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Marcel Prévost

Eine Pariser Ehe


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Eifersüchtig

1.

Mein Mann hintergeht mich – ich habe den Beweis in der Hand.

Geahnt habe ich es schon seit lange, aber ich wollte es mir selbst und vor allem meinen Freundinnen nicht eingestehen. So sind wir alle – einige hirnverbrannte Frauenzimmer ausgenommen, die sich förmlich darauf etwas zu Gute thun, sich als die »betrogensten« Frauen von ganz Paris hinzustellen. Sie machen es so wie einer gewisse Sorte von Kurzsichtigen, die sich rühmen, die schärfste Brille zu tragen, nur um den Rekord zu halten.

Aber eine vernünftige Frau renommiert nicht damit; sie thut, als ob sie es nicht wüßte oder als ob es ihr gleichgültig wäre und dann geht sie in ihr Schlafzimmer und weint sich bei verschlossenen Thüren aus.

Und ich weiß es ganz sicher, daß er mich betrügt; ich habe den handgreiflichsten Beweis, nämlich einen Brief von seiner früheren Maitresse, die mir den Namen der jetzigen mitteilt. Zwei Fliegen mit einer Klappe! Ich hätte allen Grund der Vorsehung dankbar zu sein. Da sitze ich in meinem Schlafzimmer, ganz allein, bei verschlossener Thür – und weine nicht einmal. Ich bin auch eigentlich nicht gerade traurig, eher etwas nervös und mißgestimmt und doch empfinde ich außerdem noch ein eigentümliches physisches Gefühl, das ich nicht so ohne weiteres beim Namen zu nennen wüßte.

Ob das Eifersucht ist? O nein, wenigstens nicht die klassische Eifersucht wie in den Romanen. (Es giebt da irgend einen Ausspruch von Spinoza, den man mir mit der Behauptung beigebracht hat, daß er die Formel für die weibliche Eifersucht sei.) Nun, bei mir ist es anders. Ich versuche mir auszumalen, wie mein Gatte mit meiner Ex-Freundin, Mme. Lehugueur, »verliebt« ist (daß es sich um sie handelt, weiß ich aus dem Brief), oder auch mit – nun ich will sie einstweilen Mme. Vigilance nennen, da der Brief so unterzeichnet ist – aber weiß Gott, mein Blut gerät dabei nicht weiter in Wallung, ich habe nicht die mindeste Lust, mir einen Revolver zu kaufen und ihn auf das schuldige Paar abzudrücken. Mir ist bei dem Gedanken daran eher zu Mut, als ob ich mich zurückziehen möchte, nur nichts sehen, nicht daran denken. Es treibt mich absolut nicht, meine Rechte geltend zu machen und mein Eigentum mit Gewalt zurückzuverlangen. Und wie kommt das? Ich habe es mir eben längst abgewöhnt, mit der Person meines Gatten Gedanken zu verbinden – Gedanken – nun, wie soll ich mich ausdrücken – Liebe – das wäre schon viel zu hoch gegriffen – sagen wir also lieber Thorheiten, Kindereien – so wie es auf der Hochzeitsreise war. Ich brauche bloß an meinen Mann zu denken, so vergehen mir alle derartigen Gefühle – ich gestehe, daß ich dieses Mittel zuweilen angewendet habe, wenn der kleine Frühlingsteufel mich plagen wollte (nun, mein Gott, das passiert mir ebenso gut, wie allen anderen – nicht allzu oft, aber immerhin oft genug, um recht lästig zu fallen).

Und was hat diese Veränderung in mir bewirkt? Es war doch nicht immer so wie jetzt. Selbst nach der berühmten Hochzeitsreise war es Henri, auf den sich alle derartigen Gefühle bei mir konzentrierten. Aber dann, nach und nach, so ganz allmählich sind wir uns physisch gleichgültig geworden, ohne daß eines von uns (ich glaube wenigstens, daß es meinem Mann darin ebenso geht wie mir) einen bestimmten Zeitpunkt angeben könnte, wo diese Entfremdung begonnen hätte. Man gewöhnt sich eben an das gemeinsame Bett, wenn es immer seltener und zuletzt vielleicht überhaupt nicht mehr zum Schauplatz der Liebesszenen dient. Es liegt dann nichts Aufregendes mehr in dieser Gemeinsamkeit; im Gegenteil, sie fängt an, beruhigend auf die Nerven zu wirken. Ich wenigstens habe dabei das Gefühl, daß mein Mann nicht mehr nach mir begehrt. – Eine Frau, die nicht schon ganz verderbt ist, begehrt niemals zuerst; dagegen wird ihr Verlangen durch die Wünsche des anderen Teiles sehr leicht rege gemacht. Der Ehemann hat dabei seiner jüngeren unverdorbenen Frau gegenüber wirklich keine besonders schwierige Rolle zu spielen, selbst wenn er weder schön noch verführerisch ist. Wir wollen ja nichts anderes wie Liebe und wollen uns nur hingeben dürfen, ohne etwas dabei zu riskieren, ohne große Konflikte und ohne Skrupel.

Was mich heute so verstört macht, ist also keine Eifersucht à la Spinoza-Bourget, denn mein Mann war mir in diesem Punkt schon lange gleichgültig geworden. Und doch muß ich wieder darauf zurückkommen: ich empfinde noch etwas anderes dabei wie den bloßen Ärger, daß diese Weiber als Spione und als Feindinnen sich in mein Dasein eingedrängt haben, und daß sie sich mit einem gewissen Recht über mich lustig machen können. Es liegt ein Gefühl von physischem Widerwillen in meiner Eifersucht. Nicht daß ich Mme. Lehugueur oder Mme. Vigilance die Zärtlichkeitsbeweise meines Gatten streitig machen möchte; aber mich schaudert bei dem Gedanken, daß er darauf verfallen könnte, sich mir, seiner legitimen Frau, hin und wieder mit dergleichen nähern zu wollen. Ich bekomme die Gänsehaut, wenn ich mir vorstelle, daß ich heute abend im Nachtkostüm an seiner Seite ruhen werde. Er küßt mich immer, wenn er zum Diner nach Hause kommt, er küßt mich alle Abende beim Schlafengehen und morgens, wenn wir aufwachen. Ich hätte nicht den Mut, ihm zu sagen: »Bitte, verschone mich von jetzt an damit«. Und trotzdem empört sich mein Gefühl, wenn ich nur daran denke. Beim besten Willen kann ich die Spinoza- und Bourget-Gedanken nicht los werden, und es kommt mir wirklich so vor, als ob ich selbst durch die erotischen Geheimnisse jener beiden Frauen befleckt würde. Ja, das ist es, was mich empört und mein Innerstes aufwühlt, das ist es, woraus meine Eifersucht entspringt: Mir graut davor, daß mein ruhiges Leben als anständige Frau durch meinen Mann mit den zweifelhaften Freuden dieser Lebedamen in Berührung gebracht wird. Ich glaube, es würde mich ganz kalt lassen, daß er mich hinterginge, wenn er wenigstens ein Trikot dabei anhätte.

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Der treulose Gatte

2.

Man sollte es garnicht erst versuchen, sich gegenseitig etwas vorzumachen, wenn man sechs Jahre zusammengelebt und sich wenigstens während zwei Drittel dieser Zeit geliebt hat. Wenn ich mich damit befasse, im Herzen meines Mannes zu lesen, liegt es offen vor mir da wie mein Gebetbuch. Für gewöhnlich ist mir diese Lektüre allerdings zu langweilig, ich mag kaum das Titelblatt ansehen oder es überhaupt aufschlagen.

Gestern abend nun hat es mir Spaß gemacht, es einmal anzuschauen und etwas darin herumzublättern. – Gewöhnlich reden wir bei unseren gemeinsamen Mahlzeiten nicht viel miteinander, – was hätten wir uns auch schließlich zu sagen? Alles, was uns gemeinsam berührt, haben wir so und sovielmal durchgesprochen, wozu sollten wir immer wieder das Inventar davon aufnehmen, was uns wirklich interessieren würde, wäre eben gerade das, was jeder ängstlich vor dem anderen verbirgt. Aber wie ich vorhin schon gesagt habe, um die Gedanken der anderen zu erforschen, bedarf es keiner weiteren Konfidenzen.

So beobachtete ich denn meinen Gatten, während er in tiefstem Stillschweigen seine Artischocken aß und dabei an alles mögliche andere dachte, nur nicht an mich. Dann fragte ich mich: »Gefällt er mir eigentlich oder ist das vorbei?« Aber wirklich, ich war nicht imstande es zu entscheiden. Darüber allerdings war ich mir klar, daß seine körperlichen Vorzüge mich nicht mehr reizten wie in alten Zeiten, wo ein gewisses Aufleuchten seiner blauen Augen oder eine Bewegung seiner schönen schlanken Hände mir das Herz erbeben machte und meinem Selbstgefühl schmeichelte. Ich hätte laut rufen mögen: wie hübsch ist er doch und nur mir allein soll er gehören.

Jetzt dagegen verzieh ich ihm gern alle jene kleinen Mängel und Unvollkommenheiten seines äußeren Menschen, unter denen ich damals so gelitten habe, bis ich nach verzweifelten Anstrengungen es dahin brachte, sie zu übersehen. Seine Ohren sind nämlich schlecht angewachsen, am oberen Ende abgeplattet wie ein eingebogenes Stück Pergament, und das Ohrläppchen fehlt gänzlich. In der ersten Zeit unserer Ehe machte mir das förmlich Kummer; ich hätte es lieber gesehen, wenn er nur ein Ohr oder überhaupt keins gehabt hätte. Das hätte mein Glück nicht getrübt und ich hätte ihn darum doch geliebt. Außerdem brachte es mich zur Verzweiflung, daß er etwas zu dick war, besonders im Gesicht, und daß er ein Doppelkinn hat.

Aber jetzt ist mir sein Äußeres ebenso gleichgültig wie seine Gedanken. Und er weiß das ganz gut. Er giebt sich meinetwegen, das heißt, wenn wir unter uns sind, keine besondere Mühe, sich hübsch zu machen. Sonst gilt er allgemein für sehr eitel, aber das thut nichts zur Sache.