zu mir auf, dann wandte sie sich wieder dem Bildschirm zu.

Die Lippen der Frau bewegten sich.

»Jetzt geht’s los«, sagte Milo.

Der Fernseher blieb stumm.

»So kann man sich täuschen.«

Die Frau sagte: »Mein Name ist Elise Freeman. Ich bin Lehrerin und Tutorin an der Windsor Preparatory Academy in Brentwood.« Ihre Stimme klang kehlig. Sie schlang die Finger ineinander und ließ die Hände in den Schoß sinken. »Ich mache diese Aufnahme, um auf die ständigen Drangsalierungen hinzuweisen, die ich durch Mitglieder des Lehrkörpers an der Windsor Preparatory Academy in Brentwood erdulden musste.«

Sie holte tief Luft. »In den letzten zwei Jahren war ich an der Windsor wiederholt ungerechtfertigten, aggressiven und peinlichen sexuellen Belästigungen durch drei Personen ausgesetzt. Ihre Namen lauten.« Sie hob die rechte Hand. Streckte einen Finger hoch. »Enrico Hauer. H-A-U-E-R.« Zwei Finger. »James Winterthorn.« Wieder buchstabierte sie langsam und deutlich, hob dann einen dritten Finger. »Pat Skaggs.«

Sie ließ die Hand sinken. »In den letzten zwei Jahren haben mir Enrico Hauer, James Winterthorn und Pat Skaggs mit ihrem brutalen, unerwünschten und bedrohlichen sexuellen Verhalten das Leben zur Hölle gemacht. Ich mache diese Aufnahme, damit die Behörden wissen, wo sie nachforschen müssen, falls mir etwas zustoßen sollte. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, da ich das Gefühl habe, in der Falle zu sitzen. Da ich Angst habe und mich an niemanden wenden kann. Ich hoffe, dass diese Aufnahme nie ans Licht der Welt kommen muss, aber ich bin froh, dass ich sie gemacht habe.«

Sie kniff die Augen zu. Bewegte lautlos die Lippen und sackte in sich zusammen. Mit einem Mal schob sie die Unterlippe vor und setzte sich wieder aufrecht hin. Wirkte eher trotzig als bedrückt.

Mit stechendem Blick starrte sie in die Kamera. »Danke fürs Zuhören.«

Der Bildschirm wurde blau. »Die Filmhandlung ist echt unterste Kanone«, sagte Milo.

»Immerhin kommst du damit zu mir«, sagte ich. »Wurde sie ermordet?«

»Möglicherweise. Sie liegt auf Eis.«

»Ein Rückstau in der Rechtsmedizin?«

Er stieß ein raues Lachen aus. »Nee, heute Morgen meine ich’s wortwörtlich. Trockeneis. Gefrorenes CO2. Sie wurde in ihrem Haus gefunden, lag in einer Badewanne, die mit dem Zeug gefüllt war.«

Ich versuchte mir die blonde Frau als gefrorene Leiche vorzustellen, mochte das Bild nicht, das mir durch den Kopf ging, und spielte wieder Doktor Hilfreich. »Wollte da jemand die Todeszeitbestimmung sabotieren? Oder hat sich ein Psychopath eine neue Methode einfallen lassen, sein Werk zur Schau zu stellen?«

Er zuckte zusammen, als wären sämtliche Möglichkeiten grauenhaft. Dann nahm er den Silberling heraus und schob ihn wieder in eine Hülle aus durchsichtigem Plastik. Er machte sich nicht die Mühe, vorher Handschuhe anzuziehen; man hatte an der DVD bereits Fingerabdrücke gesichert und nur die von Elise Freeman gefunden.

»Wohin willst du damit?«, fragte ich.

Er drehte den Kopf hin und her. »Hast du Kaffee? Vielleicht auch einen Toast?«

2

Wir verließen mein Haus mit zwei Plastikbechern schwarzem Kaffee und sechs Scheiben dick mit Butter bestrichenem Toast.

Wenn Milo nachdenken, telefonieren, simsen oder schlafen will, bittet er mich manchmal zu fahren. Das verstößt zwar gegen die Dienstvorschriften des LAPD, aber das gilt für vieles. Er revanchiert sich für die Fahrtkosten, indem er mir hin und wieder in Bars einen ausgibt.

Da er mit dem Toast beschäftigt war, bot ich an, meinen Seville zu nehmen. Er schüttelte den Kopf, verstreute Krümel und ging zu seinem neuesten Zivilfahrzeug, einem bronzefarbenen Chevrolet Malibu mit phlegmatischer Zündung. Während er auf dem Beverly Glen Boulevard in Richtung Norden fuhr, steuerte er mit einer Hand und stopfte sich mit der anderen Roggentoast in den Mund.

Der Polizeifunk war ausgeschaltet. Der Burrito lag auf dem Rücksitz und erfüllte den Wagen mit seinem Duft.

»Um deine Frage zu beantworten: eine totale Sauerei«, sagte er.

»Das stand auf meiner Frageliste ganz unten. Wohin fahren wir?«

»Dorthin, wo sie gestorben ist, nach Studio City.«

»Dann ist die Polizei in West L.A. gar nicht zuständig, aber du bist trotzdem an dem Fall dran.«

»Offiziell ist es nicht mal Mord, und trotzdem hab ich die Sache am Hals.«

Der Unterschied zwischen einem erfahrenen Psychologen und einem Anfänger besteht darin, dass Ersterer weiß, wann er die Klappe zu halten hat.

Ich lehnte mich zurück und trank Kaffee.

»Vielleicht gibt’s dort eine Mikrowelle, in der ich den Burrito aufwärmen kann«, sagte Milo.

 

Elise Freeman hatte in einem grünen, mit Dachpappe gedeckten Bungalow an einer schmalen, im Schatten von Bäumen liegenden Straße östlich des Laurel Canyon und nördlich des Ventura Boulevard gewohnt. So nahe an der Durchgangsstraße, dass der Verkehr zum Valley zu hören war, aber die Vegetation und größere Häuser verdeckten den Blick auf die urbane Umgebung.

Der kleine, grüne Kasten stand am Ende einer langen, unbefestigten Auffahrt, die von einem Betonstreifen durchschnitten wurde. Eine graue Limousine parkte nahe der Haustür. Ein stattliches Auto, aber nicht groß genug, um die Schönheitsfehler des Bungalows zu kaschieren: die verwitterte, rissige Verschalung, die stellenweise bis aufs rohe Holz erodierte Farbe, die welligen Bretter, eine deutliche Schlagseite nach rechts, weil sich das Fundament abgesenkt hatte.

Keine Absperrbänder weit und breit, auch keine Uniformierten, die den Tatort bewachten.

»Wann wurde sie gefunden?«, fragte ich.

»Letzte Nacht, von ihrem Freund. Er sagt, er hat vor drei Tagen mit ihr telefoniert, aber danach hat sie ihn nicht mehr zurückgerufen. Der Zeitrahmen von achtundvierzig Stunden passt auch zur Todeszeitschätzung des Rechtsmediziners. Vermutlich eher früher Morgen. Offenbar schmilzt Trockeneis nicht, es sublimiert  – geht also unmittelbar vom festen in den gasförmigen Zustand über  –, deshalb gibt es kein Restwasser, anhand dessen man den Abbau schätzen könnte. In einer Kühlbox liegt die Sublimationsrate bei zweieinhalb bis viereinhalb Kilo innerhalb von vierundzwanzig Stunden, aber bei normaler Raumtemperatur verdunstet es schneller.«

»Wurden Eisbeutel zurückgelassen?«

»Nein. Das ist ja das Problem.«

Jemand hatte aufgeräumt.

»Ist der Tatort noch intakt?«

Er zog eine missmutige Miene. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir den Tatort anzuschauen, weil ich erst seit heute Morgen um halb sechs damit befasst bin, als mich der stellvertretende Polizeichef Weinberg aus einem selten schönen Traum gerissen hat. Zehn Minuten später wurden die DVD, der Schlüssel für das Haus und etwas, was gerade noch so als Ermittlungsakte durchgeht, per Bote zu mir nach Hause gebracht.«

»Höchst konspirativ und nicht unbedingt die übliche Verfahrensweise«, sagte ich. »Klingt nach Befehl von ganz oben.«

Er steuerte langsam die Auffahrt hinauf und musterte die Umgebung. Jede Menge Grün auf der linken, eine einstöckige Villa im Kolonialstil auf der rechten Seite. Das große Haus war ebenso wie der Bungalow mit Holz verschalt. Soweit ich sehen konnte, war es weiß gestrichen und hatte schmucke schwarze Fensterläden. Es stand auf einem weitläufigen Grundstück, das durch eine drei Meter hohe, hell verputzte und von gebrauchten Ziegeln gekrönte Mauer von Freemans schmalem Streifen Land getrennt war. Bougainvilleen überragten die Ziegel und sorgten für zusätzliche Privatsphäre auf beiden Seiten.

Das kleinere Haus war vielleicht einst ein Nebengebäude der Villa gewesen  – seinerzeit, als sich viele Morgen große Anwesen an den Hängen des Valley erstreckten. Ein Gästehaus, Dienstbotenunterkünfte, vielleicht auch ein Sattelspeicher für einen der Cowboydarsteller, der in der Nähe der Drehorte in Burbank wohnen wollte, die als Ödlande des Wilden Westens herhalten mussten.

Milo hielt wenige Zentimeter neben dem Crown Victoria. Niemand saß am Steuer, aber ein Mann in einem cremefarbenen Anzug kam hinter dem Bungalow hervor.

Er war einen Deut größer als Milo mit seinen eins neunzig, breitschultrig, schwarz und trug eine Brille. Der Anzug war ein Zweireiher, der so geschnitten war, dass er die Ausbuchtung einer Schusswaffe nahezu kaschierte.

Er nickte kurz. »Milo.«

»Stan.«

»Und das ist…«

»Dr. Delaware.«

»Ihr Psychologe.«

»Das klingt ja so, als ob ich in Therapie wäre, Stan.«

»Therapie ist heutzutage in Mode, Milo. Bei der Polizei sieht man es gern, wenn jemand über Selbsterkenntnis und Einfühlungsvermögen verfügt.«

»Das Memo muss mir entgangen sein.«

Er streckte eine große Hand aus. »Stanley Creighton, Doktor.«

Wir schüttelten einander die Hände.

»Was führt Sie vom Olymp herab, Stan?«, fragte Milo.

»Es ist eher eine Art Bergfestung«, sagte Creighton. »Ich soll hier die Augen offen halten.«

»Ist das ’ne neue Klausel im Arbeitsvertrag eines Captains?«

»Man tut, was einem aufgetragen wird«, sagte Creighton. Er wandte sich an mich. »Apropos, Doktor, ich weiß das, was Sie machen, zu schätzen, aber Sie sollten nicht hier sein.«

»Ist offiziell abgesegnet, Stan.«

Creighton runzelte die Stirn. Es war ein kühler Morgen, aber sein ebenholzschwarzer Nacken war feucht. »Das Memo muss mir entgangen sein.«

»Ist vermutlich unter einem Haufen Weisheiten Seiner Hochwürden verschüttgegangen.«

Creighton ließ seine strahlend weißen Zähne blitzen. »Warum nennen Sie ihn nicht in seinem Beisein so? Doktor, Sie sollten wirklich schleunigst Land gewinnen.«

»Nein, Stan, das sollte er nicht.«

Creightons Lächeln gerann zu etwas Kaltem und Bedrohlichem. »Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie eine päpstliche Erlaubnis für seine Anwesenheit an diesem speziellen Tatort haben?«

»Warum sollte ich mir so etwas ausdenken, Stan?«

»In der Tat, warum?«, sagte Creighton. »Wenn man mal davon absieht, dass sich Vernunft nicht immer aufs menschliche Verhalten auswirkt. Deshalb raucht meine Frau, die einen Doktortitel in Medizin hat, nach wie vor anderthalb Schachteln am Tag.«

»Sie können jederzeit den Vatikan anrufen und es sich bestätigen lassen, Stan.«

Creighton musterte mich. »Darf ich davon ausgehen, dass Lieutenant Sturgis Ihnen mitgeteilt hat, dass hier allerhöchste Diskretion vonnöten ist, Doktor?«

»Absolut.«

»Allerhöchste Diskretion«, wiederholte er. »Na gut, ausnahmsweise«.

»Ich liebe Ausnahmen«, sagte ich.

»Warum das, Doktor?«

»Sie sind viel interessanter als die Regeln.«

Creighton versuchte wieder zu lächeln. Was dabei herauskam, passte zu ihm wie eine Strumpfhose zu einem Mastiff. »Ich habe Hochachtung vor dem, was Sie machen, Doktor. Meine Frau ist Neurologin, arbeitet ständig mit Psychologen. Aber jetzt frage ich mich doch, ob sich Lieutenant Sturgis nicht nur wegen Ihrer beruflichen Fähigkeiten so auf Sie verlässt. Vielleicht ist es eher etwas Persönliches.« Er streckte die Brust heraus. »Klugscheißer sind nicht gern allein, oder?«

Bevor ich antworten konnte, wandte er sich an Milo. »Wie lange brauchen Sie hier?«

»Schwer zu sagen.«

»Ich wüsste es gern ein bisschen genauer.«

»Ach kommen Sie, Stan.«

»Die Tatortfotos haben Sie schon gesehen, die Leiche ist längst weg, die Fingerabdrücke und die Flüssigkeitsabstriche sind im Labor, der Computer des Opfers wurde geklaut. Was wollen Sie hier noch ausrichten?«

Kein Wort von der DVD.

»Verdammt, Stan, warum machen wir uns überhaupt die ganze Arbeit, wenn wir einfach auf Detective.com gehen können?«

»Blablabla«, sagte Creighton. »Kurzum: Hier ist nichts, das Ihnen irgendwie weiterhelfen kann. Es sei denn, Sie glauben, einer von diesen Übersinnlichen zu sein, der jenseitige Schwingungen wahrnehmen kann.«

»Würden Sie keine Besichtigung des Tatorts vornehmen, wenn Sie an meiner Stelle wären?«

»Klar, sichern Sie sich ab. Aber machen Sie schnell. Ich bin seit sechs Uhr früh hier, nachdem Weinberg mich eine Stunde vorher geweckt und mir meine Befehle gegeben hat. Morgens bin ich nicht gut drauf. Und an diesem speziellen Morgen setzt mir mein Knie ganz scheußlich zu. Deshalb mache ich jetzt einen schönen, gemächlichen Spaziergang, und wenn ich zurückkomme, sollten Sie unbedingt zusehen, dass Sie von hier verschwinden, damit ich auch verschwinden und die Arbeit machen kann, für die ich offiziell bezahlt werde.«

Er bedachte mich mit einem verächtlichen Blick. »Seien Sie vorsichtig, Doktor.«

Wir schauten ihm hinterher, als er leicht hinkend wegging.

»Wo hat er gespielt?«, fragte ich.

»Universität von Nevada, ist aber nie groß rausgekommen.«

»Wofür wird er offiziell bezahlt?«

»Er hat früher Sexualverbrechen bearbeitet. Jetzt erledigt er Papierkram und nimmt an Sitzungen teil.«

»Und spielt ab und zu den Wachmann.«

»Ist schon komisch.«

Wir gingen zu dem grünen Haus.

»Wie willst du den Chef dazu bringen, dass er mich mitwirken lässt, wo doch alles so streng geheim ist?«

»Das sag ich dir, wenn’s so weit ist.«

 

Die vordere Veranda knarrte unter unserem Gewicht. Eine Futterröhre für Kolibris, die vom Vordach hing, war leer und trocken. Milo zückte einen Schlüssel mit einem Anhängeschild und schloss die Tür auf, dann traten wir in ein kleines, schummriges Wohnzimmer. Der Fernsehtisch war leer.

»Ist ihre Videoausrüstung im Labor?«, fragte ich.

Er nickte.

»Wo hat man die DVD gefunden?«

»Steckte in einem Stapel mit ihren Lieblingsfilmen. So steht’s jedenfalls in der Akte.«

»Creighton hat sie nicht erwähnt.«

»Wie schon gesagt, sie wurde mir persönlich zugestellt.«

»Von wem?«

»Einem Schlipsträger.«

»Mit Dienstmarke?«

»Das auch.«

»Gab’s irgendeine Erklärung?«, fragte ich.

»Eine Notiz in einem Umschlag, in der stand, dass man sie in einem Stapel DVDs des Opfers gefunden hat.«

»Aber sie war nicht als Beweismittel aufgeführt.«

»Schon komisch.«

»Wer hat den Anruf entgegengenommen?«

»Zwei Detectives aus North Hollywood, die mir nicht das Geringste gesagt haben.«

»Verrätst du mir, wer das Räderwerk in Gang gebracht hat?«

»Sie war’s jedenfalls nicht«, sagte er. »Die ist ihnen schnurzegal. Genau das ist es ja, Alex.«

»Dann hat es mit den Verdächtigen zu tun«, sagte ich, »und deren Arbeitsplatz.«

»Von mir hast du das nicht.«

»Eine Schule mit so guten Beziehungen?«

»Wenn die Kinder reicher Eltern dort eingeschrieben sind … Hast du schon mal Patienten von der Windsor gehabt?«

»Ein paar.«

»Irgendwelche Auffälligkeiten?«

»Gut betuchte und gut aussehende Kids. Meistens ziemlich helle, aber total unter Druck, sowohl schulisch als auch sportlich und sozial. Mit anderen Worten: alles so wie an jeder anderen Privatschule, an der man aufs College vorbereitet wird.«

»Aber dieser Fall liegt anders.«

»Vielleicht geht es um einen bestimmten Schüler?«

Schweigen.

»Die Bewerbungen fürs College werden bald eingereicht«, sagte ich. »Ich rate einfach mal: Der Chef hat ein Kind, das auf eine Eliteuniversität will.«

Er schob sich einen widerborstigen Haarschopf aus der Stirn. Das schummrige Licht hob jede Narbe und jeden Knoten in seinem Gesicht hervor. »Das habe ich nicht von dir gehört.«

»Sohn oder Tochter?«

»Sohn«, sagte er. »Das einzige Kind. Ein zweiter Einstein, jedenfalls nach Aussage seiner Mutter, der Jungfrau Maria.«

»So viel zum Thema schiefe Metaphern.«

»Scheiß drauf, das waren beides nette jüdische Jungs.«

»Oberstufenabschluss?«

»Abschluss mit Auszeichnung, und er will nach Yale.«

»Dies Jahr ist das härteste Jahr seit langem«, sagte ich. »Eine riesige Flut an Bewerbungen. Viele ausgezeichnete Schüler werden enttäuscht sein. Zwei Patienten, die ich als kleine Kinder behandelt habe, sind zurückgekommen und wollten moralische Unterstützung. Sie sagen, jede Kleinigkeit könnte ausschlaggebend sein. Ein großer Skandal würde die Götter der Ablehnung heraufbeschwören.«

Er verbeugte sich. »O großer Swami des Ostens, Eure Weisheit hat den Sumpf durchdrungen.« Er lief im Zimmer herum. »Der olle Stanley lag falsch. Dass ich mich auf dich verlasse, hat nichts mit irgendwas Persönlichem zu tun.«

 

Creighton mochte diesbezüglich danebengelegen haben, aber meiner Ansicht nach hatte er recht, was das Haus anging, das keine wertvollen Erkenntnisse lieferte.

Die mickrigen Räume wirkten bereits verlassen. Das nachlässig und billig eingerichtete Wohnzimmer enthielt ein Bücherregal voller Highschooltexte, Übungsfibeln für Reife- und Collegeaufnahmeprüfung, dazu ein paar Fotobände mit hübschen Aufnahmen von fernen Orten sowie Taschenbücher von Jane Austen, Aphra Behn und George Eliot.

Die Kochnische mit den Sperrholz- und Resopalmöbeln sah aus, wie den sechziger Jahren entsprungen. Verschrumpeltes Obst und Gemüse vergammelte im Minikühlschrank; im Gefrierfach lagen zwei Schachteln mit kalorienarmer Tiefkühlkost. Ein Küchenschrank war gestopft voll mit Minischnapsflaschen und einigen größeren Pullen. Preisgünstiger Gin, aber Grey-Goose-Wodka, außerdem keinerlei Mixgetränke, um den Eindruck etwas aufzuhübschen.

Das Schlafzimmer war ein drei Quadratmeter großes Loch, in dem ein Doppelbett samt Ikea-Zubehör stand.

Ein düsterer Raum, weil vor dem einzigen Fenster eine Wand aus wucherndem Efeu aufragte. Der Hang war so nahe, dass man ihn berühren konnte, aber der Rahmen war mit Farbe verkleistert und ließ sich nicht öffnen. Ein billiger Ventilator in der Ecke erweckte nur den Anschein, als könnte er für Luftzirkulation sorgen. Gegen den leichten Verwesungsgeruch kam er nicht an.

Leicht, weil das Trockeneis das Unvermeidliche hinausgezögert hatte. Früher oder später verfaulen wir alle, es ist nur eine Frage der Zeit.

»Irgendwelche Maden?«, fragte ich.

»Ein paar in der Nase und den Ohren. Die Fliegenmamis sind vermutlich unter der Tür durchgekrabbelt. Die kleinen Mistkerle waren steif gefroren, blöde Viecher.«

Er durchsuchte das Zimmer. Die triste, spärliche Garderobe füllte einen behelfsmäßigen Wandschrank. Sie war geradezu deprimierend zweckmäßig, bis hin zu der weit geschnittenen weißen Baumwollunterwäsche.

Dicht neben dem Bett stand ein platzsparender Schreibtisch, der fast aus Holz hätte sein können. Auf ihm befand sich eine Vase mit Trockenblumen, daneben ein helles Rechteck, wo der Computer gewesen war. Auf einem gerahmten Foto standen Elise Freeman und ein kahlköpfiger Mann mit rotem Bart, der etwa in ihrem Alter war, neben einer Reihe Spielautomaten in einem entsetzlich hellen, knallbunten Raum. Beide trugen T-Shirts und Shorts, hatten glasige Augen und strahlten. Der Mann hielt ein Bündel Geldscheine hoch. Elise Freeman hatte einen Arm um seine Taille gelegt und zeigte das Siegeszeichen.

Auf der Tafel unten am Rahmen stand in kursiver roter Markerschrift: Sal sahnt in Reno groß ab! Der Spruch war mit von Hand gemalten roten Herzen und grünen Gänseblümchen verziert.

»Ist doch schön, wenn man ab und zu mal Glück hat«, sagte Milo und nahm sich weitere Schubladen und Fächer vor.

Zum Schluss war das Badezimmer an der Reihe. Vorgefertigte Fiberglasbauteile, ebenfalls vom Verbrauchermarkt.

Das Medizinschränkchen war von der Spurensicherung geleert worden. Die Badewanne war schmuddlig, gab aber nichts her.

Milo starrte sie unentwegt an. Sollte er irgendwelche jenseitigen Schwingungen wahrnehmen, ließ er es sich nicht anmerken.

Schließlich wandte er sich ab. »Ihr Freund heißt Sal, was niemanden überraschen dürfte, Nachname Fidella. Er hat die Tür mit seinem Schlüssel geöffnet. Ihr Auto war da, es gab keinerlei Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen, nichts war in Unordnung gebracht. Er hat sie in der Badewanne gefunden, inmitten von Trockeneis, nackt und blau angelaufen. Wenn man die Sublimation bedenkt, muss irgendjemand das Zeug beutelweise gekauft haben, etwa zehn bis fünfzehn Kilo. Da kein Blut zu sehen war, hat man zunächst eine Überdosis vermutet. Obwohl sie sich nicht übergeben hatte und Fidella außerdem behauptet hat, sie würde keine Drogen nehmen und es stünden auch keine Tablettenfläschchen in der Nähe. Fidella hat den Notruf gewählt. Die Aufnahme ist in der Akte, und ich habe sie mir dreimal angehört. Er klingt, als wäre er völlig im Eimer. Aber ich habe ihn noch nicht kennengelernt und weiß nichts über ihn, abgesehen von dem, was North Hollywood über ihn geschrieben hat. Was nicht mehr ist als das, was auch im Führerschein steht, deshalb halte ich mich mit meinem Urteil zurück.«

»Wo wohnt er?«

»Nicht weit von hier entfernt, in Sherman Oaks.«

»Ein Paar mit zwei Wohungen?«

»Manchmal klappt das besser.«

»Manchmal läuft das auf eine Beziehungstragödie hinaus.«

»Du wirst den Typ kennenlernen. Irgendwelche anderen Erkenntnisse?«

»Auf der DVD wirkt sie in keinster Weise theatralisch. Ganz im Gegenteil. Als sie durchaus Grund hatte zu dramatisieren, hielt sie sich zurück.«

»Wahrscheinlich depressiv. Meinst du, es war Selbstmord?«

»Lag sie auf dem Eis oder darunter?«

»Teilweise drunter.«

»Dann hätte sie innerhalb weniger Sekunden starke Schmerzen durch die Kälte und den Druck gehabt. Hautverbrennungen ebenfalls.«

»Verbrennungen hatte sie, das stimmt.«

»Die meisten Selbstmörder vermeiden Schmerzen«, sagte ich. »Und sich so zur Schau zu stellen ist auffällig und exhibitionistisch, was der Frau auf der DVD gar nicht ähnlich sieht.«

»Vielleicht wollte sie auf die drei Lehrer aufmerksam machen.«

»In diesem Fall hätte sie eine Nachricht hinterlassen und dafür gesorgt, dass die DVD offen rumliegt und nicht mitten in einem Stapel steckt. Oder sie hätte sie per Post verschickt, was noch besser wäre. Außerdem sind keine leeren Eisbeutel vorhanden.«

»Die könnten draußen im Müll sein. Sobald wir hier fertig sind, schau ich nach.« Er warf einen weiteren Blick auf die Badewanne und sackte in sich zusammen. »Es war Mord, definitiv. Du weißt es, ich weiß es, Ihro Gnaden wissen es.«

»Aber ihm wäre es lieber, wenn du etwas anderes sagen würdest.«

»Auf der Notiz, die mit der DVD kam, war keine Unterschrift, aber ich kenne seine Handschrift. Selbst wenn er in Druckschrift schreiben würde.«

»Ich dachte, er wäre ein unbeschriebenes Blatt.«

»Alles ist relativ.«

»Wer verkauft hier in der Gegend gefrorenes CO2?«, fragte ich.

»Das lässt sich rausfinden.«

3

Die zwei Plastikmülltonnen hinter dem Haus waren leer. Milo rief bei der Stadtreinigung an und erfuhr, dass seit drei Tagen kein Müll abgeholt worden war. Nachdem er sich zehn Minuten lang durchs Labyrinth der Bürokratie gekämpft hatte, sprach er mit einem Laborleiter in Downtown. Ja, sämtlicher Müll und andere Gegenstände am Tatort waren zur Untersuchung mitgenommen worden; nein, er hatte keine Ahnung, wann man damit anfange, da der Fall als nicht dringend gekennzeichnet sei.

Als Milo fragte, ob auch Eisbeutel und Elise Freemans Computer sichergestellt worden seien, wurde er auf Warteschleife gelegt. Bei der Antwort, die er mehrere Minuten später bekam, verkrampfte sich seine Kinnlade.

Er stellte das Telefon ab und lief mit großen Schritten zum Wagen. »Zurzeit gibt’s dazu keine Auskunft.«

Wir stiegen gerade ein, als Captain Stan Creighton mit gelockertem Schlips und fliegenden Jackenschößen zurückkehrte und in sein Handy sprach.

Als wir wegfuhren, war er immer noch am Telefon. Klang ziemlich aufgeregt.

 

Im Umkreis von fünf Meilen um den Tatort gab es drei Eishändler. Bei den beiden nächstgelegenen hatte seit Wochen niemand gefrorenes CO2 gekauft. Die Angestellten sagten: »So was geht hauptsächlich im Sommer.«

Bei Gary’s Ice House & Party Rentals an der Fulton Avenue, Ecke Saticoy Street in Van Nuys musterte ein muskulöser Junge mit aufgedunsenem Gesicht, drei Augenbrauenringen und einem Stacheldrahttattoo am Bizeps Milos Karte und sagte: »Da war so ’n Typ hat ’ne ganze Menge gekauft.« Er schaute sie sich genauer an. »Mordkommission? Isser so was wie ein Mörder?«

»Wann war das?«

»Ich würde sagen, Montag.«

»Welche Tageszeit?«

»Sieben würd ich sagen.«

»Morgens oder abends?«

»Abends. Ich schließe um acht.«

»Verkaufen Sie viel Trockeneis?«

»Na ja. Für Parkplatzpartys, lange Autofahrten, nicht sehr viel. Die meisten Läden verkaufen das Zeug nicht als Nuggets, sondern nur in ganzen Blöcken. Ich hab den Typ gefragt, was er will, und er hat gemeint, Trockeneis, fünfzehn Kilo, hatte so ’nen spanischen Akzent. Ich hab ihm Nuggets gegeben, weil wir davon nicht so viel verkaufen und ich es eh loswerden wollte.«

Milo zückte seinen Block. »Ein Latino?«

»Ja.«

»Wie alt?«

»Weiß nicht, dreißig, vierzig? Hat ausgesehn wie einer von den Typen, die vor dem Farbenladen da drüben auf Gelegenheitsjobs warten.« Er deutete nach Westen.

»Womit hat er bezahlt?«

»Mit drei Zehnern.«

»Wie viel Trockeneis hat er dafür gekriegt?«

»Fünfzehn Kilo. Die Nuggets befinden sich in speziellen Beuteln, das verlangsamt die Sublimation ein bisschen. Das heißt, dass das Zeug zu Gas wird. Sogar mit Beuteln und in einer Kühlbox verliert man zehn Prozent am Tag.«

»Hatte dieser Typ eine Kühlbox?«

»Ich hab keine gesehn, er hat bloß die Beutel mitgenommen.«

»Wie war sein Gebaren?«

»Sein was?«

»Sein Verhalten. War er nervös, freundlich?«

»Ich würde sagen, irgendwie durcheinander. Und er hatte es eilig.«

»Inwiefern durcheinander?«

»Hatte keinen Schimmer, was er da kauft«, sagte der Junge. »Hat die Nuggets genommen, dabei nehmen die meisten Leute Blöcke, wir schneiden die sogar zurecht.«

»Von wie vielen Beuteln reden wir?«

»Dreimal fünf Kilo. Hat der Typ wirklich jemanden mit Trockeneis umgebracht? Irgendwie jemanden damit tiefgefroren? Oder verbrannt? Man muss damit vorsichtig umgehn. Wenn man’s anfasst, holt man sich schlimme Verbrennungen.«

»Wie kann man sonst noch jemanden damit verletzen?«

»Was meinen Sie?«

»Ist es sonst noch irgendwie gefährlich, außer dass es eiskalt ist oder brennt?«

»Na ja«, sagte der Junge, »ich bring damit Ameisen um. Wenn man irgendwelche Viecher in ’nem geschlossenen Raum hat, legt man ein Stück Trockeneis rein, und es wird so kalt, dass der Organismus nicht mehr arbeitet, und dann atmen sie die Gase ein und sterben. Kohlendioxid, das ist das Treibhausgas.«

»Pflanzen atmen Kohlendioxid«, sagte Milo.

»Aha? Na ja, Ameisen sind keine Pflanzen.« Er lachte. »Meine Schwester hatte Ameisen in ihrem Keller, und ich hab ein Stück von ’nem Trockeneisblock reingelegt, alles mit Klebeband abgedichtet, und zwei Tage später waren überall Millionen von toten Ameisen. Man musste sie aufsaugen, das war krass. Und was hat der Typ gemacht?«

»Wir sind uns nicht sicher. Haben Sie die Scheine noch, mit denen er bezahlt hat?«

»Nee. Der Panzerwagen war gestern da und hat alles aus der Kasse und dem Safe mitgenommen.«

»Können Sie den Mann ein bisschen genauer beschreiben?«

»Mexikaner, wie schon gesagt. Um die dreißig, vielleicht vierzig. Kleiner Kerl.«

»Gesichtsbehaarung?«

»Meinen Sie so was wie ’nen Bart? Nee, glatt.«

»Weshalb glauben Sie, dass er einer der Tagelöhner war?«

»Er hat so ’ne weiße Malerhose angehabt.« Er nickte, als sei er stolz auf seine Erkenntnis. Die Augenbrauenringe klimperten.

»Können Sie sich an sein Hemd erinnern?«

»Ähm, mal sehn … ein T-Shirt, zu groß für ihn … ähm, ach ja, weiß, von ’nem College, UC soundso … war ’n schräg aussehendes Tier drauf, wie ’ne große Ratte mit ’ner langen Zunge.«

»War das T-Shirt zu groß?«, sagte Milo. »Wie es Gangmitglieder tragen?«

»Nein, der war in keiner Gang. Hatte keine Tattoos, war auch nicht unverschämt oder so, bloß ein unsicherer kleiner Kerl in ’ner Malerhose. Ich hab gedacht, er will das Trockeneis für ’nen Job. Ameisen umbringen oder so was Ähnliches.«

»Er trägt ein Collegeshirt, ist aber kein Collegetyp.«

Der Junge lachte. »Wenn der Typ auf ’nen Gelegenheitsjob wartet, hat er wahrscheinlich nicht mal ’nen Schulabschluss.«

 

»Das Maskottchen der UC Irvine ist ein Ameisenbär«, sagte ich, als wir gingen.

»Ich dachte schon, Stinktiere bekämen endlich den Respekt, den sie verdienen.«

Wir liefen die zwei Blocks zu dem Farbenladen. Jede Menge mit Brettern vernagelte Geschäfte säumten unseren Weg. Fünf Tagelöhner, die gelangweilt und niedergeschlagen wirkten, hingen an der Bordsteinkante rum. In miesen Zeiten schlägt Abhängigkeit in pures Elend um.

Alle fünf Männer trugen weite Malerhosen, zwei hatten weiße T-Shirts an. Auf einem prangte ein Disneyland-Logo, das andere war voller Farbflecken, aber unbedruckt. Der erste Mann, der uns bemerkte, wollte sich direkt aus dem Staub machen. »Stehen bleiben«, brüllte Milo.

Als das nicht funktionierte: »Policia, no La Migra.«

Er redete mit jedem Arbeiter, sprach LAPD-Spanisch, ging relativ sanft und abgeklärt vor. Niemand gab zu, Trockeneis gekauft zu haben. Die meisten Männer behaupteten, sie wüssten gar nicht, was das sei.

Die Augen des einen Typen waren ständig in Bewegung, deshalb bat Milo ihn zuerst um seinen Ausweis. Er war an die fünfzig, groß, hatte schütteres Haar und einen herabhängenden Schnurrbart. Mit zitternden Händen reichte er ihm einen kalifornischen Führerschein. Als Milo weitere Papiere verlangte, erntete er nur ein Achselzucken. Er gab dem Mann seine Visitenkarte und sagte: »Amigo, hilfst du mir, helfe ich dir.«

Der andere hatte den Blick gesenkt.

»Kannst du mir irgendwas über einen Typ erzählen, der ein T-Shirt von der UC Irvine trägt?«

»Nein, Boss.«

Milo deutete auf die Karte. »Siehst du das? Lieutenant? Das heißt großer Boss  – gran patrón. Muy importante

»Okay.«

»Okay was?«

»Sie gran patrón

Elise Freemans Führerscheinfoto entlockte ihm nur einen ausdruckslosen Blick. Den anderen Männern ebenfalls. Milo verteilte fünf Visitenkarten und erklärte den Männern, dass es Glück bringen würde, mit der Polizei zu kooperieren. Fünf ausdrucklose Mienen starrten ihn an.

Auf dem Rückweg zum Auto las Milo noch einmal die persönlichen Daten durch. »Hector Ruiz, wohnhaft in Beverly Hills, nördlich des Boulevard, wo die teuren Immobilien sind. Da hat ein Fälscher Sinn für Humor.«

»Vielleicht war er ein Angestellter mit Wohnrecht.«

»Na klar, die stecken ihn in eine Livree und nennen ihn Jeeves. Daher… Kannst du dir vorstellen, wozu ein Tagelöhner fünfzehn Kilo Trockeneis braucht? Und die Menge kommt den Schätzungen der Techniker verdammt nahe.«

»Wenn der Ameisenbär sein T-Shirt nicht mit einer bestimmten Absicht ausgesucht hat, würde ich wetten, dass er für den Kauf Geld gekriegt hat, damit die Spur verwischt wird.«

»Oder unser nervöser kleiner Kerl ist der Mörder.« Er lachte. »Ich glaub’s ja selbst nicht.«

Sein Handy spielte Beethovens Für Elise. Schwarzer Humor? Es hatte keinen Sinn zu fragen.

Ein zwanzig Sekunden langes Gespräch folgte. Milos Part bestand aus einem mehrmaligen »Ja, Sir«. Mit jedem Mal wurde er kleiner.

Er steckte das Telefon ein. »Wir sind zum Berg zitiert worden, und zwar sofort.«

»Viel Spaß.«

»Wir, nicht ich.«

»Ich bin eingeladen?«

»Genau. Dein Typ wird verlangt.«

4

Bei idealen Verkehrsbedingungen ist die Fahrt von Van Nuys zum Büro des Polizeichefs im Parker Center ein zwanzigminütiger Rutsch Richtung Osten.

Weil der Chef einen anderen Treffpunkt gewählt hatte und dichter Verkehr herrschte, wurden daraus siebzig Minuten durch ständige Staus und Abgase Richtung Westen.

 

Das Stagecoach Bistro grenzte an das neunte Loch eines Country Clubs in Calabasa, der so angelegt war, dass er exklusiv wirkte und zugleich so aussah, als würde dort jeder aufgenommen, der sich den Monatsbeitrag leisten konnte.

Als wir zu dem mit Kies bestreuten Parkplatz des Restaurants fuhren, wichen die gepflegten Rasenflächen und beschnittenen Pfefferbäume, die schlecht für dieses Klima geeignet waren, Staub und rustikalen Zäunen. Unter den Autos, die davorstanden, war auch ein marineblauer Lincoln Town Car, den Milo als Zivilfahrzeug des Chefs identifizierte. Weder ein Leibwächter noch ein Begleitwagen waren zu sehen.

Das Gebäude war ein Blockhaus mit Schindeldach. In der ausgehängten Speisekarte war von einem französischen Küchenchef und »schmackhafter Nouveau-Tex-Mex-Thai-Küche« die Rede.

Eine kesse Hostess mit Pferdeschwanz führte uns an einen Picknicktisch aus Redwood, der in der Ecke eines Innenhofs im Schatten der dazu passenden Vegetation stand: uralte Kalifornische Eichen, die im Laufe der Jahrhunderte von Santa-Ana-Winden verkrüppelt worden waren. Der Polizeichef hatte sich hinter dem Stamm des ehrwürdigsten Baumes versteckt, der so dick wie ein Rhinozeros war.

Er fuhrwerkte weiter mit seinen Essstäbchen herum, als wir uns setzten, und deutete auf zwei Speisekarten.

Die schmackhafte Küche lief auf gewaltige Portionen und eine Prosa hinaus, von der man Kopfschmerzen bekam.

Der rechteckige Teller des Chefs war über einen halben Meter breit.

»Was haben Sie bestellt, Sir?«

»Nummer sechs.«

Zweiunddreißig pikante Mekong-Shrimps in Spargelsoße, getränkt mit einer Zitronengras-Oregano-Reduktion in einem Nest aus Ziegenkäse, belebt mit schwarzem Bohnenpüree und bewacht von Palastmauern aus selbstgeräuchertem Schweinebauch.

»In Anbetracht dessen, dass Sie ein Gourmet sind, Sturgis«, sagte der Chef.

»Ich weiß das zu schätzen, Sir.«

Der Chef zog den Schirm seiner Baseballkappe aus grauem Wildleder tiefer ins Gesicht. Statt des üblichen schwarzen Anzugs mit Fünfhundertdollarkrawatte trug er Jeans und eine Bomberjacke aus braunem Leder. Die Mütze und die verspiegelte Pilotenbrille verdeckten einen Gutteil des gnadenlos vernarbten, seltsam dreieckigen Gesichts. Ein buschiger weißer Schnurrbart kaschierte weitere Stellen malträtierter Haut.

Er war einer der wenigen Menschen, neben denen Milo geradezu unversehrt wirkte.

Ein weiteres Mädchen mit Pferdeschwanz kam an den Tisch und brachte einen Palmtop in Anschlag. »Was darf ’s heute sein, Leute?«

»Nummer sechs«, sagte Milo.

Ich überflog die Speisekarte und bestellte einen Elchburger mit Bisonspeck.

»Achten Sie auf Ihren Cholesterinspiegel, Dr. Delaware?«, sagte der Chef.

»Ich mag Bison.«

»Sie und Buffalo Bill. Und die Prärieindianer. Sie haben amerikanische Ureinwohner im Stammbaum, stimmt’s?«

»Und allerhand anderes Zeug.«

»Eine Promenadenmischung, genau wie ich.«

Ich hatte noch nie gehört, dass er irgendetwas anderes als irischer Abstammung war.

»Durch meine Adern fleißt ein bisschen Seneca-Blut«, sagte er. »Jedenfalls hat das meine Großmutter väterlicherseits behauptet. Bin mir dessen aber nicht sicher. Die Frau war eine starke Trinkerin.« Er zwirbelte sein Stäbchen. »Genau wie Ihr Vater.«

Ich ging nicht darauf ein.

Er nahm seine Sonnenbrille ab und musterte mich mit kleinen schwarzen Augen, wie ein Dermatologe, der nach Hautirritationen sucht. »Trübt das Urteilsvermögen, diese elende Sauferei.«

»Kommt in den besten Familien vor«, sagte ich.

Er wandte sich an Milo. »Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht, als Sie ihn ohne Erlaubnis zu Freemans Haus mitgenommen und Creighton diesbezüglich Blödsinn erzählt haben? Dachten Sie ernsthaft, er fragt nicht bei mir nach?«

»Ich bin davon ausgegangen, dass er es tut, Sir.«

Er legte das Stäbchen hin. »Sollte das heißen: Der kann mich mal

»Nein, Sir. Es sollte heißen: Ich mache meinen Job so gut, wie es angesichts der widrigen Bedingungen möglich ist

»Können Sie Ihren Job nicht ohne ihn machen? Haben wir es hier mit einer Art psychischer Abhängigkeit zu tun?«

»Es handelt sich dabei eher um eine bevorzugte Vorgehensweise, Sir, die sich in der Vergangenheit bewährt hat.«

»Sie brauchen einen Seelenklempner an Bord, um arbeiten zu können?«

»Wenn es sich um ungewöhnliche Fälle handelt und Dr. Delaware Zeit hat, halte ich seine Einschätzungen für äußerst hilfreich. Ich dachte, Sie wären einverstanden, deshalb habe ich nicht mit irgendwelchen Einwänden gerechnet.«

»Und Creighton?«

»Creighton ist ein Bürokrat.«

Der Chef nahm sein Essstäbchen und ließ es gekonnt von einem Finger zum anderen rollen. Die schwarzen Augen fixierten abwechselnd Milo und mich. »Sie haben also nicht mit irgendwelchen Einwänden gerechnet.«

»Aufgrund …«

»Schon klar. Trotzdem ist es Schwachsinn. Erstaunlich, dass es der Doktor immer noch mit Ihnen aushält.«

Schon zweimal hatte mir der Chef wichtig klingende Jobs bei der Polizei angeboten, die ich abgelehnt hatte.

»Ich sehe ja ein, dass die Seelenklempnerei bei merkwürdigen Fällen von Vorteil sein kann, Sturgis, aber bei dem hier verspüre ich nicht den geringsten Anflug von psychosexuellem Horror.«

»Eine in Trockeneis gepackte Leiche, Todesursache nicht ersichtlich, hinzu kommt die völlige Missachtung der richtigen Vorgehensweise«, sagte Milo. »Für mich klingt das eher ungewöhnlich.«

»Halten Sie das für ungewöhnlich, Doktor?«

»Es ist anders.«

»Hat Sturgis Ihnen erklärt, dass Diskretion oberstes Gebot ist?«

»Das hat er.«

»Was genau hat er Ihnen gesagt?«

»Dass Ihr Sohn die Windsor besucht und sich für Yale beworben hat.«

»Was halten Sie von Yale?«

»Spitzenuniversität.«

»Mit einem ausgezeichneten Ruf«, sagte er. »Aber den hatten auch die Hedgefondszocker und die Kretins bei Fannie Mae, bis sie die Hosen runterlassen mussten. Und raten Sie mal, was drunter war? Nichts.«

»Mögen Sie Yale nicht?«

»Ich mache mir nicht genug aus dem Laden, um ihn zu mögen oder nicht, Doktor. Die sind alle gleich, Brutstätten für verzogene reiche Bälger, die verzogene und noch reichere Bälger werden wollen. Vor ein paar Jahren haben die Genies vom Aufnahmekomitee von Yale tausende kluger, qualifizierter amerikanischer Kids abgelehnt, aber einen Afghanen genommen, der Sprecher der Taliban war. Glauben Sie, der Typ hätte je einen Matheschein gemacht und wäre Leiter einer Modell-UN-Diskussionsgruppe geworden? Dann haben die gleichen Genies eine angebliche Kunststudentin zugelassen, deren Vorstellung von Kreativität darin bestand, sich schwängern zu lassen, den Fötus abzutreiben und die ganze Schweinerei auf Video festzuhalten. Danach hat sie die Freakshow ein ums andere Mal wiederholt, aber vielleicht hat sie auch nur so getan als ob. Wir leben in einer aberwitzigen Welt. Rembrandt dreht sich im Grabe um.«

»Zweifellos«, sagte ich.

»Ich habe gegen Yale nicht mehr als gegen jeden anderen Eliteschuppen. Ich begreife bloß nicht, warum Charlie dort hin will, wenn meine Frau an der Columbia und an der Penn Jura studiert hat und ich diesen lächerlichen Master in Harvard gemacht habe. Zwei Jahre lang bin ich jede Woche nach Boston gependelt und durfte mir zur Belohnung das weltfremde Geschwafel aufgeblasener Blödmänner anhören. Ich habe den Fehler gemacht, an der Abschlussfeier teilzunehmen und meine Frau und meine Mutter mitzunehmen. Charlie war noch nicht geboren. Sie halten die Feier auf dem Harvard Yard, was im achtzehnten Jahrhundert prima war, als Harvard noch ’ne kleine theologische Lehranstalt für reiche Trottel war. Jetzt ist dort nur noch für etwa ein Viertel der Leute Platz, die aufkreuzen, und man kriegt eine Sitznummer, wobei die reichen Arschlöcher, die Gebäude stiften, bevorzugt werden. Meine Frau und meine siebenundachtzigjährige Mutter mussten bei zweiunddreißig Grad Hitze zwei Stunden lang stehen, bis sie endlich ihre Sitzplätze bekamen, von denen aus sie nicht das Geringste sehen konnten, weil ein paar rücksichtslose Idioten die ganze Zeit vor ihnen standen. Einige nette schwarze Ladys aus der Bronx saßen in der Reihe hinter ihnen. Deren Nichte war das erste Mitglied in der Familie, das aufs College gegangen ist, und die hatten keine Ahnung, was zum Teufel da vor sich ging. Meine Frau hat sich umgedreht und gesagt: ›Das sind die Genies, die den Vietnamkrieg führen‹. Die sind alle gleich, Doktor. Arrogant, rücksichtslos, unbrauchbar.«

»Eliteunis eben.«

»Jede Eliteeinrichtung. Es ist wie in der Mittelstufe: Lauter unsichere Arschlöcher, die so lange das Gefühl haben, sie wären nicht beliebt, bis jeder andere niedergemacht wurde.« Er schüttelte den Kopf. »Mein Junge könnte jederzeit auf die Columbia, die Penn oder nach Harvard gehen, weil wir dort studiert haben, aber er ist auf Yale fixiert.«

»Jugendliche sind manchmal so«, sagte ich.

»Dämlich und unausstehlich?«

»Sie wollen sich abgrenzen.«

»Psychogerede«, sagte er. »Ja, ja, meine Frau sagt das auch. Charlie hat angeblich schwer zu tragen, weil er im Schatten seines Vaters steht, deshalb muss er zu sich selbst finden. Was lächerlich ist, oder haben Sie den Eindruck, dass ich einschüchternd wirke? Nicht ihm gegenüber, glauben Sie mir. Er ist zweimal so schlau wie ich und kann verflucht noch mal Cello spielen.«

Milo lächelte nur kurz, aber der Chef sah es.

»Das gefällt Ihnen, nicht wahr? Dass ich in einer Situation bin, in der ich Ihnen nicht so zielsicher und heftig wie gewöhnlich in den Arsch treten kann.« Er wandte sich wieder an mich. »Ich habe Charlie gesagt, er soll sich zunächst mal in Harvard bewerben, ganz unverbindlich, zumindest als Alternative. Nein, hat er gesagt, das wäre unfair gegenüber den Kids, die wirklich nach Harvard wollen. Ratet mal, wie die Aufnahmequote bei den drei Großen letztes Jahr war  – Harvard, Yale und Princeton? Sechs Prozent, verflucht noch mal, und dieses Jahr wird’s wegen dem Babyboom noch schlimmer. Charlie hat ’ne Eins mit zwei Sternen, wenn man die zusätzlichen Vorbereitungsseminare und Leistungskurse einbezieht, und bei der Collegeaufnahmeprüfung hat er 1540 Punkte geholt, beim ersten und einzigen Versuch! Klingt wie ’ne sichere Sache, oder? Von wegen.«

»Klingt, als stünden seine Chancen nicht schlecht, und dass er Ihr Kind  – und das Ihrer Frau  – ist, sollte ihm auch zugutekommen«, sagte ich.

»Wieso?«

»Sie sind berühmt.«

Er tippte sich an die Brust. »Wenn ich ein hirntoter Filmschauspieler mit einem hirntoten Kid wäre, wäre ich berühmt. Für diese Trottel bin ich ein rechtsgerichteter Emporkömmling  – und glauben Sie bloß nicht, dass die Politik da keine Rolle spielt. Ja, Charlie ist blitzgescheit, aber selbst unter den besten Voraussetzungen buche ich im Voraus keinen Flug nach New Haven. Und jetzt habe ich auch noch das am Hals. Diese bescheuerte DVD, und dann lässt sie sich tatsächlich auch noch umbringen. Wenn man den Trotteln einen Vorwand liefert, um meinen Sohn zu Gunsten eines aus dem Gazastreifen stammenden Technikfreaks von der Hamas zu übergehen, damit sie ihm beibringen können, wie man noch bessere Bomben baut, dann stürzen die sich drauf.«

»Sie gehen also nicht von Selbstmord aus?«, fragte ich.

»Die Leiche ist in Eis gepackt, aber am Tatort sind keine Eisbeutel. Der Computer des Opfers fehlt, und die Frau hat bereits im Voraus darauf hingewiesen, dass bestimmte Leute es auf sie abgesehen haben? Warum zum Teufel sollte ich von Selbstmord ausgehen, Herrgott noch mal?«

Er lachte säuerlich. »Ihr zwei Geistesgrößen habt also tatsächlich gedacht, ich will euch einen Selbstmord aufdrücken? Damit daraus ein verfluchter Eisskandal wird? Macht mal halblang, ich war immerhin in Harvard.«

Er widmete sich wieder seinem Essen. Als Milo »Sir« sagte, winkte er ab und brachte ihn zum Schweigen.

Zwei Bissen später versuchte es Milo erneut. »Dann kann ich also meine Arbeit machen, wie ich es für richtig halte?«

»Jetzt«, sagte der Chef, »klingen Sie paranoid. Vielleicht sind Sie für diesen Fall der Falsche, wenn Sie meinen, er hat einen psychologischen Beigeschmack.«

»Ja, Sir.«

»Außerdem werden Sie besagte Fallakte in Ihrem verschlossenen Schreibtisch aufbewahren, wenn Sie nichts reinschreiben oder sie nicht gerade zu Rate ziehen. Dasselbe gilt für Ihre täglichen Notizen und Mitteilungen. Sogar Ihre verdammten Post-It-Zettel werden weggeschlossen. Und fotokopieren Sie nichts, bis ich das Material überprüft habe.« Er spießte einen Shrimp auf. »Ansonsten läuft alles wie gehabt.«

»Was ist mit Dr. Delaware?«

»Nachdem Sie mich, was ihn angeht, vor vollendete Tatsachen gestellt haben, kann ich ihn mir auch zu Nutze machen. Ich bin mir sicher, dass er keine Schwierigkeiten macht, weil er weiß, dass indiskrete Psychologen von der Ärztekammer gewaltig zur Schnecke gemacht werden.«

Er tippte an den Schirm seiner Wildlederkappe und zwinkerte. »Nicht dass es jemals dazu kommen sollte, Doktor.«