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Nr. 2638

 

Zielpunkt Morpheus-System

 

Mondra Diamond auf Orontes – ihre Friedensverhandlungen scheitern

 

Marc A. Herren

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Seit dem dramatischen Verschwinden des Solsystems mit all seinen Bewohnern hat sich die Situation in der Milchstraße grundsätzlich verändert.

Die Region um das verschwundene Sonnensystem wurde zum Sektor Null erklärt und von Raumschiffen des Galaktikums abgeriegelt. Fieberhaft versuchen die Verantwortlichen der galaktischen Völker herauszufinden, was geschehen ist. Dass derzeit auch Perry Rhodan mitsamt der BASIS auf bislang unbekannte Weise »entführt« worden ist, verkompliziert die Sachlage zusätzlich. Um die LFT nicht kopflos zu lassen, wurde eine neue provisorische Führung gewählt, die ihren Sitz auf dem Planeten Maharani hat.

Perry Rhodan kämpft indessen in der von Kriegen heimgesuchten Doppelgalaxis Chanda gegen QIN SHI. Diese mysteriöse Wesenheit gebietet über zahllose Krieger aus unterschiedlichen Völkern und herrscht nahezu unangefochten in Chanda. Um ihre Macht zu brechen, benötigt Rhodan Unterstützung und Verbündete. Zuerst muss er jedoch zu seiner Gefährtin Mondra Diamond zurück, mit ZIELPUNKT MORPHEUS-SYSTEM ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mondra Diamond – Perry Rhodans Gefährtin kämpft um Frieden mit den Todringern.

Martin Felten – Ein Versicherungsfachmann muss sich im Weltraum bewähren.

Sinaid Velderbilt – Die Ertruserin spielt Leibwache und Kindermädchen.

Electra Pauk – Die Kommandantin der CHISHOLM steckt voller Tatendrang.

1.

Uruve

 

»Sicher?«

Mandary Sing hing eine feuerrote Haarsträhne in die Stirn, bis knapp über die Augenbrauen, die ebenso rot waren. Sie schwor bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass es sich um ihre natürliche Farbe handelte – kein künstliches Zeug, wie sie es nannte.

Uruve Lehov, seines Zeichens Ortungsoffizier der TUBLIR, eines 300-Meter-Kreuzers der LUNA-Klasse, und momentan Stellvertretender Kommandant des Schiffes, nickte bedächtig. »Selbstverständlich bin ich sicher. Die Ortungsergebnisse sind eindeutig. Und ich bin nicht umsonst ...«

»... Stellvertretender Kommandant, ich weiß«, beendete Mandary seinen angefangenen Satz. Immerhin grinste sie dabei. Offenbar hielt sie ihn nicht für einen Trottel wie die meisten anderen Frauen; ein militärisch geschulter Trottel, perfekt in seinem Job, aber ... ein Trottel.

Ihre nächsten Worte versetzten Uruve allerdings einen Dämpfer: »Aber nur in der Nachtschicht zwischen null und acht Uhr, wenn der echte Chef an Bord sein tägliches Nickerchen hält.«

»Also ... ich meine ... ich ...«

Wieso geriet er bloß immer ins Stottern, wenn es um Mandary ging? Wie gut, dass er im Pilotensessel saß und sie in dem des Kommunikationsoffiziers – etwa fünf Meter lagen zwischen ihnen. Da konnte sie hoffentlich nicht erkennen, wie ihm leichte Röte ins Gesicht stieg.

Sie lachte, aber nicht spöttisch, und es sah bezaubernd aus. Alles an ihr sah bezaubernd aus, sogar die Standarduniform, die sie anscheinend eine Nummer zu klein gewählt hatte, sodass sie sich wie eine zweite Haut um den Oberkörper legte und ihre atemberaubenden Formen regelrecht anpries.

»Lass gut sein, Uruve«, erlöste sie ihn aus seiner Qual, die richtigen Worte zu finden. »Du weißt doch, dass ich dich mag, oder?«

»Klar.« Er hoffte, dass es etwas lässiger klang, als er sich fühlte. So, wie das Wort seine wahre Gefühlslage verriet, kaschierte sie der Tonfall, der eher an das Maunzen eines verschreckten Kätzchens erinnern, als an einen lang gedienten Offizier der terranischen Raumflotte. »Aber zurück zur Sache: Diesen Planeten können wir als Basis vergessen.«

»Sooo viel schlechter als die Höllenkugel Orontes scheint mir der Planet nicht zu sein.«

»Misstraust du der Fernanalyse? Dann warte mal ab ...«

Die TUBLIR flog langsam durch die Atmosphäre einer Welt, von der sich Uruve und Mandary mehr erhofft hatten.

Ihr Schiff war seit Tagen unterwegs. Die Besatzung suchte in der Umgebung des Morpheus-Systems nach einer möglichen neuen Basiswelt für die Versprengten aus der BASIS unter der Führung von Mondra Diamond.

Diese neue Zuflucht war dringend nötig, denn sie würden nicht länger bei den Todringern von Orontes bleiben. Ihr Exil dort war von vornherein zeitlich befristet gewesen – eine Frist, die nun unaufhaltsam ablief. Also suchten sie eine neue Basiswelt, auf der sie überleben konnten, bis ...

Ja, bis wann?, fragte sich Uruve. Bis sich irgendetwas änderte? Bis sie eine Möglichkeit fanden, in die heimatliche Milchstraße zurückzukehren? Bis sich Perry Rhodan meldete, der irgendwo in den Weiten dieser Galaxis unterwegs war, und eine wunderbare Lösung aus dem SERUN-Helm zauberte? Bis ...

Er schüttelte den Kopf. Eines war so unwahrscheinlich wie das andere. Am besten sollte er gar nicht länger darüber nachdenken; es frustrierte nur.

Ein Orterholo zeigte die Umgebung des Schiffes. Die TUBLIR zog über einer kargen Landschaft hinweg. Diese Welt sah hässlich aus, was immer man darunter verstehen mochte, und wäre in der Milchstraße wahrscheinlich nicht einmal dann für ein Planetenforming-Programm infrage gekommen, wenn sie im Innensektor der Liga Freier Terraner gelegen hätte.

Die Atmosphäre bestand hauptsächlich aus Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid und einer hohen Konzentration Schwefeldioxid. Die Tier- und Pflanzenwelt schien sich gerade erst zu entwickeln – oder war bereits wieder im Aussterben begriffen. Gewaltige Stürme zogen über die Kontinente. Seismische Beben schienen an der Tagesordnung zu sein.

Aus einer Insel in einem gelbbraunen Schwefelsee unter ihnen schoss eine viele Dutzend Meter breite und hohe Wasserfontäne wie ein Geysir. Das Wasser verdampfte und ließ alles unter einer gigantischen Wolke aus nebligem Gelb verschwinden.

Uruve zog die TUBLIR höher, den oberen Atmosphäreschichten entgegen. Sicherheitshalber aktivierte er den Schutzschirm, unterdrückte jedoch den automatischen Alarm, der damit einherging – es war nicht nötig, dass die übrige Mannschaft in ihrer Nachtruhe gestört wurde.

Das Schiff geriet in die Ausläufer des Sturms, den die verdampfenden Flüssigkeiten und die extremen Temperaturunterschiede blitzartig entfachten. Es entstand jedoch keine ernsthafte Gefahr.

In der gigantischen Wolke tauchte unvermittelt ein rotes Glühen auf, als verfärbten sich die Schwaden blutig. Eruptionen von glutflüssigem Gestein stießen ins Freie, jagten Hunderte Meter hoch in die Atmosphäre, stürzten zurück und begruben die Landschaft rund um den See unter sich.

»Gut«, sagte Mandary Sing in sarkastischem Tonfall. »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst.«

Er deutete auf das Holo mit den Daten und Analysen der Fernortung. »So sieht es überall auf dem Planeten aus. Man kann nirgends sicher sein. Die Tektonik ist ... gestört. Erdbeben, plötzliche Vulkanausbrüche im flachen Land – wir müssten ständig damit rechnen, einem Desaster zum Opfer zu fallen. Die Analysen gehen davon aus, dass es diese dauernde Abfolge von Katastrophen noch nicht lange gibt. Etwas muss dort vor relativ kurzer Zeit geschehen sein.«

Die TUBLIR verließ die Atmosphäre, beschleunigte, und Uruve bereitete eine knappe Überlichtetappe vor.

»Relativ kurz?«, fragte Mandary. »Kosmisch gesehen oder menschlich?«

»Was meinst du damit?«

»In kosmischen Maßstäben wären ein paar Jahrhunderte oder Jahrtausende relativ kurz. In der MSZ hingegen wäre das eine Ewigkeit.«

»MSZ?«

Sie grinste wieder, diesmal noch breiter. Entzückend. Absolut entzückend. Es war ein Glück, mit ihr allein Nachtschicht in der Zentrale zu schieben, während die gesamte übrige Besatzung ihre wohlverdiente Nachtruhe hielt. »Mandary-Sing-Zeitrechnung.«

Das Schiff näherte sich der Geschwindigkeit, bei der die Überlichtetappe beginnen konnte. Sie zogen bereits an einer weiteren Welt des bislang namenlosen Achtplanetensystems vorbei, als die Ortersysteme eine Entdeckung meldeten.

Was haben wir schon zu verlieren außer ein paar Minuten?, dachte Uruve Lehov und bremste das Schiff ab. Er analysierte die eingehenden Daten.

Mandary verließ ihren Platz, stellte sich neben ihn. So nah, dass er sie riechen konnte. Er hatte nie herausgefunden, welches Parfüm sie benutzte. »Was ist?«

Jede Verwirrung wegen Mandary und seinen Gefühlen für sie war wie weggeblasen. Es ging um Wichtigeres. In seiner Arbeit war Uruve absolut sicher, zielstrebig und gewissenhaft. Unsicherheit in Berufsdingen konnte man sich nicht leisten, wenn man als Raumfahrer diente.

»Die Orter suchen noch weiter wegen meiner Routine-Abfrage über den Planeten«, erklärte er. »Sie haben ein havariertes Raumschiff entdeckt.«

»Sollen wir uns darum kümmern?«, fragte Mandary. »Ich meine, was geht es uns an? Es ist irgendein abgestürztes Schiff auf irgendeiner Welt, die wir nur zufällig angeflogen haben. Oder – gibt es ein Notsignal? Braucht jemand unsere Hilfe?«

»Kein Notruf. Warte.« Uruve nahm einige Schaltungen vor, steuerte die TUBLIR zurück zum Planeten. Nachsehen schadete nichts, und vielleicht gab es ...

Ein Signal riss ihn aus den Gedanken. Die Orter meldeten mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit eine Übereinstimmung mit einem bekannten Typus. Das abgestürzte Schiff war zwar ein zertrümmertes Wrack, aber eine Rekonstruktion aufgrund einer Analyse der Vergleichsdatenbank legte die ursprüngliche Form nahe.

250 Meter lang, etwa 50 Meter breit, mit Schwingen versehen, die in einer Art nach hinten gebogener Klaue endeten ...

Sie standen inzwischen wieder nahe genug am Planeten, um einzelne Trümmerstücke genauer unter die Lupe nehmen zu können. Sie wiesen eine Kennzeichnung mit fremden Symbolen auf; wäre das Schiff noch intakt, sähe es wohl aus, als sei es mit einer Art Kriegsbemalung bedeckt.

»Ein Schiff der Quolnäer Keretzen«, kommentierte Mandary, die die Rekonstruktion ebenso erkannt hatte wie er. Mit diesen Schwingenraumern und vor allem ihren Besatzungen hatten die Versprengten der BASIS üble Erfahrungen sammeln müssen.

Die Quolnäer Keretzen waren ein körperlich kleines Volk; die Gesichter wurden von überdimensionierten, nach unten gebogenen Stoßzähnen dominiert. Sie hatten sich extrem aggressiv gezeigt und verfügten über eine makabre Paragabe; sie vermochten einen Todesimpuls auszustoßen, mit dessen Hilfe sie sich zwar selbst töteten, aber auch alle Wesen im Umfeld mit in den Untergang rissen.

»Das ist keine Party, an der ich teilnehmen möchte«, ergänzte Mandary.

»Dort unten lebt keiner mehr.«

»Sicher?«

»So sicher, wie ich nach einer Ortung aus der Ferne nur sein kann. Vielleicht können wir Informationen sammeln, wenn wir uns die Trümmer genauer anschauen.«

»Oder vielleicht kommen die Begleiter dieser Schiffbrüchigen zurück«, gab Mandary zu bedenken.

Die TUBLIR drang wieder in die Atmosphäre ein, direkt über dem Absturzort. Das Schiff war offenbar mit großer Wucht eingeschlagen und hatte sich tief in das Erdreich und das Gestein gebohrt. Rundum war die Landschaft völlig verheert. Gewaltige Explosionen hatten tiefe Krater gerissen und im Umkreis von vielen Dutzend Kilometern ein Schlachtfeld hinterlassen.

»Das war kein einfacher Absturz«, erkannte er. »Hier hat ein Kampf getobt, und die Gegner haben dafür gesorgt, dass das Schwingenschiff richtig zerstört wird. Womit sich eine genauere Untersuchung auch erledigt hat – dort unten finden wir garantiert nichts mehr.«

»Fragt sich nur, wann es passiert ist. Wahrscheinlich vor relativ kurzer Zeit.«

Er wusste sofort, worauf sie anspielte. »Du glaubst, dass das die Serie von Naturkatastrophen auf dieser Welt ausgelöst hat?«

»Liegt doch nahe, oder? Wer weiß, welche Waffen in der Atmosphäre zum Einsatz kamen und welche Energiemengen sich ausgetobt haben. Das hat das Gleichgewicht der Natur zerstört und womöglich die Plattentektonik durcheinandergebracht – all solche Sachen.«

»Du bist großartig.«

Innerlich zuckte er zusammen. Es war heraus, ehe er darüber nachdachte und sich klarmachen konnte, was die Worte bedeuteten. So hatte er es nicht sagen wollen.

»Danke! Aber weshalb ...?« Sie schien nicht bemerkt zu haben, welche Bedeutung die Worte für ihn hatten und dass sie weit mehr als nur ihren Scharfsinn umfassten.

»Äh, großartig, wie du Inhalte zusammenfasst. Die Plattentektonik durcheinandergebracht und all solche Sachen. Du bist studierte Astro-Geologin und hast Abschlüsse in drei weiteren naturwissenschaftlichen Fächern der Universität Terrania! Du könntest hundert Fachbegriffe in den Raum werfen und tausend Daten, aber du redest einfach so ... natürlich und normal, wie du eben bist.«

»Und du bist dir ganz sicher, dass es das ist, was dich beschäftigt?«

»Was?«

»Deine Körpersprache sagt mehr als das. Kann es sein, dass ...?«

»Ja, ja«, sagte er und drehte den Kopf weg, sie sollte nicht sehen, dass er rot wurde.

»Na endlich.«

Plötzlich stand sie neben ihm, ohne dass er bemerkt hatte, wie sie aufgestanden war.

»Bring uns in den freien Weltraum und verschließ die Eingänge zur Zentrale. Uns stehen während der Nachtschicht mindestens zwanzig Minuten Pause zu! Eigentlich dürfen wir sie nicht gleichzeitig nehmen, aber ... Ich finde dich ebenfalls ... großartig.«

»Positronik – Geheimhaltungsstufe eins!«, befahl er geistesgegenwärtig. Damit wurde die Zentraleüberwachung auf das absolute Minimum heruntergefahren. Bild- und Tonaufzeichnungen gehörten nicht dazu.

 

*

 

Stichwort: Orontes

 

In den Geschichtsbüchern steht geschrieben, dass Orontes I., ein persischer Feldherr des Achämenidenreiches, während des Krieges gegen den zyprischen Stadtkönig von Salamis, Euagoras I., den Fluss Typhon überquerte. Ab diesem Tag trug der Fluss den Namen des listenreichen Feldherrn. Jahrhunderte später erhielt der Fluss Orontes einen neuen Namen: »Nahr al-Asi« bedeutet, aus dem Arabischen übersetzt, »widerspenstiger Fluss« – ein eindeutiger Hinweis auf seine wilden Strömungen. Im Türkischen hieß er auch »Ters akan nehri« – »verkehrt fließender Fluss«.

An diese drei Namen dachte der Hyperphysiker Nemo Partijan, als er den zweiten Planeten der stark im UHF-Spektrum strahlenden Sonne Morpheus benannte. Die Glutwelt liegt so knapp innerhalb der habitablen Zone, dass sie für Menschen unter normalen Umständen kaum lebenswerte Bedingungen bereithält. Hitzegewitter und -stürme, Vulkaneruptionen und gigantische Lavaseen prägen seine Landschaften. Selbst in der mehrere Erdenmonate dauernden Polarnacht sinken die Temperaturen niemals unter 50 Grad Celsius.

Die ultrahochfrequente Strahlung von Morpheus hatte mindestens zwei ganz entscheidende Konsequenzen zur Folge: Eingeschlossene Hyperkristalladern verleihen dem orontischen Felsgestein hyperisolierende Eigenschaften, die nicht nur die eigene, sondern auch fremde Emissionen absorbieren. Die zweite Konsequenz manifestiert sich in den »Verschmähten Gaben« der intelligenten Bewohnern Orontes', die ihren Planeten selbst »Quar« nennen.

Eine Gluthölle für die Menschen, eine Heimat für die Todringer.

Aus: Persönliche Aufzeichnungen, M. Felten, Oktober 1469 NGZ

2.

Auf dem Weg in die Tiefe

 

Das raupenähnliche Wesen schob seinen dreilamelligen Körper vor ihnen durch die Gluthöhle.

Angesichts des glühenden und knackenden Bodens, der zahlreichen Lavaströme, die ihren Weg kreuzten, und der unvermittelt explodierenden Geysire schaffte Mondra Diamond es nicht, das Unbehagen aus ihrer Gefühlswelt zu verbannen. Sie sagte sich, dass ihr SERUN sie genauso zuverlässig schützte wie ihre drei Begleiter, aber es half nur teilweise.

Die Temperaturen in dieser Höhle lagen bei vergleichsweise niedrigen 98 Grad Celsius – einer Temperatur, der sich Menschen durchaus kurzfristig aussetzen konnten. Im Vergleich mit der Kälte des Weltraums und der Tödlichkeit des Vakuums hatte ihr Spaziergang in die Unterwelt von Orontes geradezu Wellnesscharakter.

Aber Feuer blieb Feuer, und die instinktive Angst vor Feuer trug der Mensch mit sich, egal, wie viele Generationen er sich von den Vorfahren entfernte, die dieses Element einst gezähmt hatten.

Diamond warf einen Seitenblick auf Heatha Neroverde. Die TLD-Kadettin hatte diesen Gang in den Untergrund mehrmals angetreten.

In den vergangenen Wochen hatte sie mit Awkurow zusammengearbeitet, jenem Todringer, der als Vermittler zwischen seinem Clan und der gestrandeten Besatzung der CHISHOLM aufgetreten war.

Mondra hatte der Besatzung von Anfang an klargemacht, dass sie sich trotz der Havarie ihres Schiffes nur als Gäste auf Orontes betrachten durften. Die Todringer hatten von Anfang an mit großer Sorge, ja gar mit panischer Angst auf ihre Anwesenheit reagiert.

Sie fürchteten sich vor einem Ereignis oder einer Entität, die sie »Weltengeißel« nannten und die sie einst heimgesucht und dezimiert hatte. Wegen der Anwesenheit der Galaktiker fürchteten sie eine Rückkehr der Weltengeißel, um das begonnene Werk zu vollenden.

Bisher hatten sie keine gesicherten Anhaltspunkte darüber gewonnen, ob die Befürchtung der Todringer gerechtfertigt war oder nicht und ob sich die Galaktiker womöglich selbst in Gefahr brachten, wenn sie zu lange auf Orontes verweilten.

Solange die Reparaturarbeiten weiterliefen, galt es deswegen, einerseits die Todringer zu beruhigen und andererseits zusätzliche Informationen über die Galaxis zu gewinnen – ganz besonders natürlich, ob sich hinter dem Begriff »Weltengeißel« eine reale Bedrohung oder nur ein falscher Mythos verbarg.

Nachdenklich beobachtete sie Awkurow. Mit seinen langen Barteln tastete er in unregelmäßigen Abständen über den Boden. Ob er damit nur die Temperaturen des Untergrundes oder auch seismische Aktivitäten fühlte, entzog sich ihrem Wissen. Mondra vertraute aber auf die Tatsache, dass der Todringer in dieser Umgebung aufgewachsen war und damit deutlich besser zurechtkam als mit der kühleren Oberfläche, wohin er von seinem Clan verbannt worden war.

Das Exoskelett klackte bei jeder Kontraktion seines Körpers. Es fasste den ledrig-weichen Körper des dreilamelligen Raupenwesens ein, bot ihm eine Stütze, vermittelte ihm Schutz und Kraft.

Er hatte als Erster von der Unterstützung – oder, wie es Ramoz ausgedrückt hatte, »den Anbiederungsversuchen« – durch die Galaktiker profitiert

Die Fertigungshallen der CHISHOLM hatten in den vergangenen Wochen nicht nur mit Hochdruck die Reparatur des BASIS-Tenders unterstützt, sie hatten auch Ersatzteile für die Exoskelette der Todringer geliefert und schadhafte Teile repariert. Auch die uralten Robotereinheiten waren so weit wie möglich gewartet und wieder instand gesetzt worden.

Umgerechnet sechs Wochen Frist wurde ihnen von der Clanmutter Syb gewährt, um die CHISHOLM wieder flottzukriegen und von Orontes – in ihrer eigenen Sprache Quar genannt – zu verschwinden.

Die Frist lief am folgenden Tag ab, dem 27. Oktober 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Nun würde sich zeigen, ob die nicht ganz uneigennützige Entwicklungshilfe der letzten Wochen Früchte getragen hatte. Die Clanmutter musste ihnen eine Verlängerung des Friedensangebotes bewilligen, andernfalls wären sie weniger weit als zum Zeitpunkt von Perry Rhodans Abreise mit MIKRU-JON.

Mondra Diamond zuckte zusammen, als die Innenlautsprecher des SERUNS ohne Vorwarnung ein furchtbares Geräusch übertrugen. Es klang, als würde ein Haluter gemeinsam mit einem Jülziish ein Duett vortragen.

»Entschuldigung!«, kam es von dem Báalol Rynol Cog-Láar, seines Zeichens Bandleader der Cosmolodics. »Ignoriert bitte die letzte Tonfolge. Ich bin gestolpert.«