Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Die Liebe auf den ersten Blick

Rabbi Esra

Der Brand von Egliswyl

Der greise Freier

Das Opferlamm

Der Verführer

Flirt

Die Schutzimpfung

Mine-Haha

Nachschrift

Über den Autor

Impressum

Hinweise und Rechtliches

E-Books im Reese Verlag (Auswahl):

 

 

Frank Wedekind

 

Der greise Freier

 

Erzählungen

 

Reese Verlag

 

 

Herausgegeben von Lothar Reese

 

 

Die Liebe auf den ersten Blick

 

 

»Aber Sie kennen mich ja gar nicht. Ihre Zumutung hat etwas Beleidigendes. Sie sehen mich einen Abend in der Gesellschaft, erkundigen sich, wer ich bin, und am andern Tage kommen Sie und halten um meine Hand an. Mein Vater gilt für einen Millionär. Ich wünschte wirklich, es wäre anders; dann hätte ich Ursache, stolzer auf mich zu sein und auf die Huldigungen, die man mir darbringt.«

Das junge Mädchen sah zu Boden im Bewußtsein, eine Kränkung ausgesprochen zu haben. Sie hatte sie nur deshalb ausgesprochen, weil ihr die Unterredung, so überraschend sie zustande gekommen, in der Tat nicht gleichgültig war.

»Sie sagen, mein Fräulein, ich kenne Sie nicht. Ich erinnerte mich auch wirklich kaum Ihres Namens. Und dennoch kenne ich Sie besser als irgend jemand, dem Sie bis jetzt in dieser Welt entgegengetreten. Das halten Sie nicht für möglich? Ich bin hergekommen, um es Ihnen zu beweisen. Es hat Ihnen wohl noch niemand gesagt, eine so sorgfältige Erziehung Sie genossen, daß es zwischen dem äußeren und dem inneren Menschen keinen Unterschied gibt. Sie halten mich für eingebildet, wenn ich Ihnen erkläre, daß ich Ihr ganzes Wesen, Ihr ganzes Fühlen und Denken, Ihre Art zu lieben, zu leiden und sich zu freuen, aus Ihrer Erscheinung gestern abend erkannt, als das erkannt, was ich seit Jahren in dieser Welt suche und was ich so leicht nicht noch einmal wiederfinden werde. Das erklärt Ihnen, weshalb ich mich nicht einen Moment besonnen. Ich würde gestern abend mit Ihnen gesprochen haben, wären Sie nicht unversehens mit Ihrer Frau Mama aus dem Saale verschwunden.«

»Wenn Sie mich schon nach drei Stunden so vollständig durch und durch erkannt, werde ich Ihnen wenig Kurzweil für ein ganzes langes Leben bieten können.«

»Kurzweil ist es nicht, was ich bei Ihnen suche, mein Fräulein. Weiß Gott, es ist etwas anderes. Sehen Sie, ein Bauer heiratet eine Frau, die für ihn arbeiten kann, die ihm Geldeswert repräsentiert. Ein Müßiggänger heiratet eine Frau, bei der er Kurzweil findet. Ein Schöngeist heiratet eine Frau, die ihn versteht, mag sie noch so einfältig an Geist sein, mag sie noch so wenig von der Welt verstehen, wenn sie nur ihn versteht. Er beansprucht einen durchaus nur relativen Wert bei seiner Frau, er sucht nur die Erhöhung der eigenen Persönlichkeit; sie muß ihn Anbeten. Das alles sind Egoisten zweiten Ranges. - Wer da weiß, was eine Frau als Frau ist, was eine Frau in dieser Welt sein kann, der sucht sich das Herrlichste aus, was das Leben hervorbringen kann, um es sein eigen zu nennen; der sucht keine Frau, die zu ihm in irgend relativen Beziehungen steht, sondern die selber etwas ist: Entfaltung, Pracht, Größe, große Ansprüche und große Empfindungen, die Fähigkeit, in hohem Maße glücklich zu sein. Dann ist er seines eigenen Glückes gewiß. - Es beklagen sich so viele Menschen darüber, daß ihnen kein großes überwältigendes Glück zuteil wird, und wissen nicht, daß sie nur zu klein sind, um ein solches Glück im besten Fall empfinden zu können. Es gibt so viele Männer, die eine häßliche Frau einer schönen vorziehen, nicht aus Irrtum, aus Unwissenheit, sondern weil ihnen die Schönheit ein Greuel ist. Werden Sie, mein Fräulein, jemals Achtung vor einem Manne mit bescheidenen Ansprüchen hegen? - Sie kennen sich selber. Würden Sie jemals einen Mann lieben können, der sich mit weniger begnügt, als Sie selber sind?«

»Aber woher wissen Sie denn, daß ich all jene schönen, großen Eigenschaften besitze, von denen Sie vorhin gesprochen haben?«

»Das will ich Ihnen erklären, wenn Sie mir für einen Moment Ihre Aufmerksamkeit schenken. Es wird mich niemand besser begreifen als Sie. - Wenn Sie hinter jemandem hergehen, nachts, wenn es stockdunkel ist, meinetwegen bei Nebel und Regenwetter, und der Jemand vor Ihnen trägt einen Mantel bis auf die Füße, so daß keine Linie seiner Figur genau zu erkennen ist, so bleibt Ihnen immer noch etwas, wonach sie den ganzen Menschen beurteilen können ...«

»Seine Gangart!«

»Gewiß. Woher wissen Sie das?«

»Ich glaube nicht daran. - Aber es bleibt wenigstens nichts anderes.«

»Sie werden daran glauben lernen, mein Fräulein. Der Gang eines Menschen ist nichts Zufälliges. Er ist aufs engste bedingt durch die Art und Weise, wie sein Körper gebaut ist. Und wenn man bei Ihrer Art, sich zu kleiden, den Körper eines Weibes niemals beurteilen kann, solange es ruhig vor einem steht, so sieht man sofort die präzisesten Proportionen und Konturen, wenn es sich drei Schritte vom Platze bewegt. Aber kehren wir zu jener nächtlichen Erscheinung zurück. Der Gang eines Menschen hat seinen Rhythmus, der sich in Worten nicht erklären, der sich nur empfinden läßt. Aus diesem Rhythmus gelingt es Ihnen bei einiger Übung mit Leichtigkeit, den ganzen Körper zu konstruieren. Sie wissen mit vollster Bestimmtheit, ob eine Renaissancefigur, eine Rokokofigur, eine klassische Figur oder eine Figur fin de siècle vor Ihnen hergeht. Sehr wesentlich dabei ist, ob die Bewegungslinie, vom Ohrläppchen bis zur Ferse hinunter als gleichmäßige Welle verläuft oder über die Hüfte abbricht. Wenn sie über der Hüfte abbricht, haben Sie keine einheitliche Natur vor sich, und es läßt sich das durch den faltenreichsten Mantel hindurch feststellen. - Wenn Sie sich nun über den Körper völlig klar geworden, denken Sie sich den entsprechenden Gesichtsausdruck hinzu, vor allem den Mund und die Nase. Man kann in der Tat aus dem Schritt einer Dame eruieren, ob sie eine Stumpfnase oder eine gebogene Nase, ob sie volle oder schmale Lippen hat. Und dann wissen Sie auch schon mit voller Bestimmtheit, ob die Dame, wenn sie Sie kennte, Sie verstehen und lieben würde oder nicht; ob die Dame Ihr Fall wäre, ob Sie sie lieben würden oder nicht. - Aus alledem erkennen Sie nicht, ob eine Prinzessin oder eine Bettlerin, eine Köchin oder eine Millionärin vor Ihnen hergeht, aber den Schlag des Menschen erkennen Sie daraus, äußerlich wie innerlich, und wissen dann, ob Sie es mit einer freien oder beschränkten, einer reichen oder einer armen Natur zu tun haben. Und wenn Sie dann Ihre Schritte beschleunigen, wenn Sie dicht an der Person Vorbeigehen und ihr ins Gesicht sehen, dann werden Sie in soundso vielen Fällen finden, daß Sie ...«

»Sich getäuscht haben, mein Herr!«

»Daß ich mich getäuscht habe, mein Fräulein. Und dann weiß ich, daß ich an ein rasseloses Geschöpf geraten bin, das mich, ebenso wie hier, mein ganzes Leben hindurch täuschen, belügen und betrügen würde und bei dem für alle Liebesmüh nichts als Undank zu holen wäre; und ich gehe so rasch wie möglich meiner Wege. Denn von solchen Naturen, mein Fräulein, muß man sich fernhalten, mag man in der Welt anstreben, was man will; man wird immer nur Mißgeschick bei ihnen ernten. Die Sterne lügen nicht. Wo sie lügen, ist vor allem kein Himmel, sondern Teufelsspuk. Das ist das Charakteristische bei Menschen, welche Rasse besitzen, daß sie einheitlich sind in Seele und Leib, in Kopf und Gliedern, so daß sich aus einer Bewegung der Hand - wie Sie sie jetzt machen - das Gefühl im Herzen erraten läßt, daß sie aus einem Gedanken heraus geschaffen sind, daß sie Kunstwerke sind in dem Sinne, wie es jede große Kunstschöpfung sein soll. Ich würde mich ebenso in Sie, mein Fräulein, verliebt haben, wenn ich nur eine Bewegung Ihrer Hand oder Ihres Fußes gesehen, oder nur einen Brief von Ihnen zu Gesicht bekommen hätte, wie jetzt, wo ich Sie einen ganzen Abend lang beobachtet. Ich habe Sie gestern abend im Verkehr mit mindestens zwanzig verschiedenen Personen gesehen. Diese Menschen entziehen sich schließlich auch nicht meiner Beurteilung, und ich will Ihnen sagen, wenn Sie es wünschen, was Sie von jedem halten. Dann mögen Sie entscheiden, ob ich Ihre innere Natur, von der ich, wie Sie glauben, nichts ahne, richtig zu schätzen weiß oder nicht. Mir war jedenfalls jedes Ihrer Worte, das ich aus der Unterhaltung auffangen konnte, eine Bestätigung dessen, was mir Ihr königlicher Wuchs und die heroische Art Ihrer Bewegung auf den ersten Blick offenbart.«

»Hm, Liebe macht blind.«

»Die Liebe macht blind; aber wen, mein Fräulein? - Einen Mann, der nie aus beschränkten Verhältnissen herausgekommen, der Welt und Menschen nicht kennt und eine freie Wahl getroffen zu haben glaubt, wo er nur einem animalischen Instinkte unterliegt. - Wenn unsereiner sich verliebt, dann weiß er warum; dessen können Sie gewiß sein, und ich bin gewiß, daß Sie stolz darauf sein werden, daß Sie nicht zu den engherzigen Frauennaturen gehören, die auf die Vergangenheit eines Mannes eifersüchtig sind. Sie würden sich selber beschämt fühlen, einen Mann zu heiraten, der nicht einmal imstande wäre, Ihren Wert an demjenigen anderer Frauen, die er kennengelernt, zu messen. Geliebt habe ich nur Sie, mein Fräulein, lange schon, ehe ich Sie kannte; ich wäre sonst wohl nicht sechsunddreißig Jahre alt geworden, ohne mich zu verheiraten. Wenige von Ihren Anbetern werden den nämlichen Vorzug für sich geltend machen können. - Und nun erlauben Sie mir noch einen letzten Beweis dafür, wie hoch ich Sie schätze, und daß ich keineswegs blind bin und mich in Ihnen nicht täusche: Sie sind ein mutiges, entschlossenes Mädchen; das ist in Ihren Augen zu lesen. Da, wo Sie einmal das Richtige erkannt, da zaudern Sie auch nicht lange, mit Ihrer ganzen Person dafür einzustehen. Sie lieben es, Ihr Leben zu wagen. Das ängstliche Zuwarten, sich nicht entscheiden zu können, guten Rat und Hilfe bei anderen zu suchen, ist nicht Ihre Sache ...« Fräulein Ellie, die einen Moment beide Hände vor dem Gesicht gehalten, erhob sich in ihrer ganzen Größe vom Sessel, schlang dem Besucher, der sich gleichfalls erhoben, ihren Arm um den Nacken und küßte ihn.

Das Spiel des Lebens war gewonnen.

Rabbi Esra

 

 

»Moses, Moses, du gefällst mir nicht. Warum willst du dich verloben mit zwanzig, wenn du erst willst heiraten mit fünfundzwanzig?« - Der alte Esra sah seinem Sohne zwischen den Wimpern durch, als wollte er im Innern des Kopfes eine kabbalistische Flammenschrift entziffern.

»Ich liebe Rebekka.«

»Du liebst die Rebekka? Woher weißt du, daß du liebst die Rebekka? Will ich dir glauben, daß du liebst einen kleinen Fuß, eine weiße Haut, ein bartloses Antlitz, aber woher weißt du, daß es ist die Rebekka? Hast du studiert das Römische Recht und das Christliche Recht, aber hast du nicht studiert die Frauen. Habe ich dich erzogen zwanzig Jahre mit Sorgfalt, daß du mir anfängst dein Leben mit einer Narrheit? Wieviel Frauen hast du gekannt, Moses, daß du kannst kommen zu deinem alten Vater und sagen, du liebst?«

»Ich kenne nur eine, und die liebe ich von ganzem Herzen.«

»Von ganzem Herzen, wie heißt? - Hast du kennengelernt dein ganzes Herz?«

»Ich bitte dich ernstlich, lieber Vater, über meine Gefühle nicht spotten zu wollen.«

»Moses, Moses, werd mir nicht rappelköpfig. Ich sage dir, werd mir nicht rappelköpfig. Laß dir erzählen eine Geschichte. Komm, setz dich zu mir, auf den samtenen Diwan. Will ich dir erzählen von meinem Vater, was er mir hat gesagt, als ich war zwanzig Jahre. Esra, hat er mir gesagt, wenn du heiratest, heirate eine reiche Frau. Laß dir sagen von deinem alten Vater, daß die Frau ist vergänglich. Aber so ein blanker Taler, Esra, der kann sich halten durch Generationen! - Habe ich mir gedacht, daß er ist ein alter Mann und habe ich ihm geschworen, daß meine Braut wird mitbekommen dreißigtausend Taler. Aber ich will dir erklären, Moses, warum ich sie habe geliebt, warum ich sie habe geheiratet, die kleine Lea, warum ich habe in Trübsal gelebt mit ihr, bis sie mir ist hingeschwunden wie der Schnee in der Hand. Weil ich nicht habe gekannt die Frauen, weil ich nicht habe gekannt den Esra, mich selbst. Moses, ich bin ein alter Mann und will von der Welt nichts mehr, als daß es dir möge gut gehen. Aber mit zwanzig Jahren, da war es in mir, wie in einem Hühnerstall in der Früh, wenn die Sonne aufsteigt. Wenn ich bin gegangen auf der Straßen und ist gekommen ein Christenmädchen oder eine von unserem Stamm, dann habe ich sie gefühlt in den Fingerspitzen und habe gewünscht, daß ich wäre gewesen der König Salomon mit fünftausend Weibern. Aber sie mußte geschaffen sein, als hätte sie gemacht der Herr für sich selbst, Moses, versteh mich recht, mit allem angetan, was das Weib kann an Schätzen besitzen. Wenn sie war klein und blaß und dünn und flink wie eine Ratte, dann habe ich den Regenschirm gesenkt nach ihrer Seite, weil es mich hat in den Augen geschmerzt, sie zu sehen. Aber wenn sie war gewachsen wie Zedern auf Libanon, dann habe ich den Regenschirm gesenkt nach der anderen Seite, und habe ihr Bild mit nach Hause genommen und habe es geschaut über dem Talmud, und in den heiligen Worten habe ich gehört den Takt ihrer Füße. Und in der Nacht ist es zu mir gekommen und hat mich aufgesucht in meinen Träumen, das Bild - Gott der Gerechte, habe ich es vor mir gehabt, wie Moses, dem du dankst deinen Namen, auf Nebo das Gelobte Land; hätte ich es können greifen mit Händen, habe ich gesehen Milch und Honig fließen und konnte nicht gelangen über den Jordan durch den Willen des Herrn.

Aber da habe ich mir gesagt - Moses, kannst du dir denken, was ich mir habe gesagt? - Nu, habe ich mir gesagt, du bist ein Kind des Teufels, du bist es gewesen von Mutterleib. Wenn du wirst nachgeben deinen Gelüsten, wenn du wirst über den Jordan gehen, so wird dich treffen der Zorn, und du wirst sein ein Kind des Todes. Du sollst nicht gehen zu Weibern, die den Sinnen gefallen, sondern zu Weibern, die dem Herzen gefallen, wenn dein Fleisch nicht soll werden wie das Fleisch Hiobs, wenn das Werk deiner Tage und Nächte nicht soll werden verflucht, und wenn du nicht willst Gras fressen wie Nebukadnezar.

Und da bin ich gegangen zum alten Hesekiel und habe ihm gesagt, er soll mir geben seine Tochter Lea, und hab’ ihm geschworen, ich wolle ihr legen die Händ unter die Füß Sie war ein Mädchen, die Lea, wie ein Schatten auf einer Fensterscheibe, man hätte sie können nehmen als Lampenschirm, aber ich hab sie geliebt, weil ich mir habe gedacht, sie wird mich erretten vor mir selbst, vor dem Teufel und vor dem Tod, den ich gefühlt habe Tag und Nacht über meinem Haupte. Anfangs hat sie mich nicht gewollt, denn ich war groß und breit, und sie war klein und dünn, daß sie sich hat geniert, mit mir zu gehen über die Straße. Aber weil kein anderer ist gekommen, hat sie mich genommen.

Jetzt, Moses, höre von deinem alten Vater, wie unser menschlicher Verstand ist beschränkt, und wie all unsere Einsicht ist eitel. Ich hatte die Süßigkeit der Liebe noch nicht gekostet, Moses, gerade wie du; ich war noch keusch wie der Tau auf Hebron, gerade wie du, wiewohl du hast studiert das Römische Recht und das Christliche Recht und hast vernachlässigt Moses und die Propheten. Aber als ich gekostet die Süßigkeit der Liebe mit Lea, da habe ich erkannt, daß sie ist eine Sünde vor dem Herrn, und habe dem Herrn gedankt, daß er mir hat gegeben ein Weib, das mich nicht läßt wandeln die Wege der Gottlosen. Hatte ich mir doch geträumt in meinen einsamen Nächten, daß die Liebe werde erfreuen den Leib als ein Labsal, und siehe, sie schmeckt nicht süßer, der Lea und mir, als wie die Medizin schmeckt dem Kranken. Und so nahmen wir sie, wie man nimmt Medizin, mit geschlossenen Augen und Würgen im Hals und nicht mehr, als der Arzt hat verschrieben. Und wenn es war durchgekostet, dann fühlte man sich gerichtet vor Gott und verdammt und wich sich aus wie Diebe bei der Nacht, die einander betroffen bei teuflischem Werke. Da habe ich mir gesagt: Du hast recht erkannt, Esra, daß die fleischliche Liebe ist Satansdienst und nicht würdig, daß der Mensch ihrer obliege. - Aber, Moses, glaub deinem alten Vater, ich war nicht glücklich.

... ich war nicht glücklich, Moses, mein Sohn, der Herr ist mein Zeuge; denn ich konnte so wenig reden mit meiner Lea, wie ich kann reden mit meinem Kleiderstock, oder wie ich kann reden mit meinen Fingernägeln. Ihre Gedanken waren nicht meine Gedanken, weil meine Gedanken sind meine Gedanken, und weil sie hat keine gehabt. Da habe ich mich gewendet in die Einsamkeit, und die Einsamkeit war gesprächiger als meine Lea, und habe mir gesagt: Esra, habe ich mir gesagt, du hast gekauft eine Katze im Sack; auf dein Haupt die Verantwortung. Du hättest sie können prüfen, habe ich mir gesagt, ob ihr Geist ist geschaffen für deinen Geist, ob ihr Herz ist der Bruder zu deinem Herzen. Laß sie nicht merken, Esra, daß du hast gekauft eine Katze im Sack, denn sie ist unschuldig wie das Lamm, das zur Tränke geht. Warum hast du nicht ebenso sorgfältig ausgesucht, als du dir genommen eine Frau, wie du aussuchst, wenn du gehst in den Laden und kaufst dir für eine Mark zwanzig eine Krawatte?!

So habe ich gelebt mit ihr und gelitten und geschwiegen zwei Jahre und habe sie immer noch geliebt, meine kleine Lea, weil sie mich hat gefeit gegen die Verlockungen des Fleisches, bis sie mir hätte sollen schenken ein Knäblein und hatte nicht Raum dafür, und es dem Herrn hat gefallen, daß er sie hat von mir genommen, samt meinem Kind.

Moses, da war mir, alles hätte man mir ausgebrannt mit glühendem Eisen die Eingeweide aus meinem Leib, als wäre niedergebrannt und ausgestorben die Erde, als wäre ich allein geblieben, zu tragen den Fluch. Da habe ich mich empört wider Jehova, da habe ich geschrien: Verflucht sei dein Name! Warum hast du mir genommen ein Weib, das ich mir habe gewählt, um dir zu dienen! Bist du geschlagen mit Dummheit, daß du zerschmetterst dein Kind und verschonst deine Feinde! Kannst du nicht nehmen das Lamm dem Reichen; mußt du es nehmen dem Armen, dem es ist gewesen sein alles! Verflucht sei dein Name! Mußt du mich preisgeben der Anfechtung, mußt du mich stoßen hinaus in Versuchung und Sünde, mußt du mich wieder lassen kommen in die Hände der Gottlosen, nachdem ich mit Mühe und Not meine Seele geborgen vor deinem Zorn! Verflucht sei dein Name! Verflucht sei dein Name! Auf dein Haupt meine Verdammnis! - Und da bin ich gegangen, meinen Jammer zu erwürgen, zu den Töchtern der Wüste. Ja, Moses, daß du es weißt, ich bin gegangen zu den Töchtern der Wüste. Nicht, daß ich dir sage, Moses, mein Sohn, daß du sollst gehn zu den Töchtern der Wüste. Mach’s, wie du willst. Aber ich, dein Vater Esra, ich bin gegangen zu den Töchtern der Wüste. Und wie ich bin gegangen, da habe ich Jehova geflucht: Du, Herr, bist schuld, daß ich gehe, meinen Jammer zu erwürgen, zu den Töchtern der Wüste. Warum hast du mir genommen meine Lea!

Und nun, Moses, sperr deine Ohren auf, auf daß du mich recht verstehst. - Habe ich gekostet von Christenmädchen, habe ich gekostet von Judenmädchen, habe ich gekostet von den Töchtern Hams. Habe ich nicht ausgesucht, was meinem Herzen war gefällig; habe ich ausgesucht, was meinen Sinnen war gefällig, weil ich war gekommen, zu erwürgen meinen Jammer, weil ich war gekommen, zu vergessen meine Lea. Habe ich mir ausgesucht, was da war gewachsen wie Zedern auf Libanon, was da war angetan mit allem, was ein Weib kann an Schätzen besitzen. Und habe ich gefunden, daß, je mehr sie hat behagt meinen Sinnen, desto verständiger konnte ich reden zu ihr, desto verständiger hat sie .geredet zu mir, desto freundlicher ist sie gekommen, desto mehr hat sie behagt meinem Herzen. Und habe ich gefunden, Moses, mein Sohn, daß, je mehr sie hat behagt meinen Sinnen, desto weniger hab ich gespürt von Sünde, desto gerechter ist mir geworden zumut, desto näher habe ich mich gefühlt dem Allmächtigen. Moses, und wenn du mir bötest eine halbe Million, ich möchte sie nicht nehmen um diese Erkenntnis. Nein, ich möchte sie nicht nehmen, denn die Erkenntnis trägt Zinsen zu zwanzig Prozent, zu dreißig Prozent, zu hundert Prozent; und die Zinsen sind Kinder und Kindeskinder. Kann man unglücklich sein mit einer halben Million, aber kann man nicht unglücklich sein mit der Erkenntnis, daß die fleischliche Liebe nicht ist Satansdienst, wenn der Mensch die Pfade wandelt, die ihm der Herr gewiesen, weil er zwei Menschen hat füreinander geschaffen außen und innen, an Leib und Seele. Bin ich hingegangen, bin ich zusammengebrochen, hab’ ich mich geschlagen vor die Brust, habe ich geschrien: Herr, Herr, ich habe deinen heimlichen Rat gehört. Fängst du die Weisen in ihrer Listigkeit, daß sie des Tages in Finsternis laufen und tappen im Mittag wie in der Nacht! - Und dann bin ich gegangen, Moses, und habe mir ein Weib gesucht mit all meinen Sinnen. Hab’ ich gefunden Sarah, die Tochter Mardochais, herrlich anzuschauen, wie die neugeschaffene Erde, und sie ist geworden deine Mutter. Habe ich ihr geprüft Herz und Nieren, und habe ich gefunden, daß ihr Herz ist der Bruder zu meinem Herzen. Und in der Hochzeitsnacht, Moses, mein Sohn, in der Nacht, der du dankst dein Leben, da habe ich erkannt, daß ihr Leib war der Zwilling zu meinem Leib; und habe gelobt den Herrn, dessen Geist nicht lügt, dessen Wahrheit offenbart ist in seinen Werken.«

Rabbi Esra wischte sich den Schweiß von der Stirne und atmete schwer. Moses schlich gesenkten Hauptes von hinnen.

Der Brand von Egliswyl

 

 

Im Kanton Aargau in der Nordschweiz liegen die Bergschlösser dichter beieinander als in Norddeutschland die Bauernhöfe. Jeder Berggipfel, jeder Vorsprung des Gebirges ist von einem alten Schloß oder doch wenigstens von einer alten Ruine gekrönt. Von einem Schloß aus kann man mit einem halbwegs guten Fernrohr immer zwei oder drei anderen zu den Söllerfenstern hineinsehen. Im Umkreis von wenigen Meilen liegen da beieinander Wildegg, Habsburg, Bruneck, Casteln, Wildenstein, Lenzburg, Liebegg und Hallwyl. Das Schloß Lenzburg hatte mein Vater gekauft, als ich acht Jahr alt war. Das Städtchen Lenzburg hat aber außer seinem alten hohen Schloß noch eine andere, weniger erfreuliche Merkwürdigkeit. Es ist die nach neuestem amerikanischem Muster erbaute kantonale Strafanstalt. Wenn nun die Gutsbesitzer der Umgegend irgend schwere Arbeiten zu verrichten haben, so mieten sie eine Anzahl von Sträflingen aus der Anstalt, die sich an das ihnen aufgedrungene Heim zur Genüge gewöhnt haben, um keinen Fluchtversuch mehr befürchten zu lassen. Unter diesen Arbeitern finden sich nicht selten schwere Verbrecher.

Im Jahre 1876 war bei uns zu Hause dicht unter den Schloßfelsen ein großes Stück Matte abgerutscht und hatte die halbe Straße verschüttet. Es mußten zwanzig Fuß tiefe Dohlen und Senklöcher angelegt werden, um das Grundstück zu entwässern. Mein Vater wandte sich an den Strafhausdirektor, der ihm eine Anzahl seiner Zöglinge für die Arbeiten zur Verfügung stellte. Ein Aufseher aus der Anstalt begleitete sie. Übrigens war auch mein Vater von früh bis spät auf dem Platze. Da die Arbeiter nicht rauchen durften, gab er ihnen Kautabak. Eines Tages handelte es sich um eine lange Bleiröhre, die im Städtchen unten gekauft werden sollte. Mein Vater nahm einen der Sträflinge mit. Auf dem Heimwege holte ich ihn unten am Schloßberg ein. Ich kam eben aus der Schule und hatte den Tornister auf dem Rücken. So gingen wir zu dritt langsam den Berg hinan, in der Mitte mein Vater, trotz seiner sechzig Jahre noch frisch und rüstig, zu seiner Rechten der Sträfling in seinen blauen Zwillichkleidern mit einem von Bartstoppeln überdeckten verdüsterten Gesicht, die zusammengerollte Bleiröhre über der Schulter tragend; zu seiner Linken ich, den Tornister auf dem Rücken.

»Wie lange seid Ihr schon in der Anstalt?« fragte mein Vater den Sträfling.

»Sieben Jahr.«

»Und wie lange bleibt Ihr noch?«

»Acht Jahr.«

»Was hat Euch denn hineingebracht?«

»Ich bin Brandstifter«, sagte der Sträfling.

»Ihr hattet wohl Schulden und wolltet die Versicherungssumme für Euer Haus einstreichen?«

»Ich hatte niemals ein Haus und niemals Schulden. Ich war Knecht. Aber - aber -« Darauf erzählte er seine Geschichte. Er war aus dem Dorfe Egliswyl gebürtig, wo er auch sein Verbrechen begangen. Ich war damals höchstens zwölf Jahre alt, aber seine Erzählung machte einen derartigen Eindruck auf mich, daß ich mich heute, zwanzig Jahre später, noch jedes einzelnen seiner Worte erinnere.

»Die Amrain-Susanne«, begann der Sträfling, »das war eine. Der hatte es unser Herrgott an nichts fehlen lassen, weder außen noch innen. An der hätte jeder, der Mensch ist, seine Freude gehabt. Freilich, sie war auch die Tochter vom Gemeindeammann. Sogar in der Woche war sie immer gekämmt und gewaschen und trug ein weißes Hemd unter der Jüppe. Und ich war nur der Knecht, drüben beim Suter-Bauer und war von der Gemeinde verköstigt worden von Kind auf. Ich habe nie gewußt, wer meine Mutter gewesen ist, geschweige der Vater. Ich habe überhaupt nichts gewußt, nicht von Männern, nicht von Weibern, nur von Vieh, von Kühen, Kälbern: von denen habe ich gewußt, wozu sie in der Welt sind, und wie alt sie sind, aber nicht von mir, bis es mir die Amrain-Susanne gesagt hat, der Vater habe gesagt, ich sei neunzehn Jahr und müsse in zwei Jahren zu den Rekruten. Sie holte den Wasserkessel vom Brunnen, und ich hielt die Bethi an der Halfter, weil der Milchbub zur Stadt gefahren war. Sie sah mich an, daß ich mich umwandte, weil ich dachte, sie meinte die Bethi, so groß waren ihre Augen. Du bist neunzehn Jahr, sagte ich ganz laut, wo ich die Bethi im Stall anband, und von da an ging es auch nicht mehr gut mit mir.

Die Amrain-Susanne war die erste. Nie, so lang ich denken kann, hatte ich bis dahin gewagt, sie von vorne anzusehen. Ich glaube, ich hätte es nicht einmal im Traum gekonnt. Ich hatte sie immer erst angesehen, wenn sie wieder dem Haus zuging und mir den Rücken zukehrte. Und nun machte sie solche Augen. Am nächsten Abend sagte sie, ich solle am Sonntag zum ›Egli‹ kommen. Ich sagte, ich habe kein Geld. Sie sagte, das macht nichts. Am Sonntag ging ich zum ›Egli‹ und stellte mich an die Türe und sah, wie sie drinnen tanzten. Da kam die Amrain-Susanne mit ihrer Freundin, der kleinen Marianne, und sie zogen mich hinein. Zuerst mußte die Marianne mit mir tanzen. Anfangs wollte es nicht recht zusammen gehen; ich hielt sie auch nicht fest, aber sie war so klug, als wir dreimal herum waren, da ging es schon so feurig wie bei den anderen, die mit ihren Uhrgehängen rasselten, und da fühlte ich es auch schon deutlicher, daß es etwas ganz Besonderes mit mir war. Und da ließ die Amrain-Susanne ihren Buben fahren und nahm mich, warm wie ich war, der Marianne aus dem Arm und tanzte mit keinem andern mehr, bis es dunkel wurde im Saal. Nur zuweilen, wenn die Musikanten sich schneuzten, gab sie mir ein Glas Wein zu trinken, damit ich frisch blieb. Nachher drückte ich sie dann um so fester an mich, daß sie die Schultern zurückbog und mit den Schuhen nicht wußte, wohin treten. Als der Tanz aus war, zog sie mich nach, an der Hand. Die Marianne mußte Streit anheben, daß niemand mitkam. Die Schuhe ließ ich auf der Straße, unter dem Brunnentrog. Der Gemeindeammann trank im ›Egli‹. Am Bett waren oben zwei Rosen gemalt. Als ich in unsern Stall zurückkam, und unsere fünf Kühe schliefen in der Reihe, da sagte ich mir selber: Es ist alles eins! Mensch oder Vieh - ich wollte nicht die Hand umkehren!

Alle Nacht stieg ich zur Susanne zum Fenster hinein und heraus, und draußen sprang des Gemeindeammanns Barry an mir auf und leckte mir den Mund, ohne einen Laut in der Nacht. - Aber da war die Veronika, dem reichen Leser-Bauer die Tochter, ein stolzes Weibsbild, die war das erste Mädchen im ganzen Dorf. Am Sonntag gingen sie und ihre Gespaninnen das Dorf hinauf, alle in einer Reihe, daß kein Wagen nicht vorbei mochte, die Veronika in der Mitte, weil sie die größte war. Und wenn ein junger Bursche daherkam, dann sahen ihm alle sieben ins Gesicht, gerade in die Augen hinein, bis er vorbei war; und wenn er vorbei war, lachten sie, daß man es bei der Kirche oben hören mochte. Die Veronika hatte auch ihren Buben, schon seit einem Jahr. Aber der Weber-Ruodi hatte die Auszehrung seit dem Herbst. Er konnte nur mehr drei Tänze machen im ›Egli‹, soviel Wein er auch trank. Dann stützte er die Ellbogen auf den Wirtstisch und sagte kein Wort. Wie mich die Veronika dann tanzen sah, die ganze Nacht durch mit der Susanne, ohne daß ich mich einmal zum Tisch setzte, da kam sie und bat die Susanne um einen Tanz mit mir, sie wollte mich ihr nicht abwendig machen. Die Susanne wollte nicht, aber ich wollte schon und tanzte mit ihr. Die Susanne lief hinaus. Draußen auf der Bank heulte sie. Und die Veronika lachte im Tanz, ich konnte ihr bis in den Hals sehen. Da spürte ich zuerst, wie heiß es in ihr war. Wo man die Veronika nahm, war alles fest, als hätte man sie für den Metzger den Winter gefüttert. Wäre es ein dreijähriges Kind gewesen, bei meinem Eid, ich hätte zwanzig Napoleon dafür lösen wollen. Wir kamen einander nicht aus den Armen und gingen heim, so wie wir getanzt hatten. Es schlug ein Uhr, da klopfte es an den Laden. Das ist der Weber-Ruodi, sagte sie und stand auf und sagte ihm gute Nacht zum Fenster hinaus, daß er nicht die Nachtbuben holte. Dann sagte sie, ich dürfe nicht mehr zur Susanne, und weil sie mir so lieb war, sagte ich ja. Aber am Tag drauf meinte ich, ich müsse doch zur Susanne gehen. Deshalb ging ich zur Susanne, als es Nacht war, und berichtete ihr alles. Da sagte sie, sie sei nicht wie die Veronika; ihrethalben dürfe ich zu jeder gehen, es sei ihr gleich; nur zu einer nicht, zu ihrer Gespanin, der kleinen Marianne. Und weil die Susanne so gut war, sagte ich ja. Aber am andern Tag dachte ich, es sei schlecht von der Susanne, daß sie mir verboten, zur Marianne zu gehen. Als dann aber unser Muni beschlagen wurde, weil Glatteis war, und wir in den Wald fahren mußten, kam die kleine Marianne in die Schmiede und sagte, der Vater käme gleich, er braue noch einen Trank für dem Gemeindeammann sein krankes Roß. Da fragte ich sie, ob ich kommen dürfe. Die Marianne stand wie angefroren und sah nach dem Kohlenfeuer und ging leise die Treppen hinauf.

Im ›Egli‹ am Sonntag gab es Streit zwischen der großen Veronika und der Susanne. Da tanzte ich den ganzen Nachmittag nur mit der kleinen Marianne. Und als der Tanz zu Ende ging, hatten sie sich wieder ausgesöhnt, und wir gingen zu vier nach Hause. Sie hielten mich in der Mitte, weil sie Angst hatten, ich könnte ihnen davonlaufen. So gingen wir auch am nächsten Sonntag durchs Dorf, und die Buben fluchten und verschworen sich, wie sie mich sahen, sie wollten mich erschlagen, und die Mädchen, die bei ihnen standen, lachten sie aus und staunten mich an wie ein Kamel, weil ich mit den drei schönsten Mädchen ging. Die Veronika, die Susanne und die Marianne sahen nicht nach rechts und nicht nach links. Untereinander diskutierten sie, es war wie drei Hanfrätschen, und dabei lachten sie, daß es das ganze Dorf hören mußte. Der Pfarrer kam daher durch den frischen Schnee und tat, als sähe er nichts. Nur mir sah er unter die Augen. Aber ich dachte, es ist der Neid, weil er schneeweißes Haar hat. - Die kleine Marianne hatte mich so lieb, sie hatte mir eine Tabakspfeife geschenkt. Ich aber zeigte die Tabakspfeife der Susanne, und die Susanne schenkte mir eine große Pelzmütze. Und ich zeigte die Pelzmütze der Veronika, und die Veronika schenkte mir eine silberne Uhr. - Und so kam es, daß, als man die Sommerfrucht säte, da tanzte kein Mädchen im ›Egli‹ und keine ging in die Spinnstube, bei der ich nicht gewesen zur Nacht. Am Tag schaffte ich, daß es mir eine Freude war. Der Suter-Bauer hatte auch seine Freude. Alle staunten, wie ich in die Breite gegangen war seit einem Jahr. Ich hatte Schultern, man hätte mich können in den Pflug spannen, und nahm mehr auf die Hütte als der Müller-Werni am Bach, wenn ich schon alle Nacht aus war und er nicht. Und bäumige Arme hatte ich bekommen; und gescheit war ich geworden, da fragte mich keiner mehr, wo Hüst oder Hott ist; dem hätt’ ich’s zeigen wollen! - Jetzt hat er das Maß, sagte der Suter-Bauer. Jetzt schicken sie ihn nicht zurück bei den Rekruten.

Es war mitten im Sommer. Da machte ich die Stalltür auf in der Nacht, da stand die Suter- Bäuerin vor dem Stall. Hans, wohin willst du? - Kümmert Euch das, Bäuerin? - Hans, ich berichte es dem Suter-Bauer. - Da ging ich zurück in den Stall. Die Suter-Bäuerin war dreiundfünfzig Jahr alt. Ihr Gesicht war nicht wie Wiesenland; es war wie Ackerfeld. Aber ich sagte mir, es ist für die Amrain-Susanne, sonst macht sie dem Suter-Bauer Bericht. Die Bethi wandte den Kopf im Schlaf, aber die Suter-Bäuerin tat, als kenne sie die Bethi nicht. Ich aber sah ein Mal. Und ich sagte: Wenn Ihr dem Suter-Bauer berichtet, ich gehe aus bei der Nacht, dann berichte ich dem Suter-Bauer, Ihr habt ein Mal. - Da kam sie nie mehr in den Stall, und ich ging, wohin mich der Teufel trieb.