Dominik Perler
Transformationen der Gefühle
Philosophische Emotionstheorien
1270–1670
Fischer e-books
Dominik Perler, geb. 1965, ist Professor für Theoretische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er lehrte nach der Promotion in Fribourg und der Habilitation in Göttingen zunächst in Oxford und dann als Ordinarius für Philosophie an der Universität Basel. Gastprofessuren führten ihn nach Los Angeles, St. Louis, Tel Aviv und Madison. Im Jahr 2006 wurde ihm der Gottfried-Wilhelm-Leibniz Preis der DFG verliehen, die bedeutendste wissenschaftliche Auszeichnung in Deutschland. Seit 2007 ist er Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Was sind Gefühle? Wie entstehen sie? Und wie bestimmen sie unser Verhalten? Um diese umstrittenen Fragen zu beantworten, geht Dominik Perler einen philosophiehistorischen Weg. Er diskutiert die Theorien von Thomas von Aquin, Duns Scotus, Ockham, Montaigne, Descartes und Spinoza und zeigt damit eine Vielfalt an Erklärungsmodellen auf. In seinem überaus klar und verständlich geschriebenen Buch zeichnet er nach, wie sehr sich der theoretische Rahmen zur Erklärung von Gefühlen verändert hat. Gleichzeitig verdeutlicht er, dass sich mit dem jeweiligen Rahmen auch die Beantwortung der Frage, wie man seine Emotionen kontrollieren kann, stark gewandelt hat.
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© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
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ISBN 978-3-10-401084-7
Vgl. exemplarisch die Beiträge von Lazarus und Lyons in Dalgleish & Power 1999 sowie den Überblick in Deigh 2010.
Ein anschauliches Beispiel ist der Sammelband Lane & Nadel 1999, in dem Neurowissenschaftler in 17 Beiträgen unterschiedliche Theorien über die neuronalen Prozesse, die für die Entstehung des kognitiven Gehalts verantwortlich sind, mit Verweis auf empirische Untersuchungen diskutieren, dabei aber den Begriff der Kognition (oder verwandte Begriffe, etwa jene von Information und Repräsentation) als bekannt und akzeptiert voraussetzen.
Oksenberg Rorty 1988, 104; ähnlich auch Griffiths 1997, 14.
Seit Brentano wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Intentionalität das Merkmal des Mentalen ist, nicht bloß des Emotionalen. Vgl. prägnant Crane 2007.
Gemäß der James-Lange-Theorie ist der körperliche Zustand sogar die notwendige Ursache für eine Emotion: Wir fürchten uns, weil wir zittern, nicht etwa umgekehrt. Vgl. konzis Hartmann 2005, 38–44; für eine Verteidigung und Weiterführung dieser Theorie vgl. Prinz 2006.
Die Rede von Minimal- und Maximalgeist wirft natürlich die weitere Frage auf, ob der Geist als etwas Graduierbares zu verstehen ist. Vgl. dazu die Einleitung in Perler & Wild 2005.
Dies gilt natürlich nicht nur für Emotionstheorien, sondern generell für Theorien des Geistes, wie Bennett & Hacker 2003, 68–107, mit ihrer Kritik am »mereologischen Fehlschluss« in den empirischen Wissenschaften (vor allem in den Neurowissenschaften) verdeutlichen. Ihrer Meinung nach besteht der Fehlschluss darin, dass Zustände oder Eigenschaften, die dem ganzen Lebewesen zukommen, irrtümlicherweise einem Teil (etwa dem Gehirn oder einem bestimmten Gehirnareal) zugeschrieben werden.
Einen konzisen Überblick über die weitgehend empirisch orientierten Debatten bieten Hartmann 2005 und Sander & Scherer 2009. Gemäß Rolls 2005, 11, kann sogar erst in solchen Debatten eine exakte Definition der Emotionen formuliert werden. Aus philosophischer Sicht weist de Sousa 2010 mit Nachdruck darauf hin, dass nur eine Anbindung an die empirische Forschung eine sterile Begriffsanalyse verhindert.
Den Anfangspunkt dieser Periode bildet Thomas von Aquins Summa theologiae (zwischen 1268 und 1273 entstanden), den Endpunkt Spinozas Ethica (zwischen 1661 und 1675 verfasst, erst 1677 posthum publiziert). Selbstverständlich werden nur einige ausgewählte Werke berücksichtigt, die in diese Periode fallen. Es soll auch nicht suggeriert werden, dass es sich dabei um eine fest abgegrenzte Periode handelt. Vielmehr soll ein Bogen über vier Jahrhunderte gespannt werden, die gewöhnlich verschiedenen Epochen oder Perioden (häufig als »Mittelalter«, »Renaissance« und »Frühe Neuzeit« etikettiert) zugerechnet werden. Damit soll nicht zuletzt auch deutlich werden, dass die traditionelle historiographische Abtrennung verschiedener Epochen reichlich künstlich ist.
Vgl. Kenny 1963, 189; de Sousa 1987, 121–123; Goldie 2000, 21; Prinz 2004, 62–63.
Vgl. Damasio 2003.
Vgl. Deigh 1994, 825.
Sie ist daher mehrfach kritisiert worden, ausführlich von Alanen 2003, 165–207.
Les passions de l’âme, Vorrede (AT XI, 326).
Garber 2005, 145.
So etwa in Montaignes Essais II.11, 424 a und 432 a, und in Descartes’ Les passions de l’âme I.27 (AT XI, 349). Allerdings verwendet Descartes dieses Wort vorwiegend, wenn er eine Teilklasse der »passions« bezeichnet, nämlich die »émotions intellectuelles«, die nicht durch eine äußere Einwirkung, sondern allein durch eine Tätigkeit der Seele hervorgebracht werden; ibid. II.147 (AT XI, 440–441). Gemäß dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm ist ›Emotion‹ bereits 1603 belegt, jedoch wiederum nur in eingeschränkter Verwendung, nämlich für »erregung, starke gemüthsbewegung, leidenschaft« (vgl. Lemma »Emotion«, Bd. 7, 1253). Ähnlich auch das Etymologische Wörterbuch des Deutschen, dem zufolge ›Emotion‹ um 1700 für »Aufregung, Gemütsbewegung« steht, bis ins 19. Jahrhundert auch für »Volksbewegung, Empörung« (vgl. Lemma »Emotion«, Bd. A-G, 354).
Wie Dixon 2003, 22–25, verdeutlicht, führte erst Thomas Brown in seinen Lectures on the Philosophy of the Human Mind (1820) den philosophischen Fachausdruck ein, um Zustände zu bezeichnen, die weder Empfindungen noch intellektuelle Zustände sind. Der psychologische Fachausdruck wurde vor allem durch William James’ einflussreichen Aufsatz »What is an Emotion?« (1884 publiziert) etabliert.
So gibt Zedlers Großes vollständiges Universallexicon (1732ff.) ›Gefühl‹ als deutsche Übersetzung von ›tactus‹ an und verweist ausschließlich auf den Tastsinn (vgl. Lemma, »Fühlen, Gefühl«, 2225–2226). Für ›Emotion‹ gibt es keinen Eintrag. Auch heute noch ist ›Gefühl‹ zweideutig und bezeichnet nichtintentionale Körpergefühle ebenso wie intentionale Emotionen. Daher empfiehlt sich eine terminologische Differenzierung, wie Döring 2009, 9 und 228, zu Recht argumentiert.
Gelegentlich werden auch die Ausdrücke ›commotiones‹ und ›animi pathemata‹ verwendet, so etwa von Descartes in Principia philosophiae I.48 (AT VIII-1, 23). Zum lexikalischen Feld vgl. Rosenwein 2008.
Vgl. Ordinatio III.15 (Vat. IX, 485).
Es gibt allerdings auch in der gegenwärtigen Debatte Autoren, die Schmerzen gleich kategorisieren wie negative Emotionen. So schlägt Gustafson 2005 eine gemeinsame Kategorisierung vor, weil sich beide durch einen motivationalen Aspekt auszeichnen: Sie veranlassen uns dazu, ein schädliches Objekt zu meiden.
Vgl. Ethik 3app, 1, 44 und 45 (G 190 und 202).
Vgl. Kapitel II.2 und V.3.
Laut Chalmers 1996, 4, ist eine Erklärung dieses Erlebens, das sich auch bei Sinnesempfindungen und Wahrnehmungen findet, sogar das Kernproblem einer Körper-Geist-Theorie. Es ist daher nicht erstaunlich, dass sich eine ausgedehnte Debatte zu »Qualia« entwickelt hat; vgl. einen Überblick in Pauen 2001, 175–216. Auch in neurowissenschaftlichen Diskussionen steht dieses Problem häufig im Mittelpunkt. So stellt Damasio 2003, 88, fest, ein inneres Erleben sei nichts anders als das neuronal verankerte »mapping« eines körperlichen Zustandes. Jede angemessene Theorie der Emotionen müsse erklären, wie dieses »mapping« zustande komme.
Es ist bezeichnend, dass Nagel 1979, 165–180, der mit seinem einflussreichen Aufsatz »Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?« die Debatte über das phänomenale Erleben ins Rollen brachte, von einem materialistischen Erklärungsrahmen ausging und darauf hinwies, dass ein solches Erleben in diesem Rahmen keinen Platz zu haben scheint. Im mittelalterlichen Kontext wählte aber kein Autor diesen Rahmen, und auch im 17. Jahrhundert war er höchstens für einige wenige Autoren (etwa für Hobbes) eine Option.
Vgl. Essais II.31.
Sie werden daher gelegentlich »embodied appraisals« genannt, so etwa von Prinz 2004, 77–78.
Vgl. Summa theologiae I-II 22.1.
Vgl. Briefe an Prinzessin Elisabeth vom 23. Mai und 28. Juni 1643 (AT III, 665 und 690–695).
Vgl. Quodlibeta II.17 (OTh IX, 186–188). King, im Druck, spricht prägnant von »dispassionate passions« und verdeutlicht damit, dass es spätestens seit Augustin eine lange Tradition von Denkern gab, die genau diese Emotionen als genuin menschliche bezeichneten, die uns von den Tieren abheben. Besonders einflussreich war diese Tradition zwischen dem frühen 14. und dem späten 16. Jahrhundert. Vgl. einen Überblick in Knuuttila 2004, 265–286.
Ausgehend von De anima I, 2 (403a28-b3) sprachen sie von einem »formalen« und einem »materialen« Aspekt des Zornes, den sie aber als einheitlichen Zustand im belebten Körper auffassten. Vgl. paradigmatisch Thomas von Aquin, Sentencia libri De anima I.2 (Leonina XLV/1, 11).
Vgl. Summa theologiae I-II 22.2–3 und speziell mit Bezug auf den Zorn I-II 46.3.
Vgl. Les passions de l’âme I.25 (AT XI, 347–348) sowie Briefe an Prinzessin Elisabeth vom 21. Mai und 28. Juni 1643 (AT III, 665 und 691–692).
Eine Erläuterung ist vor allem erforderlich, wenn – wie in vielen gegenwärtigen Debatten üblich – von »Modulen« des Geistes die Rede ist und Emotionen einem bestimmten Modul zugeschrieben werden. Vgl. zur Modularitätsthese Faucher & Tappolet 2006.
Brungs 2005, 209, moniert daher zu Recht, dass die heute geläufige Rede von »mentalen Zuständen« für Thomas (und man könnte hinzufügen: auch für andere aristotelische Autoren) ganz und gar unpassend ist.
So etwa Ockham, Expositio in librum Praedicamentorum 14.9 (OPh II, 282).
Ethik 2, ax3.
Vgl. Summa theologiae I 81.3, ad 2.
Les passions de l’âme III.212 (AT XI, 488).
So etwa in Essais I.2 und I.34.
In der Vorrede schreibt er der Vernunft ausdrücklich eine »Herrschaft über die Affekte« zu und betont, dass wir uns nur durch Ausübung dieser Herrschaft von »menschlicher Knechtschaft« befreien können. Vgl. Ethik 5praef (G 277–278).
In Summa theologiae I-II 10.3, ad 2, betont er daher, dass es im Menschen »zwei Naturen« gibt und dass die sinnliche keineswegs vollständig von der rationalen dominiert wird.
Vgl. Essais I.3.
Spinoza betonte sogar, dass sie notwendigerweise in uns ablaufen und dass wir nicht in die kausale Ordnung eingreifen können. Es ist daher erklärungsbedürftig, wie sich dieser Nezessitarismus (unmissverständlich formuliert in Ethik 1, p29) mit der Aufforderung zu einer Regulierung und Veränderung der Emotionen vertragen soll.
Zur Etablierung dieser historiographischen Kategorie, die sich teilweise bereits vor Kuhn findet (etwa in den einflussreichen Arbeiten von Butterfield), vgl. Cohen 1994, zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser Kategorie Osler 2000.
Leijenhorst 2002 spricht deshalb von einer »Mechanisierung des Aristotelismus«, durch die hybride Theorien entstanden. Zudem entwickelte sich auch die aristotelische Tradition weiter und zeigte noch im 17. Jahrhundert eine große Vitalität, wie Mercer 1993 verdeutlicht.
Shapin 1998, 9.
So etwa Kenny 1992, 51.
Vgl. Senault, De l’usage des passions, 52.
Vgl. Summa, tertia pars ethicae, tract. 2, q. 2. Descartes pries dieses Werk als »das beste Buch dieser Art« und plante sogar, es mit seinen Bemerkungen versehen herauszugeben; vgl. Brief an Mersenne vom 11. November 1640 (AT III, 232–233). Zur Präsenz scholastisch-aristotelischer Theorien im 17. Jahrhundert vgl. Ariew 1999.
Dies ergibt sich durch die berühmte Parallelismus-These: Jeder Idee ist ein materieller Gegenstand zugeordnet, und die Ordnung der Ideen ist dieselbe wie die Ordnung der Gegenstände. Vgl. Ethik 2, p7.
Vgl. Ockham, Ordinatio I.1.2 (OTh I, 395–400); Quodlibeta II.17 (OTh IX, 186–188).
Dies gilt auch für andere frühneuzeitliche Autoren, wie James 2006 in einem hilfreichen Überblick verdeutlicht.
Dieser Zugang findet sich natürlich bereits in der hellenistischen Tradition und ist durch die zunehmende Rezeption antiker Autoren (vor allem Ciceros, Senecas und Plutarchs) besonders gestärkt worden. Vgl. zur mittelalterlichen Rezeption Ingham 2007, zur frühneuzeitlichen Miller 2003. Allerdings gab es bereits in der Antike keine einheitliche therapeutische Tradition. Sorabji 2000, 2, spricht treffend von einem »pluralism in therapy«. Entsprechend vielfältig war der rationalistisch-therapeutische Zugang unter den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lesern hellenistischer Texte.
Vgl. Summa theologiae I 81.3, ad 2, und I-II 24.1.
Vgl. Ordinatio III.15 (Vat. IX, 498–505).
Les passions de l’âme I.50 (AT XI, 368).
Es liegen bereits einige Überblicksdarstellungen vor, etwa von Knuuttila 2004, Schäfer & Thurner 2009 und King 2010 für das Mittelalter, von James 1997 und 2006 für die Frühe Neuzeit, epochenübergreifend von Lagerlund & Yrjönsuuri 2002, Newmark 2008, Landweer & Renz 2008.
Wie Casagrande & Vecchio 2008, 112, zu Recht betonen, sind bei einer Analyse mittelalterlicher (und man könnte hinzufügen: auch frühneuzeitlicher) Texte über Emotionen stets zwei Ebenen zu unterscheiden: eine theoretische, auf der die Struktur und Genese von Emotionen im Rahmen von Seelentheorien analysiert wird, und eine pädagogische, auf der ein angemessener praktischer Umgang mit Emotionen diskutiert wird. Die zweite Ebene setzt die erste freilich immer voraus, denn nur vor dem Hintergrund einer explizit oder implizit präsenten Theorie kann erläutert werden, mit welchen Techniken richtige Emotionen erworben und falsche vermieden werden können.
Vgl. Albertus Magnus, De bono, tract. III, q. 5, art. 1 (Opera omnia 28, 196); Thomas von Aquin, Summa theologiae I-II 24.1 und speziell zur Furcht I-II 41.1; Francisco Suárez, De passionibus, disp. 1, sect. 1 (Opera 4, 456); Senault, De l’usage des passions, 52. Diese von Johannes von Damaskus und Avicenna angeregte Bestimmung findet sich bereits bei Autoren des frühen 13. Jahrhunderts. Für einen Überblick vgl. Brungs 2002, 33–51; Knuuttila 2004, 218–236. – Thomas von Aquins Summa theologiae (= STh) wird mit Verweis auf Teil, Quaestio und Artikel zitiert. Wenn keine weitere Präzisierung erfolgt, bezieht sich die Angabe auf das »corpus articuli« (Bsp.: I-II 41.1 = pars prima secundae, quaestio 41, articulus 1, corpus). Weitere Abkürzungen: Expositio libri Peryermeneias (= ElP), Summa contra Gentiles (= ScG), Quaestio disputata De anima (= QDA), Quaestio disputata De spiritualibus creaturis (= QSC), Quaestiones disputatae De veritate (= QDV), Sentencia libri De anima (= SDA). Wenn eine kritische Ausgabe im Rahmen der »editio Leonina« vorliegt, wird mit »L« auf sie verwiesen.
In heutigen Debatten wird daher immer wieder auf die kognitive Undurchdringbarkeit verwiesen, um überzogene kognitivistische Erklärungsansätze zurückzuweisen. Wenn Emotionen in gewissen Situationen gleichsam immun sind gegen Überzeugungen, können sie nicht mit ihnen identisch sein oder auf sie reduziert werden. Vgl. Goldie 2000, 74–78.
Vgl. Les passions de l’âme II.68 (AT XI, 379). Noch schärfer äußert sich Malebranche. Er behauptet, Wörter wie ›Vermögen‹ und ›Fähigkeit‹ seien leere Ausdrücke, die nichts bezeichnen; vgl. De la recherche de la vérité, Eclaircissement XII (OC III, 179). Zur frühneuzeitlichen Kritik an Vermögenstheorien vgl. einen Überblick in Nadler 1998.
Zwar neigt Descartes dazu, die ganze Seele als einen Homunculus aufzufassen, der im Inneren eines Menschen tätig ist und beispielsweise die Bilder im Gehirn betrachtet (dazu Keil 2003), doch er weist jede Unterteilung der Seele in kleine Akteure zurück. Da die Seele eine »reine Substanz« ist, kann sie im Gegensatz zum Körper keine Teile und somit auch keine Teilakteure haben; vgl. Synopsis zu den Med. (AT VII, 14).
Nouveaux Essais sur l’entendement humain II.21, § 6 (AA VI.6, 174).
Bereits im frühen Sentenzenkommentar (III Sent., dist. 15) entwickelt Thomas am Beispiel der Liebe eine Theorie der Emotionen, und in STh I 81.1–3 stellt er das Grundgerüst dieser Theorie vor. Eine ausführliche Abhandlung findet sich zudem in QDV, q. 26. Auch in STh III.15, wo er das Leiden Christi diskutiert, skizziert Thomas seine Emotionstheorie (dazu Gondreau 2002). Eine hilfreiche Zusammenstellung relevanter Texte zur Liebe, die in verschiedenen Werken als grundlegende Emotion diskutiert wird, bieten Imbach & Atuchia 2006.
Vgl. zum Aufbau der gesamten STh und zum systematischen Ort der Emotionsdebatte Speer 2005 (darin vor allem Brungs 2005).
Eine Reihe von Autoren, unter ihnen Cajetan und Bartholomäus von Medina, kommentierten ausführlich Thomas’ STh; vgl. King 2002. Zur Präsenz der Schulphilosophie, insbesondere jener thomistischer Prägung, bis in das 17. Jahrhundert hinein vgl. Schobinger 1998, 367–375, und Salatowsky 2006.
Im Brief an Mersenne vom 25. Dezember 1639 (AT II, 630) erwähnt Descartes neben der Bibel die STh als einziges Buch, das er aus Frankreich in die Niederlande mitgenommen hat. Freilich waren dank jesuitischer Vermittlung noch andere scholastische Autoren präsent (vgl. Ariew 1999), aber für die Emotionsdebatte war Thomas der wohl wichtigste Autor. Wie James 1997, 64, nachweist, gingen Descartes und andere Kritiker, aber auch Verteidiger des scholastischen Ansatzes, meistens von seinem theoretischen Rahmen aus. Besonders anschaulich zeigt sich dies in Eustachius a Sancto Paulos Summa philosophiae quadripartita, die sich in der Abhandlung über Emotionen (tertia pars ethicae, tract. 2) fast ausschließlich an Thomas orientiert.
Vgl. Kenny 1963, 189; de Sousa 1987, 121–123; Goldie 2000, 21.
Thomas nennt die Seele daher auch »corporis actus« (STh I.75.1; QDA, art. 10) und verdeutlicht damit, dass erst sie den Körper zu einem aktuell existierenden Ding macht. Er spricht ihr sogar eine kausale Rolle zu, indem er betont, dass nur sie als Form aktiv ist und den Körper konstituieren kann. Zu diesem dynamischen, aktiven Verständnis von Form vgl. Pasnau 2004, 43–44.
Vgl. ausführlich Pasnau 2002, 25–44, und Stump 2003, 191–216.
Natürlich muss man dann innerhalb der Menge aller körperlichen Zustände wieder Unterscheidungen treffen, etwa indem man die kognitiven von den nutritiven unterscheidet. Wie Pasnau 2007 zu Recht betont, handelt es sich dabei aber um ein »mind-soul problem« und nicht um das moderne »mind-body problem«.
Vgl. zu dieser Abgrenzung prägnant Kenny 1993, 145–159.
Vgl. auch QDA, art 14; ScG II.79, n. 1598; eine prägnante Analyse dieser Stellen bietet Pasnau 2002, 45–72.
In STh I 60.1 schreibt Thomas den Engeln zwar Liebe zu, betont aber, dass es sich nur um eine »inclinatio naturalis secundum voluntatem« handelt, die kein sinnliches Streben beinhaltet. Auch Gott hat eine voluntative Liebe, wie in STh I 20.1 präzisiert wird. Zu dieser rein rationalen Einstellung vgl. ausführlich Kretzmann 1995.
King 1998, 105, spricht von »pseudopassions«; ähnlich Miner 2009, 35–38.
Natürlich wendet Thomas trotzdem den Personenbegriff auf Gott an, indem er die Dreifaltigkeit als die Einheit von drei Personen erklärt. Er betont aber, dass Gott nicht in gleicher Weise Person ist wie ein Mensch (STh I.29.3). Wenn Gott als Person bezeichnet wird, so nur, insofern er in höchster Weise eine rationale Natur hat, nicht aber einen lebendigen Körper.
King 2008 spricht angesichts der komplexen inneren Architektur treffend von einer »inneren Kathedrale«. Thomas führt sie in STh I 77.2 ein.
Vgl. Albert, De homine (ed. Anzulewicz & Söder 2004, 78–122). Einen Überblick über die Debatte vermittelt Dales 1995.
Vgl. zu dieser Position und ihren wichtigsten Vertretern Zavalloni 1951, 213–241.
Vgl. eine Analyse in Kretzmann 1999, 373–403; Pasnau 2002, 105–120.
Diese These wirft natürlich eine Reihe von Folgeproblemen auf, vor allem im Hinblick auf die transtemporale Identität eines Menschen. Ein erwachsener Mensch ist dann nicht mit dem Embryo im ersten, rein vegetativen Zustand identisch, weil er über eine andere substantielle Form verfügt. Vgl. zu diesem und anderen metaphysischen Problemen Amerini 2009, 105–127.
Vgl. De anima II.3 (414b32–33).
Genau dies unternimmt Thomas in STh I 77.3, wenn er die Anzahl der Vermögen beschränkt und darauf insistiert, dass man jeweils einen Typ von Objekt (z.B. das sichtbare Objekt und nicht dieses helle oder jenes dunkle Objekt) und einen Typ von Relation bestimmen kann.
Für eine prägnante Darstellung vgl. Beckermann 1999, 141–180.
Man könnte einwenden, dass mit dieser Erklärung immer noch die multiple Realisierbarkeit innerhalb einer bestimmten Art von Lebewesen eine Option bleibt. Ist es nicht möglich, dass ein bestimmter visueller Zustand ebenso gut in diesem wie in jenem menschlichen Körper realisiert wird? Auch hier würde Thomas widersprechen. Das Vorliegen eines bestimmten Zustandes setzt die Aktualisierung eines bestimmten Vermögens voraus, das in einem bestimmten Körper vorliegt. Jeder Mensch hat aber seinen individuellen Körper und damit auch seinen individuellen Zustand. Konkret heißt dies: Mein Sehen eines roten Apfels kann es nur in meinem Körper geben. In Peters oder Marias Körper gibt es ein anderes Sehen, das meinem vielleicht stark gleicht, sich aber trotzdem qualitativ von ihm unterscheidet, da es durch die Aktualisierung eines anderen Vermögens in anderen Organen (etwa in schärferen Augen) zustande kommt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass Thomas – in der einflussreichen Terminologie von Robert Brandom ausgedrückt (Brandom 2000, 2–3) – ein radikaler Differentialist ist und eine scharfe Trennlinie zwischen Menschen und Katzen oder anderen Tieren zieht. Da Menschen und Tiere über sinnliche Vermögen verfügen, die kognitive und appetitive Vermögen sind (und nicht wie später bei Descartes reine Körpermechanismen), haben sie eine wichtige Gemeinsamkeit. Entscheidend ist hier nur, dass Menschen auch noch über höhere Vermögen verfügen, die gleichzeitig mit den niederen aktiv sind. Thomas ist daher nur ein gemäßigter Differentialist: Innerhalb der Klasse aller kognitions- und emotionsfähigen Lebewesen unterscheidet er zwischen höheren und niederen.
Daher kann man den Verweis auf Vermögen auch nicht vollständig mit der heute vieldiskutierten Modularitätsthese gleichsetzen. Gemäß dieser (prominenterweise von Jerry Fodor vertretenen) These sind einzelne Bereiche der Seele bzw. des Geistes abgekapselte Module, und Emotionen sind einem bestimmten Modul zuzuschreiben (vgl. Faucher & Tappolet 2006). Die Rede von einem Modul lässt sich höchstens so verwenden, dass ein graduell abgekapseltes Modul gemeint ist (dazu Prinz 2004, 232–236). Das heißt: Emotionen sind zwar einem bestimmten Bereich der Seele zuzuordnen (und damit »domain specific«, wie es in heutiger Terminologie heißt), aber dieser Bereich steht in direkter Relation zu anderen Bereichen, so dass Emotionen von Zuständen in anderen Bereichen – vor allem von Urteilen und Willensakten – mehr oder weniger beeinflusst werden können.
Dass der neue Begriff durch eine Kritik am traditionellen hylemorphistischen Begriff entstand, verdeutlicht prägnant Garber 1992, 94–116.
Vgl. zu dieser reduktionistischen Strategie Des Chene 2001, 71–102; Hatfield 2007 a.
Burnyeat 1995, 26, hält provokativ fest, dass man dieses Modell dann als Ganzes entsorgen muss (»junk it!«).
Gelegentlich sagt er auch, jedes Vermögen sei im Wesen der Seele »verwurzelt« (radicatur in essentia); vgl. QDA, art. 10.
Vgl. Reportatio II, dist. 16, q.u., n. 17–19 (Opera Wadding 13, 43–44); dazu King 2008, 267–268.
Wie Des Chene 2000, 155–169, verdeutlicht, war dieser Streit unter Autoren des späten 16. Jahrhunderts (Zabarella, Suárez, Toletus, Conimbricences u.a.) besonders ausgeprägt.
Dies zeigt sich auch darin, dass Thomas die Vermögen als propria der Seele bezeichnet (STh I 77.1, ad 5; QSC, art. 11). Darunter sind Eigenschaften zu verstehen, die sich direkt aus dem Wesen einer Sache ergeben und ihr immer zukommen, selber aber nicht zum Wesen gehören. So ist Lachfähigkeit ein »proprium«, denn sie ergibt sich unmittelbar aus dem Wesen des Menschen, gehört aber im Gegensatz zu Belebtheit, Vernunftbegabung usw. nicht zu den wesentlichen Eigenschaften. Man könnte hier von einer Supervenienzbeziehung sprechen, wie Pasnau 2007, 18, vorgeschlagen hat: Immer wenn bestimmte wesentliche Eigenschaften vorliegen, superveniert darauf eine höherstufige Eigenschaft.
Das »nackte« Wesen lässt sich gar nicht untersuchen, wie Thomas betont (STh I 87.1). Wann immer man die Seele untersuchen will, hat man nur Zugang zu aktuellen Zuständen, die wiederum Aktualisierungen von Vermögen sind. Daher lässt sich das Wesen nur fassen, insofern es sich in konkreten Zuständen manifestiert.
Es ist bezeichnend, dass er in STh I-II 22.1, wo er die Diskussion der passiones animae eröffnet, keine Definition im strengen Sinn gibt, d.h. keine notwendigen und hinreichenden Bedingungen formuliert. Er hält dort vorsichtig fest, das Erleiden (pati) werde auf verschiedene Arten verstanden, und bestimmt eine davon als die relevante. Sie wird dann in den folgenden Quaestionen mit Blick auf verschiedene Arten von passiones spezifiziert. Damit wählt Thomas ein ähnliches methodisches Vorgehen wie Aristoteles (vgl. Krajczynski & Rapp 2009, 64–65). Er grenzt zunächst das Verständnis der passiones auf einen bestimmten Bereich ein, ohne diesen Bereich bereits scharf abzugrenzen, und erläutert dann mit Beispielen, was genau in diesen Bereich fällt. Eine Grenzziehung wird erst am Ende der Diskussion möglich, wenn alle Beispiele analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt worden sind.
Diese Verwendungsweise gilt es sorgfältig von der sprachphilosophischen zu unterscheiden, der zufolge unter einer passio animae ein Begriff im Geist des Sprechers oder Hörers (conceptio intellectus) zu verstehen ist (ElP I.2; L 1*/1, 11). Der hier relevante Gebrauch ist in einem naturphilosophischen Kontext angesiedelt.
Darunter sind freilich nicht einfach die Bewegungen einzelner Körperteile oder gar Ortsbewegungen zu verstehen, wie einige Kommentatoren meinen (etwa D’Arcy 2006, xxvii-xxviii), sondern Veränderungsprozesse (alterationes). Obwohl sie in einem Körperteil stattfinden, gehen sie nicht notwendigerweise mit einer lokalen Bewegung dieser Teile einher. Zum aristotelischen Hintergrund des Terminus technicus ›motus‹ vgl. Miner 2009, 38–46.
Im Englischen hat sich der Ausdruck ›emotional state‹ eingebürgert (so etwa King 1999 und Eisen Murphy 1999). Brungs 2005, 209, hat aber zu Recht bemerkt, dass dies irreführend sein kann, wenn das dynamische Element übersehen wird.
Natürlich sind auch Dispositionen in dem Sinn aktuell, dass sie tatsächlich vorliegen. In der aristotelischen Terminologe, die Thomas verwendet, müsste man korrekterweise sagen: Emotionen sind nicht erste Aktualitäten, d.h. bloß vorliegende Dispositionen, sondern zweite Aktualitäten, d.h. aus Dispositionen hervorgehende Zustände. Vgl. zum Verhältnis von ersten und zweiten Aktualitäten SDA II.1 (L XLV/1, 71–72).
Vgl. Avramides 2001, 217–253.
Natürlich sind damit nicht alle skeptischen Probleme aus dem Weg geräumt. Man kann immer noch fragen: Kann ich sicher sein, dass die Person in Furcht ist, wenn ich sie erstarren sehe? Vielleicht erstarrt sie nur, weil sie stark friert. Oder vielleicht ist sie nicht in Furcht, sondern in Verzweiflung. Darauf lässt sich aus Thomas’ Sicht in dreifacher Weise antworten. Erstens manifestiert sich eine Emotion nicht in einem einzigen körperlichen Verhalten, sondern in einem Bündel von Verhaltensweisen. Erst wenn wir das ganze Bündel (für die Furcht etwa auch das Erbleichen und das Zittern neben dem Erstarren) bestimmt haben, können wir die Emotion bestimmen. In STh I-II 44.3, ad 3, wird explizit auf mehrere körperliche Vorgänge hingewiesen. Zweitens ist es natürlich immer möglich, dass wir uns irren. Jemand könnte ja auch untypisches Furchtverhalten zeigen oder uns bewusst täuschen. Aber dann müssen wir – genau wie bei Wahrnehmungstäuschungen – die gesamte Situation evaluieren und das Verhalten über längere Zeit hinweg beobachten. Drittens ist für die genaue Bestimmung der Art einer Emotion das formale Objekt entscheidend, wie weiter unten noch ausgeführt wird. Das körperliche Verhalten zeigt nur mit Sicherheit an, dass eine Emotion vorliegt, nicht aber welche.
Zum Hintergrund dieses in der Avicenna-Rezeption oft zitierten Beispiels vgl. Hasse 2000 und Perler 2006 a.
Prominente Vertreter sind Gordon 1987, Solomon 1993 und Nussbaum 2001. Einen konzisen Überblick bietet Hartmann 2005, 58–78.
Dies ist gegenüber jenen Interpreten (etwa Uffenheimer-Lippens 2003, 538) zu betonen, die meinen, laut Thomas resultiere eine Emotion immer aus einem Wissen. Auch Tiere und Kleinkinder, die keine Überzeugungen und damit kein Wissen haben, können Emotionen haben.
Entscheidend ist dabei, dass die Objekte aufgrund bestimmter wesentlicher Eigenschaften gut oder schlecht für jemanden sind und nicht erst durch eine Evaluation oder ein Werturteil diese normativen Eigenschaften erhalten. Thomas vertritt bezüglicher normativer Eigenschaften einen realistischen Standpunkt (QDV 21.1–2). Zum Erfassen dieser Eigenschaften vgl. Kapitel I.4.
Wie Konstan 2009 im Detail zeigt, wird dieses Merkmal in zahlreichen gegenwärtigen Abhandlungen zu Emotionen als entscheidendes Merkmal genannt, es fehlt aber in antiken (vornehmlich in aristotelischen) Texten. Dort werden der Auslöser und das spezifische Objekt einer Emotion in den Vordergrund gestellt. Konstan 2009, 41, schließt daraus, dass man nicht vorschnell heutige Auffassungen von Emotionen in die Antike projizieren darf, sondern zunächst einen »Atlas des Geistes« rekonstruieren muss, in dem Emotionen einen bestimmten Platz einnehmen. Gleiches gilt auch für mittelalterliche Texte: Es darf nicht vorschnell angenommen werden, dass sich Thomas und andere mittelalterliche Autoren auf ein besonderes phänomenales Merkmal berufen, um Emotionen zu erklären.
Prominenterweise von Chalmers 1996. Vgl. einen Überblick in Beckermann 1999, 374–420, und Pauen 2001, 175–216.
Dazu ausführlich Burnyeat 2001; Perler 2002, 42–53.
Daher betont Thomas in Anlehnung an De anima II.2 (425b12–25), dass man keinen besonderen inneren Sinn und keinen höherstufigen Akt braucht, um wahrzunehmen, dass man etwas sieht oder hört. Indem man eine formale und eine materiale Veränderung erfährt, verfügt man über die unmittelbare Wahrnehmung, etwas zu sehen oder zu hören (SDA II.26; L 45/1, 178–181). Analog gilt auch für Emotionen: Indem man die zweifache Veränderung erfährt, verfügt man über die unmittelbare Wahrnehmung (oder das direkte Erleben), freudig oder zornig zu sein.
Zur Entstehung von Schemata bei Cicero und Augustinus, die spätere Klassifikationen prägten, vgl. King 2010, 169–171. Zu den verschiedenen Klassifikationsschemata in der Antike vgl. Krajczynski & Rapp 2009, im Mittelalter Knuuttila 2004, 218–239, und Miner 2009, 38–57.
Ein prominentes Beispiel ist Ekman, der anhand des Gesichtsaudrucks die Basisemotionen bestimmt. Vgl. Ekman 1999 und 2003.
Kenny 1963, 189, verweist für diese Terminologie zwar auf Thomas, dieser spricht aber nur vom so-und-so aufgefassten Objekt, z.B. vom »obiectum bonum simpliciter acceptum« oder vom »obiectum secundum quod habet rationem ardui«, d.h. vom Objekt, insofern es einen bestimmten Aspekt aufweist (STh I-II 23.1). Allerdings spricht Thomas in anderen Kontexten durchaus vom »obiectum formale« oder von der »formalis ratio obiecti«, etwa wenn er das Objekt des Glaubens bestimmt und das formale Objekt vom materialen unterscheidet (STh II-II 1.1 und 1.3).
Diese Unterteilung stammt nicht von Thomas. Sie geht auf Avicenna zurück und findet sich im 13. Jahrhundert bei verschiedenen Autoren, unter anderem bei Jean de la Rochelle und Albertus Magnus. Vgl. Knuuttila 2004, 218–239; Schäfer & Thurner 2009, 135–138.
Vgl. De passionibus, disp. 1, sectio 3, n. 2 (Opera IV, 458).
So explizit in STh I-II 23.4, wo er sagt, dass das Gute eine Neigung verursacht und dem Vermögen »eine Bewegung zum Anstreben gibt«.
In STh I-II 27.4 betont er sogar, dass die Liebe die Grundlage für jede Emotion bildet, auch für eine negative. Das Schlechte, von dem man sich abwendet, ist nämlich nur ein Mangel an Gutem. Indem man das Mangelhafte ablehnt, neigt man sich dem Vollkommenen, also dem Guten, zu und ist somit in einem Zustand der Liebe.
Vgl. Goldie 2000, 11–12 und 42–45.
Da Thomas davon ausgeht, dass etwas Schlechtes nichts anderes als der Mangel an Gutem ist, steht die Abwendung vom Schlechten immer in Abhängigkeit zur Hinwendung zum Guten: Man lehnt das Schlechte ab, indem man prinzipiell auf das Gute zustrebt und feststellt, dass es nur mangelhaft oder gar nicht vorhanden ist. Vgl. zu dieser Privationstheorie Stump & Kretzmann 1991; Miner 2009, 25–28.
Wie bereits erwähnt (vgl. Anm. 54), ist Paul Ekman ein prominenter Vertreter dieses Ansatzes.
Das bedeutet freilich nicht, dass er den körperlichen Ausdruck ausblendet. Die Quaestionen zu jeder Emotion sind so aufgebaut, dass Artikeln über die Natur und die Ursache der Emotionen immer Artikel über die Wirkungen – darunter auch die körperlichen – folgen. Dabei handelt es sich allerdings um typische Wirkungen, nicht um eindeutige oder gar notwendige. Zudem berücksichtigt Thomas auch den typischen sprachlichen Ausdruck, der sich in besonderen Interjektionen für einzelne Emotionen zeigt; dazu Rosier-Catach 2008.
Im Extremfall gilt dies sogar für die eigene Person. Ob ich selber traurig oder verzweifelt bin, kann ich nicht einfach anhand eines besonderen Gefühls festmachen (wie bereits betont, gibt es Thomas zufolge keine phänomenale Qualität, die man irgendwie erfassen könnte), sondern nur, indem ich mich frage, auf welche Art von Objekt ich mich beziehe. Steige ich etwa frustriert vom Fahrrad ab, kann ich mich fragen: Bin ich jetzt verzweifelt, weil mir der kühlende Bach (also ein gutes Objekt) unerreichbar erscheint? Oder bin ich nur traurig und niedergeschlagen, weil mir die sengende Hitze (also ein schlechtes Objekt) zusetzt?
Vgl. Prinz 2004, 16, der Lazarus zitiert.
Vgl. Brungs 2002, 164–174. Thomas hatte vornehmlich aufgrund von Johannes’ von Damaskus De fide orthodoxa Kenntnis von dieser Tradition, die auf das frühchristliche Anachoretentum zurückgeht.
So etwa Lyons 1993, 35–36.
So explizit Floyd 1998, 160–161.
Das heißt allerdings nicht, dass der apprehensive und der appetitive Zustand beliebig voneinander getrennt werden können. Im Normalfall hat jedes Lebewesen, das etwas als bedrohlich erfasst, auch den Antrieb, sofort wegzurennen. Trotzdem sind die beiden Zustände zu unterscheiden, wie Thomas betont (STh I 81.1). Der apprehensive Zustand zielt nämlich darauf ab, den bedrohlichen Gegenstand möglichst genau zu erfassen oder gar zu assimilieren; der appetitive hingegen zielt darauf ab, sich möglichst genau auf den Gegenstand auszurichten. In moderner Terminologie könnte man sagen, dass die beiden Zustände eine unterschiedliche »direction of fit« haben. Beim apprehensiven Zustand geht sie vom Gegenstand zum Lebewesen (je besser der Gegenstand assimiliert wird, desto besser ist das Erfassen). Beim appetitiven Zustand hingegen geht sie vom Lebewesen zum Gegenstand (je besser sich das Lebewesen auf den bedrohlichen Gegenstand richtet, desto besser ist sein Streben).
Thomas lehnt sich hier an Aristoteles an und spricht von den sensibilia propria (z.B. Farbe und Ton) und den sensibilia communia (z.B. Gestalt und Bewegung). Vgl. SDA II.13, L XLV/1, 118–120.
Thomas greift hier auf Avicenna zurück, der intentiones als Eigenschaften von Gegenständen – nicht etwa von perzipierenden Subjekten mit einer bestimmten Absicht – bestimmte. Vgl. dazu Hasse 2000, 127–153, und Perler 2006 a.
Vgl. STh I 78.4; dazu Miner 2009, 69–76.
Thomas zieht den Vergleich auch nur in dieser Hinsicht, nicht etwa mit Blick auf eine Prädikation. In STh I 78.4 hält er fest, die partikuläre Vernunft »versammle« die individuellen intentiones, genau wie die allgemeine Vernunft die allgemeinen versammle.
Thomas übernimmt das aristotelische Assimilationsmodell der Wahrnehmung, dem zufolge die wahrnehmbaren Eigenschaften sinnliche Formen sind, die durch eine Aktualisierung der sinnlichen Vermögen vom Wahrnehmungsgegenstand auf den Wahrnehmenden übertragen werden können (STh I 78.3); dazu Perler 2002, 42–60; Pasnau 2002, 171–189.
Man könnte einwenden, dass eine bloße Assoziation von Eigenschaften im Sinne einer sukzessiven Aneinanderreihung nicht ausreicht, um ein Objekt zu erfassen. Müssen die Eigenschaften nicht einem Träger zugeschrieben werden? Und ist dafür nicht eine Form der Prädikation (»Das Bündel von Eigenschaften kommt x zu«) erforderlich? Thomas geht nicht explizit auf dieses Problem ein. Er könnte aber (ähnlich wie in der gegenwärtigen Debatte Bermúdez 2003, 89–95) antworten, dass nur Folgendes erforderlich ist: (1) Die Eigenschaften müssen als räumlich-zeitlich koexistierende Eigenschaften erfasst werden. (2) Sie müssen durch ein Feststellen von Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten von anderen Eigenschaften abgegrenzt werden. Erst dann ergibt sich ein einheitliches Bündel und damit auch ein Objekt, das von anderen Objekten unterschieden wird.
Diese Eigenschaften können nicht nur in einem Akt der Wahrnehmung erfasst und miteinander assoziiert werden, wie der bislang diskutierte Fall der Furcht vor dem Wolf nahelegt, sondern auch in einer Vorstellung. Thomas betont daher, dass sowohl eine Wahrnehmung als auch eine Vorstellung eine Emotion auslösen kann. Dies ist für die auf Zukünftiges gerichteten Emotionen von Bedeutung. Um auf etwas hoffen zu können, reicht es ja nicht aus, aktuell wahrgenommene Eigenschaften miteinander zu verbinden. Man muss sich auch vorstellen, wie diese Eigenschaften in Zukunft präsent sein werden und welchen Nutzen oder Schaden sie haben werden.
In STh I-II 10.3 verweist Thomas auf geistig Verwirrte und Betrunkene, bei denen die rationale Kontrolle ausgeschaltet ist. Ein Spinnenphobiker, der trotz kognitiver Therapie seine Furcht nicht überwinden kann, wäre dann in gewisser Weise ein Verwirrter, weil bei ihm die Relation zwischen sinnlichen und rationalen Aktivitäten grundlegend gestört ist. Rationale Urteile haben bei ihm überhaupt keinen Einfluss darauf, wie er die Spinnen wahrnimmt.
Vgl. Prinz 2004, 99–101, der allerdings betont, dass durch eine Rekalibrierung immer eine zweite, höherstufige Emotion entsteht. Für Thomas kann zwar eine höherstufige Emotion entstehen, dies muss aber nicht immer der Fall sein. So kann die Furcht vor den Spinnen durch Bewunderung überlagert werden (etwa wenn die Spinnen als faszinierende Tiere erfasst werden), sie kann aber auch einfach abgebaut werden, bis schließlich eine emotionslose Einstellung entsteht.
In der neueren Debatte hat dies einige Emotionstheoretiker (z.B. Griffiths 1997) dazu gebracht, in einem solchen Fall einen eigenen Typ von Emotionen anzunehmen und zu bestreiten, dass sich alle Emotionen einer homogenen Gruppe von Zuständen zuschreiben lassen.
Konstan 2006, 43, stellt treffend fest, dass Zorn in den antiken Debatten immer »an appraisal of social roles« beinhaltet und daher nicht einfach durch Wahrnehmungen festgelegt wird.
Vgl. Rhet. II, 2 (1378a31–33).
Es ist daher erstaunlich, dass Thomas den Zorn als eine der elf Grundemotionen nennt. Er räumt allerdings in STh I-II 46.1 ein, dass Zorn nur in einem eingeschränkten Sinn als eine eigene Art von Emotion aufgefasst werden kann, nämlich wenn man in Betracht zieht, dass aus dem Zusammenwirken der beiden Emotionen eine besondere Einheit entsteht: Traurigkeit und Hoffnung sind gleichzeitig präsent und verschmelzen so, dass die Bestandteile nicht mehr getrennt werden können.
Vgl. A Treatise of Human Nature 2.3.3 (ed. Fate Norton & Norton, 266).
In STh I 81.3 verwendet Thomas mehrfach die Formulierung »von Natur aus bestimmt/fähig« (natus est).
Vgl. STh I-II 24.3, ad 1, wo Thomas von einer Betrachtung der Emotionen antecedenter (insofern sie den Urteilen und Willensakten vorausgehen) und consequenter (insofern sie ihnen erst folgen) spricht. Zu dieser Unterscheidung ausführlich Eisen Murphy 1999.
Vgl. zu dieser besonderen Form von Willensschwäche Müller 2005, 24–26. Thomas diskutiert sie in STh II-II 155.2–3.
In STh I 82.4 betont Thomas daher, dass der Intellekt den Willen per modum finis bewegt. Vgl. zu dieser Konzeption, die den Willen in Abhängigkeit vom Intellekt als ein rationales Vermögen bestimmt, ausführlich Gallagher 1991.
Vgl. eine sorgfältige Analyse in Stump 2003, 339–360.
Vgl. De Civitate Dei IX.4 (CCSL 47, 252–253) und die Vorlage in Aulus Gellius, Noctes Atticae XIX.1 (ed. Marshall 1968, 560–561).
Sie wird auch von gegenwärtigen Interpreten betont, die das Zerrbild vom stoischen Philosophen als einem emotionsfreien Menschen zurückweisen. Vgl. pointiert Graver 2007, 85–108.
Vgl. De ira II.3.1–5. Zu Senecas Unterscheidung vgl. Sorabji 2000, 66–75, zu Augustins Rückgriff auf diese Unterscheidung Brachtendorf 1997. Eine weitere wichtige Quelle für die stoische Unterscheidung stellte Cicero (vor allem Buch 4 der Tusculanae Disputationes) dar; dazu Graver 2002.
Deshalb schenkten sie der unter Stoikern diskutierten Frage, ob sinnlich hervorgerufene Emotionen tatsächlich bereits vollständige Emotionen oder nur »Voremotionen« (propassiones) sind, ab dem späten 13. Jahrhundert keine große Beachtung mehr. Allerdings spielte diese Frage in den monastischen Debatten des 12. und frühen 13. Jahrhunderts noch eine zentrale Rolle, wie Knuuttila 2004, 178–195, und Boquet 2008 nachweisen. Sie fand vor allem in den Analysen von Versuchung und Sünde Beachtung, denn dort stellte sich die Frage, ob die spontane Lust und Begierde, die durch ein sinnlich präsentes Objekt ausgelöst wird, bereits eine passio darstellt, für die man verantwortlich ist, oder lediglich eine propassio, zu der man noch keine Zustimmung gegeben hat und für die man folglich auch nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Manchmal sprachen sie auch von »Leidenschaften gemäß dem höheren Teil« (passiones secundum portionem superiorem), d.h. von den Emotionen im rationalen Teil der Seele, da der Wille genau wie der Intellekt ein rationales Vermögen ist. Vgl. Scotus, Ord. III.15, n. 26 (Vat. IX, 485), der sich direkt auf Augustin beruft. – Scotus’ Werke werden nach der Editio Vaticana (= Vat.), den Opera Philosophica (= OPh) oder, falls diese Editionen noch nicht vorliegen, nach der alten Ausgabe von Wadding (= W) zitiert. Für die Ordinatio (= Ord.) und die Lectura (= Lect.) wird auf das Buch, die Distinktion, die Quaestio und falls erforderlich auch auf die Nummer des Abschnitts verwiesen. Wenn nur eine Quaestio vorliegt, entfällt ein besonderer Verweis (Bsp.: III.15, n. 26 = liber III, distinctio 15, quaestio unica, numerus 26).
Für einen Überblick vgl. Lagerlund & Yrjönsuuri 2002; Knuuttila 2004, 256–286.
Vor Scotus sprachen bereits Heinrich von Gent, Bonaventura und Walter von Bruges von passiones und sogar von habitus voluntatis. Vgl. Kent 1995, 199–245; Schäfer & Thurner 2009, 115–118.
Zur Einbettung in den historischen Kontext vgl. Ingham & Dreyer 2004 (für Scotus), Courtenay 1987 und 2008 (für Ockham).
Wie in Kapitel IV.5 ausgeführt wird, knüpft Descartes mit seiner Theorie der générosité an die voluntaristische Tradition an.
Dies zeigt sich deutlich bei Scotus, der in Ord. III.33 (Vat. X, 141ff.) innerhalb einer Abhandlung über moralische Tugenden die Frage aufwirft, ob es passiones voluntatis gibt und wie aus ihnen Tugenden entstehen können. Vgl. zu diesem methodischen Vorgehen Kent 2003 und Boulnois 2003.
Die Bedeutung dieser theologischen Debatte für Emotionstheorien im 14. Jahrhundert verdeutlicht McGrade 1981 und 1987.
Selbstverständlich war auch Thomas von Aquin mit den Debatten über das Leiden Christi vertraut. Er versuchte aber nicht, neben den sinnlichen Emotionen noch »höhere« zu bestimmen. Seiner Ansicht nach hat Christus als Mensch ebenfalls bloß Emotionen, die an den Körper gebunden und somit sinnlich sind. Christus unterscheidet sich nur dadurch von gewöhnlichen Menschen, dass seine Emotionen immer auf die angemessenen Objekte bezogen sind und immer von der Vernunft geleitet werden (STh III.15.4). Hier zeigt sich, wie unterschiedlich mittelalterliche Autoren auf ein theologisches Problem reagierten. Thomas nahm es zum Anlass, um die Frage nach dem Umgang mit sinnlichen Emotionen zu thematisieren, nämlich ob sie immer oder nur manchmal von der Vernunft geleitet sind. Scotus und anderen Franziskanern hingegen diente dieses Problem als Ausgangspunkt, um neben den sinnlichen Emotionen eine andere Art von Emotionen zu bestimmen.
Einen Überblick über die unterschiedlichen Diskussionen dieses Paradefalls bietet Gondreau 2002. Einzelne Fallanalysen zum 13. Jh. präsentiert Motta 2009.
Wie Auerbach 1941 in seiner Pionierstudie gezeigt hat, finden sich in diesen Quaestionen – vor allem in jenen zum Leiden Christi – auch wichtige terminologische Verschiebungen. Der Ausdruck ›passio‹, der ursprünglich ein rein passives Erleiden bezeichnet hatte, erhielt immer mehr eine aktive Bedeutung. Wer nämlich wie Christus eine passio hat, leidet aktiv mit ihm und strebt diesen Zustand sogar an. Dadurch wurde die passio in der mittelalterlichen Literatur zunehmend »gepriesen und herbeigesehnt« (Auerbach 1941, 88). In der neueren Forschung weist Cohen auf diese Veränderung hin und spricht von einem »Philopassionismus« (Cohen 1995, 51). Das Leiden wurde nicht als etwas Schmerzhaftes abgelehnt, sondern als Teilhabe am Leiden Christi positiv bewertet und teilweise aktiv gewünscht. Zu den terminologischen Verschiebungen vgl. auch Cohen 2009.
Vgl. Funkenstein 1986. Man könnte auch von Gedankenexperimenten sprechen, in denen anhand ausgefallener Szenarien der Raum des Denkbaren ausgelotet wurde. War dieser Raum einmal bestimmt, konnte auch das, was innerhalb dieses Raumes real gegeben und empirisch untersucht werden kann (etwa die Menge der Emotionen eines realen Menschen), präziser erfasst werden. Zur Funktion von Gedankenexperimenten vgl. Perler 2008 b.
Vgl. Ord. III.15 (Vat. IX, 477ff.) und Lect. III.15 (Vat. XX, 367). Ich konzentriere mich auf die ausführlichere Fassung in der Ordinatio. Zum christologischen Hintergrund, der hier nicht analysiert werden soll, vgl. Cross 1999, 113–126.
Thomas hatte von einer »spirituellen Veränderung« gesprochen und sie von einer natürlichen unterschieden (vgl. Kapitel I.3). Auch Albertus Magnus und andere Vorgänger Scotus’ trafen diese Unterscheidung. Vgl. Tellkamp 2009.
Vgl. De an. II.12 (424a17–21).
Vgl. einen Überblick in Tweedale 1992; zu den Debatten im 13. Jahrhundert Perler 2002, 42–60. Auch unter heutigen Aristoteles-Interpreten wird die Art der Veränderung kontrovers diskutiert. Einige, etwa Lorenz 2007, sprechen ebenfalls von einer zweifachen Veränderung und stimmen damit mit Scotus überein, freilich ohne sich explizit auf ihn zu beziehen.
In Quaestiones super secundum et tertium De anima, q. 4 und q. 5 (OPh V, 30–31 und 41) geht er ausführlich auf die taktile Wahrnehmung ein und verweist auf eine intentionale Veränderung.
Provokativ hält er fest, man könne diese Auffassung heute nur noch »wegwerfen« (Burnyeat 1995, 26).
Einige Gegenwartsphilosophen (prominenterweise Dretske und Tye) verweisen sogar auf eine repräsentationale Struktur. Vgl. die Beiträge in Aydede 2005.
In diesem weiten Sinn spricht Griffiths 1997, 3, in der gegenwärtigen Emotionsdebatte von Kognitivem. In einem engeren Sinn (den Griffiths freilich verwirft) gelten sogar nur propositionale Einstellungen als kognitiv.
Zum mittelalterlichen Begriff von cognitio vgl. Pasnau 2003.
Vgl. Chalmers 1996, 4.
Vgl. King 2007.
So kritisierte bereits Leibniz im Discours de métaphysique, § 10 (Gerhardt IV, 434–435) die Rede von Formen und Vermögen als explanatorisch leer. Erst wenn man eine Kraft angibt und erläutert, wie sie einen aktuellen Zustand hervorbringen kann, lässt sich seiner Ansicht nach in sinnvoller Weise von einem Vermögen sprechen. Vgl. zu diesem reduktionistischen Ansatz, den in der Frühen Neuzeit zahlreiche Philosophen verfolgten, Nadler 1998.
Im Gegensatz zu Thomas erstellt Scotus keine Taxonomie der verschiedenen Arten. Er spricht in Ord. III.34 (Vat. X, 193–201) aber ebenfalls von »begehrenden« und »erzürnenden« sinnlichen Leidenschaften. Vgl. eine Darstellung der verschiedenen Arten in Perreiah 1998.
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