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Erno Fischer, Robert Gruber

HdW-B 014: Entführt

Die Bände 42 bis 44 hier in einem Buch zusammengefasst!





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

HdW-B 14:

Entführt

von Erno Fischer

und Robert Gruber

 

Das Ende einer Galaxie – und das Geheimnis von Baldagor-3

 

Dieses Buch basiert auf der gleichnamigen

Heftserie – Band 42 bis 44!

 

Impressum

ISSN 1614-3302

Copyright 2012 by HARY-PRODUCTION

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HARY-PRODUCTION!

 

Coverhintergrund: Anistasius

Titelbild: Gerhard Börnsen

 

Einführung

 

Die mächtigste Frau aller Zeiten - in der Gewalt eines Außerirdischen?

John Willard, der Diener des Sternenvogts, des Herrn der Welten, erfährt, daß der Sternenvogt einst ein... Mensch gewesen ist mit Namen Professor Richard Spencer. Und der Sternenvogt läßt ihn virtuell Zeuge davon werden, was damals mit ihm geschah. Im Rahmen verrückter Experimente verschlug es ihn in eine andere - eine offensichtlich jenseitige! - Welt. Er nennt sie Mikro, aber es handelt sich um nichts anderes als den Hyperraum, dem er sich physisch und psychisch anzupassen vermag.

Bei seiner Rückkehr... ist er kein Mensch mehr und erreicht somit eine Art Vorstufe zum Sternenvogt.

Dann kommt die Begegnung des Veränderten mit dem Außerirdischen, den einst seine menschlichen Freunde Sosch nannten: Soschnyz-Baschraz-Som, der zu diesem Zeitpunkt kein sterbliches Wesen mehr ist.

Und John Willard erfährt rückblickend, was in der Zeit geschah, als Richard Spencer bereits in der jenseitigen Welt, im Hyperraum, weilte, den er persönlich Mikro nannte: Als wäre John mit einer Zeitmaschine über eine Million Jahre in die Vergangenheit gereist, wird er unmittelbar Zeuge davon, was damals geschah. Unter anderem wird Ernestine Devil, offiziell nur bekannt als die Schwarze Lady, weil sie persönliche Eigentümerin der Schwarzen Garden ist, von Sosch entführt. Und das hat einen gewichtigen Grund, obwohl sich die Schwarze Lady zunächst zur Wehr setzt.

Sie muß rasch erkennen, daß sie keine Chance zur Flucht hat, und ergibt sich scheinbar einsichtig in ihr ungewisses Schicksal...

 

1

 

„Warum denn nicht gleich so?“ fragte der Außerirdische freundlich. Der lippen­lose Mund unter den Atemlöchern bewegte sich, obwohl er die Worte nicht mit seinem Mund zu formen brauchte.

Der Kopf ging ohne Hals in den Rumpf über. Außerdem erschien er der Schwarzen Lady ein wenig zu klein für den muskulösen Körper.

Sie kratzte zusammen, was sie alles über Soschnyz-Baschraz-Som wußte, den irdische Veründete gern Sosch nannten: Er war nichthumanoid, falls man nicht gleich jedes aufrechtgehende Wesen mit vier Gliedmaßen als menschenähnlich bezeichnen wollte. Grünlicher Flaum schützte eine äußerst strapazierfähige und ela­stische Haut. Geschlechtsmerkmale waren keine sichtbar. Die Gliedmaßen waren viergliedrig. Die außenliegende, ausgeprägte Muskulatur war beeindruckend. Die Schwarze Lady konnte verstehen, daß man sich Wun­derdinge von seinen körperlichen Fähigkeiten erzählte.

Sie wandte ihr Blick hinauf zu dem roten Zyklopenauge. Es änderte je nach Stimmungslage dieses Wesens die Farbe.

Die Schwarze Lady sprang aus dem Liegen - ansatzlos. Für Soschnyz-Baschraz-Som mußte der Angriff völlig unvorbereitet kommen.

Er stand etwa zwei Meter von der Liege entfernt. Ernestine hatte den Sprung gut berechnet. Ihr blauschwarzes Haar flatterte hinterher, als sie mit den Füßen zuerst im Ziel landete. Die Ferse des rechten Fußes zielte genau auf dieses leuchtend rote Auge. Es war naturgemäß eine empfindliche Stelle. Der andere Fuß widmete sich dem Bauch - auf gut Glück, denn die Schwarze Lady hatte keine Ahnung, ob sie Soschnyz-Baschraz-Som damit schaden konnte.

Gerade als sie zutreten wollte, schien Soschnyz-Baschraz-Som sich in nichts aufzulösen und einen halben Meter zur Seite versetzt wieder zu materialisieren.

Er war gedankenschnell ausgewichen!

Die Schwarze Lady stellte sich noch im Flug auf die neue Situation um und schlug mit den Fäusten nach ihm.

Der Außerirdische war wiederum schneller.

Die Schwarze Lady landete draußen in einem kahlen, von Metallwänden eingerahmten Gang. Sie verdankte es nur ihrer katzengleichen Gewandtheit, daß sie sich nicht die Knochen brach.

„Na, na!“ tadelte Soschnyz-Baschraz-Som. „Wer wird denn so stürmisch sein? Sie können mir noch früh genug um den Hals fallen, liebe Ernestine - aber doch nicht mit den Beinen zuerst!“

Ehe die Schwarze Lady sich versah, stand er neben ihr. Er bückte sich blitzschnell und packte sie unter den Achseln.

Es war eine Berührung wie mit den Klauen eines Roboters. Soschnyz-Baschraz-Som hob sie mit Leichtigkeit hoch.

Ernestine Devil wollte sich wehren, doch dazu war es zu spät: Soschnyz-Baschraz-Som warf sie quer durch den Raum auf die Liege zurück.

Er machte eine umfassende Geste, als die Schwarze Lady sich benommen aufrichtete. „Hier gefällt es mir nicht!“ rief er.

„Wo sind wir denn?“ erkundigte sie sich gepreßt. Es verlangte ungeheure Kraft von ihr, sich zu beherrschen und nicht wild zu fluchen. Ihre körperliche Unterlegenheit gegenüber dem Außerirdischen war zutiefst deprimierend - zunächst. Bald wurde brennender Haß daraus. Sie würde diesen Soschnyz-Baschraz-Som mehr hassen als sonst etwas in diesem Universum. Und sie würde alles daran setzen, ihn zu vernichten.

„Schon wieder diese überaus häßlichen Gedanken, liebe Ernestine. Wären sie nur ein Hundertstel so schön wie Ihr Körper.“

„Sie finden eine Menschenfrau... schön?“

„Warum nicht? Man sieht mir zwar kein Geschlecht an, aber das kann sich noch ändern.“

„Wie soll ich das verstehen?“

„Ich kann es Ihnen erklären, Ernestine, aber nur, weil Sie so nett zu mir sind:

Meine Heimatwelt wird von teilgeschlechtlichen Lebewesen bevölkert. Die Art der Fortpflanzung und der Fortpflanzungstrieb entwickeln sich erst nach der erfolgten Partnerwahl. Kaum ein Lebewesen ähnelt dem anderen. Eine Folge der variablen Grund-DNS, nach der praktisch alle Lebewesen mit jedem anderen, der unterschiedlichsten Art, zur Kopulationsfähigkeit reifen können. Dies geschieht natürlich unbewußt - ich meine die Anpassung der Grund-DNS. Sehen Sie, falls ich mich jetzt in Sie unsterblich verlieben würde - selbstverständlich wäre das nur möglich, wenn ich nicht dauernd an Ihren Gedanken Anteil nehmen müßte -, könnten wir beide einen Nachkommen zeugen. Einen kleinen Devil - ah, wie treffend doch Ihr Name klingt: Zufall oder Namensmanipulation Ihrer Erzeuger? - mit einem roten Auge, blauschwar­zen, langen Haaren und... Ach, ich sehe schon, daß es Sie schaudert. Darf ich mich dem anschließen? Ich meine, das war ja nur graue Theorie. Obwohl, damit müßten sie äußerst vertraut sein - allein schon wegen dem Grau - dieser Vorstufe zu Schwarz wie Schwarze Garden.“

„Sie wirken ekelerregend und lächerlich zugleich, Soschnyz-Baschraz-Som. Ein be­sonderes Kunststück, wie ich finde. Aber das scheinen auch Ihre einzigen Qualitäten zu sein. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich zu meinem trauten Heim zurückbringen würden. Die Unterhaltung war zunächst interessant, aber jetzt beginnt sie mich zu langweilen.“

„Sie befinden sich in einer Gesellschaft, die Sie sich nicht ausgesucht haben, und Sie werden sich auch nicht aussuchen können, wann Sie wieder zu Hause sind. Sie tun mir ehrlich leid, liebste Ernestine. Wenn der Kurs meines Schiffes nicht schon programmiert wäre - ich würde glatt ein weiches Herz bekommen und Sie hinauswerfen. Obwohl ich überhaupt kein Herz habe.“

„Sie haben übrigens meine Frage nicht beantwortet“, erinnerte die Schwarze Lady ihn. „Ich fragte Sie, wo wir uns befinden.“

Die Tür schloß sich, während aus der Wand ein Sessel schoß. Soschnyz-Baschraz-Som setzte sich.

„Sie sind offenbar doch nicht so intelligent, wie ich es Ihnen zugetraut habe, Schwarze Lady. Die ganze Zeit rede ich doch schon davon, daß wir auf meinem Schiff sind. Ihr Menschen seid von einer fast unerträglichen Arroganz und Kühnheit. Da habe ich Sie nun mitten aus einem von Raumschiff-Flotten bewachten Son­nensystem heraus entführt, Sie aus dem Schutz Ihres Hauses, das eine kleine Festung ist, direkt in mein Schiff gebracht, und Sie versuchen trotzdem, mich mit primitiver physischer Gewalt anzugreifen. Sie sind meine Gefangene. Finden Sie sich damit ab.“

„Und was erwartet mich?“

„Zunächst nur meine Anwesenheit. Während der Reise werden wir die Zeit mit ein wenig Plaudern verbringen. Dann ist das Ganze kurzweiliger.“

Sie ließ nicht locker: „Und Sie sagten, daß es Ihnen hier nicht gefällt?“

„Es bezog sich auf Ihre direkte Umgebung. Ich gab dem Computer den Befehl, sich ein wenig nach Ihren Wünschen zu richten. Prompt entstanden diese kahlen und irgendwie bedrückenden Wände. Warum haben sie nicht einmal einen Farbtupfer? Sind sie ein Spiegel Ihrer Psyche?“

„Dann müßten sie ja wohl pechschwarz sein.“

„Aha, sind sie sogar beinahe, wie ich sehe. Nun, die oberste Schwar­ze Gardistin könnte sich nichts Besseres wünschen. Hier fühlt sie sich wohl. Schade, daß wir kein Krokodil mitgenommen haben - ein schwarzes natürlich. Ich bin der einzige grüne Fleck im tristen Einerlei. Man kommt sich beinahe deplaciert vor - wie die letzte Insel der Natur.“

„Und es soll wirklich die ganze Zeit so weitergehen?“ seufzte die Schwarze Lady.

„Ich bin Ihnen sehr zuwider, nicht wahr? Lassen Sie sich sagen, daß dies auf Gegenseitigkeit beruht!“

„Und ich darf nicht erfahren, wozu Sie dieses nette Spielchen mit mir veranstalten?“

„Ich möchte Ihnen etwas zeigen!“

„Und was?“

„Nein, doch jetzt noch nicht! Dann ist es ja keine Überraschung mehr.“

„Sie gefallen sich in der Rolle des grünen, einäugigen Weihnachtsmannes, wie?“

„Gern würde ich mit Ihnen plaudern, wie ich es gewohnt bin, aber ich erzählte Ihnen schon von meiner ausgeprägten Anpassungsfähigkeit. Manchmal gerät sie zum Fluch. Tut mir leid, aber mein Benehmen entspricht genau Ihrem krassen Charakter, dem ich mich lediglich angeglichen habe - ohne allerdings Ihre Perfektion erreichen zu können.“

Die Schwarze Lady lehnte sich zurück und begann, schallend zu lachen. Soschnyz-Baschraz-Som ließ sie gewähren.

Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte. „Ich finde die Begegnung einfach köstlich. Das war schon lange mal fällig. Sie sind hier am Drücker, und ich bin die Gefangene. Sie können mit mir tun und lassen, was Sie wollen. Und was tut ein Zyzschniyer bei dieser Gelegenheit? Er bemüht sich, den von einem gewissen Karel Krystal erbeuteten Vorrat an geistreichen Sprüchen an den Mann oder, besser gesagt, an die Frau zu bringen. Es beruhigt mich ungemein, wenn Wesen, die über solche Machtmittel wie dieses Schiff verfügen, ein so schlichtes Gemüt haben.“ Sie lachte laut.

„Wie bringen Sie das eigentlich fertig, liebste Ernestine, zu lachen und dabei gleichzeitig tief in Ihrem Innern finsterste Mordpläne zu schmieden? Warten Sie mal. Sie haben sich vorgestellt, daß Sie mich...“

„Hören Sie auf, Soschnyz-Baschraz-Som!“

Ein Unmutsfalte erschien auf der hübschen Stirn. Die Schwarze Lady schwang ihre Beine von der Liege und richtete sich auf.

„Setzen wir uns gegenüber, und beginnen wir vernünftig zu reden.“

„Ich sagte bereits, daß ich mich anzupassen verstehe, aber ich habe so meine Zweifel, was Ihre Vernunft betrifft.“

„Ich hätte gern mehr von unserem Ziel erfahren.“

„Das Ziel lernt man spätestens dann kennen, wenn es erreicht ist. Ich schlage vor, wir bleiben länger fröhlich, denn mög­licherweise gibt es nachher keine Gelegenheit mehr zum Lachen.“

„Können Sie eigentlich richtig lachen - wie ein Mensch?“

„Sehen Sie, liebste Ernestine, ich habe Sie nicht entführt, um Sie im Dunkeln tappen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Ich sah es als meine Aufgabe an, Ihnen ein wenig die Augen zu öffnen. Sie träumen zuviel - vor allem von sich selbst und ihrer Rolle in der Geschichte des Kosmos. Der gute Derryl Reed ist geflohen und hat anderen Platz gemacht. Ihnen nicht. Doch das kümmert Sie wenig, weil Sie ihre eigenen Pläne haben. Ich weiß das. Allein das wäre ein Grund für mich, niemals mehr zu lachen, und wenn ich es dennoch tue, dann ist es nicht echt - obwohl es so klingt. Meine Kopfmembran ist in der Lage, beinahe jedes Geräusch zu erzeu­gen - wie die Membran eines Lautsprechers. Ob es sich nun um eine menschliche Stimme oder auch nur um ein beliebiges Geräusch handelt. Nur mit dem Erzeugen monumentaler Laute wie dem Explodieren ganzer Welten kann ich leider nicht dienen, weil dafür mein Resonanzkörper zu klein ist. Aber das können Sie umso besser. Bei Bedarf lassen Sie genannte Welten einfach tatsächlich detonieren.“

„Sie sollten weniger reden und mehr Musik machen - falls Sie wirklich so fähig sind mit Ihrer seltsamen Kopfmembran.“

„Tut mir leid, werteste Ernestine, aber das will ich Ihrem erlauchten Ohr nicht zumuten.“

„Warum bringen Sie mich nicht gleich um? Müssen Sie mich vorher noch auf diese Art und Weise foltern? Sie sollen mich doch im Auftrag der Psychonauten-Rebellen ausschalten. Oder bekomme ich eine Gehirnwäsche?“

„Sie irren, Schwarze Lady, wenn Sie an­nehmen, daß ich Sie töten könnte. Nicht einmal in Notwehr könnte ich das. Es unterliegt nicht meinem Willen. Wir beide haben eine Mission zu erfüllen, die der Mensch­heit wichtige Informationen bringen wird.“

„Wieso haben Sie gerade mich ausgewählt?“ forschte die Schwarze Lady.

„Das müßten Sie selber am besten wissen, liebste Ernestine. Sie sind die derzeit mächtigste Persönlichkeit der Erde. Noch gibt es den sogenannte Weltrat, aber die Ratsherren dürfen nichts gegen Ihren Willen unternehmen, denn alle militärische Macht ruht in Ihren Händen. Wenn ich also auf die Menschheit Einfluß nehmen will, sind Sie der richtige Partner. Sie zu töten, wäre äußerst kontraproduktiv, um es einmal so zu umschreiben. Ganz im Gegenteil: Ich muß Sie überzeugen, dann kön­nen Sie den Weltrat in meinem Sinne beein­flussen. Und ich habe ein Mittel, Sie zu überzeu­gen.“

„Welches?“ Sie lauerte mit unverhohlener Wißbegierde auf die Antwort.

Doch Soschnyz-Basch­raz-Som sagte nur: „Wir beide werden den Tod kennenlernen - gemeinsam. Es ist der schlim­mste, grausamste und furchtbarste Tod, den Sie sich denken können. Davor verblaßt selbst Ihre perverse Fantasie, meine Liebe!“