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Rainer M. Schröder

Lieber auf der Tüte als im Eimer

Ein deutsch-deutscher
Familienroman

hockebooks

10

Richard stand am Fenster des Hotelzimmers und blickte hinaus auf das Lichtermeer gleißender Strahler und Neonleuchten, mit dem sich der Frankfurter Flughafen gegen die Unproduktivität der Nacht wehrte. Hinter ihm im Dunkel des Zimmers schlief Christine tief und fest. Nach der grünen Digitalanzeige des Radioweckers am Bett war es 2 Uhr 18. Es war die Nacht vor ihrem Rückflug in die Staaten, acht Tage nach ihrer Enterbung und Brunos schrecklichem Unfall.

Richard konnte keinen Schlaf finden. Ihm ging zu viel durch den Kopf. Bruno hatte den schweren Unfall gottlob überlebt, und die Ärzte gingen davon aus, dass seine Verletzungen gut verheilen und er keine bleibenden Schäden davontragen würde.

Ein Lächeln huschte unwillkürlich über Richards Gesicht, als er daran dachte, was sein Cousin zu ihm gesagt hatte, als er zum ersten Mal richtig bei Bewusstsein gewesen war und ungetrübt von Schmerzmitteln seine Gegenwart wahrgenommen hatte. Schwach hatte er den linken Arm gehoben, der als einzige seiner vier Extremitäten nicht in einem Verband steckte, und ihn mit den Worten begrüßt: »Ich weiß, kein erhebender Anblick. Aber lieber hier auf der Tüte als im Eimer!«

Sie hatten in den vergangenen Tagen neben den Stunden, die sie gemeinsam mit Simone und Christine im Krankenzimmer verbracht hatten, viel Zeit unter vier Augen gehabt, um miteinander zu reden und miteinander zu schweigen und sich über das Gedanken zu machen, was sie bedrückte und in ihrem Leben zur Last geworden war.

»Wir verkaufen an die Hannoveraner! Malte hat endlich sein Okay gegeben. Die Russenmafia will nicht einmal er am Hals haben«, teilte Bruno ihm vier Tage nach dem Unfall mit. »Wir hätten das Geschäft mit den Gaunern schon letztes Jahr machen sollen, dann hätten wir einen wirklich satten Betrag aus dem Verkauf herausholen können. So bleiben für jeden von uns jetzt unterm Strich bloß noch hundert Riesen und das Mercedes Coupé übrig.«

»Nach Begleichung aller noch fälligen Steuern?«

Bruno nickte. »Ja. Und für zweieinhalb Jahre primitivster Arbeit, für die der Abschluss der fünften Schulklasse völlig ausgereicht hätte, ist das eigentlich gar kein schlechtes Ergebnis, wenn ich mir Lothar und Nikolai und einige andere aus unserer einstigen Clique ansehe, denen es wirklich mies geht.«

»Weißt du schon, was du machst, wenn du wieder auf den Beinen bist?«

»Klar, über ein halbes Dutzend Zeitungen! Und zwar auf einen Schlag!«, antwortete Bruno, wie aus der Pistole geschossen, und seine Augen leuchteten vor Begeisterung und Unternehmungslust, während es nur so aus ihm heraussprudelte. »Ich bringe in Leipzig alle vierzehn Tage oder einmal im Monat kostenlose Regionalzeitungen heraus, für jedes Viertel eine eigene Ausgabe. Aber das werden keine kunterbunten Reklameblättchen mit ein paar redaktionellen Artikeln als schamhafte Feigenblätter sein, wie man sie überall hat und deshalb meist auch gleich in den Müll wirft, sondern es werden richtige kleine Zeitungen, konservativ in Schwarzweiß gedruckt. Die Leute leben in ihrem Viertel und sollen sich mit den entsprechenden Nachrichten und ihren Belangen in ihrer jeweiligen Kiezausgabe wiederfinden. Deshalb nehmen wir auch keine Anzeigen von großen Ketten oder dem Supermarkt draußen auf der grünen Wiese an, die ja doch nur die Kleinen kaputtmachen, sondern wir werden ausschließlich Inserate von Handwerkern, Geschäften und Betrieben akzeptieren, die zu keiner Kette und keinem Konzern gehören und nur aus der lokalen Umgebung kommen.«

»Klingt vielversprechend«, sagte Richard. »Aber wer ist ›wir‹?«

Bruno grinste. »Horst ist wieder mit von der Partie. Du weißt doch: Never change a winning team! Und ich brauche jemanden, auf den ich mich blind verlassen kann. Wir müssen das innerhalb von maximal vier, fünf Monaten aus dem Boden stampfen, damit uns keiner zuvorkommt. Aber das wird schon!«

Richard zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass seinem Cousin dieses ehrgeizige Vorhaben gelingen würde. Bruno liebte es nicht nur, den ganzen Tag mit Menschen zu tun zu haben und ständig irgendwo auf Achse zu sein, sondern er brauchte den intensiven Kontakt mit der Außenwelt sogar. Solche Aufgaben, die mit viel Hektik und abwechslungsreichen organisatorischen Herausforderungen zu tun hatten, ein hellwaches Gespür für Marktchancen und Menschen sowie eine ausgeprägte Rede-und Kontaktfreude erforderten, aber manchmal auch eine gute Portion Raffinesse oder Bauernschläue, solche Dinge lagen ihm einfach im Blut.

Was Bruno noch gut konnte, war aufmerksam zuhören, die Dinge durchdenken und dann mit überraschender Klarheit auf den Punkt bringen. Diese besondere Fähigkeit stellte er einmal mehr unter Beweis, als sie viele Stunden damit verbrachten, über Richards jahrelange Konflikte mit Konrad und dem Vater zu reden und über die innere Zerrissenheit, wie er damit umgehen solle.

»Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sich von der eigenen Familie scheiden zu lassen, ich wäre wohl schon so manches Mal versucht gewesen, es zu tun«, gestand Richard.

»Was natürlich auch keine Lösung wäre, weil du die Verletzungen weiterhin mit dir tragen würdest. Familie hat man. Das ist eines der ganz wenigen wirklich lebenslänglichen Dinge im Leben.«

»Ich weiß«, sagte Richard. »Zudem ist mir mittlerweile klar geworden, dass ich mir gar nicht so viel aus ihrer Häme und Herabsetzung meiner Arbeit und meiner Überzeugungen machen würde, wenn ich innerlich mit meinem Bruder und meinem Vater wirklich abgeschlossen hätte.« Nur das, für das man sich bereitwillig öffnet, kann einen auch verletzen und schmerzhaft tief ins Herz dringen, wie Richard sich hatte eingestehen müssen. Wenn ihm seine Brüder und der Vater trotz aller Bitterkeit und Verhärtung, die die Jahre ihres aufreibenden seelischen Kleinkriegs mit sich gebracht hatten, nicht doch etwas bedeuten würden, was er bewahrt wissen wollte, hätten sie ihn nicht so tief verletzen können, wie es ihnen bis noch vor wenigen Tagen immer wieder gelungen war. »Ich will das Band gar nicht zerrissen sehen, Bruno, das ist mir in den letzten Tagen bewusst geworden. Ich möchte ein gutes Verhältnis zu Konrad. Und der Vater soll meinetwegen alles verschenken, wenn es ihn glücklich macht. Ich will überhaupt nicht aufrechnen und unversöhnlich sein, das ist gar nicht meine Art. Aber ich will auch nicht länger alles so ohne Gegenwehr hinnehmen müssen, wie ich es bisher um des lieben Friedens willen getan habe. Vor allem möchte ich, dass sie endlich sehen und begreifen, wie sehr sie mich all die Jahre verletzt haben und noch immer verletzen. Das ist mein Dilemma.«

»Und warum setzt du dich nicht hin und schreibst darüber?«, schlug Bruno in einem ihrer letzten Gespräche vor. »Manchmal kann man seine inneren Dämonen nur dadurch bezwingen und ihnen die Gewalt über einen rauben, indem man sie klar und deutlich beim Namen nennt, was in deinem Fall bedeutet, dass du sie im wahrsten Sinne des Wortes aufs Papier bannst, um dich ein für alle Mal von ihnen zu befreien!«

Der Gedanke war Richard auch schon des Öfteren gekommen, er war jedoch stets davor zurückgeschreckt, wie er Bruno gestand. »Irgendwo habe ich mal gelesen, ein Schriftsteller, der über das, was er in seinem Leben erfahren hat und was ihn im Innersten bewegt, wahrhaftig schreiben will, müsse einen Splitter aus Eis in seinem Herzen haben, um nicht von Skrupeln gepackt zu werden und in Versuchung zu kommen, die scharfen Kanten seiner subjektiven Wahrheit zu glätten und zu schönen«, sagte er. »Manchmal habe ich das entsetzliche Gefühl, dass in meinem Herz mehr als nur ein Splitter aus Eis steckt, nämlich ein ganzer Klumpen.«

»Mach dich selbst nicht irre, Richard! Du bist Schriftsteller aus Passion und weil du gar nicht anders kannst. Und nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle«, ermunterte ihn Bruno. »Schreib darüber einen Roman, denn das ist dein Metier, und bleib bei der Wahrheit, so wie du sie erlebt und empfunden hast. Ich weiß, die Menschen und unter ihnen vor allem die schwachen verlangen nach der schönen, heilen Fassade. Aber lass dich nicht darauf ein. Du bist stark. Und starke Menschen können ihre Unsicherheit zeigen und so gelassen tragen wie einen alten Hut. Alles andere liegt sowieso nicht in deiner Hand.«

Schreib darüber einen Roman und bleib bei der Wahrheit! Diese Aufforderung ließ Richard nicht mehr los, und sie ging ihm auch in dieser Nacht wieder durch den Kopf, als er am Fenster des Hotelzimmers stand und auf den Frankfurter Flughafen hinausschaute.

Ja, genau das würde er tun! Nicht um abzurechnen oder eine Art von Schlussstrich zu ziehen, sondern um ehrlich Bilanz zu ziehen und seine inneren Dämonen aufs Papier zu bannen.

Richard wandte sich von der Fensterfront ab, ging zum kleinen Schreibtisch und schaltete die Tischlampe an. Christine würde davon nicht aufwachen, war sie doch mit einem bewundernswert tiefen Schlaf gesegnet.

Er nahm die Verzichtserklärung, die er bei ihrem überstürzten Aufbruch nach dem Anruf aus dem Krankenhaus unbewusst eingesteckt und später in seiner Jackentasche gefunden hatte, und unterschrieb sie, steckte sie in einen Briefumschlag aus der Hotelmappe und adressierte diesen an den Vater, sodass er den Brief gleich am Morgen an der Rezeption aufgeben konnte. Sollte der Vater, der sich wohl noch in Stralsund aufhielt, seiner Heimatstadt schenken oder stiften, was er wollte! Es tat ihm jetzt leid, dass er wie Burkhard versucht hatte, dem Vater die Schenkung auszureden und ihn vom Sinn einer Stiftung zu überzeugen. Wenn davon sein Glück und Seelenfrieden abhingen, wollte er nicht derjenige sein, der ihm das vergällte oder ihm gar Steine in den Weg legte. Solange der Vater seinen Lebensabend in Stralsund in der Überzeugung verbrachte, geschätzter Wohltäter der Stadt zu sein und eine nach ihm benannte Sammlung im Archiv und Museum zu wissen, konnte ihm alles Übrige letztendlich gleichgültig sein.

Richard schob den Brief mit der unterschriebenen Verzichtserklärung beiseite und griff zu seinem ledergebundenen Journal, in das er auf Reisen Ideen aller Art notierte. An Schlaf war jetzt sowieso nicht zu denken, warum also nicht schon mal mit den ersten Notizen zu seinem geplanten Familienroman beginnen?

Er grübelte darüber nach, mit welchem Jahr und welch besonderem Ereignis er seine Brüggemann-Chronik eröffnen solle. Es boten sich viele Möglichkeiten an, aber als er seine Erinnerung durch die Jahre zurück in seine Kindheit wandern ließ, stieß er bald auf ein Ereignis, das er als die erste wirklich bedeutende Zäsur in seinem noch jungen Leben erkannte. Ja, damit würde er beginnen! Und mit dem Füller begann er auf eine neue Seite seines Notizbuches zu schreiben: »Beide Hände demonstrativ auf dem Karabiner, der ihm quer vor der Brust hing, und das Gesicht wie eine Betonmauer. Kalt, abweisend und unnachgiebig. So verwehrte ihnen der Grenzer am 1. Mai den Übergang in den Westsektor von Berlin.«

Danksagung

Wir sind, woran wir uns erinnern. Aber die Erinnerung ist kein unparteiisches Archiv. Das Gehirn arbeitet anders als ein Computer, der Informationen auf seiner Festplatte so speichert und auf Abruf bereithält, wie man sie eingegeben hat. Wie das Verstehen stets dem Geschehen hinterherhinkt, so empfinden, interpretieren und erfinden wir Erinnerungen immer wieder neu. Unser Gedächtnis liefert zu keiner Zeit absolute unverrückbare Wahrheiten, sondern subjektive Eindrücke und Einschätzungen. Was wir für den Rückblick auf einen Lebensabschnitt halten, ist stets eine in Folge gebrachte Ansammlung von singulären Ereignissen und Bildern, die von der eigenwilligen Cutterin namens Erinnerung immer wieder neu geschnitten und zusammenmontiert werden.

Bei der Erfindung der Vergangenheit, die in dieser romanhaften Familienchronik erzählt wird, haben mir neben meinen Familienangehörigen eine ganze Reihe von Personen mit fachlichem Rat, praktischer Hilfe und eigenen Lebenserinnerungen zur Seite gestanden.

Für ihre großzügige Hilfe bei der Rekonstruktion des Lagerlebens danke ich dem Verwaltungsfachwirt Klaus-Dieter Nauditt von der Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in NRW, Klaus-Martin Fullert, dem Abteilungsleiter des Durchgangswohnheims Reiner Wolf Netthöfel in Massen sowie Tanja Hoffmann von der Landesstelle Unna-Massen.

Großer Dank für ihre Geduld und für eine Fülle von Anregungen und persönlichen Erinnerungen, die auf die eine und andere Art in den Roman eingeflossen sind, gebührt Dr. Rosemary Köster, Dr. Joseph Naftzinger, Ursula Blank, Heiko Jerke, Katrin und Henno Drecoll sowie Isa-Maria Röhrig-Roth. In ganz besonderer Weise danke ich Volkmar Röhrig für die vielen Tage seiner unermüdlichen Mitarbeit und das außergewöhnliche Geschenk seiner detaillierten Lebenserinnerungen, für die ich immer in seiner Schuld stehen werde.

Zur Verifizierung historischer Daten sowie zu Detailinformationen über politische und gesellschaftliche Ereignisse und Stimmungsbilder in Ost und West standen mir zahlreiche Publikationen zur Verfügung, deren Auflistung eine umfangreiche Bibliographie erforderlich machen würde. Von diesen erwiesen sich einige als außergewöhnlich hilfreich, sodass sie hier genannt seien: die Bücher »Wendepunkte – die Chronik der Republik« von Hartwig Bögeholz, »Die heile Welt der Diktatur« von Stefan Wolle, »Heiß und kalt – Die Jahre 1945–69, Fortschritt, Norm & Eigensinn – Erkundungen im Alltag der DDR« sowie »Leben in der DDR – Befremdlich anders«. Den Autoren und Herausgebern Dank und Respekt für ihre eindrucksvolle und wichtige Arbeit, dem schnellen Vergessen und den »Schlussstrichziehern« aller Zeiten die Fakten und die persönlichen Erinnerungen in den Weg zu stellen!

Rainer M. Schröder,

Palm Coast

Der Autor

Rainer M. Schröder
Rainer M. Schröder

Rainer M. Schröder alias Ashley Carrington zählt mit einer Gesamtauflage in Deutschland von fast sechs Millionen zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern von Abenteuerromanen, Jugendbüchern sowie historischen Romanen. Nach ersten Bucherfolgen in den 80ern ließ er sich mit seiner Frau Helga in den USA nieder und verbrachte einige Jahre auf seiner Farm in der Halbwildnis von Süd-Virginia, dem Ausgangspunkt zahlreicher Abenteuerreisen, bei denen er unter anderem zwischen Kuba und Key West erfolgreich nach versunkenen Schätzen getaucht hat, in einer Goldmine in den Bergender Sierra Nevada gearbeitet hat oder abenteuerliche Reisen auf eigene Faust durch den Amazonas, Australien und die südlichen Länder Afrikas unternommen hat. Heute lebt Rainer M. Schröder mit seiner Frau in Palm Coast / Florida.

All meinen Brüggemanns gewidmet

Ȇber Menschen zu schreiben ist,
wie das Leben, ein schmutziges Geschäft …
Jede Geschichte, die in Druck geht,
beleidigt jemanden, wenn sie wahr ist.«
Franz-Josef Wagner, Journalist

 

»Nicht alle Menschen leiden gleich.
Der eine leidet unter allem und jedem,
und dem anderen macht gar nichts etwas aus.
Das Leid des Menschen richtet sich
nach seinem Charakter.«
Avramham Chasson: Abu Badjis genießt das Leben

Erster Teil:
1960–1961

1

Beide Hände demonstrativ auf dem Karabiner, der ihm quer vor der Brust hing, und das Gesicht wie eine Betonmauer. Kalt, abweisend und unnachgiebig. So verwehrte ihnen der Grenzer am 1. Mai den Übergang in den Westsektor von Berlin.

Heinrich Brüggemann gab vor, die feindselige Haltung des Vopos nicht zu bemerken. »Wir wollen nur mal kurz zur Kundgebung rüber. Willy Brandt spricht vor dem Schöneberger Rathaus.«

Die leutselige Art verfing bei dem Mann in der aschgrauen Uniform nicht. »Aufrechte Genossen haben bei den imperialistischen Kriegstreibern des Westens nichts verloren!«, schnauzte ihn der Grenzer in breitem Sächsisch an. »Beteiligen Sie sich am internationalen Kampftag der Arbeiterklasse gefälligst an einer Kundgebung unserer siegreichen sozialistischen DDR!«

Ingeborg Brüggemann warf den Kopf mit dem schulterlangen, blond gelockten Haar, das Tante Else immer spöttisch und neidisch zugleich »Marlene-Dietrich-möchte-gern-Locken« nannte, in den Nacken.

»Entschuldigen Sie mal, wie reden Sie denn mit meinem Mann?«, entrüstete sie sich. »Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie es zu tun haben!«

Richard fand, dass niemand sich so vornehm und zugleich doch so vernichtend empören konnte wie seine Mutter. Kein Wunder, dass man sie bei ihnen im Stadtteil Pankow respektvoll mit »Frau Doktor« ansprach, sogar die Parteifunktionäre in ihrem Wohnhaus, die ihnen sonst reserviert und voller Misstrauen begegneten, weil der Vater als Einziger im ganzen Block nicht in der Partei war. Nichts wirke besser als eine schöne Frau in kalter Rage, hatte Onkel Willi einmal bewundernd gesagt, und dabei war er sogar nüchtern gewesen, was seinen Worten richtig Gewicht verliehen hatte. Denn Tante Elses Mann trank gern und oft.

»Mein Vater ist Chefarzt!«, rief Richard stolz, im Gefühl, der Mutter Beistand leisten zu können. Nicht, dass sie Hilfe von einem zehnjährigen Jungen nötig gehabt hätte. Aber dieser arrogante Kerl sollte wissen, sie zogen alle an einem Strang, wenn es hart auf hart kam.

»Halt die Klappe, Dicky!«, sagte Burkhard, sein acht Jahre älterer Bruder, hinter ihm und verpasste ihm eine Kopfnuss.

Auf Kopfnüsse, blitzschnell auch im Vorbeigehen verabreicht, verstand sich der große Bruder ganz ausgezeichnet. Aber andererseits war er auch ohne langes Fragen zur Stelle, wenn man einen großen Bruder brauchte, um sich im Viertel aus kritischen Situationen mit Gleichaltrigen zu retten.

Konrad, Richards anderer Bruder, gerade zwölf geworden, aber nur eine Klasse über ihm, grinste ihn schadenfroh an.

Die Mutter nahm das Stichwort »Chefarzt« gern auf. »Das ist er in der Tat, junger Mann!«, sagte sie zum Grenzposten mit einer hoheitsvollen Kopfbewegung. »Mein Mann ist Dr. Heinrich Brüggemann, vierfacher Facharzt und Chefarzt an der weltberühmten Charité!«

Der Grenzer bewahrte seine versteinerte Miene und Haltung. »Die Grenze ist heute gesperrt! Passieren nur mit Sondererlaubnis!«, bellte er.

Der Vater reckte sich nun sichtlich verärgert zu seiner vollen Größe, was leider nicht viel hergab mit seinen gerade mal eins sechzig; er war einen guten Kopf kleiner als die Mutter. »Also, hören Sie«, setzte er zu einem kraftlosen Protest an.

»Ich höre mir gar nichts an, Genosse Chefarzt!«, schnitt ihm der Grenzpolizist kalt das Wort ab und drohte: »Wenn Sie hier noch mehr Unruhe stiften, lasse ich Sie alle zur Feststellung der Personalien zuführen!«

Der Vater ließ die Schultern sinken, schüttelte wortlos den Kopf und wandte sich um. »Es bringt nichts, Inge. Gehen wir nach Hause!«, sagte er mühsam beherrscht.

»Das ist ja wirklich die Höhe!«, schimpfte diese, als sie sich außer Hörweite der Grenzer befanden. »Die können uns doch nicht behandeln wie unmündige Kinder, denen man nach Gutdünken den Ausgang sperrt! Was ist das denn für eine Art, die eigene Elite zu behandeln? Kein Wunder, dass ihnen das Volk in Scharen davonläuft!«

»In der DDR gelten nicht die Akademiker als die Elite, sondern die Arbeiter und Bauern, falls du das vergessen haben solltest, Mutti«, warf Burkhard mit trockenem Spott ein.

»Ach was, das ist doch nichts als dumme Propaganda!«, wehrte sie ungnädig ab. »Der Esel mag den Karren ziehen, aber auf dem Kutschbock sitzt er nicht!«

»Es ist, wie es ist. Und daran werden wir bestimmt nichts ändern. Wenn sich etwas für uns ändern soll, müssen wir schon selbst dafür sorgen … mehr oder weniger«, erklärte der Vater grimmig. Dieses »mehr oder weniger« gehörte zu den Floskeln, mit denen er viele Sätze ausklingen ließ, auch wenn das keinen Sinn machte.

Richard hörte nicht weiter hin. Denn in diesem Moment kam ihm zum ersten Mal in seinem Leben voller Enttäuschung und Ernüchterung zu Bewusstsein, dass die Allmacht des Vaters, die er bis dahin für grenzenlos gehalten hatte, offenbar doch Grenzen kannte.

*

Nach Pankow in die Ossietzkystraße zurückgekehrt, wo überwiegend hohe Parteifunktionäre wohnten und die direkt vor der feudalen Residenz für Staatsgäste der DDR endete, weshalb sie in einem Meer roter Fahnen schwamm, erwartete sie im Treppenhaus eine Überraschung. Keine sehr angenehme, wie Richard dem Gesichtsausdruck der Mutter entnahm. Onkel Willi und Tante Else, eine geborene Köpitz aus Lützen, kamen ihnen mit ihrem einzigen Kind, dem zehnjährigen Bruno, auf der Treppe entgegen.

»Da seid ihr ja! Wir wollten euch überraschen!«, rief Onkel Willi in seiner gewohnt munteren Art, die häufig so aufgesetzt wirkte wie ein buntes Faschingshütchen auf dem Kopf an einem ganz normalen Tag. »Da hätten wir uns doch beinahe verpasst!«

»Schade«, murmelte Konrad mit einem Blick auf Bruno. Und Richard stimmte seinem Bruder insgeheim von Herzen zu. Die Mutter versicherte mit säuerlicher Miene, dass das mit der Überraschung gut gelungen sei, und bat Onkel Willi mit seiner Familie in die Wohnung.

»Was macht ihr denn in Berlin?«, fragte der Vater seinen mehrere Jahre älteren Bruder, der als Ingenieur bei Leuna in Sachsen-Anhalt arbeitete. Man hatte sich in den letzten Jahren selten gegenseitig besucht und das auch nicht als bedauerlich empfunden. Vermutlich lag das an der Mutter, die sich mit Tante Else nicht sonderlich gut verstand.

»Seit gestern wohnen auch wir in Berlin!«, verkündete Onkel Willi mit strahlender Miene.

»Ihr habt es ja nicht glauben wollen, aber wir haben es geschafft«, fügte Tante Else mit bissiger Genugtuung hinzu. Im Gegensatz zu ihrem wohl beleibten Mann war sie von hagerer Gestalt und um die Augen und Mundwinkel deutlich gezeichnet von den Sorgen und dem jahrelangen Ärger mit ihrem trinkfreudigen Mann. »Sie haben Willi endlich nach Berlin delegiert. Lange genug haben sie sich ja dagegen gesperrt, aber ich habe nicht locker gelassen. Das wäre ja auch noch schöner gewesen!«

»Darüber können wir ja gleich noch reden, Frau«, sagte Onkel Willi und klopfte ihr begütigend auf den Arm. »Sagt mal, ihr habt ja heute am großen Kampftag der Arbeiterklasse gar nicht den roten Lappen rausgehängt!«

Die Mutter hob in gespieltem Bedauern die Hände. »Die Halterung für die Fahnenstange ist leider abgebrochen«, sagte sie spöttisch. »Und eine neue war nicht zu kriegen. Tja, da kann man dann nichts machen.«

»Abgebrochen? Mal wieder.« Amüsiert zog Onkel Willi die buschigen Brauen hoch.

Die Mutter lächelte vielsagend zurück. »Ja, mal wieder.«

Onkel Willi seufzte. »Nun ja, bei der Qualität unserer sozialistischen Produktion.«

»Es arbeiten nun mal nicht alle so vorbildlich wie mein Willi«, verkündete Tante Else wichtigtuerisch.

»Was du nicht sagst!« Der kühle Ton der Mutter wirkte ernüchternder als jede spöttische Anspielung auf das bekannte Laster des Schwagers, dessen Karriere deshalb schon so manch bitteren Rückschlag erlitten hatte. »Na, dann werde ich mal Wasser für Kaffee aufsetzen.«

»Bohnenkaffee?«, fragte Tante Else erwartungsvoll. Das Verlangen nach Westwaren, besonders nach stark geröstetem Bohnenkaffee und guter Schokolade, gehörte zu den wenigen Dingen, die die beiden Schwägerinnen gemein hatten.

»Ja, aus dem KaDeWe! Eigenhändig geschmuggelt.«

»Ach, diese gemeinen Verlockungen der Revanchisten und Imperialisten des unaufhaltsam verrottenden Westens!«, brummte Onkel Willi. »Was wären wir nur ohne sie?«

»Arm dran!«, antwortete die Mutter trocken.

Alles lachte. Man hatte den gemeinsamen Grund gefunden, auf dem man sich unbesorgt bewegen konnte. Er war zwar schmal, sollte aber für die Dauer eines nachmittäglichen Besuches tragen.

Burkhard machte sich das allgemeine Durcheinander zunutze, um sich mit einer beiläufig gemurmelten Bemerkung, er gehe dann mal zu seinem Freund Udo rüber und bis später, für die nächsten Stunden aus dem Staub zu machen. Auch Konrad stahl sich geschickt davon. Er konnte ihren Cousin Bruno, ein schmächtiges Bürschchen mit Sommersprossen und einer viel zu großen, hässlich schwarzen Hornbrille auf der Nase, nicht ausstehen.

Damit blieb die Aufgabe, sich um Bruno zu kümmern, an Richard hängen. Er hätte heulen mögen über diese Ungerechtigkeit. Zwar konnte er sich nur an zwei kurze Besuche erinnern, bei denen Bruno zugegen gewesen war, und das lag schon Jahre zurück. Aber beide Male hatten sie mit ihrem Cousin nichts anfangen können. Bruno hatte sich immer hinter Bilderbüchern versteckt oder versucht, sie mit seinen Trompetenkünsten zu beeindrucken, obwohl er bloß ein paar jämmerlich gequetschte Töne herausbekam. Und er hatte sofort zu heulen begonnen, als sie versucht hatten, ihm die blöde Trompete abzunehmen.

»Warum gehst du mit Bruno nicht was im Park spielen?«, schlug der Vater vor, und das kam einem Befehl gleich, gegen den Widerworte sinnlos waren.

*

Bruno trottete hinter Richard her, als sie die fahnengeschmückte Straße hinuntergingen und den Weg zum Park einschlugen. »Wir gehen zur Panke runter, Stichlinge, Blutegel und Kaulquappen fangen!«, sagte Richard mürrisch über die Schulter hinweg. »Aber vielleicht ekelst du dich ja vor glitschigen Blutegeln und zappelnden Kaulquappen. Dann siehst du besser zu, wo du bleibst!«

»Nö, ich habe keine Angst«, antwortete Bruno dröge.

»Warum trödelst du dann so?«

»Ich trödel ja gar nicht.«

»Tust du doch!« Bewusst legte Richard einen strammen Schritt vor. Er ärgerte sich, dass er sich mit dieser sommersprossigen Blindschleiche abgeben musste. Wie konnte jemand auch nur Bruno heißen! Das sagte doch schon alles! Der Cousin zuckte wortlos die Achseln, hielt jedoch mit und blieb unbeirrbar an seiner Seite. »Wie eine lästige Klette!«, dachte Richard missgelaunt. Sie hockten noch keine zwei Minuten im Schatten der Brücke am Ufer der Panke, als plötzlich ein armlanges Stück Brett direkt vor Richard in den Fluss klatschte und ihn mit Wasser und Uferschlamm bespritzte. Erschrocken sprangen er und Bruno zurück.

Von oben kam höhnisches Gelächter. Auf der Brücke standen vier Jungen. Richard kannte sie nur zu gut. Besonders den kräftigen Burschen mit dem schwarzen Mecki, der Richard immer an ein abgeflämmtes Stoppelfeld erinnerte.

»Du verschwindest jetzt besser«, sagte Richard und wischte sich die Dreckspritzer aus dem Gesicht.

»Wer ist das?«, wollte Bruno wissen.

»Das ist die Bonzenbande drüben vom Majakowskiring, und Otto Prenniger, der mit dem Mecki, ist der Schlimmste von allen. Sein Vater ist irgendein hohes Tier in der Partei.«

»Wollen sie dir ans Zeug?«

»Worauf du Gift nehmen kannst!«, sagte Richard mit einem Seufzer in der Stimme und dachte, dass es vielleicht doch keine so geniale Idee gewesen war, sich für Otto Prennigers letzte Gemeinheit dadurch zu revanchieren, ihm die Ventile aus den Fahrradreifen herausfliegen zu lassen. »Du verziehst dich jetzt besser, sonst kriegst du auch Dresche.«

»Wird schon nicht so schlimm werden«, meinte Bruno.

»Dumm ist er also auch noch!«, ging es Richard durch den Kopf. Otto kam mit seinen Freunden den Hang herunter. »Wer ist diese Brillenschlange?«, fragte er großspurig und ganz im Bewusstsein, den Jungen mit seinen Freunden nun ordentlich in die Mangel nehmen zu können.

»Mein Cousin Bruno. Er ist nur auf Besuch hier«, sagte Richard, um Bruno eine letzte Chance zu geben, mit heiler Haut davonzukommen.

»Los, verschwinde, Bürschchen!«, forderte Otto ihn herrisch auf. »Troll dich zu Muttern!«

Bruno schluckte sichtlich nervös, lief jedoch nicht davon. Im Gegenteil, er machte einen mutigen Schritt auf Otto zu. »Ich will mich ja nicht einmischen, aber findest du nicht, dass vier gegen zwei verdammt unsportlich ist?«, fragte er. »Könnte so aussehen, als ob du dich allein nicht traust.«

Richard glaubte, nicht richtig zu hören. Ja, hatte Bruno sie noch alle? Wollte der Idiot sich um Kopf und Kragen reden?

Auch Otto starrte Bruno einen Moment lang mit sprachloser Verblüffung an. »Halt dich bloß raus, Pissnelke, dann kriegst du auch keinen rein!«, stieß er drohend hervor und versetzte ihm einen brutalen Stoß vor die Brust.

Der Stoß schleuderte Bruno zu Boden. Mit einem mädchenhaft spitzen Aufschrei stürzte er ins Gras, keine Armlänge vom Wasser entfernt. Beim Aufprall rutschte ihm die Brille von der Nase und landete im Ufermorast.

»Du hast noch Welpenschutz. Also verpiss dich bloß, bevor ich es mir anders überlege«, rief Otto, hielt die Sache damit für erledigt und baute sich nun vor Richard auf. Auch seine Kameraden schenkten Bruno keine weitere Beachtung mehr, der auf Knien durch den Morast kroch und seine verdreckte Brille aus dem Schlamm zog.

Bruno so schnell abgeschrieben zu haben, erwies sich als folgenschwerer Fehler. Denn plötzlich sprang er auf und stürzte sich mit Gebrüll auf Otto. Dabei schwang er einen dicken, mehrfach verzweigten Ast, der mit Moder, Moos und Schlamm überzogen war, und schlug ihn Otto mit voller Wucht auf die Brust.

Der angefaulte Ast zerbrach, ein Teil traf Otto im Gesicht, über das sich augenblicklich grünglitschige Algen und Moderschlieren legten. Ein zweites Stück traf einen seiner Kameraden am Hals. »Da sind Blutegel dran«, rief einer der Jungen voller Ekel.

Die Wirkung von Brunos blitzschnellem Angriff überstieg alles, was Richard bis dahin an Überraschungen erlebt hatte. Ottos Freunde flüchteten so kopflos, als wäre ihnen ein Geist erschienen. Und ihr Anführer stürzte ihnen hinterher, verstört, halb blind und angeekelt Schlamm und Algenschmiere ausspuckend.

»Na, ich denke, vor denen haben wir fürs Erste mal Ruhe«, sagte Bruno mit gleichmütigem Tonfall.

Richard wusste erst nicht, was er sagen sollte. Ihm dämmerte, dass er seinen Cousin gewaltig unterschätzt hatte. »Donnerwetter!«, stieß er schließlich hervor. »Das war ja unglaublich! Du bist wirklich in Ordnung! Schwer in Ordnung sogar!«

Bruno grinste ihn an, und seine Augen hinter den schlammverschmierten Gläsern funkelten fröhlich. »Freunde, Richard?« Er streckte ihm die Hand hin.

Richard schlug ohne Zögern ein. »Freunde! Und du kannst ruhig Dicky zu mir sagen!«

*

Von dem Tag an waren Richard und Bruno unzertrennlich. Wann immer sie sich von häuslichen und schulischen Pflichten freimachen und ihren Eltern entkommen konnten, verbrachten sie diese Stunden zusammen. Manchmal zogen sie zu dritt los, denn auch Richards Bruder Konrad erwärmte sich allmählich für den Cousin, der nun mit seinen Eltern gar nicht weit von ihnen wohnte, nämlich in Sicht- und Hörweite des Pankower Güterbahnhofs. Aber meist zog Konrad es vor, mit seinen Klassenkameraden und älteren Nachbarjungen zu spielen.

Richard und Bruno entdeckten rasch, dass sie vieles gemein hatten, unter anderem auch das Pech, zu den unpassendsten Gelegenheiten zu spät zu kommen. Das stellten sie beide schon am folgenden Montagmorgen fest, als sie den Beginn des wöchentlichen Appells auf dem Schulhof um wenige Minuten verpassten.

Wie an jedem Montag hatten die Klassen auch an diesem Morgen auf dem Hof vor dem vierstöckigen, klotzigen Backsteingebäude der Schule in militärischer Formation Aufstellung genommen. Die Mädchen in weißen Blusen, die Jungen in ebenso frischen weißen Hemden und alle das blaue Tuch der Jungen Pioniere ordentlich um den Hals gebunden.

Ausgerechnet an diesem Montag hatte Richards Klasse, in die nun auch Bruno ging, Ehrendienst am Fahnenmast und durfte die Fahne hochziehen.

»Auferstanden aus Ruinen …«, schallte es Richard schon kämpferisch aus Schülerkehlen entgegen, als er, nach Atem ringend, angelaufen kam und das Gittertor zum Schulhof verschlossen vorfand. Wer zu spät kam, musste draußen vor dem Gitterzaun ausharren und dort das Ende des Appells abwarten. Nachher eingelassen zu werden, hatte viel Ähnlichkeit mit Spießrutenlaufen.

Der am Tor Aufsicht führende Lehrer, als scharfer Hund und glühender Kommunist verschrien, wandte sich nicht einmal um, sondern strafte ihn und alle, die noch nach ihm eintrafen, indem er ihnen den durchgedrückten Rücken zuwandte und den Kopf zur Fahne hochreckte.

Augenblicke später stand Bruno neben Richard. Auch er japste nach Luft. »Bei uns … hat mal wieder keiner … den Wecker gehört … Ich schon gar nicht«, stieß er abgehackt hervor und gab einen erschöpften Stoßseufzer von sich. »Na, da können wir ja gleich vor der Klasse … unser reuiges Sprüchlein aufsagen.« Richard nickte nur und war froh, als sich noch fünf andere Schüler zu spät eingefunden hatten, zwei sogar aus der Oberstufe.

»Seid bereit!«, schallte es zum Abschluss des Fahnenappells über den Schulhof. Und wie von unsichtbaren Marionettenfäden geführt, rissen die Schülerinnen und Schüler die ausgestreckte rechte Hand mit angelegten Fingern fast senkrecht zum Kopf hoch, als wollten sie sich einen Mittelscheitel ziehen. Gleichzeitig antworteten sie in einem vielstimmigen donnernden Chor mit dem zweiten Teil ihres sozialistischen Schlachtrufes: »Immer bereit!«, ihrem Versprechen ständiger revolutionärer Wachsamkeit.

Dann erst öffnete der Aufsicht führende Lehrer mit vorwurfsvoll zurechtweisender Miene das Gittertor, auf dass den mit Schande Beladenen, die das Haupt senkten, Einlass und Aufnahme in die Masse der rechtschaffenen und wachsamen Jungen Pioniere und FDJler gewährt wurde, die nun über das breite Treppenportal in die Schule strömten.

»Mensch, ist das nicht dein Bruder Burkhard?«, rief Bruno im Treppenaufgang, blieb perplex stehen und wies auf eine große gerahmte Fotografie, die auf dem ersten Absatz zwischen den hohen Fenstern von der Wand ernst auf die Mitschüler herabblickte.

»Ja, das ist er.« Richard sagte es nicht ohne Stolz.

»Und der hängt hier so, trotz seiner langen Koteletten und wilden Elvis-Tolle?«

Richard zuckte die Achseln. »Er ist nun mal der beste Schüler der Schule. Der schreibt eine Eins nach der anderen – und zwar mit links. Wenn der ein Mathebuch nur mal durchblättert, hat er schon mehr von dem Zeug kapiert als jeder andere nach einem Monat Büffeln. Wenn man so ein Ass ist, kann man sich diese ekelhafte Pomade und die wilde Tolle eben erlauben.« Und mit gesenkter Stimme vertraute er ihm an: »Manchmal fährt die Mutter mit ihm rüber in den Westen und kauft ihm die neueste Schallplatte von Elvis, Pat Boone oder diesem Jerry Lee Lewis. Und eine Jeans hat er auch.«

Bruno sah ihn mit großen Augen an. »So richtig mit Nieten?«

»Na klar!«

»Ehrlich?«

Richard hob die Hand zum Schwur. »Dreimal ehrlich!«

»Toll, so einen Bruder zu haben!«

Richard verzog das Gesicht. »Na, ich weiß nicht. Ist kein leichtes Brot, so einen Einserkandidaten wie ihn zum großen Bruder zu haben – weder hier in der Penne noch zu Hause. So, und jetzt nichts wie hoch! Sonst sind wir gleich auch noch in der Klasse zu spät!«

Worauf Bruno ungerührt erwiderte: »Und wenn schon. Wäre doch ein Aufwasch.«

»Du hast mir vielleicht Nerven!«

Bruno lachte nur.

*

Es geschah am letzten Maiwochenende. Am frühen Sonntagnachmittag hatten sich Richard und Konrad mit Bruno im Kinopalast »Blauer Stern«, der hinter dem Schlosspark lag, als Kindermatinee den Film »Das kalte Herz« angesehen. Ahnungslos und froh gelaunt kamen die Brüder nach Hause. Und dann sahen sie die ernsten Gesichter ihrer Eltern und Burkhards. Sie spürten sofort, dass sich etwas Bedrohliches zusammenbraute, als sie die ersten Wortfetzen aufschnappten.

»… und irgendwann machen sie die Grenze ganz dicht. Dann sitzen wir hier fest«, sagte die Mutter. »Es gibt einfach keinen anderen Weg. Wir müssen an die Kinder denken!«

»Ja, es muss wohl sein.« Der Vater seufzte. »Mehr oder weniger.«

»Aber vielleicht habt ihr den Direktor bloß falsch verstanden«, wandte Burkhard ein, der besonders unglücklich dreinschaute.

»Ach was, wir haben ihn sehr gut verstanden! Da war auch nicht das Geringste falsch zu verstehen, das kannst du mir glauben!«, widersprach die Mutter und sagte nun zu Konrad und Richard: »Sie wollen euren Bruder, der mit seinen Noten alle anderen weit in den Schatten gestellt hat und sein Abitur mit Auszeichnung macht, nicht studieren lassen!«

»Jedenfalls nicht sofort«, schränkte der Vater ein. »Er soll erst einmal für zwei Jahre in die Osram-Fabrik gehen und sich dort in der Produktion bewähren … mehr oder weniger.«

»Eher mehr! Und wenn die Partei gnädig gestimmt ist, kann er danach vielleicht studieren!« Empörung klang aus der Stimme der Mutter. »Aber eine Garantie ist das noch lange nicht.«

Dem widersprach auch Burkhard nicht.

»Und du hast doch genau gehört, wie sehr man es dir übel nimmt, dass du nicht in die Partei eintrittst«, fuhr die Mutter, an den Vater gewandt, fort. »Kein Wunder, dass sie dir die Habilitation verweigern. Und jetzt sind unsere Kinder an der Reihe mit den Schikanen. Wenn Burkhard einige Jahre nach seinem Abitur tatsächlich zur Uni darf, können wir von Glück reden. Aber Konrad und Richard werden auf keinen Fall studieren dürfen, daran hat dieser arrogante Schnösel von Parteisekretär doch keinen Zweifel gelassen. Oder habe ich da etwas falsch verstanden, Heinrich?« Herausfordernd stützte sie die Arme in die Hüften.

Das düstere Schweigen des Vaters war Antwort genug. »Und was soll jetzt werden?«, fragte Konrad.

»Wir gehen in den Westen!«, erklärte die Mutter entschlossen.

»Wir türmen?«, stieß Richard aufgeregt hervor.

»Ja, wir haben keine andere Wahl. Ist es nicht so, Heinrich?«

Der Vater nickte, und nun drückte auch sein Gesicht grimmige Entschlossenheit aus. »Wir lassen uns doch von der Partei nicht vorschreiben, wie wir unser Leben zu leben haben und wer von euch studieren kann! Das wäre ja noch schöner! Ein Brüggemann steht immer für sein Recht ein, koste es, was es wolle. Vergesst das nie!«

Richard erwartete, dass sie nun rasch ein paar Sachen zusammenpacken und ihre Flucht noch an diesem Sonntag sozusagen bei Nacht und Nebel in die Tat umsetzen würden. Deshalb enttäuschte es ihn, als der Vater erklärte, sie hätten umfangreiche geheime Vorbereitungen für ihre Flucht zu treffen.

»Und wann werden wir in den Westen türmen?«

»Gleich zu Beginn der Sommerferien, wenn alles gut geht.«

»Aber das sind ja noch gute sechs Wochen!«

»Ja, und ihr dürft in dieser Zeit mit keinem darüber reden, hört ihr? Mit absolut keinem!«, ermahnte sie der Vater nachdrücklich. Ein Appell, den er in den folgenden Wochen noch oft wiederholen sollte. »Das muss unser Familiengeheimnis bleiben, sonst gibt es eine Katastrophe, habt ihr verstanden?«

Richard schluckte und nickte stumm wie sein Bruder Konrad. Sein Herz klopfte auf einmal wie wild. Geheimnisse zu bewahren, hatten er und seine Brüder schon früh gelernt. Da gab es so manches, was man unbedingt für sich behalten musste und was weder Nachbarn noch Klassenkameraden erfahren durften. Zum Beispiel, dass Frau Collder, mit deren Sohn Henno Konrad eng befreundet war, wie ein geheimer Kurier aus der Pestalozzistraße bei ihnen mit der neuesten westdeutschen Rundfunkzeitung erschien und die Mutter rasch die Titel und Anfangszeiten besonders interessanter Westsendungen abschrieb, auf dass die kostbare Funkzeitung zum Nächsten im Kreis der Eingeweihten wandern konnte. Auch war es Richard längst zur zweiten Natur geworden, außerhalb der eigenen vier Wände kein Wort darüber zu verlieren, wenn er etwa bei anderen in der Küche zufällig ein Paket Jacobs-Kaffee oder andere Schmuggelware aus dem Westen entdeckte. Und dass er sich in der Schule, auf der Straße und auf dem Hinterhof hütete, auch nur eine Andeutung darüber fallen zu lassen, dass die Eltern Ulbricht einen Verbrecher schimpften und die DDR einen Marionettenstaat der Russen nannten, all das und mehr gehörte zu dem großen Schatz alltäglicher Geheimnisse, die für sich zu behalten ihm in Fleisch und Blut übergegangen war.

»Wirklich mit keinem?«, vergewisserte sich Richard. »Auch nicht mit Bruno?«

»Nein, auch mit ihm nicht. Kein Wort!«, betonte der Vater. »Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.« Und er ließ durchblicken, dass er so seine Bedenken hatte, was die Zuverlässigkeit von Onkel Willi und Tante Else betraf. »Gib mir dein Ehrenwort, dass du mit absolut keinem, auch nicht mit Bruno, darüber sprichst! Und das gilt auch für dich, Konrad!«

Beide gaben sie ihr Ehrenwort.

»Erzähl ihnen doch von den Wiegands!«, forderte Burkhard den Vater auf. »Damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie ihren Mund nicht halten können.«

»Ja, glaubt bloß nicht, ich übertreibe und es ist keine ernste Sache, wenn ein Mann in meiner Position mit seiner Familie in den Westen zu flüchten versucht!«, sagte der Vater mit sorgenvoller Miene und Grabesstimme. »Der Apotheker Wiegand, der schräg gegenüber der Pfarrkirche sein Geschäft hatte, wollte auch mit seiner Familie in den Westen fliehen. Doch seine Tochter hat den Mund nicht halten können und das Vorhaben irgendeiner Freundin anvertraut. Die hat das sofort ihrer linientreuen Lehrerin gemeldet, und dann sind die Wiegands auf frischer Tat gefasst worden. Die Eltern hat man ins Gefängnis gesteckt und ihre beiden Kinder in ein Waisenhaus.« Er machte eine kurze Pause. »Ich denke nicht, dass ihr Mutti und mich ins Gefängnis und euch in ein Waisenhaus bringen wollt, oder?«

Richard und sein Bruder wurden blass und schüttelten heftig den Kopf. Nicht ein einziges Wort würde über ihre Lippen dringen.

*

»Generalstabsmäßige Planung!« Ein Begriff, den der Vater in der nächsten Zeit häufig im Mund führte. Als eingefleischter Sozialdemokrat, der als junger Oberfähnrich Zeuge geworden war, als die Gestapo seinen Vater in Stralsund im Morgengrauen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt hatte, waren ihm die Nazis zwar vom ersten Tag an verhasst gewesen. Aber seinen eigenen Worten zufolge hatte er dennoch stolz in Potsdam gedient und dort den richtigen Schliff fürs Leben mitbekommen. Seine ausgeprägte Schwäche fürs Militärische brach immer wieder deutlich durch.

Das »generalstabsmäßige« Vorgehen ihres Vaters hatte es in der Tat in sich, wie Richard voller Bewunderung feststellte. Es begann damit, dass Heinrich Brüggemann im Westsektor von Berlin in der Wollankstraße nahe der S-Bahn-Station ein leeres Zimmer anmietete. Das sollte ihnen als Lager für all die Wertsachen dienen, die er und die Mutter in den folgenden Wochen bei unzähligen Grenzübergängen in Sicherheit brachten. Teller- und tassenweise wanderte so das Meißner Porzellan, wanderten Vasen, Standuhren, Kerzenleuchter, Silberbesteck, ein Teil der kostbaren Bibliothek mit ihren vielen Erstausgaben sowie andere Gegenstände von materiellem und ideellem Wert an den Grenzposten vorbei in ihr geheimes Westversteck.

Der Vater besaß als Wissenschaftler von internationalem Ruf einen jener seltenen Passierscheine, die es erlaubten, mit dem Auto über die Grenze in den Westen zu fahren – aber nur, wenn die Angehörigen, sozusagen als Geiseln, im Osten blieben. Dank dieses Passierscheins konnte er mit dem Auto, einem P 70, auch mal einen kleinen Teppich oder irgendetwas anderes von größerem Format wegschaffen, indem er das Schmuggelgut unter der Rückbank oder auf dem Wagenboden versteckte. In den letzten beiden Wochen folgten auf diesem Weg die kostbarsten ihrer Ölgemälde. Dafür löste der Vater die Leinwand vom Spannrahmen, worauf sie zusammengerollt unter der Fußmatte des Fahrersitzes in den Westen gelangten. Im Laufe der Wochen füllte das in kleinen Portionen geschmuggelte Haushaltsgut genau hundert mittelgroße Kartons, die der Vater in dem gemieteten Zimmer sorgfältig beschriftete. Alles musste seine preußische Ordnung haben, auch in dieser kritischen Zeit. Aber mit dem Hinüberschmuggeln allein war es nicht getan. Bei Weitem nicht. Der andere, ebenso wichtige Teil ihres Fluchtplanes lief bei ihrem Vater unter dem militärischen Schlagwort »Täuschung der gegnerischen Aufklärung«. Um bei den linientreuen Nachbarn erst gar keinen Argwohn aufkommen zu lassen, dass sie auf dem Sprung in den Westen sein könnten, setzte der Vater eine gründliche Wohnungsrenovierung an, die wegen der bekannten Engpässe bei Tapeten, Farben und anderen Materialien natürlich kaum von der Stelle kam. Die Renovierung hatte zudem den Vorteil, dass man eine Erklärung dafür hatte, warum es bei ihnen auf einmal keine Feste mehr gab. Auch fielen die Lücken in den abgerückten Buchregalen und die kahlen Stellen an den Wänden, wo einst die Gemälde gehangen hatten, weniger ins Auge.

Von einigen Mietern in ihrem Haus war bekannt, dass sie es mit der allseits propagierten »revolutionären Wachsamkeit gegenüber dem imperialistischen Klassenfeind hüben wie drüben« sehr genau nahmen. Um die Täuschung auf die Spitze zu treiben und bei diesen Spitzeln aus der Nachbarschaft den Eindruck zu erwecken, dass der Genosse Chefarzt mit seiner Familie nicht im Traum daran dachte, zum Klassenfeind im Westen überzulaufen, ließ der Vater Burkhards Zimmer vollständig mit neuen Möbeln einrichten, und er legte sich zudem noch einen größeren Wagen zu.

»Du willst einen Moskwitsch kaufen? Diese schwere Limousine mit dem protzigen Sowjetstern vorn auf der Kühlerhaube?«, fragte Burkhard ungläubig. »Wo willst du denn so schnell einen Moskwitsch herkriegen? Schon auf diese schäbige Pappkiste von P 70 muss man doch jahrelang warten!« Ein Auto zu ergattern, selbst eine alte Kiste, galt als Glücksfall. Eher geschah noch das Wunder, dass sich im Sommer mal ein paar Kisten mit Bananen oder Apfelsinen in die DDR-Geschäfte verirrten. Und auch die gab es dann nur als »Bückware«, also als Ware, die die Verkäuferinnen erst gar nicht in den Regalen auslegten, sondern unter der Theke behielten und nur klammheimlich an Freunde und ausgewählte Kunden abgaben.

Der Vater lächelte. »Ein Kollege geht mit einer Delegation nach Indonesien, um sich dort niederzulassen. Er verkauft mir seinen Moskwitsch«, berichtete er.

Und so stand wenige Tage später ein Moskwitsch, dieser eingeschrumpfte Russenpanzer für Zivilisten, vor der Haustür – und erweckte in der Nachbarschaft ebenso viel Bewunderung wie Neid.

Richard hatte während dieser Wochen bis zum Beginn der Sommerferien das aufregende, zugleich aber auch beklemmend unwirkliche Gefühl, in zwei verschiedenen Welten zu leben, die sich nicht berühren durften, wenn es nicht zur Katastrophe kommen sollte.

Dass er darüber nicht mit Bruno reden konnte, bedrückte ihn. Und seine Bedrückung wuchs, je näher der Tag ihrer Flucht rückte. Wie gern hätte er seinen Cousin und besten Freund in alles eingeweiht und das Gefühl der Gefahr, die überall um sie herum lauerte, mit ihm geteilt! Am liebsten hätte er ihm vorgeschlagen, auch seine Eltern zur Flucht in den Westen zu bewegen. Aber nicht ein Wort durfte er sagen. Ja, er würde sich noch nicht einmal richtig von Bruno verabschieden können, und das machte ihm das Herz besonders schwer.

Onkel Willi und Tante Else schauten mehrmals bei ihnen vorbei, angeblich um zu sehen, wie es mit der Renovierung voranging. Die spitzen, galligen Bemerkungen der Tante waren ärgerlich und brachten Missstimmung in die Besuche, obwohl klar war, was hinter ihnen steckte. Unzufriedenheit und Neid waren bekanntlich Tante Elses ständige Begleiter. Dagegen bereiteten die scheinbar beiläufigen Fragen, die Onkel Willi nach den fehlenden Ölgemälden, Kerzenleuchtern und Brücken stellte, den Eltern ernstlich Sorgen.

Im Juli, wenige Tage vor Ferienbeginn, hörte Richard nach einer dieser kurzen Stippvisiten von Onkel Willi und Tante Else, kaum dass die Tür hinter den beiden zugefallen war, wie die Mutter den Vater in der Küche mit unverhohlener Beunruhigung fragte: »Hast du gesehen, wie genau er sich umgesehen hat? Ob Willi wohl etwas ahnt?«

»Ich glaube nicht.«

»Aber warum hat er dann gefragt, wo wir die Bilder neu rahmen lassen? Dieser Banause macht sich doch sonst nichts aus Gemälden. Das sind doch bloß Ölschinken für ihn!«

»Nun mal den Teufel mal nicht an die Wand, Inge! Und wenn er den Braten riecht – er ist immerhin mein Bruder!«

»Was besagt das denn schon? Bei den Nazis ist das mit der Denunziation in der eigenen Familie doch nicht anders gewesen als heute bei den Kommunisten! Du weißt, er säuft und hat schon wieder Ärger in seinem Betrieb. Das ist eine gefährliche Mischung, wenn man so labil ist wie dein Bruder«, hielt die Mutter leise, aber aufgeregt dagegen. »Und Else ist, bei allem, was recht ist, eine Giftspritze und ein ausgemachtes Schandmaul.«