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Bernadette Soubrious lebt mit ihren Eltern und ihrer Schwester in großer Armut in dem französischen Dörfchen Lourdes. Eines Nachmittags erscheint dem Mädchen beim Holzsuchen plötzlich eine weißgekleidete »Dame«, die es auffordert, weitere fünfzehn Mal zur selben Stelle zurückzukehren. Es tut wie geheißen, und der Wunsch, die »Dame« zu sehen, wird bald übermächtig. Bei einer dieser Erscheinungen führt die »Dame« Bernadette zu einer Quelle, deren Wasser heilbringende Wirkung hat. Schon bald strömen Gläubige von nah und fern herbei, alle wollen dem Wunder von Lourdes beiwohnen. Doch die Kirche hegt schwere Zweifel – ausgerechnet Bernadette, einem einfachen Bauernmädchen, soll die Heilige Mutter Gottes erschienen sein? Bernadette lässt sich in ihrem Glauben nicht beirren und gerät in Zwist mit der Obrigkeit …

 Franz Werfel wurde 1890 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Prag geboren. Bereits während der Schulzeit veröffentlichte er seine ersten Gedichte. 1912 ging er nach Leipzig, wo er als Lektor beim Kurt Wolff Verlag tätig war. Im Ersten Weltkrieg wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und 1917 in das Wiener Kriegspressequartier versetzt. 1938 emigrierte er nach Frankreich und zwei Jahre später über die Iberische Halbinsel in die USA. Dort starb Franz Werfel 1945 in Beverly Hills.

 Im insel taschenbuch liegen von Franz Werfel außerdem vor: Eine blassblaue Frauenschrift (it 4426); Die vierzig Tage des Musa Dagh (it 4427)

 

 

FRANZ
WERFEL

Das Lied
von
Bernadette

ROMAN

INSEL VERLAG

 

 

Erstausgabe: Stockholm 1941

Der bibliografische Nachweis und die Anmerkungen von Knut Beck wurden zitiert nach: Franz Werfel, Das Lied der Bernadette. Hg. von Knut Beck.

© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1989

 

 

 

 

eBook Insel Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4428.

© Insel Verlag Berlin 2016

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlag: hißmann, heilmann, hamburg

Umschlagfoto: Valerie Wagner/plainpicture

 

eISBN 978-3-458-74309-5

www.insel-verlag.de

INHALT

 

 

Ein persönliches Vorwort

Erste Reihe Wiedererweckung des 11. Februar 1858

 1 Im Cachot

 2 Massabielle, ein verrufener Ort

 3 Bernadette weiß nichts von der Heiligen Dreifaltigkeit

 4 Café Progrès

 5 Kein Reisig mehr

 6 Das Wut- und Wehgeheul des Gave

 7 Die Dame

 8 Die Fremdheit der Welt

 9 Frau Soubirous gerät außer sich

10 Bernadette darf nicht träumen

Zweite Reihe Wollen Sie mir die Güte erweisen

11 Ein Stein saust nieder

12 Die ersten Worte

13 Boten der Wissenschaft

14 Eine geheime Beratung, die unterbrochen wird

15 Die Kriegserklärung

16 Die Dame und die Gendarmerie

17 J. ‌B. Estrade kommt von der Grotte

18 Dechant Peyramale fordert ein Rosenwunder

19 Anstatt des Wunders ein Ärgernis

20 Wetterleuchten

Dritte Reihe Die Quelle

21 Der Tag nach dem Ärgernis

22 Der Tausch der Rosenkränze oder: Sie liebt mich

23 Ein Louisdor und eine Ohrfeige

24 Das Kind Bouhouhorts

25 Du spielst mit dem Feuer, o Bernadette

26 Nachbeben oder Affen des Mirakels

27 Das Feuer spielt mir dir, o Bernadette

28 A. Lacadé wagt einen Staatsstreich

29 Ein Bischof ermisst die Folgen

30 Der Abschied aller Abschiede

Vierte Reihe Die Schatten der Gnade

31 Sœur Marie Thérèse verlässt die Stadt

32 Der Psychiater greift in den Kampf ein

33 Digitus dei oder Der Bischof gibt der Dame eine Chance

34 Eine Analyse und zwei Majestätsbeleidigungen

35 Die Dame besiegt den Kaiser

36 Bernadette unter den Weisen

37 Eine letzte Versuchung

38 Die weiße Rose

39 Die Novizenmeisterin

40 Das ist meine Stunde noch nicht

Fünfte Reihe Das Verdienst des Leidens

41 Feenhände

42 Viel Besuch auf einmal

43 Das Zeichen

44 Nicht für mich fließt diese Quelle

45 Der Teufel bedrängt Bernadette

46 Die Hölle des Fleisches

47 Der Blitz von Lourdes

48 Ich habe nicht geliebt

49 Ich liebe

50 Das fünfzigste Ave

 

Handelnde Personen

Bibliografischer Nachweis


Dem Andenken
meiner Stieftochter
Manon

EIN PERSÖNLICHES VORWORT

 

 

In den letzten Junitagen des Jahres 1940, nach dem Zusammenbruch Frankreichs, kamen wir auf der Flucht von unserem damaligen Wohnort im Süden des Landes nach Lourdes. Wir, meine Frau und ich, hatten gehofft, noch rechtzeitig über die spanische Grenze nach Portugal entweichen zu können. Da jedoch sämtliche Konsuln einmütig die notwendigen Visa verweigerten, blieb uns nichts anderes übrig, als in derselben Nacht, da die Grenzstadt Hendaye von den deutschen Truppen besetzt wurde, unter großen Schwierigkeiten ins Innere Frankreichs zu flüchten. Die Départements der Pyrenäen waren zu einem fantastischen Heerlager des Chaos geworden. Die Millionen dieser seltsamen Völkerwanderung irrten auf den Landstraßen umher und verstopften die Städte und Dörfer: Franzosen, Belgier, Holländer, Polen, Tschechen, Österreicher, exilierte Deutsche und dazwischen die Soldaten der geschlagenen Armeen. Nur höchst notdürftig konnte man seinen Hunger stillen. Obdach aber gab es überhaupt keines mehr. Wer irgendeinen gepolsterten Stuhl eroberte, um die Nacht darauf zu verbringen, wurde viel beneidet. In endlosen Reihen standen die mit Hausrat, Matratzen, Betten hochbeladenen Autos der Flüchtlinge unbeweglich, denn Treibstoff war nicht mehr vorhanden. In Pau hörten wir von einer dort ansässigen Familie, Lourdes sei der einzige Ort, wo ein vom Glück Begünstigter vielleicht noch Unterkunft finden könne. Da die berühmte Stadt nur dreißig Kilometer entfernt lag, so riet man uns, den Versuch zu wagen und an ihre Pforten zu pochen. Wir gehorchten diesem Rat und fanden endlich Herberge.

Auf diese Weise führte mich die Vorsehung nach Lourdes, von dessen Wundergeschichte ich bis dahin nur die oberflächlichste Kenntnis besaß. Wir verbargen uns mehrere Wochen in der Pyrenäenstadt.

Es war eine angstvolle Zeit. Es war aber zugleich auch eine hochbedeutsame Zeit für mich, denn ich lernte kennen die wundersame Geschichte des Mädchens Bernadette Soubirous und die wundersamen Tatsachen der Heilungen von Lourdes. Eines Tages in meiner großen Bedrängnis legte ich ein Gelübde ab. Werde ich herausgeführt aus dieser verzweifelten Lage und darf die rettende Küste Amerikas erreichen – so gelobte ich –, dann will ich als Erstes vor jeder andern Arbeit das Lied von Bernadette singen, so gut ich es kann.

Dieses Buch ist ein erfülltes Gelübde. Ein epischer Gesang kann in unserer Epoche nur die Form eines Romans annehmen. ›Das Lied von Bernadette‹ ist ein Roman, aber keine Fiktion. Der misstrauische Leser wird angesichts der hier dargestellten Ereignisse mit größerem Recht als sonst bei geschichtlichen Epen die Frage stellen: »Was ist wahr? Was ist erfunden?« Ich gebe zur Antwort: All jene denkwürdigen Begebenheiten, die den Inhalt dieses Buches bilden, haben sich in Wirklichkeit ereignet. Da ihr Anbeginn nicht mehr als achtzig Jahre zurückliegt, spielen sie im hellsten Licht der Geschichte, und ihre Wahrheit ist von Freund und Feind und von kühlen Beobachtern in getreuen Zeugnissen erhärtet. Meine Erzählung verändert nichts an dieser Wahrheit.

Nur dort wurde das Recht der dichterischen Freiheit in Anspruch genommen, wo das Kunstwerk gewisse chronologische Zusammendrängungen erforderte und wo es galt, den Lebensfunken aus dem Stoff zu schlagen.

Ich habe es gewagt, das Lied von Bernadette zu singen, obwohl ich kein Katholik bin, sondern Jude. Den Mut zu diesem Unternehmen gab mir ein weit älteres und viel unbewussteres Gelübde. Schon in den Tagen, da ich meine ersten Verse schrieb, hatte ich mir zugeschworen, immer und überall durch meine Schriften zu verherrlichen das göttliche Geheimnis und die menschliche Heiligkeit – des Zeitalters ungeachtet, das sich mit Spott, Ingrimm und Gleichgültigkeit abkehrt von diesen letzten Werten unseres Lebens.

 

Los Angeles, im Mai 1941

Franz Werfel