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Das Raumschiff STELLARIS lädt ein zu einer besonderen Reise in das Perryversum

 

Die STELLARIS ist ein besonderes Raumschiff: Seit vielen Jahren reist sie durch das Universum der PERRY RHODAN-Serie, bemannt von einer wechselnden Besatzung, unter wechselnder Leitung und mit wechselnden Zielen. Die Abenteuer, die ihre Besatzung und Passagiere erleben, sind Thema zahlreicher Geschichten ...

Unterschiedliche Autoren verfassten die Kurzgeschichten rings um das Raumschiff STELLARIS. Sie werden seit Jahren regelmäßig im Mittelteil der PERRY RHODAN-Hefte veröffentlicht – hier präsentieren wir die Folgen 41 bis 50 in einer Sammlung.

Mit dabei sind Kurzgeschichten von Roman Schleifer, Susan Schwartz, Michael G. Rosenberg, Wim Vandemaan, Kai Hirdt, Dietmar Schmidt und Sophie Kasper. Zu lesen gibt es humoristische Geschichten, Krimis und phantasievolle Reisen durch die unbekannten Gebiete der heimatlichen Milchstraße.

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Folge 41: »Verspielt« von Roman Schleifer

 

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Titelillustration: Michael Vogt von der Alligator Farm,

Herausgeber des PERRY RHODAN-Comics

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

die STELLARIS ist ein Frachter der Minerva-Klasse, eines von vielen Millionen Raumschiffen, die zwischen den Welten der Milchstraße verkehren. Mit ihrem Rumpfdurchmesser von 200 Metern und einem Volumen von annähernd fünf Millionen Kubikmetern ist die STELLARIS eine Welt für sich. Sie befördert Passagiere ebenso wie Handelsgüter.

Ihre inzwischen lang gediente Kapitänin heißt Sourou Gashi. Deren Stellvertreterin: Bifonia Glaud.

Meist bewegt sich das Schiff auf den eingespielten Handels- und Reiserouten der Galaxis.

Meist – aber nicht immer.

Etwas mehr als 200 Besatzungsmitglieder bevölkern derzeit die STELLARIS, um in drei Schichten den sicheren Betrieb des Schiffes jederzeit und unter allen Umständen zu gewährleisten. Denn wenn die unter- wie überlichtschnelle Raumfahrt im 16. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung auch längst zum Alltag gehört, weiß doch jeder Raumfahrer: Das Weltall ist und bleibt ein wunderbarer Ort.

Die folgende Story ist der zehnte Beitrag von Roman Schleifer – wir gratulieren herzlich!

Viel Vergnügen mit seiner Geschichte »Verspielt« wünscht mit einem herzlichen ad astra

 

euer

Hartmut Kasper

Folge 41

Verspielt

von Roman Schleifer

 

»Abdul! Hör endlich auf zu spielen!«

»Schatz, in fünf Minuten bin ich ...«

Samalis Hand schob sich über das oberste der drei holografischen Spielfelder und senkte sich auf die angreifende Dame.

»Warte! Mir fehlen drei Züge!«, rief Abdul.

Mit der Hand schlug Samali gegen die semistoffliche Spielfigur. Die Dame kippte und krachte auf das Spielbrett. Der Kopf brach weg, loderte auf und rollte einem feuerspeienden Dämon gleich über vier Felder. Bauern, Läufer, Türme und Könige entzündeten sich. Abduls Hände zuckten von den Sessellehnen hoch.

Zu spät.

Ein Blitz raste durch Finger, Arme, Hals und fuhr ihm ins Gehirn. »Okrillfurz!« Er sprang aus dem Sessel. Rauch von den olfaktorischen Düsen der Spielkonsole ließ seine Augen tränen. »Hast du das Holo nicht gesehen?« Mit dem Kopf deutete er auf den verblassenden Achtung! Stimulus-Modus!-Hinweis, während er mit den Händen wedelte, um den Qualm und den heftigen Schmerz zu vertreiben.

»Servo, speichere das Spiel vor meinem Eingriff ab.« Samalis Stirn und Wangen glänzten von einer ihrer Feuchtigkeitscremes. »Zieh dir endlich was über!«, motzte sie und verschwand im Schlafraum.

Abdul riss sich die Sensoren vom Hals. Vielleicht hatte er die synaptische Verbindung doch zu hoch über die empfohlene Maximalintensität eingestellt. Am liebsten hätte er Samali in den Konsolensessel gezwungen und ihr gezeigt, wie schmerzhaft diese Elektroschocks waren. Danach hätte sie kein weiteres seiner Spiele im Stimulus-Modus unterbrochen.

Warum wollte sie, dass er sie zu Praccos Abschiedsfeier begleitete? Den Ara kannte er nur von seiner Antrittsuntersuchung und aus der Kantine. Mehr als ein Nicken oder Grußworte hatten sie nie gewechselt.

Abdul blickte zur Spielkonsole und fühlte es. Heute würde er den Milchstraßenrekord brechen. Warum sollte er seinen Lauf für den von Bord gehenden Mediker unterbrechen?

»Abdul, mach endlich!«

Er seufzte. Blieb er bei seinem Spiel, nervte ihn Samali bis zur Landung auf Terra. Wenn er auf zwei, drei Getränke mitkam, sparte er sich ihr Gekeife.

Abdul trottete in den leeren Schlafraum. Aus der Hygienekabine hörte er, wie Samalis Parfümfläschchen schepperten. Nie würde er verstehen, wozu eine Frau siebzehn Feuchtigkeitscremes und achtundzwanzig Parfüms benötigte.

Achselzuckend schob er die hellbraune Schranktür beiseite und stutzte. Er sah sich die schlichte, graue Bordkombination wählen.

»Worauf wartest du jetzt wieder?« Samalis ungeduldige Stimme riss ihn aus seiner Starre.

»Ich ... äh ... ich hatte ...«

Sie zog die Mundwinkel nach oben. Dadurch hoben sich ihre Wangen, und es wirkte, als rückten ihre Sommersprossen zusammen. »Selbst nach zwei Jahren hast du nicht begriffen, wie wichtig mir Pünktlichkeit ist.«

Wortlos griff Abdul in den Kasten.

»Du nimmst sicher nicht die langweilige Bordkombination für die Feier!« Sie drängte ihn ab, zog ein Polo-Shirt mit modifizierbarem Holokragen heraus und wählte die einzige dunkelblaue Hose, die mit ihren grünen Längsstreifen dem aktuellen Sommermodetrend auf Terra entsprach.

»Versuch erst gar nicht, mit mir darüber zu diskutieren!«, rief sie, drückte ihm beide an die Brust und ließ sie los. Die Teile fielen zu Boden. »Mann, gehst du mir heute auf die Nerven!«

Abdul blickte auf die Kleidungsstücke, während Samali verschwand.

Was war das?, dachte er und schüttelte den Kopf. Seit wann kann ich in die Zukunft blicken?

Er schlüpfte in Hose und Shirt und entschied sich als Kragen für einen simplen lila Schriftzug: »Auf einen guten Neuanfang, Pracco.«

»Schnucki?« Er steckte den Kopf in die Hygienekabine. »Warum bin ich fertig und du nicht?«

»Weil ich auf mein Äußeres achte!« Sie schnupperte an einem Fläschchen mit violettem Etikett, stellte es zurück und roch an einem mit orangefarbenem. Sie tippte sich damit gegen den Hals. Der Geruch von dunkler Minze kitzelte in seiner Nase. Sie drehte sich zu ihm. »Wie sehe ich aus?«

»Passt.«

Samali kniff die Augen zusammen. Wieder rückten ihre leicht gelblich schimmernden roten Sommersprossen auf den Wangen zusammen. »Übertreib es nicht!«

Sie ging an ihm vorbei – und Abdul hatte eine weitere Vorahnung. Er sah sich hinter Samali den Korridor betreten. Ashna und Tamo bogen um die Ecke und rückten auseinander. Ashna hob die rechte Hand, in der sie eine kleine Dose hielt.

Samali tippte gegen den Öffnungssensor, und das Schott glitt beiseite. Abdul spähte nach außen. Würde sich diese Vorahnung ebenfalls verwirklichen?

Ashna Buccelli und Tamo Vallone bogen um die Korridorecke – und wichen abrupt einen Schritt auseinander.

Verdammt!

»Hey, Zweitpilot!«, rief Tamo.

Du mich auch!, dachte Abdul. Er konnte dieses selbstverliebte, arrogante Arschloch nicht leiden. Männer wie Tamo waren charakterlich das Gegenteil von ihm: laut, extrovertiert, oberflächlich und herablassend, als gehörte ihnen der Kosmos.

»Samali!« Ashna reichte ihr eine runde, durchsichtige Dose.

»So schnell?« Samali roch an der weißen Creme. »Akonische Pfingstrose! Sensationell!« Sie lächelte. »Ich bringe sie in die Kabine.«

»Was ist dir über die Leber gelaufen?«, fragte ihn Ashna Buccelli.

»Ich ...«, Abdul stockte. Sollte er ihr erklären, dass er gewusst hatte, was passieren würde?

Samali kehrte zurück. »Was ich dich fragen wollte ...« Sie hängte sich bei Ashna ein und zog sie den Korridor entlang.

Nach den ersten Worten – sie sprachen über Ashnas neue, lockige Frisur – hörte Abdul nicht mehr zu und dachte darüber nach, was die zwei Vorahnungen ausgelöst haben könnte. War die Dreifachschicht, die er für Miharu Watanabe geschoben hatte, der Grund, dass er schon Gespenster sah? Er horchte in sich hinein. Das Aufputschmittel, das er vor der zweiten Zusatzschicht eingeworfen hatte, wirkte nach. Er war weder müde noch erschöpft, fühlte sich fit.

Der Bariton von Brano Melvin holte ihn aus seinen Gedanken. Nach der Stimme des Ertrusers, die aus der Kantine in den Korridor rollte, schwappte eine heitere, ausgelassene Geräuschwolke zu ihnen.

Abdul blieb im Eingang zum Speisesaal stehen. In knapp drei Metern Höhe reihten sich violette, rote, weiße, orangefarbene, schwarze Orchideen aneinander und schmückten durchgehend alle vier Wände. Der Duft ... Abdul verzog die Lippen, als er sich daran erinnerte, wie Samali ihn durch Praccos epsalische Orchideenzucht im Hydroponium geschleift hatte.

Unterhalb der Decke erzeugte die Bordpositronik einen Fächer aus Licht, der in allen Farben des Regenbogens leuchtete und strahlte. Das Licht rauschte auf und ab, drehte sich in sich selbst und stob auseinander. In dieser Kaskade blitzte das Holo von Praccos Gesicht auf und hüpfte oben durch den Raum.

Er verkniff sich die Frage, was dieser Wasserfall sollte. Samali hätte sicher nur schnippisch geantwortet und etwas über seine Unsensibilität gesagt.

Abdul sah sich nach einem freien Platz um. Die Vierer- und Sechser-Esstische waren Stehtischen gewichen, die mit weißen Tischtüchern behängt waren. Rund um sie tranken, aßen und unterhielten sich Blues, Ertruser, ein Unither und unzählige Terraner. Nichts ließ darauf schließen, dass sie in einer Terkonit-Kugel durch den Linearraum in Richtung Terra rasten.

»Samali!« Ein ihm fremder, braunhaariger Terraner winkte seiner Freundin zu.

Samali verabschiedete sich von Ashna und Tamo und hielt auf den Mann zu. Abdul folgte ihr. Ein Servoroboter, der ein Tablett mit langstieligen, aber leider leeren Sekt-, Wein- und Schnapsgläsern über sich in einem Antigravfeld balancierte, sauste auf sie zu, um über sie hinwegzufliegen.

»Gormlan Panurge. Abdul Ghonim.«

Sie reichten sich durch den Dampf, der aus der Tasse vor Gormlan aufstieg und nach bittersüßem Porcelana-Kakao roch, die Hände.

»Gormlan ist der Chefingenieur der Mondwerft, auf der die STELLARIS gebaut wurde.«

Abdul deutete einem Servoroboter und entschied sich für einen arkonidischen Malsar-Whiskey. Sinnlosen Small Talk überstand er nur mit ausreichend Alkohol.

»Was darf ich dir anbieten?«, fragte Gormlan in Richtung Samali.

Sie lächelte. »Wähle du.«

»Einen Arkon-Sunrise«, bestellte er beim nächsten Servoroboter.

Abdul leerte das Whiskey-Glas in einem Zug. Woher kannte dieser Typ Samalis Lieblingsgetränk?

Samali und Gormlan begannen über die Unterschiede zwischen arkonidischen und akonischen Transmitter-Transmissions-Schockdämpfern zu fachsimpeln. Sie wollten ihn also loswerden. Nach dem vierten technischen Spezialbegriff klinkte er sich aus.

»Bis später«, sagte er und schlenderte in den hinteren Bereich der Kantine, der in rotem Licht erstrahlte.

Sourou Gashi hatte tatsächlich Spieltische gestattet. Das war endlich ein Grund für den Verbleib auf der Abschiedsfeier. Er trat an einen der Roulettetische. Ein-Stellar-Münzen bedeckten ein Drittel der Ziffernfelder.

Abdul staunte. Gashi ließ sogar um echtes Geld spielen.

»Rien ne va plus!«, sagte der holografisch von STELLATRICE generierte Croupier.

Selbstverständlich setzten die meisten Spieler nun ihre Münzen. Rüde drängte sich ein Oxtorner zwischen zwei Arkoniden und verteilte an die zwanzig Stellar über den grünen Bezug des Spieltisches.

Abdul ging zum Rekon-Tisch, an dem drei Terraner und ein Plophoser saßen.

»Na, Alter, Lust auf ein Spielchen?« Terdi Byhn deutete mit dem Kopf auf den freien Sitz.

»Damit du mich ausnimmst?«, fragte Abdul seinen einzigen Freund an Bord.

»Bei einem Stellar Einsatz wirst du es verschmerzen.« Der Techniker lachte und drehte sich ganz zu ihm. Wie immer trug er einen Pullover über der Bordkombination, weil die Temperatur an Bord für ihn zu niedrig war. »Ich verrate dich auch nicht an Samali.«

»Als ob sie mit dir redet«, antwortete Abdul und konzentrierte sich auf die Vorderseite von Terdis Holo-Pullover, auf der Bilder namhafter Hyperkünstler in sich selbst zerrannen. Abdul glaubte, Der Raum schreit am Black Hole zu erkennen, das in Der Tod einer kreischenden Superintelligenz einsickerte, es überlagerte und von einem Farbklecks verdrängt wurde.

Nach dem Ende der Runde setzte sich Abdul an den Spieltisch. Er hielt den Handrücken an den Servoroboter, der von seinem implantierten ID-Chip einen Galax abbuchte. Einhundert Stellar schwebten zu ihm, die er zu Haufen von je zehn Münzen stapelte.

»Schönes Spiel!«, sagte er zu seinen Mitspielern.

Zwanzig Runden später waren seine Kameraden um achtzig Stellar ärmer.

»Was hat du denn für einen Lauf?«, fragte Terdi und knuffte ihn in die Seite.

»Fortuna ist mir hold!«, antwortete Abdul mit einem Zwinkern und schichtete seine Münzen um.

»Macht Platz für den Meister!«, dröhnte eine Stimme von rechts.

Abdul kannte sie, ohne hinzusehen. Verfolgte ihn Tamo?

»Ein Stellar, wie niedlich«, kommentierte Tamo Vallone. »Los, erhöhen wir das Limit auf einen Galax.«

»Dafür musst du STELLATRICE umprogrammieren«, sagte Terdi.

»Spielverderber.« Tamo schob einen Stellar in das Einsatzfeld. Die anderen Spieler folgten. Der holografische Dealer riffelte und teilte die semimanifesten Karten aus.

Abdul bog eine nach der anderen an der Ecke auf. Ein Seitenarm fehlte ihm zu einer Milchstraße, also erhöhte er. Terdi passte. Die zwei verbliebenen Terraner, Gebhart und Horatio, warfen ebenfalls ihre Karten ins »Black-Hole«-Feld, während der Plophoser mitging.

»Mutig, mutig«, sagte Tamo Vallone und setzte nach.

Abdul grinste innerlich. Er erhielt die gewünschte Karte für die Milchstraße.

Der Plophoser stieg aus. Tamo legte einen Stellar zu seinen zwei Münzen. Abdul zog nach. »Deal?«

»Bei diesen Minisummen?« Tamo lachte und legte eine weitere Stellar-Münze hinzu. »Runp«, sagte er den Regeln entsprechend.

Siegessicher deckte Abdul seine Karten auf.

»Staune und lerne.« Tamo drehte eine Karte nach der anderen um. Bevor Abdul die vierte Karte sah, wurde er wütend. Dieser Mistkerl hatte eine Mächtigkeitsballung!

Tamo lachte und sackte den Gewinn ein. Runde um Runde verging, und Abduls Münzstöße schmolzen. Egal, welches Blatt Abdul erhielt, Tamo hatte ein Besseres. Als nur noch zehn Stellar vor Abdul standen, erhob sich Tamo. »Leckt eure Wunden.«

Abdul spürte eine Hand auf seiner Schulter, die ihn nach unten drückte. »Er ist es nicht wert«, raunte Terdi. »Spielen wir zu zweit eine Runde zum Abschluss?«

Gebhart, Horatio und der Plophoser hatten längst das Weite gesucht. Wortlos setzte Abdul einen Stellar und verfluchte Tamo Vallone in Gedanken. Nein, er würde sich von diesem aufgeblasenem Idioten nicht den Tag verderben lassen. Lieber würde er noch den Milchstraßenrekord auf der Spielkonsole knacken, um seinen Triumph sofort nach Linearraumaustritt in die galaktischen Spielforen einzuspeisen.

Er hob seine Karten hoch.

Klar, nun erhielt er eine Mächtigkeitsballung. Noch dazu mit dem im ganzen Spiel nur einmal vorkommenden Cyrat. Er fackelte nicht lange und strich den Gewinn ein.

»Das war's«, sagte er und erhob sich.

Terdi antwortete nicht.

Das Rotweinglas berührte seine Lippen. Der Wein, der in seinen Mund hätte fließen sollen, war wie eingefroren.

»Terdi?«

Der Triebwerkstechniker schwieg. Auch alle anderen Geräusche fehlten. Irritiert blickte sich Abdul um. Vor ihm, hinter ihm, neben ihm – niemand bewegte sich. Alle verharrten in unterschiedlichsten Posen und warteten Statuen gleich auf das Ende der Ewigkeit.

War das wieder eine seiner Vorahnung?

»Leute?«, rief Abdul.

Niemand lachte, hustete, klatschte oder sagte etwas.

»STELLATRICE?«

Die Bordpositronik schwieg.

Abdul bekam ein mieses Gefühl. »Hört mit dem Mist auf!«

Stille.

Panik erfasste ihn, dann wurde es dunkel.

 

*

 

»Abdul! Hör endlich zu spielen auf!«

Abdul sprang so heftig hoch, dass der Sessel nach hinten wippte, bevor ihn die automatische Schwebekorrektur stabilisierte. In seine lauten Gedanken – Was ist in der Kantine mit mir passiert? Wieso erlebe ich dieselbe Szene erneut? – mischte sich Samalis Aufschrei.

»Abdul, übertreib nicht!«

Er keuchte. Die Szenerie wiederholte sich. Offenbar bemerkte nur er den zeitlichen Rückstieg. Er schlug die Hände vors Gesicht, taumelte, stieß mit der Hüfte gegen etwas Hartes und torkelte weiter durch den Raum.

»Krieg dich ein und zieh dir endlich was über!«, motzte Samali.

Er öffnete die Augen und sah sie im Schlafraum verschwinden. Der Schmerz brannte immer noch in seinen Fingern. Wütend riss er die Sensoren vom Hals. So hoch würde er die synaptische Verbindung nie wieder einstellen.

Es ist wie zuvor und doch anders. Verdammt, was ist hier los?, dachte er.

Abdul zwang sich zur Ruhe und betrachtete die Fakten. Zum zweiten Mal erlebte er dasselbe Szenario. Die Vorahnungen fielen ihm ein, und er korrigierte sich. Er musste zum dritten Mal von Samali unterbrochen worden sein. Die Vorahnungen waren kein Blick in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit gewesen. Bereits zuvor hatte er alles zum zweiten Mal erlebt, aber das Aufblitzen nicht als Teil seiner Erinnerungen eingeordnet.

Wieso bemerkte Samali nichts von dieser ... Zeitschleife? Oder Terdi? Oder Tamo? Oder überhaupt jemand?

»STELLATRICE!«

»Abdul?«

»Ich ...« Er rang nach Worten. Der Bordrechner hätte diese Zeitsprünge zuerst feststellen müssen. Warum unternahm er nichts dagegen? Nahm er im Auftrag von Gashi irgendein krankes Experiment vor?

»Abdul?«

»Kann es sein, dass wir in einer Zeitschleife gefangen sind?«, platzte er heraus.

»In einer Zeitschleife?«, wiederholte die Bordpositronik, als könne sie nicht erfassen, was er soeben gesagt hatte.

»Ich erlebe die letzten Stunden bereits zum dritten Mal.«

»Abdul, ich erinnere daran«, sagte die Positronik, »dass nur eine kleine Gruppe von bewusstseinsmanipulierenden Drogen in den Freischichten erlaubt ist und ein Verstoß dienst- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.«

Abdul fluchte. Was hatte er erwartet? »Ich bin nüchtern!«, rief er.

»Ich spreche nicht von Alkohol.«

Abdul griff nach dem Schreibstift auf der Kommode und schleuderte ihn durch die Luft. Der Stift prallte gegen den Vexier-Punkt des Bordrechners und fiel zu Boden.

»Aggressives Verhalten ist keine Lösung.«

»Zum Wutabbau sehr wohl.« Abdul zeigte der Bordpositronik den Mittelfinger. »Spar dir deine abstrusen Analysen und nenn mir eine Alternativinterpretation!«

»Eine Alternativinterpretation wofür?«

»Für das Faktum, dass ich die letzten Stunden wiederholt erlebe!«

»Intrusionen werden von posttraumatischen Belastungsstörungen, Zwangsstörungen, Depressionen oder Nahtod-Erfahrungen ausgelöst. Und von Drogen.«

»Ich bin nicht verrückt!«

»Ich empfehle dir«, sprach STELLATRICE mit der positronikeigenen Gelassenheit weiter, »dich von der Bordmedikerin auf eine der von mir genannten Auslöser untersuchen zu lassen.«

Bevor Abdul antwortete, stand Samali im Raum. Wortlos schleuderte sie ihm eine Hose und ein Shirt zu. Vor seinen Füßen landeten sie am Boden.

»Mann, gehst du mir heute auf die Nerven!«, sagte sie und drehte sich um.

Rasch zog sich Abdul an. Die STELLARIS musste in eine Zeitschleife geraten sein. Eine andere Erklärung gab es nicht. Alkohol und Drogen schieden aus. Das Aufputschmittel war ohne Nebenwirkungen.

Er musste mit Terdi Byhn reden. Da sein Hobby Hyperphysik war, reagierte er sicher aufgeschlossener, wenn er ihm von der Schleife erzählte.

Als er sich aus dem Antigravschacht schwang, blieb Abdul abrupt stehen. Diese Zeitschleife hatte auch ihre positiven Seiten. Solange sie existierte, hatte er freie Hand. Er konnte machen, was er wollte und so oft er es wollte. Er hatte unendlich viel Zeit.

Kein schlechter Gedanke, wie er fand.

Er ging weiter und verstand, dass sein Handeln ohne Konsequenzen bleiben würde. Mit jedem Neubeginn löschte sich bis auf seine Erinnerungen alles aus.

Er grinste. Ungeahnte Möglichkeiten eröffneten sich ihm.

Als er die Kantine erreichte, hatte er bereits konkrete Pläne, wie er die Schleife nutzen konnte. Er passierte Gormlan Panurges Tisch vorbei, der die Tasse dampfenden Kakao vom Tablett eines Servoroboters nahm, zwängte sich an zwei Terranern vorbei und gelangte an den Rekon-Tisch.

»Terdi«, sagte er und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter, »ich muss mit dir reden.«

Terdi Byhn beendete die Runde, indem er die Karten ins »Black-Hole«-Feld über dem Spieltisch warf, in das sie hineinwirbelten und zerstoben, nickte seinen Mitspielern zu und stand auf. »Was gibt es?«, fragte er.

»Ich brauche deinen fachlichen Rat.«

Terdi hob die Augenbraue.

»Angenommen, wir wären in einer Zeitschleife ...«

»Bist du betrunken?« Terdi lachte, schob den Kopf vor und schnupperte. »Wie sollten wir in eine Zeitschleife geraten?«

Abdul ärgerte sich. Er hätte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen sollen.

»Nur angenommen«, wiederholte er den ersten Teil seiner Frage. »Sieh es als eines unserer Gedankenspiele.«

»Wie kommst du gerade darauf?«

»Samali nervt mich wegen eines Spiels.«

»Verstehe.« Terdi grinste. »Manchmal lösen Frauen diesen Effekt aus.« Er nickte wissend. »Ich kann dich beruhigen. Es ist nichts Höherdimensionales, sondern der Frauen-Effekt.« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Hier ist alles in Ordnung.«

Abdul seufzte und entschied sich für eine weitere Lüge. »Gut, ich gestehe. Ich ackere mich durch ein Adventure-Spiel und komme nicht aus dem Zeitschleifen-Level.« Auffordernd sah er den Triebwerkstechniker an.

»Das ist Schummeln.« Terdi hob mahnend den Zeigefinger.

»Die Lösungsdatei kommt erst nächsten Monat auf den Markt.«

»Terranische Technik?«

Abdul nickte. »Ich bin allein an Bord und in Überlicht.«

»Notabschaltung des Triebwerks funktioniert nicht, nehme ich an.«

»Exakt.«

Terdi fuhr sich über die grauen Haare. »Entweder, du unterbrichst die Energieversorgung oder die Verbindung zur Hauptsteuerung, oder du störst den Aufbau der äußeren Hyperblase über einen Hyperstrahler, oder du lässt die Kühlung inklusive Notversorgung ausfallen.«

Abdul dachte nach. Ein Hyperstrahler ließ sich einfach besorgen. Und an den Hawk heranzukommen, war als Pilot seine leichteste Übung. Aber wollte er das auch?

»Zweitpilot und Zweit-Triebwerkstechniker. Welch süßes Paar.«

Abdul wirbelte herum. Wenn er jetzt zuschlug, saß er nicht lange in der Gefängniszelle. Der Rücksprung löschte alles aus – bis auf seine Befriedigung, es Tamo gegeben zu haben. Er hob die Fäuste.

»Bereit für ein Spielchen?«, fragte Tamo.

Diese Möglichkeit gefiel Abdul besser. »Nach dir«, sagte er und trat beiseite.

Tamo Vallone setzte sich an den Rekon-Tisch. Terdi und Abdul folgten ihm. Während einhundert Stellar zu ihm schwebten, dachte er über die Abfolge der Spiele nach. Dieselben Menschen saßen am Tisch. Er nickte dem Plophoser zu und wollte die Terraner mit Namen begrüßen. Der linke war Gebhart Uper, der Orter. Der rechte ... Abdul kramte nach dem Namen, doch er wollte ihn partout nicht finden.

Die ersten Karten fielen in seinen Spielbereich – sie waren identisch mit jenen der zweiten Zeitschleife. Er musste Tamo dazu bewegen, länger am Tisch zu bleiben und ein weiteres, letztes Spiel zu akzeptieren. Dann erhielt er eine Mächtigkeitsballung mit einem Cyrat und zeigte es diesem aufgeblasenen Angeber.

Abdul hielt sich an seine vergangenen Entscheidungen, erhöhte analog seinen Erinnerungen oder warf die Karten ins rotierende Black-Hole links vom holografischen Dealer. Sein Münzvorrat schmolz. Da er später zum Tisch gekommen war und zuvor keine Gewinne eingefahren hatte, buchte der Servo ihm einen weiteren Galax vom ID-Chip ab.

»Nur nicht aufgeben!«, foppte ihn Tamo. »Du lernst es auch noch.«

Abdul lächelte schwach. Er freute sich auf Tamos Gesicht, wenn er die Mächtigkeitsballung zu sehen bekam. Mittlerweile wusste er, wie er ihn am Tisch halten konnte.

»Leckt eure Wunden!« Tamo Vallone schob seine Münzstöße zum Dealer und steckte den Handrücken in das Sensorfeld, damit ihm der Servo das Guthaben auf seinen ID-Chip gutschrieb.

»Gibt uns der große Meister eine Huldigungsrunde?«, fragte Abdul.

Langsam drehte Tamo Vallone den Kopf. Skeptisch blickte er ihn an. Abdul sah, wie es in ihm arbeitete. Tamo überlegte, ob er ihn veräppelte oder nicht.

»Wir spielen auch um deinen geforderten Galax.«

»Das kannst du vergessen«, meinte Terdi. »Der Roboter verweigert, sobald du mehr als einen Stellar setzt.«

»Das umgehen wir, indem wir einen Stellar zu einem Galax ernennen – inoffiziell, für uns.«

Tamos skeptischer Blick hellte sich auf. »Wie wär's mit zehn?«

»Ich bin dabei!«, sagte Abdul und sah Terdi auffordernd an.

»Na schön«, murmelte der Triebwerkstechniker.

Abdul jubilierte innerlich. Mit seiner Cyrat-Mächtigkeitsballung würde er Tamos Ego in den Hyperraum schleudern.

Der Servo verteilte die Karten. Schmunzelnd lugte Abdul unter die ersten drei Karten. Sein Schmunzeln gefror. Das waren alles andere als jene Karten, die er für eine Mächtigkeitsballung benötigte. Es reichte nur für ein Sonnensystem. Irritiert sah er noch einmal nach. Die Kartenbilder blieben gleich. Tamo erhöhte seinen Einsatz und er zog automatisch mit. Die nächste Karte war ein Ringplanet und danach erhielt er den Mond.

Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering war, diese Runde zu gewinnen, fragte er Tamo: »Deal?«

Tamo verzichtete auf die dreißig Sekunden, die er hätte überlegen können. »Runp!«

Immer noch grübelnd deckte Abdul seine Karten auf.

Terdi murmelte etwas, das er nicht verstand, nahm seine Karten und warf sie in das Black-Hole.

»Diese letzte Runde war eine hervorragende Idee«, sagte Tamo. Genüsslich drehte er eine Karte nach der anderen um.

Abdul schnaufte. Tamo hatte seine Mächtigkeitsballung. »Du elender Betrüger!«

Tamo Vallone bewegte sich keinen Millimeter.

»Steh auf!«, brüllte Abdul und schnellte hoch.

Als Tamo keine Reaktion zeigte, blickte sich Abdul um. Alle waren eingefroren.

Er fluchte lautstark, dann wurde es dunkel.

 

*

 

»Abdul! Hör endlich zu spielen auf!«

Er sprang aus dem Sessel und stieß Samali von sich. Sie stolperte einige Schritte rückwärts.

»Spinnst du?«, rief sie.

Er antwortete nicht, riss sich auf dem Weg in den Schlafraum die Sensoren vom Hals und zerrte das Holo-Shirt und die Hose mit den grünen Längsstreifen aus dem Schrank.

»Abdul!« Samali stand in der Tür. »Was soll das?«

Er blickte sie an. »Viel Spaß mit Gormlan.«

Sie riss die Augen auf und trat von ihm weg. »Woher weißt du ...?«

»Ist das nicht egal?« Er ging an ihr vorbei. Er musste in die Kantine und den Verlauf der Spielrunden ändern, damit er gegen Tamo eine Chance hatte.

Als sich das Schott der Kabine hinter ihm schloss, wusste er, welchem Fehler er aufgesessen war. Die Abfolge der Karten hatte sich verändert, weil sie zu dritt statt zu zweit gespielt hatten. Er fluchte. Es konnte nicht sein, dass Fortuna diesen arroganten Kerl derart bevorzugte. Er eilte durch das Schiff und steuerte erneut auf den Rekon-Tisch zu.

»Terdi, ich gebe dir die Ehre«, sagte er und setzte sich. Erneut erinnerte er sich nur an den Namen des Orters. Der andere war ihm entfallen.

Egal. Die drei Mitspieler waren nur Staffage.

Abdul lugte unter die ersten drei Karten: Mond, Gasplanet und Ringplanet. Damit war er auf dem besten Weg zu einem ...

Er stutzte. Der Name der Kartenkombination fiel ihm nicht ein.

Mond, Gasplanet, Ringplanet, wiederholte er in Gedanken. Zwei Karten fehlen zu einem ... zu einem ...

»Du musst setzen oder passen!«, sagte Terdi und klopfte ihm auf den Unterarm.

Abdul schob einen Stellar in das Feld. Nachdem er die nächste Karte – es war ein Planetoid – angesehen hatte, kam sein Gedächtnis zurück. Das Sonnensystem konnte er sich abschminken. Die nächsten fünf Runden gewann er. In Runde sechs hob er Karte eins und erkannte sie nicht mehr. Sie zeigte eine kraterübersäte Kugel. Rasch hob er die zweite und die dritte Karte – zwei Seitenarme. Wie zum Teufel hieß die erste Karte?

Diesmal erinnerte ihn der Roboter daran, dass er sich zwischen Erhöhen und Passen entscheiden musste.

Er ging mit und fragte sich, was mit ihm los war. Waren die Aussetzer die Auswirkung der Zeitschleifen? Rächte sich das Raumzeitkontinuum an einem Wissenden wie ihm?

Fünf Runden später stieß Tamo zu ihnen. Abdul unterdrückte seine Freude. Dieses Mal würde er keinen Fehler begehen. Er wusste auch schon, wie er Terdi dazu brachte, nicht mitzuspielen. Runde um Runde verloren sie das Geld an Tamo. Die beiden Terraner und der Plophoser flüchteten nach wenigen Minuten. Nur er und Terdi blieben mit Tamo am Tisch und sahen zu, wie ihr Einsatz zu Tamo wanderte.

»Leckt eure Wunden!« Tamo erhob sich.

»Wie wär's mit eintausend Galax Einsatz?«

Tamo zuckte zusammen. »Eintausend?«, wiederholte er.

»Angst?«

»Mit Vergnügen gebe ich euer Geld aus«, sagte Tamo und setzte sich.

»Abdul!«, rief Terdi. »Bist du übergeschnappt?«

»Ich verstehe, wenn du aussteigst.«

Terdi schnappte nach Luft. »Ich spiele sicher nicht um eintausend Galax.« Er stand auf. »Und du ebenfalls nicht!« Er griff nach Abduls Oberarm und wollte ihn hochzerren.

Abdul riss sich los. »Ich weiß, was ich tue!« Er knallte einen Stellar auf den Tisch. »Eintausend«, sagte er zu Tamo.

Der Terraner nickte und schob seinerseits einen Stellar in das Einsatz-Feld. Die Karten flogen ihnen zu. Abdul jubilierte. Das war es, was er sehen wollte. Zwei Seitenarme und ein Black Hole. Er blickte zu Tamo und zählte die Sekunden. Wann traten ihm die ersten Schweißperlen auf die Stirn?

Mit einer lässigen Handbewegung schnippte er einen Stellar auf das Spielfeld.

Tamo Vallone betrachtete seine Karten.

»Doch zu viel Geld?«, fragte Abdul.

Der Angeber legte nach.

Eine weitere Karte landete in Abduls Bereich. Er hob sie hoch und erkannte das Bild nicht.

Nicht jetzt!, brüllte er in Gedanken.

Andererseits musste er die Karten gar nicht zuordnen. Er wusste, dass er gewann. Lächelnd erhöhte er um einen weiteren Stellar.

Tamo zog nach und sagte »Deal.«

Das »Runp« schoss geradezu aus Abduls Mund.

Langsam zeigte Tamo ihm die Karten. Mit jeder Handbewegung wurde sein Lächeln breiter.

Abduls Gedanken rotierten. Vor ihm lag eine Cyrat-Mächtigkeitsballung! Das hätten seine Karten sein müssen! Damit hatte er beim letzten Mal gegen Terdi gewonnen. Er sprang auf und hob die Fäuste.

»Es reicht!« Abduls Schlag landete in der Luft. Der Schwung zog ihn vorwärts, und er strauchelte.

»Abdul!«, rief Terdi und half ihm hoch. »Was ist in dich gefahren?«

Abdul schüttelte seine Hand ab und drehte sich zu Tamo. Der Terraner lächelte spöttisch. »Keiner mag schlechte Verlierer.«

»Du blöder ...« Abdul stoppte mitten im Satz, weil Tamo und Terdi erstarrten. »Nein!«, brüllte er. »Das ist zu früh! Viel zu früh!«

Er trat gegen ein fiktives Hindernis, dann wurde es dunkel.

 

*

 

»Abdul! Hör endlich zu spielen auf!«

Er sprang aus dem Sessel der Spielkonsole und stieß die Frau von sich. Wieso kannte sie seinen Namen?

Die Terranerin schrie ihn an und fuchtelte mit den Armen.

Egal! Er musste Tamo in die Finger bekommen und aus ihm herausquetschen, wie er das Spiel manipulierte. Hinter Tamos Strähne steckte mehr als Fortuna.

Der Gedanke blitzte auf, dass er Terdis Platz eingenommen und deshalb die falschen Karten erhalten hatte, und verschwand wieder.

»Gashi wird mir dankbar sein«, murmelte er, »dass ich diesen Falschspieler aus dem Verkehr ziehe.«

Er riss sich die Sensoren vom Hals, stürmte in den Schlafraum und schlüpfte in eine Kombination. Sollte er hier auf Tamo warten oder ihn vor seiner Kabine abfangen?

Nein, er würde Tamo auf frischer Tat ertappen.

An der Tür prallte er mit der schreienden Fremden zusammen. Sie stürzte rückwärts, schlug mit dem Kopf gegen die Kommode und blieb liegen. Achtlos stieg er über sie hinweg. Er verließ die Kabine, schwang sich in den Antigravschacht ...

... und studierte sein Blatt, ein Sonnensystem. Irritiert blickte er sich um. Mit Terdi, einem Plophoser, zwei ihm unbekannten Terranern und Tamo Vallone saß er am Spieltisch. Vor sich zählte er sieben Münzstapel. Ihm fehlte nicht nur die Erinnerung an den Weg in die Kantine, sondern auch jene an die gespielten Runden.

»Spielst du noch oder pennst du schon?«, fragte ihn Tamo.

Abdul setzte, Tamo zog nach und wollte sehen, also deckte er sein Blatt auf. Tamo grinste und zeigte seine Mächtigkeitsballung. Er streckte den Arm aus, um den Gewinn einzustreifen.

»Du elendiger Verräter!« Abdul stürzte sich auf ihn. Verbissen schlug er auf Tamo ein, bis ihm ein Schlag in den Nacken das Bewusstsein raubte.

 

*

 

Abdul öffnete die Augen. Er wollte seinen Kopf drehen, doch etwas hinderte ihn. Ich stecke in einem Fesselfeld, erkannte er.

»Wie geht es, Abdul?«, fragte eine weibliche Stimme im Nebenraum. Sie kam ihm vertraut vor, aber so sehr er sich anstrengte, es stellte sich statt eines Bildes nur der Geruch von Minze ein.

»Die Basalganglien im Großhirn sind geschädigt. Das Volumen des Hippocampus und der Amygdala ist reduziert«, sagte eine andere Frau. Ihre Stimme war heller und weicher. »Das alles sind Anzeichen einer Schizophrenie.«

»Woher?«

»Ich habe nur eine Vermutung.« Sie räusperte sich. »Er hat das Siegel der Spielkonsole aufgebrochen und die Intensität der synaptischen Verbindungssensoren auf einen gesundheitsgefährdenden Bereich erhöht. Sogar die Haftstellen am Hals sind sichtbar.«

»Weil er das Spiel intensiver erleben wollte, ist er ...« Sie stockte.

»Sieht so aus. Wobei ...« Etwas raschelte. »STELLATRICE hat das Log der Konsole ausgelesen. Er hat nur ein einziges Mal mit dieser hohen Intensität gespielt, hätte aber für die Gehirnveränderungen mindestens vier Wiederholungen benötigt.« Etwas schepperte. »Ich hoffe, sie können ihm auf Terra helfen.«

Abdul kicherte. Die Frauen hatten keine Ahnung. Bald kam die Zeitschleife, und er war frei.

Und diesmal, so schwor er sich, würde er Tamo endgültig zur Rechenschaft ziehen.

 

ENDE

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Folge 42: »Fracht für die Aarus« von Susan Schwartz

 

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Titelillustration: Till Felix von der Alligator Farm,

Herausgeber des PERRY RHODAN-Comics

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Liebe Leserinnen und Leser,

 

die STELLARIS ist ein Frachter der Minerva-Klasse. Mit ihrem Rumpfdurchmesser von 200 Metern und einem Volumen von annähernd fünf Millionen Kubikmetern ist die STELLARIS eine Welt für sich. Sie befördert Passagiere ebenso wie Handelsgüter.

Etwas mehr als 200 Besatzungsmitglieder bevölkern derzeit die STELLARIS, um in drei Schichten die Raumtüchtigkeit des Schiffs jederzeit und unter allen Umständen zu gewährleisten.

Eine neue Besatzung ist an Bord der STELLARIS. Die langjährige Kapitänin Sourou Gashi hat sich zurückgezogen. Bifonia Glaud, eine weitere ehemaligen STELLARIS-Fahrerin, ist nun im »Büro für Interstellare Logistik« (BIL) auf Maharani tätig.

Dafür ist ihre Tochter an Bord, die junge und etwas kapriziöse Ellendea Glaud. Und natürlich gibt es einen neuen Kapitän: Er heißt Solomon Coscor und ist ein Epsaler.

Nach und nach werden weitere Besatzungsmitglieder vorgestellt: Thabo Beqiri, der Erste Pilot, der menschenscheue Frachtmanager Seker Adhuu, der Chefsteward Yannish Capata, die Chefingenieurin des Schiffes, Conia Gogolja, und nicht zuletzt ein Dauergast an Bord der STELLARIS: Zirome, der swoonsche Honorar-Konsul außer Dienst.