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Table of Contents

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Kurzbeschreibung

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Auch in dieser Serie

Über die Autorin

Copyright

Olivers Versuchung

(Scanguards Vampire - Buch 7)

von

Tina Folsom

Kurzbeschreibung

„Ich bin süchtig nach Tina Folsoms Büchern! Die Scanguards Serie ist eine der heißesten Sachen, die es bei Vampirliebesromanen gibt. Wenn Sie glühend heiße, sich rasant entwickelnde Romane lieben, dann verpassen Sie diese packende Serie nicht!“ Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie

Jungvampir und Scanguards Bodyguard Oliver hat Schwierigkeiten, seinen Blutdurst unter Kontrolle zu bringen. Jede Nacht kämpft er gegen die Versuchung an, doch als die asiatische Schönheit Ursula ihm buchstäblich in die Arme fällt, befürchtet er, dass er den Kampf gegen seine inneren Dämonen verlieren und dem Blutrausch erliegen wird.

Nachdem Ursula, die wegen ihres besonderen Blutes von Vampiren versklavt worden war, ihren Entführern entfliehen kann, wird sie von einem gut aussehenden Fremden gerettet. Zu spät erkennt sie, dass auch er ein Vampir ist. Er behauptet, ihr helfen zu wollen, aber kann sie einem Vampir vertrauen, den es nicht nur nach ihrem Körper, sondern auch nach ihrem Blut gelüstet?

Ihr Versprechen, auch den anderen Blut-Huren, die mit ihr gefangen gehalten wurden, zur Flucht zu verhelfen, zwingt Ursula, sich mit Oliver und seinen Kollegen von Scanguards zu verbünden. Wird diese Wahl wirklich ihre Rettung sein oder zu ihrem Untergang führen?

*****

Copyright © 2013 Tina Folsom

Scanguards® ist ein eingetragenes Markenzeichen.

*****

1

Der Hunger hatte seine Klauen in ihn gekrallt. Er kämpfte gegen den Drang an, der ihn beherrschte, kämpfte gegen das Bedürfnis, das ihn wie einen Süchtigen auf Entzug zittern ließ. Er hätte nie gedacht, dass es mit solchen Schmerzen verbunden war, und dass es so schwer war zu widerstehen, doch der Gedanke an Blut beherrschte jede Minute seines Daseins. Selbst im Schlaf träumte er von pulsierenden Adern, von warmem Blut, das noch die Lebenskraft eines Menschen enthielt, und davon, seine Reißzähne in ein lebendiges, atmendes Wesen zu schlagen. Aber das Schlimmste war, dass er von der Macht träumte. Von der Macht über Leben und Tod.

Mit einem heftigen Schütteln versuchte Oliver, sich von diesem Gedanken zu befreien. Aber wie in den meisten Nächten konnte er seine Blutgier und sein unersättliches Verlangen nicht abschütteln. Quinn, sein Erschaffer, hatte ihm gesagt, dass es mit der Zeit nachlassen würde, aber sogar nach zwei Monaten als junger Vampir war er immer noch so gierig nach frischem Blut wie in der ersten Nacht nach seiner Wiedergeburt.

Während er sich in seinen langen dunklen Mantel hüllte und ein sauberes Taschentuch in die Manteltasche schob, warf er einen Blick zurück auf sein Zimmer. Dank seines Erschaffers hatte er noch nie so komfortabel wie jetzt gelebt. Quinn und seine Frau Rose hatten ihm angeboten, bei ihnen einzuziehen, nachdem sie sich ein großes Haus in Russian Hill gekauft hatten. Dies war ein Viertel von San Francisco, in dem es förmlich nach altem Geld stank.

Hätte er ein Mitspracherecht gehabt, dann hätte er die lebendige junge Gegend südlich der Market Street gewählt. Diese hatte sich in den letzten zwei Monaten zu seinem Jagdgebiet entwickelt. Wann immer er Blut brauchte, suchte er unter den Partygängern dort oder im Mission Bezirk nach einem geeigneten Opfer, aber oft schaffte er es nicht einmal bis dorthin.

Wenn er seinem Blutdurst erlaubte, zu groß zu werden, und seine Mahlzeit zu lange hinauszögerte, um sich zu beweisen, dass er stärker war als der unsichtbare Feind in seinem Inneren, dann schaffte er es kaum ein paar Schritte vor seine Haustür, bevor er einen ahnungslosen Nachbarn angriff.

Er hatte versucht, sein Leiden, so gut er konnte, vor allen, die ihm nahestanden, zu verbergen, aber sie wussten es trotzdem. Wenn einer seiner Freunde oder Kollegen ihn anblickte, konnte er es ihnen ansehen: Sie dachten, dass er nicht einmal versuchte, dem Drang, das Blut eines Menschen zu nehmen, zu widerstehen. Sie glaubten, er suchte den einfachsten Weg, obwohl er doch in Wahrheit jede Nacht mit seinem inneren Selbst kämpfte. Niemand sah den Aufruhr, der in ihm tobte, oder die wilden Schlachten, die er gegen sich selbst austrug.

Niemand war Zeuge, wie er diese Schlachten verlor und der unerbittlichen Forderung des Teufels in sich nachgab. Wenn dies passierte, war er alleine. Verloren. Ohne Führung.

In dem Wissen, seine Jagd nicht länger hinauszögern zu können, schritt Oliver die Treppe des alten Hauses, das um die Jahrhundertwende erbaut worden war, hinab. Trotz dessen Alter hatte das Gebäude nichts Stickiges an sich. Quinn und Rose hatten sich große Mühe gegeben, das Haus mit einer Mischung aus antiken und modernen Möbeln einzurichten und hatten es in einen Ort einladender Wärme verwandelt. Ein wahres Zuhause. Etwas, das er noch nie zuvor gehabt hatte.

Er fühlte sich undankbar, weil er wusste, dass er gegen die Wünsche seines Erschaffers handelte. Quinn hatte ihm alles gegeben, was er sich nur wünschen konnte: ein sicheres Zuhause, emotionale Unterstützung, eine Familie. Sein Job bei Scanguards, wo er mehrere Jahre lang als persönlicher Assistent des Besitzers gearbeitet hatte, hatte sich nach seiner Verwandlung geändert. Und war jetzt sogar noch besser: Obwohl er es geliebt hatte, direkt für Samson, den mächtigen und moralisch integren Vampir, der Scanguards aufgebaut und in eine nationale Sicherheitsfirma verwandelt hatte, zu arbeiten, bevorzugte er nun doch seinen neuen Titel – Bodyguard.

Obwohl er bereits die Bodyguard-Ausbildung bei Scanguards durchlaufen hatte, als er noch ein Mensch war, hatte er wieder fast ganz von vorne beginnen müssen. Als Vampir wurde er einer anderen Sparte zugeordnet, einer, die die gefährlichsten Einsätze übernahm. Er blühte bei dem Job auf und liebte jede Sekunde davon. Aber das machte es noch schwerer, mit seinen Schuldgefühlen umzugehen. Wie konnte er jemals ein so guter Leibwächter werden wie seine Kollegen, wenn er nicht einmal die Kontrolle über seine eigenen Triebe hatte? Wie konnte er einen Feind besiegen, wenn er nicht einmal den Dämon in seinem Inneren überwältigen konnte?

Angewidert von sich selbst, wandte sich Oliver am Fuße der Treppe um und warf einen langen Blick den Korridor hinunter, der zur Küche führte. Dort wartete eine Speisekammer voll mit in Flaschen abgefülltem Blut auf ihn. Jede erdenkliche Blutgruppe war dort gelagert, auch die, die unter den Vampiren wegen ihrer außerordentlichen Süße am meisten geschätzt wurde: 0-negativ. Es wäre so einfach, in die Küche zu gehen, die Speisekammer zu öffnen und eine der Flaschen mit dem gespendeten Blut zu nehmen, die Scanguards über eine medizinische Scheinfirma bestellte, die Samson vor Jahren gegründet hatte. Es wäre so einfach, den Deckel aufzuschrauben und einen Schluck zu trinken. Doch selbst die Aussicht, sich mit der leckersten Blutgruppe vollzuschlagen, unterdrückte nicht den Drang zu jagen.

Er würde lieber seine Fangzähne in den Hals eines Obdachlosen senken und das Blut trinken, das so widerlich schmeckte, wie der Mann roch. Denn es ging ihm nicht um den Geschmack des Blutes, es ging darum, was die Tat bei ihm bewirkte. Blut, das direkt aus der Vene eines Menschen kam, war noch voll von dessen Lebenskraft und war deshalb letztendlich viel stärker. Und es machte ihn stärker, mächtiger und unbesiegbar. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie besser gefühlt als nach dem Trinken von einem lebendigen Menschen. Es war wie eine Droge für ihn, die ihm ein unglaubliches Hochgefühl verschaffte, das er noch nie zuvor erlebt hatte, nicht einmal als er noch ein Mensch gewesen war und mit Drogen experimentiert hatte. Blut, das direkt aus der Vene eines Menschen kam, war jetzt seine Droge. Eine gefährliche Droge, von der er fernbleiben sollte.

Er kannte die Gefahren von Drogen nur zu gut: Als Mensch war er schon einmal auf die schiefe Bahn geraten, aber dank Samson hatte er den Weg aus der Hölle gefunden und war wieder auf den rechten Weg zurückgekehrt. Er hatte die Dämonen schon einmal besiegt. Und er war entschlossen, es wieder zu tun. Aber es schien, als ob es diesmal schwieriger werden würde.

Es schien unmöglich zu sein, auf die Empfindungen zu verzichten, die durch seinen Körper jagten, wenn er direkt von einem Menschen trank. War das nicht genau das, was es bedeutete, ein Vampir zu sein? Schließlich musste er Blut trinken, um zu überleben. Generationen von Vampiren vor ihm hatten das Gleiche getan. Hatten auch sie jede Nacht mit sich selbst gekämpft, bevor sie ausgingen, um frischem Blut nachzujagen?

Es gab immer noch viele Vampire, die sich Nacht für Nacht von Menschen ernährten. Die meisten der Vampire, die für Scanguards arbeiteten, schienen eine Ausnahme zu sein. Aber musste das wirklich bedeuten, dass es falsch war, dass er etwas anderes wollte?

„Gott, warum nur?“, fluchte er leise vor sich hin, und wusste gleichzeitig, dass er für heute den Kampf verloren hatte.

Er ging zur Eingangstür, als er Schritte aus dem Wohnzimmer hörte.

„Gehst du aus?“ Blakes Stimme schnitt durch die Stille im Haus.

Oliver drehte sich nicht um, als Blake in den Flur trat, denn er wusste, dass seine Augen schon rot waren. Ein eindeutiger Hinweis darauf, dass er nahe daran war, die Kontrolle zu verlieren. Er war nicht in der Stimmung, sich mit seinem sogenannten Halbbruder auseinanderzusetzen.

„Was geht dich das an?“

„Schau mich an!“, befahl Blake.

„Bilde dir ja nicht ein, dass du plötzlich mein Aufpasser bist, nur weil Quinn und Rose dich gebeten haben, ein Auge auf mich zu haben.“ Die beiden Turteltauben waren für eine verspätete Hochzeitsreise zu Quinns altem Schloss in England gereist, aber leider hatten sie dafür gesorgt, dass Blake zuhause blieb.

„Ich bin nicht blind, Oliver. Ich kann sehen, was hier vor sich geht.“

Oliver machte einen weiteren Schritt in Richtung Tür. „Misch dich nicht in Dinge ein, die du nicht verstehst!“

„Du glaubst, ich verstehe dich nicht? Verdammt noch mal, ich bin schon lange genug in der Gesellschaft von Vampiren, um zu wissen, was hier vor sich geht.“

Er spürte, wie Blake sich näherte und spannte sich an. Eine Sekunde später legte sein Halbbruder die Hand auf seine Schulter. Oliver wirbelte herum und schleuderte ihn im Bruchteil einer Sekunde gegen die Wand, wo er ihn festhielt.

„Du denkst wirklich, dass du plötzlich ein Experte bist, nur weil du seit zwei Monaten mit uns zusammen lebst?“

Oliver musste es ihm lassen: Blake verzog keine Miene, obwohl Oliver ihn mit seinen bloßen Händen zerquetschen könnte, wenn er es wollte.

„Nein, aber wir leben als eine Familie zusammen. Ich wäre doch völlig bescheuert, wenn ich nicht sehen könnte, was du gerade durchmachst.“

Oliver knurrte. „Ich konnte dich besser leiden, als du noch bescheuert und ahnungslos warst. Bevor du herausgefunden hast, was wir sind.“

Blake schnaubte empört. „Ich war nie bescheuert und ahnungslos! Also, nimm deine verdammten Pfoten von mir. Ich weiß, dass du mich nicht verletzen wirst.“

„Wirklich nicht?“, stichelte er, obwohl er wusste, dass Blake recht hatte. Quinn würde ihn windelweich prügeln. Allerdings musste er Blake diese Tatsache ja nicht unter die Nase reiben.

„Quinn würde dich bestrafen“, meinte Blake.

„Du denkst, du bist ihm näher als ich? Du glaubst also, dass er auf deiner Seite steht, wenn es hart auf hart kommt?“

Um die Wahrheit zu sagen, bezweifelte Oliver, dass Quinn überhaupt eine Seite wählen würde. Während der kurzen Zeit, in der sie vier zusammenlebten, hatte Quinn immer versucht, unparteiisch zu bleiben, und hatte sich nicht in die Streitereien, die er und Blake regelmäßig hatten, eingemischt. Auch Rose hatte sich herausgehalten und behauptet, dass einfach viel zu viel Testosteron im Haus war, und es daher unvermeidlich war, dass es zu Streitereien kam.

Blake kniff die Augen zusammen. „Ich bin Quinns Fleisch und Blut. Und auch Roses.“

Oliver stieß ein bitteres Lachen aus. „Du hast kaum noch einen Tropfen seines Blutes in dir. Du bist sein verdammter vierter Urenkel! Sein Blut ist bereits so verdünnt, dass ich es nicht einmal mehr riechen kann. Aber das Blut, das in meinen Adern fließt, das Blut, das mich in einen Vampir verwandelt hat, ist immer noch stark. Und er weiß es. Ich bin sein Sohn.“

Blake schmunzelte plötzlich. „Fuck, du konkurrierst ja tatsächlich mit mir.“

Oliver wich etwas zurück und lockerte seinen Griff. „Es ist kein Wettbewerb, wenn sowieso schon feststeht, wer am Ende gewinnt.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher, kleiner Bruder. Du bist vielleicht ein Vampir. Aber glaube nicht, dass du stärker bist als ich.“

Oliver konnte nicht anders – er musste Blake von seinem hohen Ross herunterholen, bevor er zu selbstsicher wurde. „So hast du aber nicht gesprochen, als ich dich gebissen habe.“

Sofort errötete Blake wie eine reife Tomate, und seine Brust blähte sich auf wie bei einem Truthahn. Ja, Oliver konnte seinen wunden Punkt treffen, wann immer er es wollte.

Mit mehr Kraft als er erwartet hatte, stieß Blake ihn von sich, um sich zu befreien. Dann bohrte er seinen Zeigefinger in Olivers Brust.

„Ich schwöre dir, eines Tages wirst du dafür bezahlen. Deine verdammten Fänge werden nie wieder in meine Nähe kommen, oder ich drehe dir den Hals um.“

Blake griff mit seiner Hand hinter seinen Rücken, aber Oliver schnappte sie und packte das, was er hinten in seinem Hosenbund versteckt hatte.

Als Oliver das widerliche Ding inspizierte, schüttelte er seinen Kopf und winkte dann demonstrativ mit dem Gegenstand, den er Blake abgenommen hatte. „Und du hast immer noch nicht gelernt, dass ich schneller bin als du.“

Dann steckte er den Pflock in seine Jackentasche und richtete sich wieder an Blake. „Du solltest vorsichtig sein mit dem, was du in dieses Haus bringst. Wenn Quinn und Rose jemals herausfinden sollten, dass du dich hinter ihrem Rücken bewaffnest, werden sie sauer sein.“

„Sie haben doch auch Pflöcke im Haus! Und noch andere Waffen, die Vampire töten können“, verteidigte sich Blake.

„Ja, aber diese Waffen sind eingesperrt. So wie es sich gehört.“

„Heuchler!“

Oliver ließ das Wort an sich abprallen. Es hatte keinerlei Wirkung auf ihn. „Ich schlage vor, du kümmerst dich um deinen eigenen Dreck und lässt mich jetzt in Ruhe.“

„Sonst?”, forderte ihn sein Halbbruder heraus und hob trotzig das Kinn.

Idiot!

Wenn Blake wüsste, wie er ihn jetzt gerade provozierte . . . Wenn er wüsste, wie nahe Oliver daran war, auszurasten . . .

„Ich bin hungrig“, antwortete Oliver mit zusammengebissenen Zähnen. „Sehr hungrig. Und wenn du mir noch weiter in die Quere kommst, werde ich vergessen, was ich Quinn versprochen habe und mich gleich hier von dir ernähren. Und wenn ich damit fertig bin, wirst du dich nicht einmal daran erinnern können.“

Blake wich zurück und das Geräusch seiner Schuhe hallte in dem leeren Flur wider. „Das würdest du nie tun!“ Aber trotz seiner Worte zeigten seine Augen, dass er sich nicht ganz sicher war. Zweifel hatten sich in seinen Kopf eingeschlichen.

„Bist du dir da so sicher?“

So wie Oliver sich gerade fühlte, würde er seine Zähne egal wo hinein schlagen, solange das Ding einen Herzschlag hatte. Blakes dummer Versuch, ihn vom Ausgehen abzuhalten, hatte seine Blutgier zu weit getrieben. Der Hunger wurde immer stärker. Oliver fühlte den Schmerz in seinem Zahnfleisch. Er konnte seine Fangzähne nicht davon abhalten, sich zu verlängern. Im Bruchteil einer Sekunde erreichten sie ihre volle Länge.

Ein Knurren entriss sich seiner Kehle.

Seine Hände verwandelten sich in Klauen. Scharfe Widerhaken zierten jetzt seine Fingerspitzen. Damit könnte er einem Menschen in einer Sekunde die Kehle aufreißen.

Blake wich entsetzt zurück. „Scheiße!“

„Lauf!“, hauchte Oliver. Aber die Worte waren nicht für Blake bestimmt. Die Worte waren an ihn selbst gerichtet. „Lauf!“

Endlich reagierte sein Körper auf seinen Befehl. Oliver machte auf den Fersen kehrt und stürzte zur Tür, die in die Garage führte. Er fiel mehr als dass er die Treppe hinunterrannte und erreichte seinen dunklen Minivan, als eine weitere Welle unbändigen Hungers durch seinen Körper schoss.

Scheiße!

Er musste hier weg. Weit weg, oder er würde Blake wehtun, und er wusste, dass er sich das nicht erlauben konnte. So tief durfte er nicht sinken. Obwohl er und Blake bei jeder Gelegenheit stritten, waren sie eine Familie. Und Blake wehzutun würde bedeuten, Quinn zu enttäuschen. Und egal was jeder über seine Unfähigkeit, seinen Hunger zu beherrschen, dachte, eine Sache wollte er nicht verlieren: Quinns Unterstützung.

Oliver sprang in den Wagen. Er ließ den Motor aufheulen, schoss aus der Garage und raste die Straße hinunter.

Seine Hände umklammerten das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Eines Nachts würde er nicht mehr in der Lage sein, sich zurückzuhalten, und das Unvermeidliche würde geschehen: Er würde jemanden töten.

2

Ursula hörte die zielstrebigen Schritte, die im Flur hallten und wusste, was dies bedeutete. Der Wärter kam, um sie zu holen. Jedes Mal, wenn dies passierte, graute ihr davor. Man hätte meinen können, dass sie sich nach drei langen Jahren in Gefangenschaft endlich daran gewöhnt hätte, aber mit jedem Mal wuchs ihre Abneigung gegen das, was sie ihr antaten. Genauso wie es ihr vor der Angst graute, der Angst davor, dass sie den Kampf aufgeben und ihnen schließlich erliegen würde. Dass sie sich selbst verlieren würde und zu einem geistlosen Gefäß werden würde, das nur existierte, um die Bedürfnisse seiner Entführer zu stillen.

Zweimal pro Nacht, manchmal dreimal, holten sie sie. Sie spürte, dass sie immer schwächer wurde. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Und sie war nicht die einzige. Die anderen Mädchen waren in der gleichen Situation. Sie waren alle Chinesinnen wie sie selbst. Einige waren jung, andere älter. Doch das Alter schien keinen Unterschied zu machen, denn den Wärtern ging es nicht um die Schönheit der Frauen.

Sie war kaum einundzwanzig Jahre alt gewesen, als sie eines Abends in New York entführt wurde – auf dem Heimweg von einer Abendvorlesung der New York University. Es war ihr letztes Semester gewesen, aber nun würde sie das Studium niemals beenden können. Wie sie sich vor der Abschlussprüfung gefürchtet hatte, eifrig darauf bedacht, dass ihre Eltern stolz auf sie sein konnten! Wenn sie doch jetzt nur solch einfache Probleme hätte! Sie erschienen ihr nun so trivial, so einfach zu lösen.

Ursula erhob sich vom Bett, packte den Bettrahmen und schob das Bett näher an die Wand, um zu verstecken, was sie in den Holzbalken dahinter geschnitzt hatte: die Adresse und die Namen ihrer Eltern sowie eine Nachricht, um ihnen mitzuteilen, dass sie noch am Leben war. An jedem Tag, den sie überlebte, fügte sie ein Datum hinzu. Ihre eingeritzten Daten bedeckten mittlerweile nahezu den gesamten Bereich, der hinter dem Kopfteil verborgen war.

Sie hatte damit erst in diesem Gebäude angefangen, wo man sie nach ihrer eigenen Berechnung vor etwa drei Monaten hingebracht hatte. In ihrem früheren Gefängnis hatte es keine Möglichkeit gegeben, so etwas zu tun, da die Wände aus Beton gewesen waren. Warum sie hierher umgezogen waren, wusste sie nicht. Aber eines Nachts hatten sie einfach alles und jeden auf mehrere LKWs geladen und das Gebäude verlassen, in dem sie ihr blutiges Geschäft betrieben hatten.

Als der Schlüssel sich im Schloss drehte, blickte Ursula zur Tür. Die Tür öffnete sich und gab die Sicht auf den Wärter frei, der gekommen war, um sie zu dem Raum zu führen, wo dem nächsten Kunden schon das Wasser im Munde zusammenlief, während dieser darauf wartete sie zu kosten. Von allen Wachen hasste sie Dirk, der sie diesmal holte, am meisten. Er hatte sichtliches Vergnügen daran, sie leiden zu sehen und zu beobachten, wie sie Nacht für Nacht gedemütigt wurde.

Es waren immer mindestens vier Wachen auf Dienst für die etwa dreizehn Gefangenen – wenn sie richtig gezählt hatte – obwohl sich mehr Vampire im Gebäude befanden. Ob sie mit der Anzahl der Frauen richtig lag, konnte sie nie ganz sicher sagen: Vor kurzem waren zwei neue Frauen hierher gebracht worden. Auch war es schon eine Weile her, seit sie ein Mädchen namens Lanfen gesehen hatte. War sie gestorben? Hatten sie vielleicht doch zu viel aus ihrem zerbrechlichen Körper gewrungen? Ursula erschauderte bei dem Gedanken. Nein, sie konnte nicht aufgeben. Sie musste weiterkämpfen und hoffen, dass sie irgendwie gerettet werden würde.

„Du bist dran“, befahl Dirk mit einer Bewegung seines Kopfes.

Sie gehorchte, wie sie es immer tat, und setzte einen Fuß vor den anderen, wohl wissend, dass er tun würde, was auch immer notwendig war, um sicherzustellen, dass sie seinem Befehl folgte. Und Mittel und Wege dafür kannte er genug. Sie hatte alle bereits am eigenen Leibe erfahren und konnte mit Bestimmtheit sagen, dass sie keine seiner Methoden mochte.

Als sie mit hoch erhobenem Kopf an ihm vorbeiging, spürte sie, wie er sich bewegte. Sein Mund war plötzlich an ihrem Ohr.

„Ich beobachte dich am liebsten. Du hast mehr Mut als alle anderen zusammen. Das macht es umso aufregender. Habe ich dir jemals gesagt, wie mich das antörnt?“

Ein kalter Schauer des Ekels lief ihr über den Rücken.

„Ich muss mir danach immer einen runterholen.“

Ursula schloss die Augen und schluckte die Galle hinunter, die bei seinen Worten in ihr hochstieg. Wie konnte er es wagen, sie mit etwas zu verhöhnen, das für sie und die anderen Frauen, die sie entführt hatten, unerreichbar war?

Als sie sich umdrehte und ihn anfunkelte, lachte er nur.

„Oh, ich vergaß, das ist richtig, du kannst ja nicht kommen, oder? Trotz der Erregung, die wir dir erlauben zu spüren, wirst du nie zum Höhepunkt kommen. Schade.“

Ohne nachzudenken, spuckte sie ihm ins Gesicht. „Du krankes Schwein!“

Langsam wischte er die Spucke aus seinem Gesicht und starrte sie mit rot flackernden Augen an. Es dauerte nur eine Sekunde, bis seine Fangzähne zum Vorschein kamen. Dann schlug er ihre Wange mit der Rückseite seiner Hand so heftig, dass sie fürchtete, die Wucht würde ihren Kopf von ihren Schultern reißen.

Der Schmerz raste durch sie hindurch. Es war ein Gefühl, das sie gelernt hatte, in einem viel größeren Ausmaß zu ertragen, als sie es je für möglich gehalten hätte. Trotzig blickte sie ihn an. Es war ihr bewusst, dass er sie nicht noch mehr verletzen konnte. Sie war zu wertvoll. Er konnte nicht die Gans, die die goldenen Eier legte, töten. Sein Chef würde ihn dafür in Staub verwandeln, ohne auch nur einen Gedanken zu verlieren.

Dirk hielt sich mit allerletzter Kraft im Zaum, das konnte sie in seinen roten Augen und an der Art und Weise, wie die Sehnen an seinem Hals hervortraten, erkennen. Für einen Augenblick erfüllte es sie mit Stolz: Sie hatte ihn wütend gemacht.

Eins zu Null für den Menschen.

„Pass auf, Ursula, eines Tages wirst du dafür bezahlen!“

„Aber nicht heute, Vampir!“

Denn heute wartete ein Kunde auf sie. Und dieser wollte seine Ware makellos. Schließlich zahlte er einen hohen Preis dafür.

Ursula hatte gehört, wie die Wachen über die Summen redeten, die die Hände wechselten, und war schockiert gewesen. Zur gleichen Zeit hatte es ihr bewusst gemacht, wie wertvoll jede der Frauen war, die sie hier gefangen hielten. Und dass sie es sich nicht leisten konnten, auch nur eine davon zu verlieren. Diese Tatsache gab ihr ein kleines Gefühl von Macht.

Ursula drehte sich um und ging vor Dirk her. Sie unterdrückte den Drang, ihre Wange zu berühren, um den Schmerz zu lindern. Sie würde ihm nicht die Befriedigung geben, ihm zu zeigen, dass ihr Fleisch von seinem gewaltsamen Schlag brannte. Dafür hatte sie zu viel Stolz. Ja, sogar nach drei Jahren hatte sie ihren Stolz immer noch nicht verloren. Er half ihr weiterzumachen und heizte ihren Trotz an.

„Das blaue Zimmer“, befahl Dirk hinter ihr.

Sie bog um die Ecke und ging zu dem Zimmer am Ende des Flurs, vorbei an einem kleinen Fenster, das tagsüber Licht bieten würde, wäre es nicht von innen schwarz lackiert worden. Als sie den vertrauten Raum betrat, ließ sie ihre Augen herumschweifen. Es war ein Eckzimmer. Es gab zwei Fenster, eines mit Blick auf die Hauptstraße, das andere zu einer Straße, die in einer Sackgasse endete. Beide Fenster waren klein und es hingen schwere Samtvorhänge davor.

Im Gegensatz zu dem spärlich möblierten Schlafzimmer, in dem Ursula hauste, war dieser Raum aufwändig eingerichtet. Zwei große Sofas waren mit dem gleichen blauen Samt wie die Vorhänge gepolstert und dominierten den Raum. Ein kleiner Waschtisch war in einer Ecke versteckt. Daneben lagen Handtücher und eine Auswahl von Seifen. Ein Regal stand an einer Innenwand. Darauf standen Geräte für sowohl visuelle als auch akustische Unterhaltung, falls die Kunden so eine Ablenkung wollten. Die meisten lehnten sie ab.

Als sie hörte, wie die Tür hinter ihr ins Schloss fiel und der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde, blickte sie widerwillig den Mann an, der auf einem der Sofas saß.

„Sir“, sagte Dirk hinter ihr. „Darf ich Ihnen Ihr Abendessen und Ihre Unterhaltung für heute Abend präsentieren?“

Dann schubste er sie in Richtung des Vampirs und zischte hinter ihr: „Benimm dich, Ursula! Vergiss nicht, dass ich dich beobachte!“

Als ob sie das jemals vergessen könnte.

Der Fremde klopfte mit seiner Handfläche auf den Platz neben sich.

„Da dies Ihr erstes Mal ist, möchte ich die Regeln wiederholen“, unterbrach Dirk.

Der Kunde zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts und ließ einfach weiter seine Augen über ihren Körper schweifen. Seine Reißzähne lugten zwischen seinen Lippen hervor, und Ursula bemerkte, dass sie voll ausgefahren waren. Er versuchte, sich zivilisiert zu verhalten, obwohl unter seinem ruhigen Äußeren schon seine Ungeduld zu spüren war. Er hatte Hunger auf ein besonderes Vergnügen, das nur wenige je erleben würden.

„Sie können wählen, wo Sie von ihr trinken wollen. Aber Sie dürfen keinen Sex mit ihr haben.“

„Aber –“

Sein Protest wurde sofort von Dirk abgeschnitten. „Ich sagte: keinen Sex. Sie sind hier, um ihr Blut zu kosten, nicht ihre Muschi.“ Nachdem er ihm einen strengen Blick zugeworfen hatte, fuhr Dirk fort: „Sie werden dann aufhören, wenn ich es Ihnen befehle. Kein Widerspruch! Ihr Blut ist stark. Wenn Sie zu viel nehmen, ist es nicht abzusehen, was passieren kann.“

Der Vampir kniff die Augen zusammen. „Was meinen Sie damit?“

Dirk trat einen Schritt näher. „Ich meine, dass Sie ins Delirium fallen, wenn Sie zu viel trinken. Wie bei einer Überdosis. Verstehen Sie das?“

Er nickte.

„Dann machen Sie mal!“, forderte ihn Dirk auf und warf ihr einen Seitenblick zu.

Ursula wappnete sich für das, was kommen würde, als sie die wenigen Schritte zur Couch ging und vor dem Vampir stehen blieb. Blutegel nannte sie diese Kunden. Denn das war der Grund, warum sie hier waren: Um sich mit dem Blut der Frauen, die in diesem gottverlassenen Gebäude gefangen gehalten wurden, vollzusaugen.

Der fremde Vampir hob seine Augenlider und sah sie von Kopf bis Fuß an. Die Kälte in seinem Blick ließ sie frösteln. Aber sie unterdrückte den Schauer, der ihr den Rücken hinunterlaufen wollte. Die Gänsehaut auf ihrer Haut konnte sie jedoch nicht verhindern. Ein laszives Lächeln umspielte seine Lippen, als er es bemerkte.

„Ich nehme den Hals“, kündigte er an.

Das verstand sich ja von selbst! Die meisten dieser Blutegel taten das. Sie liebten es, ihre schmutzigen Fänge in ihren Hals zu schlagen, während sie sie an ihre abscheulichen Körper drückten und ihre harten Schwänze wie Tiere an ihr rieben. Wenige tranken von ihrem Handgelenk, und diejenigen, die es taten, machten sich schließlich und endlich doch über andere Bereiche ihres Körpers her, wenn sie die Kontrolle über sich verloren hatten und von Ursulas Blut betrunken wurden.

Das war auch der wahre Grund, warum immer ein Wächter im Raum anwesend war, der den Blutegel dazu bringen musste, seine Fangzähne von ihr zu lassen, sollte es sich herausstellen, dass die Dinge außer Kontrolle gerieten. Die Wachen waren zur Sicherheit der Frauen da. In Dirks Fall jedoch wusste Ursula, dass er besondere Freude darin fand, sie zu beobachten.

Ein Ruck an ihrer Hand sorgte dafür, dass sie ihr Gleichgewicht verlor. Sie landete auf dem Sofa. Bevor sie sich aufrichten konnte, war der Vampir bereits auf ihr, und sein starker Körper presste ihren Rücken in das weiche Sofakissen.

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Dirk bereits seinen Platz auf dem Sofa gegenüber eingenommen hatte, die Beine gespreizt und eine Hand auf seinem Schritt ruhend. Die andere machte das Walkie-Talkie von seinem Gürtel los und legte es neben ihm auf die Couch. Es sah so aus, als ob Dirk bereits während der Vorstellung anfangen wollte, seinen Schwanz zu bearbeiten, nur um sich hinterher noch schneller zum Höhepunkt zu bringen.

Angewidert schloss sie die Augen und presste ihren Kiefer fest zusammen. Sie würde es überleben, genau wie all die anderen Nächte zuvor. Sie musste einfach alles um sich herum ausblenden. An einen besseren Ort denken, an einen sicheren Ort.

Eine grobe Hand strich ihr langes schwarzes Haar von ihrem Hals weg und riss ihren Kopf zur Seite. Der heiße Atem des Vampirs benebelte ihre Sinne, während sein Kopf näherkam und sein Mund sich auf ihre verletzliche Haut legte. Instinktiv schauderte sie. Ein Grunzen kam über seine Lippen, kurz bevor er ihre Haut durchstach und seine Reißzähne in ihr Fleisch senkte.

Der Schmerz war nur vorübergehend. Die Demütigung dauerte länger. Das war nur der Anfang. Als er gierig ihr Blut trank, es wie ein Mann hinunterschluckte, der gerade einen Marathon gelaufen war, spürte sie Wellen durch ihren Körper rasen. Sie liefen von ihrem Hals ihren Oberkörper hinunter und krochen dann zu ihren Brüsten. Ihre Brustwarzen rieben bereits gegen ihr T-Shirt und der Reißverschluss der Lederjacke des Vampirs drückte schmerzhaft gegen ihre empfindliche Haut. Das Kribbeln erreichte ihre Brüste, vereinte sich mit den Schmerzen und schickte eine heiße Flamme durch ihren Körper.

Sie schrie auf, unfähig, ihren Kiefer weiter zusammenzubeißen. Ein Stöhnen aus der Kehle des Vampirs war die Antwort, bevor sie spürte, wie seine Hand über ihren Oberkörper wanderte, sie streichelte, sie drückte. Sie wusste, dass Dirk ihn nicht stoppen würde, solange er nicht versuchte, seinen Schwanz in sie zu stoßen, denn er genoss ihr Unbehagen, fast als könne er die Scham sehen, die sie durchflutete.

Scham, weil die Handlungen des Vampirs sie erregten.

Sie wusste, dass ihre Erregung nicht natürlich war, sondern nur eine Nebenwirkung der Fütterung, aber es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Dennoch war sie beschämt von der Art und Weise, wie ihr Körper reagierte. Wie ihr Becken sich ihm zuneigte, wie ihr Geschlecht sich gegen seine Erektion rieb, wie ihre Brustwarzen an den Zähnen seines Reißverschlusses Erleichterung suchten. Erleichterung, die ihr ihre Entführer seit drei Jahren verweigerten.

Mit jedem Zug an ihrer Vene überfluteten mehr dieser Empfindungen ihren Körper und entzündeten ein Bedürfnis in ihr, das unglaubliche Ausmaße annahm. Jedes Mal war es so. Es brachte sie dazu, sich liederlich unter jedem Vampir zu bewegen, der je von ihr getrunken hatte, und sich an die Fremden zu reiben, die ihren Körper auf diese Weise schändeten, die von ihr nahmen, was sie nicht bereit war zu geben.

Aber so sehr sie auch dagegen ankämpfte, so wie sie es jetzt mit ihren Fäusten tat, die gegen ihn schlugen, während sich gleichzeitig der Rest ihres Körpers aus einem ganz anderen Grund gegen ihn drückte, so wusste sie doch, dass sie die heutige Schlacht nicht gewinnen würde. Die Vampire waren immer stärker als sie, ihre Körper hart und schwer, ihr Einfluss auf sie unerbittlich, und ihre Zähne waren so tief in ihrem Hals vergraben, dass sie es nicht wagte, ihren Kopf zu drehen, aus Angst, dass ihr die Kehle herausgerissen würde.

Selbst als ihr Tränen in die Augen traten, keuchte sie wie eine läufige Hündin und ihr Stöhnen vermischte sich mit dem des Vampirs, der sich von ihr ernährte.

Lieber Gott, lass es vorbei sein, betete sie.

Aber genau wie in jeder Nacht kam niemand zu ihrer Rettung. Genauso wie keiner den anderen Frauen zu Hilfe kam, die ihr Los teilten. Selbst jetzt hörte sie ähnliche Geräusche aus einem Zimmer nebenan, nur lauter und wie es schien, brutaler. Sie fühlte eine Seelenverwandtschaft mit den anderen Frauen und wusste, was sie durchmachten. Ihr Herz weinte für diese Frauen, weil es nicht in der Lage war, für sich selbst zu weinen. Nein, sie konnte es sich nicht erlauben, sich zu bemitleiden, denn sonst würde sie ihre Entschlossenheit und ihre Kraft verlieren.

Die Hände des Vampirs wurden weniger zielsicher, so wie die Bewegungen eines Betrunkenen schließlich unkoordiniert wurden. Bald würde er von ihr ablassen. Bald würde ihre Qual vorbei sein.

Ein Knistern aus dem Walkie-Talkie drang plötzlich zu Ursulas Bewusstsein durch. Dann kam eine Stimme aus dem Gerät.

„Rotes Zimmer, ich brauche Hilfe. Sofort! Der Kunde greift das Mädchen an! Ich brauche Verstärkung!“

Dirk sprang fluchend von seinem Sofa hoch. „Scheiße! Ich bin unterwegs.“

Er lief zur Tür und öffnete sie, als ein Schrei vom anderen Ende des Flurs ertönte, wo sich das rote Zimmer befand.

„Fuck!“

Dann wurde die Tür zugeschlagen und Dirk war verschwunden.

Ursula wartete ein paar Sekunden, lauschte aufmerksam, aber kein weiterer Laut kam von der Tür: Er hatte nicht abgesperrt.

War das ihre Chance?

3

Ursula versuchte, sich vorsichtig unter dem großen Vampir zu bewegen und testete gleichzeitig, wie reaktionsfähig er war. Sie nahm einen seiner Arme, hob ihn hoch und bemerkte, wie bereitwillig er sich von ihr leiten ließ.

„Oh, ja“, stöhnte sie. „Nimm mehr!“

Er musste mehr von ihrem Blut trinken, damit sie ihn überwältigen konnte. Sie hatte die Wirkung, die ihr Blut hatte, bei mehreren anderen Vampiren gesehen. Wenn die Wache nicht rechtzeitig eingriff – sei es bei einem Neukunden oder jemandem, der noch nicht an ihr Blut gewöhnt war – konnte der Blutsauger wie ein Betrunkener ohnmächtig werden. Sie hoffte, diesen Vampir dazu zu bringen, auf die gleiche Weise zu erliegen.

Aber es musste schnell gehen. Dirk würde nicht für immer weg bleiben, und was in dem roten Zimmer passierte, würde schließlich und endlich geregelt werden. Dann würde er zurückkehren, und ihre Chance zu entkommen würde sich im Nu in Rauch auflösen.

In dem Bemühen, den Vampir dazu zu bringen, mehr von ihrem Blut zu nehmen, drückte sie ihr Becken gegen ihn und legte ihre Hand auf seinen Hintern. Sie packte fest zu. Sie wusste inzwischen genug über Vampire, dass ihr klar war, dass deren sexuelle Triebe eng mit deren Drang, sich zu ernähren, verbunden waren. Je mehr sie ihn antörnte, umso fester würde er an ihrer Vene saugen, und desto mehr Blut würde er trinken. Und desto schneller konnte sie ihm eine Überdosis verabreichen.

Warum ihr Blut und das der anderen Frauen diese Eigenschaft hatte, wusste sie nicht. Und in diesem Augenblick kümmerte es sie auch nicht. Alles, was im Moment wichtig war, war, wie schnell sie ihn betäuben konnte.

„Das ist gut, mehr!“, ermutigte sie ihn und hörte ihn zur Antwort stöhnen.

Seine Hand bewegte sich hoch, als ob er ihr Gesicht streicheln wollte, aber fiel stattdessen schlaff auf das Sofakissen.

Ein weiterer Schrei aus dem Zimmer am Ende des Korridors sandte eine Schockwelle durch ihren Körper. Dann hörte sie Schritte im Flur. Nein!

Bitte lass es nicht Dirk sein!

Sie hielt den Atem an, aber zu ihrer Erleichterung rannte die Person an ihrem Raum vorbei, und das Geräusch der Fußstapfen wurde immer schwächer. Jetzt oder nie! Wenn eine weitere Wache im roten Zimmer aushalf, würde Dirk nicht mehr benötigt werden und zurückkehren.

Plötzlich spürte sie, wie der Vampir schlaff wurde. So vorsichtig sie konnte griff sie seinen Kopf und drückte ihn langsam von sich weg, damit er sie nicht mit seinen Fängen verletzen konnte. Aber sie hätte keine Befürchtungen haben müssen: Seine Fangzähne waren schon wieder eingefahren. Allerdings war er ohnmächtig geworden, bevor er die Wunde an ihrem Hals geleckt hatte. Deshalb blutete sie. Hätte er sie geleckt, dann hätte sein Speichel die Wunde versiegelt und die Blutung gestoppt.

Mit all ihrer verbleibenden Kraft – und es war nicht mehr viel, da sie bereits die Auswirkungen des Blutverlustes spürte – rollte sie ihn zur Seite, sodass sie unter ihm hervor rutschen konnte. Schwer atmend setzte sie sich auf, aber sie hatte keine Zeit, um Atem zu holen. Dirk konnte jede Sekunde wieder kommen.

Sie sprang auf und ihre Knie knickten fast ein, aber mit all ihrer Willenskraft trieb sie sich an, hielt dabei eine Hand gegen die blutende Halswunde gedrückt, die andere vor sich ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Da sie wusste, dass sie durch die Fenster in diesem Zimmer niemals entkommen würde, weil sie sich beim Hinausspringen aus dem dritten Stock den Hals brechen würde, stolperte sie zur Tür und riss sie auf.

Der Flur war leer. Sie schloss die Tür hinter sich und lief in die Richtung zurück, aus der sie kurze Zeit zuvor gekommen war. Es gab nur einen Ausweg aus diesem Stockwerk. Sie würde es nie durch die unteren Etagen schaffen, wo die Rezeption sowie die Wohnräume der Vampire lagen, die hier arbeiteten.

Es gab eine Feuerleiter. Sie hatte sie eines Nachts bemerkt, als einer der Vampire das geschwärzte Fenster am Ende des Korridors geöffnet hatte, dort wo der Gang abbog. Die Feuerleiter war ihre einzige Chance.

Sie lief auf das Fenster zu und stolperte einige Male, bis sie es erreichte. Verzweifelt versuchte sie, den unteren Teil des alten Schiebefensters hochzuschieben, aber es bewegte sich nicht. Panik stieg in ihr hoch. Hatten sie es zugenagelt? Sie versuchte es nochmals, diesmal heftiger. Ihr Atem verließ sie und sie senkte den Kopf.

Warum? Warum?, fluchte sie innerlich und schlug mit der Faust gegen den Rahmen.

Dann fiel ihr Blick auf die Metallverriegelung an der Oberseite des Rahmens. Das Fenster war verschlossen. Es war eines jener alten Schlösser von vor Jahrzehnten, mit denen das Fenster verriegelt werden konnte: Es hatte einen kleinen Hebel, den man von einer Seite zur anderen schob. Kein Schlüssel war nötig.

Mit einem Blick über die Schulter entriegelte sie schnell das Fenster, dann schob sie es hoch. Kühle Nachtluft drang in den schwülen Flur und ließ sie frösteln. Ihr Blick fiel auf die Metallplattform, die außerhalb des kleinen Fensters angebracht war. Die Feuerleiter hing von dort nach unten.

Rasch zwängte sie sich durch das offene Fenster und setzte ihre Füße auf die Plattform, um zu testen, ob sie sie tragen würde. Das Metallgitter bog sich unter ihrem Gewicht, und ihr Blick fiel auf die Verankerung, mit der es gesichert war. Es war zu dunkel, um viel zu sehen, aber sie hätte darauf wetten können, dass das Metall verrostet war.

Sie packte das Geländer und machte ihren ersten zaghaften Schritt, dann einen weiteren. Dann setzte sie einen Fuß auf die Metallleiter und stieg eine Etage hinunter, dann eine weitere. Auf Höhe der ersten Etage blieb sie stehen. Die Leiter ging nicht weiter. Panisch sah sie sich auf der Plattform um und entdeckte einen Stapel aus Metall. Dies schien eine Leiter zu sein, zusammengefaltet wie der Luftbalg eines Akkordeons. Sie trat mit dem Fuß dagegen, aber nichts bewegte sich. Sollte die Leiter nicht ganz bis zum Boden reichen?

Vorsichtig trat sie darauf und brachte mehr Gewicht auf das, was offenbar die unterste Stufe sein sollte. Ihre Hände ergriffen eine Metallschiene, und unter ihren Fingern ertastete sie einen Haken. Sie zog daran.

Auf einmal brach die Hölle los. Die Leiter wurde plötzlich frei, fuhr sich lautstark zu ihrer vollen Länge aus und nahm sie mit sich nach unten, während sie mit ihren Füßen noch immer auf der untersten Stufe stand. Der nahezu freie Fall sandte Adrenalin durch ihre Adern, doch Sekunden später kam sie auch schon wieder zum Stillstand. Ihr Körper wurde gegen die Leiter geschleudert. Ein Metallstab brach entzwei und schnitt sich in ihren Oberarm. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie. Sie schlug ihre Hand auf die Wunde und versuchte die Schmerzen zu verdrängen.

Aber sie durfte keine Zeit verlieren. Die Vampire hatten sicher den Lärm gehört und würden nachsehen, was passiert war.

Blindlings lief sie aus der Gasse und in die nächste Straße. Sie wusste nicht, wo sie war. Als sie und die anderen Frauen an diesen Ort gebracht worden waren, war es Nacht gewesen, und sie waren aus einem dunklen, fensterlosen Lastwagen in das Gebäude getrieben worden, ohne eine Chance zu haben, sich in der Gegend umzublicken. Sie wusste nicht einmal, in welcher Stadt sie sich befand.

Ursula rannte vorbei an einem Schild einer Import/Export-Firma, stürzte in die nächste Straße und lief so schnell sie konnte. Die Straßen waren menschenleer, so als ob diese Gegend nicht von Menschen aufgesucht wurde. Irgendwo in der Ferne hörte sie Autos, aber sie sah niemanden.

Als sie lief, versuchte sie, ihre Umgebung wahrzunehmen und sich im Geist Notizen von Straßenschildern und Gebäuden zu machen, an denen sie vorbeilief.

Ihre Lunge brannte vor Erschöpfung, und ihr Arm schmerzte nach der Begegnung mit dem Metallstab. Sie spürte, wie immer noch Blut ihren Hals hinunterlief. Wenn sie die Wunde nicht schließen konnte, dann würde sie verbluten. Sie musste Hilfe finden. Gleichzeitig musste sie so weit wie möglich von ihren Entführern weg kommen, denn diese waren wie Bluthunde. Sie würden ihr Blut riechen und würden sie aufspüren.

Sie bog in die nächste Straße ein, ohne ihr Tempo zu verlangsamen. Sie lief bereits mit letzter Kraft, und sie wusste es. Aber sie konnte nicht aufgeben. Sie war so weit gekommen, und die Freiheit lag um die nächste Ecke. Sie konnte sie sich nicht durch die Finger gehen lassen. Nicht jetzt, wenn sie zum Greifen nahe war!

Vor ihren Augen verschwamm alles, und sie erkannte, dass der Blutverlust ihr ihre letzten Kräfte raubte. Sie stolperte, dann fing sie sich noch einmal. Ihre Hände packten etwas Weiches. Dicken Stoff. Ihre Finger krallten sich hinein, während starke Hände sie hochzogen.

„Was zum Teufel?“, fluchte eine männliche Stimme.

„Helfen Sie mir!“, bettelte sie. „Sie sind hinter mir her. Sie jagen mich.“

„Lass mich in Ruhe!“, brummte der Fremde und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt.

Sie hob ihren Kopf und sah ihn zum ersten Mal an. Er war jung, kaum älter als sie selbst. Sogar attraktiv, wenn sie diese Einschätzung mit ihrem benebelten Geist überhaupt vornehmen konnte. Sein Haar war dunkel und etwas zerzaust, seine Augen durchdringend, seine Lippen voll und rot.

Trotz seiner Worte hielt er sie immer noch und stützte sie, sonst wäre sie zusammengesackt.

Sie blickte direkt in seine erstaunlich blauen Augen und flehte ihn nochmals an: „Hilf mir, bitte, ich gebe dir, was du willst. Bring mich hier raus! Zur nächsten Polizeistation! Bitte!“

Sie brauchte Hilfe. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für die anderen Frauen. Sie hatten einander versprochen, dass, wenn es jemals eine von ihnen schaffen würde zu entkommen, sie Hilfe für die anderen schicken würde.

Seine Augen verengten sich ein wenig, während sich seine Stirn in Falten legte. Seine Nasenflügel bebten. „Was ist denn los?“

„Sie jagen mich. Du musst mir helfen.“

Plötzlich packten seine Hände ihre Oberarme fester, und der Schmerz in ihrer Wunde intensivierte sich.

„Wer jagt dich?“, zischte er.

Sie konnte ihm die Wahrheit nicht sagen, denn die Wahrheit war zu fantastisch. Er würde ihr nicht glauben, sondern denken, dass sie eine verrückte Drogenabhängige wäre, wenn sie ihm von den Vampiren erzählte. Trotzdem brauchte sie seine Hilfe. „Bitte hilf mir! Ich tue alles, was du willst.“

Er sah sie durchdringend an. Seine Augen bohrten sich in ihre, fast so, als versuchte er festzustellen, ob sie betrunken war oder verrückt oder vielleicht sogar beides.

„Bitte. Hast du ein Auto?“

Sie bemerkte, wie seine Augen kurz zu einem dunklen Minivan wanderten, der am Straßenrand geparkt war. „Warum?“

„Weil ich von hier weg muss! Sonst werden sie mich finden!“ Sie warf einen nervösen Blick über ihre Schulter. Bisher hatten die Vampire sie noch nicht eingeholt, aber sie konnten nicht mehr weit weg sein. Und dieser Mann war weit und breit noch immer der einzige Mensch. Wenn er ihr nicht half, dann würde sie es nicht schaffen. Sie konnte nicht mehr weiterlaufen.

„Hör zu, ich schere mich nicht drum, in was für einer Klemme du steckst. Ich habe genug Probleme.“ Er ließ ihre Arme los und sie wäre gefallen, wenn sie nicht sofort das Revers seines Mantels ergriffen hätte.

Er starrte sie an. „Ich sagte –“

Ihre Verzweiflung brachte sie dazu, Worte zu sagen, von denen sie gedacht hätte, dass sie sie nie äußern würde. „Ich schlafe mit dir, wenn du mir hilfst.“

Er erstarrte mitten in seiner Bewegung und seine Augen schweiften plötzlich über ihren Körper. Seine Nasenflügel bebten gleichzeitig wieder. Aus Angst, dass er etwas sehen würde, das ihm nicht gefiel, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf zu sich. Ihre Lippen fanden seine einen Augenblick später.

4

Oliver spürte die warmen Lippen des fremden asiatischen Mädchens auf seinem Mund, als sie ihn küsste, während der Geruch von Blut ihn ummantelte. Fantasierte er? Ganz bestimmt. Nichts anderes ergab einen Sinn. Warum sonst würde sich eine schöne junge Frau ihm an den Hals werfen und ihm Sex im Austausch für eine Fahrt aus dieser zwielichtigen Gegend anbieten? Und warum roch sie so verlockend nach Blut, wenn er doch von seiner Fütterung vor ein paar Minuten vollständig gesättigt war?

Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, schlang er seine Arme um sie und zog sie näher. Ihre Lippen schmeckten süß und sauber. Das bedeutete, dass sie nicht auf der Straße lebte. Trotz des Geruchs von Blut, der an ihr hing, roch ihr Körper sauber und frisch. War sie in eine körperliche Auseinandersetzung geraten, oder waren seine Sinne heute Nacht so geschärft, dass er ihr Blut so intensiv riechen konnte, als ob es aus ihrem Körper quoll?

Als seine Zunge über ihre Lippen schweifte, teilten sich diese sofort und erlaubten ihm, in sie einzudringen und sie zu erforschen. Obwohl er ein Fremder für sie war, lud sie ihn ein, mit ihr zu spielen und mit ihrer Zunge zu tanzen, ihre Zähne zu lecken, und sie leidenschaftlicher zu küssen, als er eine Frau seit langem geküsst hatte. War dies eine Vorschau darauf, wie sie im Bett sein würde? Leidenschaftlich, sinnlich, wild? Hatte sie ihm wirklich Sex angeboten?

Bei dem Gedanken daran begann sein Schwanz anzuschwellen.

Angefeuert durch die Art und Weise, wie sie sich an ihn schmiegte und ihn mit Hingabe küsste, intensivierte er seinen Kuss und zeigte ihr damit, dass er ihr Angebot annahm. Er würde ihr eine Fahrt heraus aus dieser Gegend bieten, und danach würde er ihr den Ritt ihres Lebens geben. Sobald sie den Bayview Bezirk hinter sich gelassen hatten, würde er den Minivan parken und sie auf der Rückbank vernaschen.

Mit jeder Sekunde wurde ihm heißer. Er bewegte seine Hand ihren Rücken hinunter und packte ihren in Jeans gekleideten Po. Ein Stöhnen kam von ihren Lippen, und er zog sie näher, aber sein dicker Mantel hinderte ihn daran, seinen harten Schwanz gegen sie zu drücken.

Bevor er eine Chance bekam, seinen Mantel aufzuknöpfen, damit er ihren Körper näher an seinem spüren konnte, sackte das Mädchen in seinen Armen zusammen. Sie bewegte sich nicht mehr.

Geschockt ließ Oliver von ihren Lippen ab und starrte sie an. Sie war bewusstlos.

Verdammt, was hatte er jetzt angestellt?

Als ihr Kopf nach hinten sackte, fiel ihr langes schwarzes Haar zurück und entblößte ihren Hals. In dem Moment sah er sie: die beiden kleinen Stichwunden, die nur von einer Art Waffe verursacht werden konnten: von den Fängen eines Vampirs.

Blut sickerte noch heraus. Instinktiv drückte er seine Finger darauf, um die Blutung zu stoppen. Kein Wunder, dass er Blut gerochen hatte. Zwei Dinge wurden ihm sofort klar: Es befand sich ein Vampir in der Gegend, und dieser hatte das Gedächtnis des Mädchens nicht gelöscht, nachdem er sich von ihr ernährt hatte. Außerdem hatte er seine Mahlzeit nicht beendet, denn er hatte ihre Wunden nicht geleckt. Kein Wunder, dass das Mädchen behauptet hatte, dass jemand hinter ihr her war.

Scheiße!

Olivers Augen schweiften hastig in der Gegend umher. In der Ferne hörte er eilige Schritte. Jemand rannte, aber er konnte niemanden sehen. Doch es war egal, wer es war. Oliver konnte nicht mit dem Mädchen in seinen Armen hier stehen bleiben. Egal ob es ein Mensch oder ein Vampir war, der sich näherte, keiner durfte ihn hier finden. Ein Mensch in dieser Gegend war wahrscheinlich ein Verbrecher, und Oliver war nicht in der Stimmung für einen Kampf, und wenn es der Vampir war, der sich von ihr ernährt hatte, wäre dieser völlig angepisst, dass sie ihm entkommen war. Und auf einen Kampf mit einem stinksaueren Vampir war er noch viel weniger scharf!