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Marlene Faro

Die Vogelkundlerin

Frauenroman

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Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Gmeiner Digital

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlagbild: © schankz – Fotolia.com

Umschlaggestaltung: Benjamin Arnold

ISBN 978-3-7349-9408-1

Widmung

Für Lisbeth, meine Schwester.

Noah: Meißen, 1732

Noah war ein alter Mann von über vierzig Jahren, als er sie zum ersten Mal sah. Ein Fuß in einem Pantoffel aus besticktem Brokat war in der Kutschentür erschienen, gefolgt von einer Fülle aus gebauschten Röcken, einer Hand, umhüllt von weißer Spitze, dann war das Mieder aufgetaucht, schimmernd wie ein Schwan aus dem Dunkel, sittsam hochgeschlossen bis zum Hals, schließlich stand die ganze Frau im Hof der Albrechtsburg in Sachsen, eine zierliche Person mit rotblondem Haar, das sich im Nebel des Novembers zu feuchten Kringeln lockte. Noahs Platz war an einem Tisch beim Fenster, aber er blickte nur selten von der Arbeit auf. Nie konnte er sich später erklären, was ihn in genau jenem Moment dazu bewogen hatte, von dem Milchkännchen, das er in der linken Hand hielt und mit einem Pinsel in seiner rechten Hand blau betupfte, hochzusehen, seinen Rücken zu strecken und den Blick in den Hof schweifen zu lassen. Ja, dieser Vorgang war so ungewöhnlich, dass sein Freund Anselm, der ihm gegenübersaß, ebenfalls aufblickte, seiner Bewegung folgte und gleichfalls auf die Kutsche und die Frau hinabsah.

»Ja, die junge Frau Löwenfinck«, sagte Anselm. »Er liest ihr jeden Wunsch von den Lippen ab, so sagen die Leute. Darum sitzen wir auch hier und dürfen die Tassen bemalen, die sie im nächsten Jahr wohl zu den Lippen führen wird. Dieses Weib wird den Herrn Oberkämmerer noch sein ganzes Vermögen kosten.«

Dann war wieder Stille im Raum, die Männer saßen über das weißglasierte Porzellan gebeugt, nur Noah sah noch immer zum Fenster hinaus. Seine Augen waren so scharf wie die eines jungen Mannes, aber seine Lungen brannten von den langen Jahren in feuchten Gewölben, die voller Rauchschwaden hingen, wenn das Feuer in den Öfen tagelang loderte. Wer an diesen Öfen gearbeitet hatte, der wurde nicht alt an Jahren. Er selbst war dabeigewesen, als der erste Administrator der Manufaktur zu Meißen, der geniale Johann Friedrich Böttger, qualvoll starb, an einem Märztag im Jahr 1719, gepeinigt von Fieberschüben und blutigem Husten, der Krankheit, an der alle zugrunde gingen, die um das Geheimnis wussten.

Die Arkanisten, so wurden sie im Ort Meißen und in der nahen Stadt Dresden genannt, die Menschen, die Porzellan herzustellen vermochten, nur selten begegnete man ihnen mit freundlicher Miene.

Noah sah auf die Frau hinab, die nun ihren Umhang raffte, um den Pfützen auszuweichen. Er holte vorsichtig Atem, zum ersten Mal fühlte sich der Schmerz in seiner Brust nicht wie Feuer, sondern beinahe wie Wärme an. Es war also wahr, was die Männer erzählten, wenn sie Wein getrunken hatten, dass es mehr gab als die Augenblicke in der klammen Schlafkammer, seine eigene Frau unter Schürzen und Röcken begraben, er selbst aufgelöst wie in einer seltsamen Wut.

Die andere Frau ging auf das Portal über dem Burghof zu. Noah erhaschte einen Blick auf den weißen Fleck Haut in ihrem Nacken, ihm war, als ob der Duft von frischem Gras im Raum schwebte.

I. Teil

Rheingard stellt sich vor

Wer auf den Namen Rheingard getauft wird, der hat keinen guten Start ins Leben, ich weiß das.

Fünfzehn Jahre nach der unseligen Zeremonie hat mich auf einem Gartenfest jemand mit Frida Kahlo verglichen. Ich glaube, das hat Papa umgebracht. Dass seine einzige Tochter einer mexikanischen Behinderten ähneln soll. Noch in derselben Nacht hat ihn ein Schlaganfall niedergestreckt.

Mir ist die unbedachte Äußerung allerdings wie ein später Trost, ja eine Bestätigung all meiner heimlichen Phantasien erschienen. Schon als Kind habe ich den Verdacht gehegt, vertauscht worden zu sein, damals, als Mama nach der anstrengenden Geburt erschöpft in den Kissen der Suitbertus-Klinik lag.

Nebenan, so malte ich mir jedenfalls gerne aus, lag die heimliche Geliebte eines südamerikanischen Revolutionärs in den Wehen, natürlich unter falschem Namen, um die Häscher der Großgrundbesitzer nicht auf das kostbare Kind aufmerksam zu machen. Stunden später war ich geboren, ein pralles, kugelrundes Baby mit dichtem schwarzen Haarschopf, das glücklich und zufrieden an der Mutterbrust nuckelte.

Bis zu jenem folgenschweren Augenblick, als die Nachtschwester, überfordert und unterbezahlt, im Zwielicht der Dämmerung die beiden Säuglinge vertauschte. Juanita, die Tochter des Revolutionärs, gegen Rheingard, die Tochter des Professors für Germanistik. Als das Unglück entdeckt wurde, war es bereits zu spät, die Geliebte des Revolutionärs befand sich samt Neugeborenem auf dem Dampfer nach Montevideo, man beschloss, Stillschweigen über den unerhörten Vorfall zu breiten, um keine internationalen Verwicklungen heraufzubeschwören.

Seither lebe ich in der Professorenfamilie, ein olivenhäutiges Kuckucksküken zwischen rosig-blonden Menschen, deren Teint so wunderbar mit grauem Tuch und beigen Strickjacken harmoniert. Oft habe ich neiderfüllt an das blonde Mädchen gedacht, das gewiss mit wehenden Haaren über die Pampas reiten durfte. Mama denkt genauso, dessen bin ich mir sicher, schon in meiner frühesten Kindheit habe ich oft ihren ratlosen Blick auf mir gespürt.

Mittlerweile bin ich dreißig Jahre alt geworden, meine Haare enden in einem dicken schwarzen Zopf, meine Augenbrauen sind über der Nasenwurzel zusammengewachsen. Sie auszureißen, habe ich längst aufgegeben, es schmerzt höllisch, Tränen laufen über meine Wangen, und ich fühle mich bloß lächerlich, vor dem Spiegel mit einer Pinzette in der Hand, die ein borstiges Haar umklammert hält.

Ich bin dreißig Jahre alt und noch immer Jungfrau. Diese Abnormität sieht man mir zum Glück nicht an, die Natur hat mich außer mit tiefschwarzen Augenbrauen noch mit schweren Lidern über dunklen Wimpern ausgestattet. Wer mich kennenlernt, der wittert meist eine geheimnisvolle, tragische Verstrickung in meiner Vergangenheit. Selbst meinen Kollegen am Institut vermag ich die Existenz eines fernen Geliebten nicht ganz auszureden.

Männer wagen sich nicht an mich heran, aber ich kann ihre Blicke in meinem Rücken spüren, wenn ich über die Gänge der Universität eile. Dort drüben, das ist Rheingard Droste, Ornithologin oder so ähnlich, die Tochter vom alten Droste, könnt ihr euch noch an den erinnern? Dann wenden sie sich wieder ab und den Studentinnen aus dem Proseminar zu.

Hast du wirklich nie gemerkt, wie verliebt ich in dich war? Jan hat mich das gefragt, ein Kollege aus dem ersten Studienabschnitt, wir haben lange Abende gemeinsam über unseren Büchern verbracht, heimlich habe ich die Linie seines Nackens studiert und den dunkelblonden Flaum, der ihn bedeckte. Jahre später hat er mir diese Frage gestellt, Jan war längst verheiratet und Familienvater, er hat amüsiert geklungen und fast verwundert über so viel Ahnungslosigkeit.

Mich hat dieser knappe Satz in eine Monate währende Verwirrung gestürzt, wie in Trance bin ich umhergegangen. Jan mit dem seidigen Nacken war unglaublicherweise verliebt in mich gewesen, ich habe mich gefühlt wie eine junge Braut, der der Krieg den Bräutigam entrissen hat, noch vor der Hochzeitsnacht.

Aber auch dieses Erlebnis hat mein Verhältnis zur fremden Welt der Männer nicht gebessert, und ich verspüre nur das unbehagliche Gefühl, dass Krümel an meiner Backe kleben, wenn mir einer ins Gesicht blickt.

Die Abende verbringe ich fast immer zu Hause, in der Villa meiner Eltern, die jetzt nur mehr von meiner Mutter und mir bewohnt wird. Die Zimmer sind hoch und stuckverziert, mit poliertem Kirschholz eingerichtet, sorgfältig ausgesuchte moderne Möbel harmonieren mit den ererbten Vitrinen und Anrichten, den Gemälden und Kristallvasen. Vor einigen Jahren musste die Biedermeiersitzgruppe neu bezogen werden. Mama hat sich monatelang Mappen mit Stoffmustern vorlegen lassen, schließlich hat sie sich für ein beige-weinrotes Streifenmuster entschieden, ziemlich gewagt. Nur Papas alter Lieblingsfauteuil ist unangetastet geblieben, obwohl der Brokat schon brüchig ist.

Rund ums Haus erstreckt sich der Garten, Wege aus weißem Kies winden sich zwischen den Rabatten. Unser Park, sagt Mama gerne, aber das ist natürlich übertrieben. An warmen Abenden dringt das Gelächter der Nachbarn durch die Hecke, wenigstens ist es in unserem Viertel nicht üblich, am Samstag nachmittag Würstchen zu grillen.

Früher hat sich der alte Hermann um die Pflege der Beete gekümmert, hat im Frühling ausgesät und Gladiolenzwiebeln gepflanzt, an Sommerabenden das Gras besprengt und im Herbst das Laub der Birken und der Weide zusammengeharkt. Aber im vergangenen Oktober ist der alte Hermann plötzlich zusammengebrochen, beim Rasenmähen zwei Straßen weiter. Was für ein schöner Tod, haben alle Gartenbesitzer einander versichert, während der Arbeit zu sterben, inmitten seiner geliebten Blumen, es wurde sogar für einen Kranz gesammelt.

Seither behelfen wir uns mühsam mit Aushilfskräften, die meist deutsch-polnisch radebrechen und für zarte Blumenstengel so gar kein Empfinden haben. Es ist ein Jammer, sagt Mama, wenn sie hinter den Gardinen die Männer beobachtet, heutzutage findet man kaum noch jemanden, der sein Metier wirklich liebt, alle arbeiten nur für Geld.

Mein Zimmer befindet sich im ersten Stock, ein Bett steht darin, ein Schrank, ein Drehsessel vor dem Schreibtisch, ein Fernsehgerät auf einem Schwenkarm, ein blaues Sofa, das man für Gäste ausklappen kann, bei mir übernachten bloß Aktenordner darauf. Die Wände entlang führen Regale, ledergebundene Folianten und Taschenbücher, Skripten und vergilbte Zeitschriften stapeln sich in den Fächern, in unserem Haushalt wird viel gelesen, irgendwann landet alles bedruckte Papier bei mir.

Auf dem Parkettboden habe ich buntgewebte Teppiche ausgelegt. Barfußlaufen ist meine heimliche Leidenschaft, wahrscheinlich hat diese Angewohnheit mit meiner wahren Herkunft zu tun. Indiofrauen schreiten über spitze Kiesel und glühende Kohlen, ohne mit der Wimper zu zucken. Am Abend entzünde ich gerne Kerzen, ihr warmes Licht flackert über die Buchrücken. Rheingard, du wirst noch einmal in Flammen stehen, ist allabendlich die warnende Stimme meiner Mutter draußen auf dem Flur zu vernehmen, und wir alle mit dir.

Clemens, mein blonder rosiger Bruder, kommt pünktlich jeden Freitagabend vorbei. Er hat eine Wohnung in der Innenstadt, für einen jungen Mann ziemt sich das wohl, auch wenn er allein lebt. Ich trage dann unter seinen skeptischen Blicken trockene Braten und klumpige Saucen auf, Mama kocht nicht gerne, und unsere treue Haushälterin Veronika hat sich in den wohlverdienten Ruhestand auf die Insel Norderney zurückgezogen.

Nach dem Essen wird geplaudert, ich räume den Tisch ab, während Clemens unserer Mutter von seinen Erfolgen als Juniorpartner der Immobilienkanzlei Kollwitz berichtet. Der Sohn vom alten Kollwitz erweist sich immer mehr als hoffnungsloser Versager, jetzt hat er sogar mit dem Aquarellmalen begonnen, dem alten Kollwitz, einem Studienfreund meines verstorbenen Vaters, ist das furchtbar peinlich. Aber um so enger wird der Kontakt zwischen ihm und Clemens, am ersten Samstag im Mai ist mein Bruder sogar zum Nachmittagstee bei Kollwitzens eingeladen, »mit Begleitung«.

Mama ringt voller Begeisterung die Hände in Erinnerung an die Teegesellschaften beim Ehepaar Kollwitz. Nach Papas Tod ist der Kontakt leider etwas abgerissen, in unseren Kreisen hält man noch auf Witwenschaft, als hinterbliebene Gattin steht man nicht in pastellfarbenem Chiffon auf einer Gartenparty herum.

Aber wen soll Clemens bloß mitnehmen?

Mama ringt schon wieder die Hände, diesmal in heller Aufregung. Yvonne, diese blonde Empfangsdame aus einem Fitnsstudio, von deren Existenz Mama und ich sehr wohl wissen, über wohlmeinende Dritte sozusagen, Yvonne, die sich unserem Clemens praktisch an den Hals geworfen hat, befindet sich außerhalb jeder Diskussion.

Eigentlich habe ich ja an dich gedacht, sagt mein Bruder gerade, verblüfft und auch geschmeichelt blicke ich auf und in seine Richtung, aber Clemens sieht Mama an, auf ihrem porzellanzarten Teint beginnen rosa Bäckchen zu erblühen. Also, das geht doch nun wirklich nicht, wie stellst du dir das vor, Clemens, ich bin eine alte Frau.

Aber Clemens ist von seiner Idee ganz offenkundig überzeugt.

Du bist einfach die einzig passende Begleitung für mich, Mama, wen sollte ich denn sonst mitbringen?

Ich pflichte meinem Bruder bei, das Ehepaar Kollwitz würde sich gewiss freuen, solch eine schickliche Begleitung kann wahrlich niemand missbilligen. Mamas Widerstand erlischt, ihre Backen glühen wie bei einem Backfisch vor der ersten Tanzstunde.

Ich gehe in die Küche und setze das Teewasser auf, stelle die schönen alten Tassen behutsam auf ein Tablett. Das blaue Service befindet sich seit Generationen in unserer Familie, es ist fast vollständig, nur zwei Kuchenteller sind in Scherben gegangen, und zur Zuckerdose fehlt mittlerweile der Deckel, auf dem genauso wie auf der großen Kanne eine zierlich gedrehte Muschel saß. Die Zuckerdose ohne Deckel steht schon seit Jahren auf meinem Schreibtisch, ich bewahre kleine Schätze darin auf, deren Bedeutung längst verblasst ist, Vogelfedern und eine Briefmarke mit dem Porträt der Queen, einen Perlmuttknopf, ein Glasauge, das vermutlich einer Puppe gehört hat.

Das Wasser hat zu brodeln begonnen, ich gieße Tee auf und arrangiere die Plätzchen mit Orangenmarmelade auf einem Teller mit Schwänen, die von Schilf umkränzt sind. Dann stelle ich alles auf das Tablett, auch die Zuckerschale aus schwerem Silber, die so gut zu dem alten Porzellan passt.

Aber Mama ist heute abend ausnahmsweise nach einem winzigkleinen Likör zumute, Clemens gießt mit amüsiertem Lächeln Mama und mir einen zuckersüßen Kirschsirup in die Gläser, wir prosten uns zu, ganz ohne Anlass.

In dieser Stadt spritzen sich angeblich Kinder Heroin in die Venen, ich lese es täglich in der »Morgenpost«, die wir abonniert haben. Frauen in meinem Alter sind schon fast wieder zu alt für die Prostitution, nur ich sitze hier und proste meiner Mutter mit einem Fingerbreit Kirschsirup zu. Es gibt Tage, da fühle ich mich in unserem Haus hinter den Bäumen geborgen wie in einer Muschelschale. Es gibt Tage, da wünsche ich mir eine Kettensäge.

Dann trage ich das Tablett zurück in die Küche und wasche die Gläser aus. Eine Haushälterin haben wir nicht mehr eingestellt.

Ursula

Mama und Clemens finden Ursula vulgär.

Schon dieses, natürlich unausgesprochene Urteil reicht aus, dass ich mich bei Treffen mit Ursula stets so verboten fühle wie ein Anarchist, der eine mit Terpentin gefüllte Flasche in eine Bankfiliale schmettert.

Heute vormittag sitzen wir am Springbrunnen vor der Universität, die Bänke und Stufen ringsum sind noch leer, aber das wird sich rasch ändern, wenn zu Mittag die Frühsommersonne den Platz erreicht und die Steine so angenehm wärmt. Ursula kramt in ihrer Tasche, sie schleppt stets Stapel hochwichtiger und streng geheimer Unterlagen mit sich herum, als Dolmetscherin steht sie mit den wichtigsten Politikern auf du und du, sozusagen, beinahe. Jedenfalls war sie schon bei Verhandlungen dabei, die unser aller Zusammenleben entscheidend beeinflusst haben, die Etikettierung von Sojadesserts ist praktisch von Ursula im Alleingang durchgeboxt worden, damals in Genf, Clinton und Jelzin konnten nur noch zustimmen.

Endlich hat Ursula gefunden, wonach sie sucht, sie holt ein Taschenbuch ans Tageslicht, auf dessen Titelblatt sich grüne Hügel bis zu einem fernen Gestade erstrecken. Ursula jongliert das Buch auf ihren Knien, während sie sich eine Zigarette anzündet, das Streichholz landet in nachlässigem Bogen hinter ihrem Rücken in einem Blumenbeet, ich schaue ihm besorgt nach, so ein Schwelbrand ist leicht entfacht.

War gar nicht einfach, sagt Ursula und bläst ein Rauchwölkchen aus ihren Nasenlöchern. Über die Azoren ist kaum etwas zu finden, gerade mal ein paar Reiseführer, diese Inseln müssen wirklich das Ende der Welt sein, aber genau das Richtige, wenn man einmal nur ausspannen will. Ich brauche einfach Abstand und Ruhe nach diesem Winter, das war vielleicht ein Stress, jetzt muss ich nächste Woche noch nach Kopenhagen, ein Kongress über gefährdete Wale oder Delphine oder Seeschnecken, was weiß ich.

Und Ursula seufzt und schweigt und wackelt mit ihren lackierten Zehen, die in Riemchensandalen stecken, allein ihr Anblick lässt meine Wadenmuskulatur verkrampfen.

Ich wackle ebenfalls mit den Zehen, aber das bekommt niemand mit, eine Ornithologin trägt festes Schuhwerk. In solchen Schuhen bin ich schon über die Klippen von Guernsey geklettert, wo die Zugvögel rasten auf ihrem langen Weg von Sibirien in die Gluthitze Afrikas. Tim ist neben mir gewesen, der schönste Vogelkundler jenseits des Urals, er hat mein Handgelenk ergriffen und mich über den letzten schroffen Felsen gezogen, eng aneinandergekauert haben wir einen unscheinbaren graubraunen Vogel beobachtet, dessen Hinterteil mit schneeweißen Flaumfederchen gepolstert war. White Ass lautete sein Name bis ins Zeitalter der sittsamen Queen Victoria, dann wurde er in White Ear umbenannt.

Tim wusste solche Geschichten zu jedem Halm und jedem Nest. Beim Aufwärmen in einem Pub an der gischtsprühenden Atlantikküste hat er mir forschend in die Augen geblickt, seine Fingerspitzen sind ganz nah um mein Handgelenk getänzelt, ich habe sofort Sandwichkrümel an meiner Backe vermutet und energisch im Tee gerührt. Dann haben wir uns weiter unterhalten, zwei Kollegen bei der Arbeit.

Monate später habe ich es gewagt, Ursula in Andeutungen von diesem Moment zu erzählen, war es nicht beinahe eine Eroberung?

Du liebes bisschen, diese armen Männer auf solchen Inseln, wann bekommen die schon einmal eine fremde Frau zu Gesicht, Ursula hat sich geradezu ereifert. Die sind doch dankbar für jede kleine Abwechslung, jetzt schau nicht so beleidigt drein, Rheingard, das war doch nicht persönlich gemeint.

Später haben wir diese Begebenheit nie wieder gestreift.

Und jetzt sollen es also die Azoren sein, das Ende der Welt, wo Sturmtaucher und Goldhähnchen nisten und der Priolo, dessen weitläufiger Verwandter bei uns Dompfaff heißt.

Diese Reise war Ursulas Idee, sie hat mich damit an einem Sonntag morgen überfallen, ich habe in der Diele unseres stillen Hauses gestanden, habe den Hörer ans Ohr gepresst und nur leise geantwortet, Mama war noch nicht aufgestanden. Der Boden unter meinen nackten Füßen hat sich klamm angefühlt, die Azoren, das klang plötzlich so fern und mild, wie ein Sommerregen auf erhitzter Haut.

Na, wie wär’s, hat Ursula am anderen Ende der Leitung gedrängt, der Anruf ist aus Amsterdam gekommen, wo die Urologen tagten. Ursula hat die neuesten Erkenntnisse über Nierensteine aus dem Holländischen ins Deutsche übersetzt.

Ich habe mich gestern abend mit einem portugiesischen Kollegen unterhalten, der hat regelrecht davon geschwärmt, es soll völlig verrückt dort aussehen, als ob das Allgäu im Meer schwimmen würde, so gib dir doch einen Ruck, Rheingard.

Ich habe undeutlich in den Hörer gemurmelt, Ursula hat es als Zustimmung gewertet, nun sitzen wir da und wackeln mit den Zehen, übernächste Woche wollen wir die Tickets buchen.

Bist du dir sicher, dass du nicht mit Othmar fahren willst, frage ich Ursula, wohl zum hundertsten Mal, manches Mal kann ich ganz schön hartnäckig sein.

Ach, Rheingard, wie oft haben wir das jetzt schon besprochen, Ursula klingt reichlich genervt. Othmar kann nicht weg, seine Frau erpresst ihn doch wieder mit ihrem Rheuma, angeblich kann sie ohne Hilfe nicht einmal mehr die Hand zum Mund führen, diese hinterhältige Komödiantin, und er fällt natürlich darauf rein. Wann werden ihm bloß die Augen aufgehen, wann?

Und Ursula ringt die Hände, sie erinnert mich beinahe an Mama, als sie von den Kollwitzens sprach.

Ich greife nach dem Reiseführer und schlage den Mittelteil auf, wo die Farbfotos prangen. Sanfte Matten in allen Schattierungen von Grün versinken in einem tiefblauen Meer, Dörfer ganz aus Stein gebaut, ein feiner Nebel scheint stets über Landschaft und Menschen zu liegen. Die Feuchtigkeit des Klimas ist eine Wohltat für die Haut, so steht es im Vorwort zu lesen, die Frauen der Azoren sind berühmt für ihren wunderbar zarten Teint.

Du kannst dir das Buch ruhig ausleihen, sagt Ursula neben mir. Ich habe es schon ausgelesen, auf diesem grässlichen Nachtflug von Toronto nach Zürich vorletzte Woche, Stewardessen waren wieder einmal nirgendwo zu sehen, nach jedem Orangensaft musste man dreimal klingeln. Ach, Rheingard, sei froh, dass du bloß mit ausgestopften Reihern zu tun hast, manches Mal hat so ein Dasein seine Vorteile, das kannst du mir glauben.

Ich nicke gehorsam, Ursula ist so weltläufig und erfahren, Ursula kennt alle Kontinente, ich kenne nur sturmumtoste Vogelreservate und die Insel Norderney. Es hat mich schon oft verwundert, dass Ursula immer wieder meine Nähe sucht, sie meldet sich pünktlich bei jeder Rückkehr in unsere Stadt. Vielleicht ist das Wissen um mein beständiges Leben ja sogar eine Abwechslung für sie, eine kurzweilige Anekdote zwischendurch, Rheingard Droste, die noch immer bei ihrer Mutter lebt, stellt euch das mal vor. Ich vermeine den amüsierten Ton zu hören, wie sie ihren Kolleginnen von mir berichtet, Rheingard, der seltsame Vogel.

Auf den Stufen und Bänken ringsum räkeln sich bereits die ersten Studenten in der Mittagssonne, in einer halben Stunde ist hier kein Plätzchen mehr frei, nur die ganz Gewissenhaften schaffen es dann am frühen Nachmittag, wieder in die muffigen Hörsäle zurückzukehren.

Ursula kramt schon wieder in ihrer Tasche, diesmal ist es eine Sonnenbrille mit Bügeln im Pantherfleckendesign, die sie auf ihrer Nase plaziert. Sie verleiht Ursula die Aura einer Großwildjägerin, die nur einen kurzen Zwischenstopp eingelegt hat, um sich in der Stadt mit Patronen zu versorgen, noch heute abend geht es zurück in den Busch. Die Großwildjägerin küsst die Vogelkundlerin zum Abschied auf beide Wangen.

Wir sehen uns dann nächste Woche. Ciao, mach’s gut, Rheingard, und verdrehe keinem Mann den Kopf.

Ursula lacht laut und herzlich über ihren Scherz, die Studenten ringsum blicken kurz in unsere Richtung, dann eilt Ursula davon, am Springbrunnen vorbei und unter dem Torbogen zur Universität hinaus. Ich gehe ins Institut zurück.

Am Institut

Schon als Kind habe ich Katzen verabscheut und Vögel geliebt.

Als selbsternannte Schutzbeauftragte für Vogelnester war ich bereits im zarten Vorschulalter in unserem Garten unterwegs, habe stacheligen Draht um Baumstämme gewunden und Katzenfallen gebastelt, die hauptsächlich aus stinkenden Sardinenbüchsen und Einkaufsnetzen bestanden. Aber mein unermüdlicher Einsatz war nur selten von Erfolg gekrönt, kaum ein Amseljunges hat die ersten Wochen überlebt.

Später musste ich erfahren, dass es Menschen gibt – leider vom olivenhäutigen dunklen Typus, dem ich mich doch heimlich verpflichtet fühle –, die Singvögel wahrhaftig für eine Delikatesse halten. Damit waren die Weichen gestellt, ich wollte mein Leben der Rettung bedrohter Arten weihen, Papa hat verblüfft den Kopf gewiegt, aber keine schwerwiegenden Bedenken geäußert, zu diesem Zeitpunkt lasteten noch alle Erwartungen auf den zarten Schultern meines sieben Jahre jüngeren Bruders Clemens.

Dann ist Papa vom Schlaganfall dahingerafft worden, an seinem Begräbnis nahm fast die gesamte Professorenschaft der Fakultät teil, jedenfalls die mit den bunten Mützen und Schärpen. Zu gerne hätte Papa mich einem seiner jungen Korpsbrüder zur Frau gegeben, oft genug hat er diesen Wunsch geäußert, aber dann ist ja alles anders gekommen, gottlob, wie ich mir in Momenten äußerster Ehrlichkeit schon eingestanden habe.

Das Studium ist mir leichtgefallen, am Institut mit seinen dunklen Schränken und knarrenden Dielen, den Glasvitrinen, in denen zierliche Vogelskelette aufgebaut sind, habe ich mich stets wohl gefühlt, beinahe wie zu Hause, in unserem stillen, kühlen Wohnzimmer. Dass ich keinerlei Ehrgeiz zeige, im akademischen Gefüge nach oben zu klettern, hat mir das Wohlwollen meiner Kollegen eingetragen. Rheingard Droste füllt auf angenehm bescheidene Art und Weise die Frauenquote aus und drängt sich nicht vor, übernimmt gerne Vorlesungen, die nur von wenigen angehenden Vogelkundlern besucht werden.

»Das Brutverhalten der Säbelschnäbler im rumänischen Donaudelta« war eines meiner bisher glanzvollsten Themen. Sieben Studenten habe ich zu Beginn des Semesters aufmunternd zugenickt, dann hat ein leiser Abbröckelungsprozess eingesetzt, zu Weihnachten waren wir noch vier, am Schluss des Semesters hat nur mehr Eberhard Böttgen ausgeharrt, mit gestrickter Joppe und einem Ekzem zwischen seinen schütteren Bartstoppeln, das ihn zu ständigem Kratzen zwang.

Als ich das Institut betrete, sitzt Fräulein Gatterburg schon an ihrem Schreibtisch, wie immer, unsere Sekretärin verlässt ihren Platz höchstens einmal am Tag, »zum Händewaschen«, wie sie es verschämt umschreibt.

Nahrung nimmt Fräulein Gatterburg zur Zeit in Form von Keksen zu sich, die in einer Blechdose aufbewahrt werden. Alljährlich zu Weihnachten backt sie einen Vorrat, der bis nach Pfingsten reicht. Es folgen die Wochen der Blechkuchen, Fräulein Gatterburg ist dann für eine kurze Spanne von Assistenten und Studenten umringt, ihr Kirschstreusel und ihre Aprikosenschiffchen sind puderzuckerbestäubte Kunstwerke, fast zu schade zum Verschlingen. Der Spätherbst bedeutet eine Frist des Darbens für Fräulein Gatterburg, sie behilft sich seufzend mit Fertigkeksen aus raschelnden Stanniolpapierrollen, aber schon naht ja wieder die Vorweihnachtszeit mit ihren Zimtsternen und Marzipanstollen, so nimmt das Jahr seinen Lauf, Kirschblüte und Winterstürme verflachen vor diesem Schreibtisch zu Nebensächlichkeiten.

Ah, Frau Doktor Droste, sagt Fräulein Gatterburg, als sie mich erblickt, der Herr Professor hat schon nach Ihnen gefragt.

Sie hält mir einen Teller mit Butterkeksen entgegen, aber es ist bereits später April, dies sind die letzten Butterkekse von den vergangenen Weihnachtsfeiertagen, ich lehne voll schlecht gespieltem Bedauern ab. Fräulein Gatterburg wirkt ein wenig pikiert, sie wird diese kleine Zurückweisung bei der Verteilung der sommerlichen Obstkuchen mit einrechnen.

So erfahre ich von der Liebe

Wind ist aufgekommen, die Blätter der Weide rascheln vor dem geöffneten Fenster. Draußen ist dunkle Nacht, drinnen in meinem Zimmer taucht der Fernsehapparat die vertraute Umgebung in ein silbriges Zwielicht. Ich habe den Ton leise gestellt, Mama ist schon längst zu Bett gegangen, zum Glück befindet sich ihr Schlafzimmer auf der anderen Seite des Flures.

Der Fernsehapparat ist mein Vertrauter, mein Verbündeter, ich bin auf ihn angewiesen. Über den flimmernden Schirm empfange ich Botschaften aus einer fernen Welt, manche habe ich schon ein Dutzend Mal gesehen und gehört, lautlos spreche ich die Sätze mit, wie eine Souffleuse, die für ein Stück probt, das niemals aufgeführt wird.

Werde ich Sie wiedersehen, Jurij, fragt Lara, die Krankenschwester mit den graugrünen Augen. Dann fährt sie davon, Schiwago bleibt zurück, er sieht dem Lastwagen nach, der auf einer Landstraße in Sibirien allmählich im Staub entschwindet.

Vergiss auf deine Einsamkeit, singt eine Männerstimme. Eine Frau sitzt vor einem Spiegel, sie zieht sich die Lippen nach, dann läuft sie über einen Platz, Tauben flattern auf, die Silhouette eines Mannes zeichnet sich vor dem Canale Grande ab, er breitet die Arme aus. Dann werden die Produkte der Firma überblendet, Puder und Rouge, Mascara und Lippenstift, der Mantel der Frau bauscht sich im Wind. Sophia Loren hat dunkle Ringe unter den Augen, verhärmt steht sie da in ihrer Kittelschürze, Marcello Mastroianni vergnügt sich derweil mit Jüngeren. Die gemeinsamen Kinder muss sie verleugnen, zur Ehe ist er erst bereit, als sie auf dem Sterbebett liegt. Aber Sophia Loren steht wieder auf, sie wirft ihm den Ring vor die Füße, Marcello Mastroianni klettert hinter ihr her, auf einem Hügel in Schwarzweiß. Vergib mir, verzeih mir, komm zurück zu mir, ich kann ohne dich nicht leben.

So erfahre ich von der Liebe.

Frau Gerstner

Die Nachmittagseinladung beim Ehepaar Kollwitz muss sehr angenehm verlaufen sein. Mama ist erst mit Einbruch der Dunkelheit von Clemens nach Hause gebracht worden, ich konnte ihre Stimmen und das unterdrückte Lachen schon an der Gartenpforte hören. Unsere Mutter wirkt seither wie verjüngt, sie steht am Fenster und sieht den Wolken nach, drunten im Garten malträtiert der Aushilfsgärnter gerade ihren geliebten Teerosenstrauch, aber Mama hat keinen Blick dafür.

Mein kleiner Bruder pfeift bei seinem nächsten Freitagabendbesuch ungeniert vor sich hin, und das in Mamas Gegenwart, aber Mama scheint sich nicht daran zu stören, ein feines Lächeln liegt auf ihrem Gesicht.

Rheingard, was hältst du davon, mich nächste Woche zu Frau Gerstner zu begleiten?

Mama stellt mir diese Frage völlig unvermutet, ich sammle gerade die Suppenteller ein, Clemens hat kurz das Zimmer verlassen.

Frau Gerstner ist Mamas Schneiderin, die, so war ich stets heimlich überzeugt, nur über einen einzigen Schnittmusterbogen verfügt, ihre Großtante hat ihn gerade noch vor den heranziehenden Hunnen retten können, damals in Ostpreußen. Nach diesem einzigen Schnittmusterbogen verfertigt Frau Gerstner seither ihre Sommerkleider und Winterkostüme und Theaterroben, sie enden allesamt im damenhaften Niemandsland knapp unterhalb der Kniescheibe und sind im Farbton passend mit Seide gefüttert. In meinem Kleiderschrank hängt ein gutes Dutzend dieser Modelle, sie kratzen abscheulich und haben sich als unverwüstlich erwiesen.

Vielen Dank, Mama, sage ich erschrocken, ich komme gut über den Sommer, nur ein Paar Sandalen möchte ich mir noch kaufen.

So war das nicht gemeint, Rheingard, sagt meine Mutter nachsichtig. Ich finde nur, du könntest ruhig einmal ein wenig hellere Farben ausprobieren, ein schönes Lindgrün, ein sanftes Reseda, glaube mir, Farben können manchmal Wunder bewirken.

Clemens ist ins Zimmer zurückgekehrt, er sieht aus wie ein zufriedener Kater, na, was sagt Rheingard zu unseren Plänen?

Wir haben noch nicht darüber gesprochen, antwortet unsere Mutter, sie lächelt Clemens an und wendet sich dann wieder mir zu.

Du musst wissen, Rheingard, dass der Nachmittagstee bei den Kollwitz’ wirklich ganz zauberhaft gewesen ist. Wir haben Erinnerungen an die schönen alten Zeiten aufgefrischt, als euer Vater noch am Leben war, und dann, stell dir vor, war auch Leonie anwesend, du kannst dich doch sicherlich erinnern, die jüngste Kollwitz-Tochter, die beiden älteren sind ja längst verheiratet, sehr gut übrigens. Leonie hat gerade ihr Studium abgeschlossen, Kunstgeschichte, nicht wahr, Clemens, sie und Clemens haben sich sofort ganz prächtig verstanden, und nun haben wir daran gedacht, die Familie Kollwitz ebenfalls zum Tee zu laden, an einem der nächsten Wochenenden, was meinst du?

Ich nicke heftig, aber auch ein wenig geistesabwesend, aus meinem Gedächtnis steigt schemenhaft das Bild eines kleinen Mädchens mit Schielbrille auf. Leonie Kollwitz, Clemens hat sich gerne und ausdauernd über sie lustig gemacht, aber das ist lange her, wer weiß, vielleicht ist Leonie Kollwitz ja zu einer betörenden Schönheit herangereift. Mir fällt Yvonne ein, die blonde Empfangsdame aus dem Fitnessstudio, die unserem Clemens so beharrlich nachstellt und schon für manchen heftigen Migräneanfall von Mama verantwortlich war, ich sehe meinen kleinen Bruder an, wird sich doch noch alles zum Guten wenden?

Babsi

Und dann ist der Sommer da, über Nacht gekommen, so scheint es jedenfalls. In unserem Garten baut eine Kohlmeise ihr Nest, Fräulein Gatterburg hält Ausschau nach den allerersten sündhaft teuren Kirschen, ich verteile wohlwollende Beurteilungen an die drei Teilnehmer meines Kolloquiums »Bestimmungsmerkmale der Wasserläufer unter besonderer Berücksichtigung der Flügel- und Bürzelzeichnung«. Eberhard Böttgen holt sein Zeugnis ab, er kratzt sich am Kinn und sieht aus, als ob er etwas Wichtiges sagen wollte, aber dann reicht es nur für einen gemurmelten Gruß, bis zum Herbstsemester, auf Wiedersehen und alles Gute.

Na, da scheinen wir ja eine Eroberung gemacht zu haben.