5. Vier Musketiere des Königs und die Leibwache des Herrn Kardinals

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D’Artagnan kannte Niemand in Paris. Er ging daher nach dem bestimmten Orte, ohne einen Sekundanten mitzubringen, entschlossen, sich mit denen zu begnügen, welche sein Gegner gewählt haben würde. Ueberdies war es ausdrücklich seine Absicht, offen, aber zugleich ohne Schwäche jede Entschuldigung auszusprechen; er fürchtete, dieses Duell könne die gewöhnliche Folge eines solchen Handels haben, wenn sich ein junger und kräftiger Mann mit einem verwundeten und geschwächten Gegner schlägt: überwunden verdoppelt er den Triumph seines Widersachers, als Sieger wird er der Pflichtvergessenheit und eines wohlfeilen Muthes angeklagt.

Wenn wir den Charakter unseres Abenteurers nicht schlecht geschildert haben, so kann es den Lesern nicht entgangen sein, daß d’Artagnan durchaus kein gewöhnlicher Mensch war. Während er sich stets wiederholte, daß sein Tod unvermeidlich sei, ergab er sich durchaus nicht darein, ganz geduldig zu sterben, wie ein anderer minder muthiger Mensch an seiner Stelle gethan haben würde. Er zog die verschiedenen Charaktere derjenigen in Betracht, mit welchen er sich schlagen sollte, und fing an, seine Lage klarer zu durchschauen. Durch die loyalen Entschuldigungen, die er auszusprechen gedachte, hoffte er Athos, dessen vornehmes Aussehen und stolze Miene ihm ungemein gefielen, zum Freund zu gewinnen. Er schmeichelte sich, Porthos mit dem Wehrgehänge-Abenteuer einzuschüchtern, das er, wenn er nicht auf der Stelle getödtet würde, Jedermann erzählen könnte, und eine solche Erzählung, sagte er sich, müßte, auf eine geschickte Weise verbreitet, Porthos im höchsten Grade lächerlich machen; vor dem duckmäuserischen Aramis war ihm nicht besonders bange, und wenn es bis zu ihm käme, so meinte er, es würde ihm wohl gelingen, ihn gänzlich abzuthun oder wenigstens, wie Cäsar gegen die Soldaten des Pompejus empfohlen hatte, durch tüchtige Hiebe in das Gesicht für immer die Schönheit zu Grunde zu richten, auf die er so stolz war.

Dann besaß d’Artagnan jenen unerschütterlichen Grundstock von Entschlossenheit, den in seinem Gemüth die Ermahnungen seines Vaters gebildet hatten, welche darauf hinausliefen, daß er von Niemand, außer von dem König, dem Kardinal und von Herrn von Treville etwas dulden sollte. Er flog also beinahe nach dem Kloster der Karmeliter-Barfüßer, einem fensterlosen Gebäude, das an unfruchtbaren zur Schreiberwiese gehörigen Wiesen lag und von Leuten, welche keine Zeit zu verlieren hatten, gewöhnlich zu Zweikämpfen benützt wurde.

Als d’Artagnan auf dem kleinen Grundgebiet ankam, das sich am Fuß des Klosters ausdehnte, wartete Athos erst seit fünf Minuten, und es schlug gerade zwölf. Er war also pünktlich wie die Samaritanerin, und der strengste Duellcasuist hätte nichts zu rügen gefunden.

Athos, welcher noch immer schwer an seiner Wunde litt, obgleich sie um neun Uhr vom Chirurgen des Herrn vom Treville verbunden worden war, saß auf einem Brunnen und erwartete seinen Gegner mit der ruhigen Haltung und der würdigen Miene, die ihn nie verließ. Beim Anblick d’Artagnans stand er auf und ging ihm höflich einige Schritte entgegen; dieser näherte sich seinem Widersacher, den Hut in der Hand.

»Mein Herr,« sagte Athos, »ich habe zwei von meinen Freunden benachrichtigen lassen, die mir als Sekundanten dienen werden; aber diese zwei Freunde sind noch nicht eingetroffen. Ich wundere mich über ihr langes Ausbleiben, denn es ist sonst nicht ihre Gewohnheit.«

»Ich meines Theils habe keinen Sekundanten, mein Herr,« erwiederte d’Artagnan, »denn erst gestern in Paris eingetroffen, kenne ich hier Niemand, außer Herr von Treville, dem ich durch meinen Vater empfohlen worden bin, welcher sich zu seinen Freunden zu zählen die Ehre hat.«

Athos überlegte einen Augenblick.

»Ihr kennt nur Herrn von Treville?« fragte er.

»Ja mein Herr, ich kenne nur ihn.«

»Ei dann,« fuhr Athos halb mit sich selbst, halb zu d’Artagnan sprechend fort, »wenn ich Euch tödte, werde ich das Ansehen eines Kinderfressers haben!«

»Nicht gar zu sehr, mein Herr,« erwiederte d’Artagnan mit einer Verbeugung, der es nicht an Würde mangelte; »nicht gar zu sehr, da Ihr mir die Ehre erweist, den Degen gegen mich mit einer Wunde zu ziehen, die Euch sehr belästigen muß.«

»Sie ist mir auf mein Wort sehr lästig, und ich muß Euch sagen, Ihr habt mir sehr wehe gethan; aber ich werde die linke Hand nehmen, was unter solchen Umständen meine Gewohnheit ist. Glaubt nicht, daß ich Euch eine Gnade gewähre, denn ich stoße gleichmäßig mit beiden Händen; ja, Ihr seid sogar im Nachtheil, ein Linker ist sehr unbequem für Leute, die nicht zuvor davon in Kenntnis gesetzt sind. Ich bedauere daher ungemein. Euch diesen Umstand nicht früher mitgetheilt zu haben.«

»Mein Herr,« sagte d’Artagnan, sich abermals verbeugend, »Ihr seid in der That von einer Höflichkeit, wofür ich Euch im höchsten Grade Dank weiß.«

»Ihr macht mich verlegen,« erwiederte Athos mit seiner edelmännischen Miene; »ich bitte, sprechen wir von etwas Anderem, wenn es Euch nicht unangenehm ist. Ah, Gottesblut! wie habt Ihr mir weh gethan! die Schulter brennt mir.«

»Wenn Ihr mir erlauben wollt,« … sagte d’Artagnan schüchtern.

»Was denn, mein Herr?«

»Ich besitze einen Wunderbalsam für Wunden, einen Balsam, den mir meine Mutter gegeben hat, und von dem ich an mir selbst eine Probe gemacht habe.«

»Nun denn?«

»Nun denn, ich bin überzeugt, daß dieser Balsam Euch in weniger als drei Tagen heilen würde, und nach Ablauf dieser drei Tage, mein Herr, wäre es mir immer eine große Ehre, Euch zu Diensten zu stehen.«

D’Artagnan sprach diese Worte mit einer Einfachheit, die seinen höflichen Sitten Ehre machte, ohne seinem Muthe Eintrag zu thun.

»Bei Gott, mein Herr,« sagte Athos, »das ist ein Vorschlag, der mir gefällt. Nicht als ob ich ihn annehmen würde, aber auf eine Meile erkennt man daran den Edelmann. So sprachen und handelten die Tapfern in der Zeit Karls des Großen, nach denen jeder Cavalier sich zu bilden suchen muß. Leider befinden wir uns nicht mehr in der Zeit dieses großen Kaisers; wir leben in der Zeit des Herrn Kardinals; da würde man, so gut das Geheimniß auch bewahrt wäre, in drei Tagen erfahren, daß wir uns schlagen sollen, und sich unserem Kampfe widersetzen. Ei, der Teufel! die faulen Bursche kommen nicht.«

»Wenn Ihr Eile habt, mein Herr,« sagte d’Artagnan zu Athos mit derselben Einfachheit, womit er ihm so eben einen dreitägigen Aufschub vorgeschlagen hatte, »wenn Ihr Eile habt und es Euch gefällig wäre, mich sogleich abzufertigen, so bitte ich, Euch nicht zu geniren.«

»Abermals ein Wort, das mir gefällt,« sprach Athos mit freundlichem Kopfnicken. »Er ist nicht ohne Geist und hat sicherlich Herz,« dachte er. »Mein Herr, ich liebe die Leute von Eurem Schlag, und sehe, daß ich, wenn wir einander nicht tödten, später ein großes Vergnügen an Eurer Unterhaltung finden werde. Wir wollen diese Herren abwarten, denn ich habe Zeit genug, und so wird es mehr in der Ordnung sein. Ah, ich glaube, da kommt einer!«

Am Ende der Rue de Vaugirard erschien wirklich der riesige Porthos.

»Wie,« rief d’Artagnan, »Euer erster Zeuge ist Herr Porthos?« – »Ja; ist Euch dies etwa unangenehm?« – »Nein, keineswegs.« – »Und hier ist der zweite.« – D’Artagnan wandte sich nach der von Athos bezeichneten Seite und erkannte Aramis.

»Wie!« rief er mit noch größerer Verwunderung, »Euer zweiter Zeuge ist Herr Aramis?« – »Allerdings; wißt Ihr nicht, daß man nie einen von uns ohne den Andern sieht, und daß man uns bei den Musketieren wie bei den Leibwachen, bei Hofe wie in der Stadt Athos, Porthos und Aramis, oder die drei Unzertrennlichen nennt? Da Ihr jedoch von Dax oder von Pau kommt …« – »Von Tarbes,« sagte d’Artagnan. – »So ist es Euch erlaubt, diese Dinge nicht zu wissen,« sprach Athos. – »Meiner Treu’,« erwiederte d’Artagnan, man nennt Euch mit Recht so, und mein Abenteuer, wenn es einiges Aufsehen macht, wird wenigstens beweisen, daß Eure Verbindung nicht auf Contrasten beruht.«

Während dieser Zeit kam Porthos näher und begrüßte Athos mit der Hand. Dann blieb er, sich gegen d’Artagnan umwendend, sehr erstaunt stille stehen.

Beiläufig bemerken wir, daß er sein Wehrgehänge gewechselt und seinen Mantel abgelegt hatte.

»Ah! ah!« rief er, »was ist das?« – »Mit diesem Herrn schlage ich mich,« sprach Athos und deutete mit der Hand auf d’Artagnan. – »Ich schlage mich ebenfalls mit ihm,« sagte Porthos. – »Aber erst um ein Uhr,« erwiederte d’Artagnan. – »Und ich schlage mich auch mit diesem Herrn,« sagte Aramis, der in diesem Augenblick herankam.

»Aber erst um zwei Uhr,« entgegnete d’Artagnan mit derselben Ruhe.

»Doch sage mir, warum schlägst Du Dich, Athos?« fragte Aramis. – »Meiner Treu’, ich weiß es nicht, er hat mir an der Schulter wehe gethan; und Du, Porthos?« – »Meiner Treu’, ich schlage mich, weil ich mich schlage,« antwortete Porthos erröthend.

Athos, dem nichts entging, sah, wie sich ein feines Lächeln über die Lippen des Gascogners hinzog.

»Wir haben einen Toilettenstreit gehabt,« sagte der junge Mann.

»Und Du, Aramis?« fragte Athos.

»Ich schlage mich wegen eines theologischen Punktes,« antwortete Aramis und gab zugleich d’Artagnan ein Zeichen, durch das er ihn bat, die Ursache ihres Duells geheim zu halten.

Athos sah ein zweites Lächeln über d’Artagnans Lippen schweben.

»Wirklich?« sagte Athos.

»Ja, wegen des heiligen Augustin, über welchen wir verschiedener Meinung sind,« erwiederte der Gascogner.

»Das ist entschieden ein gescheidter Kerl,« murmelte Athos.

»Und nun, da Ihr beisammen seid, meine Herren,« sagte d’Artagnan, »erlaubt mir meine Entschuldigungen vortragen.«

Bei dem Worte Entschuldigungen zog eine Wolke über die Stirne von Athos hin; ein hochmüthiges Lächeln glitt über die Lippen von Porthos, und ein verneinendes Zeichen war die Antwort von Aramis.

»Ihr versteht mich nicht, meine Herren,« sagte d’Artagnan mit hochgehaltenem Haupt, auf welchem in diesem Augenblick ein Sonnenstrahl spielte, der die seinen, kecken Linien vergoldete. »Ich bitte Euch um Vergebung, falls ich nicht im Stande sein sollte, meine Schuld an alle drei abzutragen; denn Herr Athos hat das Recht, mich zuerst zu tödten, was Eurer Schuldforderung, Herr Porthos, viel von ihrem Werthe benimmt und die Eurige, Herr Aramis, beinahe zu nichte macht. Und nun, meine Herren, wiederhole ich, entschuldigt mich, aber nur in dieser Beziehung und ausgelegt!«

Nach diesen Worten zog d’Artagnan mit der ritterlichsten Geberde, die man sehen konnte, seinen Degen. Das Blut war ihm in den Kopf gestiegen und er hätte in diesem Augenblick seinen Degen gegen alle Musketiere des Königreichs gezogen, wie er es gegen Athos, Porthos und Aramis that.

Es war ein Viertel nach zwölf Uhr. Die Sonne stand in ihrem Zenith und die zum Schauplatz des Zweikampfes gewählte Stelle war völlig ihrer Gluth ausgesetzt.

»Es ist sehr warm,« sagte Athos, ebenfalls seinen Degen ziehend, »und dennoch kann ich mein Wamms nicht ablegen. Ich habe so eben gefühlt, daß meine Wunde blutet, und ich müßte den Herrn zu belästigen fürchten, wenn ich ihn Blut sehen ließe, dessen Fließen er nicht selbst veranlaßt hätte.«

»Das ist wahr, mein Herr,« sagte d’Artagnan, »und ich versichere Euch, daß ich, mag die Wunde durch mich oder durch einen Andern veranlaßt sein, stets mit Bedauern das Blut eines so braven Edelmanns sehen werde; ich werde mich also ebenfalls im Wamms schlagen.«

»Vorwärts!« rief Porthos, »genug der Artigkeiten! Bedenkt, daß wir warten, bis die Reihe an uns kommt.«

»Sprecht für Euch allein. Porthos, wenn Ihr solche Ungereimtheiten vorzubringen habt,« unterbrach ihn Aramis. »Ich für meine Person finde die Dinge, die sich diese Herren sagen, sehr gut gesagt und zweier Edelleute vollkommen würdig.«

»Wenns beliebt, mein Herr,« sprach Athos, sich auslegend.

»Ich erwarte Eure Befehle,« entgegnete d’Artagnan den Degen kreuzend.

Aber die zwei Raufdegen hatten kaum bei ihrer Berührung geklirrt, als eine Corporalschaft von der Leibwache Sr. Eminenz, befehligt von Herrn von Jussac, sich an der Ecke des Klosters zeigte.

»Die Leibwachen des Kardinals!« riefen Porthos und Aramis zugleich. »Den Degen in die Scheide, meine Herren, den Degen in die Scheide!«

Aber es war zu spät. Man hatte die zwei Kämpfenden in einer Stellung gesehen, welche keinen Zweifel über ihre Absichten zuließ.

»Halloh!« rief Jussac, indem er gegen sie zurückte und seinen Leuten ein Zeichen gab, dasselbe zu thun. »Halloh! Musketiere, man schlägt sich also hier? und die Edikte, wie steht es damit?«

»Ihr seid sehr edelmüthig, meine Herren Garden,« sagte Athos voll Groll, denn Jussac war einer von den vorgestrigen Angreifern. »Wenn wir sehen, daß Ihr Euch schlagt, so stehe ich Euch dafür, daß wir uns wohl hüten werden, Euch daran zu hindern. Laßt uns also gewähren, und Ihr sollt ein Vergnügen haben, das Euch gar keine Mühe kostet.«

»Meine Herren,« entgegnete Jussac, »zu meinem größten Bedauern erkläre ich Euch, daß dies unmöglich ist. Unsere Pflicht geht Allem vor. Steckt ein, wenns Euch beliebt, und folget uns.«

»Mein Herr,« sprach Aramis, Jussac parodirend, »mit größtem Vergnügen würden wir Eurer freundlichen Einladung Folge leisten, wenn es von uns abhinge, aber leider ist dies unmöglich. Herr von Treville hat es uns verboten. Geht also Eures Wegs, das ist das Beste, was Ihr thun könnt.«

Dieser Spott brachte Jussac außer sich.

»Wir greifen Euch an,« sprach er, »wenn Ihr nicht gehorcht.«

»Sie sind ihrer fünf,« sagte Athos mit leiser Stimme, »und wir sind nur zu drei; wir werden abermals geschlagen und müssen hier sterben, denn ich erkläre, daß ich als Besiegter mich nicht vor dem Kapitän blicken lasse.«

Athos, Porthos und Aramis traten sogleich näher zu einander, während Jussac seine Leute in Linie stellte.

Dieser einzige Augenblick genügte für d’Artagnan, seinen Entschluß zu fassen. War dies eines von den Ereignissen, welche über das Leben eines Menschen entscheiden, so war eine Wahl zwischen dem König und dem Kardinal zu treffen, und hatte er gewählt, so mußte er dabei beharren. Wenn er sich schlug, beging er einen Ungehorsam gegen das Gesetz, wagte seinen Kopf und machte sich auf einmal einen Minister zum Feind, der mächtiger war, als der König selbst. Dies begriff der junge Mann, und wir haben zu seinem Lobe zu erwähnen, daß er nicht eine Sekunde zögerte. Er wandte sich gegen Athos und seine Freunde und sagte:

»Ich habe an Euren Worten, wenn es erlaubt ist, etwas auszusetzen. Ihr sagtet, Ihr wäret nur zu drei, doch mir scheint es, wir sind unser vier.«

»Ihr gehört ja nicht zu den Unsern,« sprach Porthos.

»Allerdings,« entgegnete d’Artagnan, nicht dem Gewandte, aber dem Gemüthe nach. Mein Herz ist das eines Musketiers, das fühle ich wohl, meine Herren, und das reißt mich fort.«

»Entfernt Euch, junger Mann,« rief Jussac, der ohne Zweifel aus seinen Geberden und dem Ausdrucke seines Gesichtes die Absicht d’Artagnans errathen hatte. »Ihr könnt Euch zurückziehen, wir erlauben es. Rettet Eure Haut, geht geschwind.«

D’Artagnan wich nicht von der Stelle.

»Ihr seid entschieden ein herrlicher Junge,« sagte Athos, und drückte dem Gascogner die Hand.

»Vorwärts, vorwärts, entschließen wir uns,« sprach Jussac.

»Auf!« sagten Porthos und Aramis, »wir müssen etwas thun.«

»Ihr seid gar zu edelmüthig,« sprach Athos.

Alle drei zogen die Jugend d’Artagnans in Betracht und fürchteten seine Unerfahrenheit.

»Wir werden sammt dem Verwundeten nur unser drei sein, denn diesen Jungen können wir nicht rechnen, und dennoch wird es heißen, wir seien vier Mann hoch gewesen.«

»Ja, aber zurückweichen!« entgegnete Porthos. – »Das ist schwierig,« sagte Athos. – »Es ist unmöglich,« bemerkte Aramis.

D’Artagnan begriff ihre Unentschlossenheit.

»Meine Herren, stellt mich immerhin auf die Probe,« rief er, »und ich schwöre Euch bei meiner Ehre, daß ich nicht von dieser Stelle gehen will, wenn wir besiegt sind.«

»Wie heißt Ihr, mein Braver?« sagte Athos

»D’Artagnan, mein Herr.«

»Nun wohl, Athos, Porthos, Aramis und d’Artagnan, vorwärts!« rief Athos.

»Gut, meine Herren, Ihr habt Euch entschieden?« rief Jussac zum dritten Mal.

»Es ist geschehen,« entgegnete Athos.

»Und was gedenkt Ihr zu thun?« fragte Jussac.

»Wir werden die Ehre haben. Euch anzugreifen,« antwortete Aramis, indem er mit der einen Hand seinen Hut lüpfte und mit der andern den Degen zog.

»Ah! Ihr leistet Widerstand!« rief Jussac.

»Gottesblut! darüber wundert Ihr Euch?«

Und die neun Kämpfer stürzten auf einander mit einer Wuth los, welche eine gewisse Methode nicht ausschloß. Athos nahm einen gewissen Cahusac, den Liebling des Kardinals, auf sich; Porthos hatte Biscarat gegen sich, und Aramis sah sich zwei Feinden gegenüber gestellt. D’Artagnan hatte gegen Jussac zu kämpfen.

Das Herz des jungen Gascogner schlug, daß es ihm beinahe die Brust zersprengte, nicht aus Furcht, denn davon hatte er keinen Schatten, sondern aus Eifer; er kämpfte wie ein wüthender Tiger, drehte sich zehnmal um seinen Gegner und veränderte zwanzigmal seine Stellungen und sein Terrain. Jussac war, wie man es damals nannte, ein Freund der Klinge und hatte viel Uebung; aber nur mit der größten Mühe vermochte er sich gegen einen Widersacher zu wehren, der rasch und behend alle Augenblicke von den Regeln der Kunst abwich und von allen Seiten zugleich angriff, dabei aber wie ein Mensch parirte, der seiner Oberhaut die größte Umsicht widmet. Endlich verlor Jussac bei diesem Streit die Geduld; wütend darüber, daß er von einem Menschen im Schach gehalten wurde, den er für ein Kind angesehen hatte, erhitzte er sich und fing an, sich Blößen zu geben. D’Artagnan, der in Ermangelung der Praxis eine gründliche Theorie besaß, verdoppelte seine Thätigkeit. Jussac wollte der Sache ein Ende machen und führte einen furchtbaren Streich nach seinem Gegner: aber dieser parirte, und während Jussac sich wieder erhob, stieß er ihm, schlangenartig unter seinem Stahl hingleitend, den Degen durch den Leib. Jussac fiel wie eine träge Masse zu Boden.

D’Artagnan warf einen raschen, unruhigen Blick auf das Schlachtfeld.

Aramis hatte bereits einen von seinen Gegnern getödtet, aber der andere bedrängte ihn lebhaft. Doch war Aramis in einer guten Stellung und konnte sich noch vertheidigen.

Biscarat und Porthos hatten gleichzeitig gegen einander gestoßen. Porthos hatte einen Degenstich durch den Arm und Biscarat einen durch den Schenkel bekommen. Aber da weder die eine noch die andere Wunde bedeutend war, so fochten sie nur mit um so größerer Erbitterung.

Abermals von Cahusac verwundet, erbleichte Athos sichtbar, wich jedoch keinen Fußbreit zurück; er hatte nur den Degen in eine andere Hand genommen und schlug sich jetzt mit der linken.

D’Artagnan konnte nach den Duellgesetzen jener Zeit Einem beistehen; während er mit den Augen denjenigen von seinen Gefährten aufsuchte, der seiner Hülfe bedurfte, erhaschte er einen Blick von Athos. Dieser Blick war in hohem Grade beredt. Athos wäre lieber gestorben, als daß er um Hülfe gerufen hätte. Aber er konnte blicken und mit dem Blicke Unterstützung fordern. D’Artagnan errieth ihn. machte einen furchtbaren Sprung und fiel Cahusac mit dem Ruf in die Seite:

»Gegen mich, mein Herr Garde, oder ich tödte Euch!«

Cahusac wandte sich um, es war die höchste Zeit, Athos, den nur sein außerordentlicher Muth aufrecht erhalten hatte, fiel auf ein Knie.

»Gottes Blut!« rief er d’Artagnan zu, »tödtet ihn nicht, junger Mann, ich bitte Euch, ich habe eine alte Geschichte mit ihm abzumachen, wenn ich geheilt bin. Entwaffnet ihn nur, bindet ihm den Degen. So! so! gut! sehr gut!«

Dieser Ausruf wurde Athos dadurch entrissen, daß Cahusacs Degen zwanzig Fuß weit wegflog. D’Artagnan und Cahusac stürzten zugleich auf ihn zu, der Eine, um ihn wieder zu ergreifen, der Andere, um sich desselben zu bemächtigen. Aber d’Artagnan kam als der behendere zuerst an Ort und Stelle und setzte seinen Fuß darauf.

Cahusac lief nach demjenigen von den Garden, welchen Aramis getödtet hatte, bemächtigte sich seines Degens und wollte gegen d’Artagnan zurückgehen, aber auf seinem Wege begegnete er Athos, der während dieser kurzen Pause, die ihm d’Artagnan verschaffte, Athem geschöpft hatte und den Kampf wieder beginnen wollte, damit d’Artagnan ihm seinen Feind nicht tödten möchte.

D’Artagnan begriff, daß es eine Unhöflichkeit gewesen wäre, Athos nicht gewähren zu lassen. Nach einigen Sekunden stürzte Cahusac wirklich, die Kehle von einem Degenstiche durchbort, nieder. In diesem Augenblick setzte Aramis seinem niedergeworfenen Feinde den Degen auf die Brust und nöthigte ihn, um Gnade zu bitten.

Nun blieben noch Porthos und Biscarat übrig. Porthos erlaubte sich während des Kampfes tausenderlei Prahlereien, fragte Biscarat, wie viel Uhr es wohl sein möchte, und beglückwünschte ihn wegen der Kompagnie, welche sein Bruder bei dem Regiment Navarra bekommen hatte; aber er gewann Nichts mit diesen Spöttereien. Biscarat war einer von jenen Eisenmännern, welche nur fallen, wenn sie getödtet sind.

Es mußte indessen ein Ende gemacht werden. Die Wache konnte kommen, und alle Kämpfer, verwundete oder nicht verwundete, Royalisten oder Kardinalisten, verhaften. Athos, Aramis und d’Artagnan stellten sich um Biscarat und forderten ihn auf, sich zu ergeben. Obgleich allein gegen Alle mit einem Degenstich durch den Schenkel, wollte Biscarat Stand halten; aber Jussac, der sich auf seinen Ellenbogen erhoben hatte, rief ihm zu, er solle sich ergeben. Biscarat war ein Gascogner wie d’Artagnan. Er stellte sich taub, bezeichnete zwischen zwei Paraden eine Stelle auf dem Boden und sagte, einen Vers der Bibel parodirend: »Hier wird Biscarat sterben, der einzige von denen, die bei ihm sind!«

»Aber sie sind ihrer vier gegen Dich, endige, ich befehle es Dir!«

»Ah! wenn Du es befiehlst, dann ist es etwas Anderes,« erwiederte Biscarat; »da Du mein Brigadier bist, so muß ich Dir gehorchen.«

Und einen Sprung rückwärts machend, zerbrach er seinen Degen, um ihn nicht übergeben zu müssen, warf die Stücke über die Klostermauer und kreuzte, ein kardinalistisches Lied pfeifend, die Arme über der Brust.

Der Muth wird immer geachtet, selbst bei einem Feinde. Die Musketiere begrüßten Biscarat mit ihren Degen und steckten diese wieder in ihre Scheide. D’Artagnan that dasselbe und trug dann, unterstützt von Biscarat, welcher allein aufrecht geblieben war, Jussac, Cahusac und denjenigen von den Gegnern des Aramis, welcher nur eine Wunde bekommen hatte, unter die Klosterhalle. Der vierte war, wie gesagt, todt. Dann zogen sie an der Glocke und wanderten, nachdem vier Degen über fünf den Sieg davon getragen hatten, freudetrunken nach dem Hotel des Herrn von Treville. Man sah sie Arm in Arm die ganze Breite der Straße einnehmen und jeden Musketier, dem sie begegneten, herbeirufen, so daß am Ende ein wahrer Triumphzug daraus wurde. D’Artagnan’s Herz schwamm in Seligkeit. Er ging zwischen Athos und Porthos, die er sanft an seinen Leib drückte.

»Wenn ich auch noch nicht wirklich Musketier bin,« sprach er zu seinen neuen Freunden, als er die Schwelle des Treville’schen Hotels überschritt, »so bin ich doch wenigstens als Lehrling aufgenommen, nicht wahr?«

13. Herr Bonacieux

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Bei dieser ganzen Geschichte spielte eine Person mit, um die man sich, trotz ihrer bedenklichen Lage, nur wenig zu beunruhigen schien: diese Person war Herr Bonacieux, der ehrenwerthe Märtyrer politischer und verliebter Intriguen, die sich in dieser zugleich so ritterlichen und so galanten Epoche so gut mit einander vermengten.

Zum Glück erinnert sich der Leser, oder er erinnert sich auch nicht, daß wir ihn nicht aus dem Blick zu lassen versprochen haben.

Die Schergen, welche ihn verhaftet hatten, führten ihn geraden Wegs nach der Bastille, wo man ihn ganz zitternd an einem Zug Soldaten, welche ihre Musketen luden, vorübergehen ließ. Von hier in eine halb unterirdische Galerie gebracht, wurde er von Seiten derjenigen, welche ihn verhaftet hatten, der Gegenstand der gröbsten Beleidigungen, der größten Mißhandlungen. Die Sbirren sahen, daß sie es mit keinem Edelmann zu thun hatten, und behandelten ihn als einen armen Schlucker.

Nach Verlauf einer halben Stunde machte ein Gerichtsschreiber seinen Qualen, aber nicht seiner Unruhe ein Ende, indem er befahl, Herrn Bonacieux ins Verhörzimmer zu bringen. Gewöhnlich befragte man die Gefangenen in ihrem Zimmer, aber mit Herrn Bonacieux machte man nicht so viel Umstände.

Zwei Garden ergriffen den Krämer, ließen ihn durch einen Hof schreiten, sodann in eine Flur eintreten, wo drei Schildwachen standen, öffneten eine Thüre und stießen ihn in eine niedrige Stube, in der das ganze Geräthe aus einem Tische, einem Stuhl und einem Commissär bestand. Der Commissär saß auf dem Stuhle und schrieb auf dem Tisch. Die zwei Garden führten den Gefangenen vor den Tisch und entfernten sich auf ein Zeichen des Commissärs aus dem Bereich seiner Stimme. Der Commissär, welcher bis dahin seinen Kopf gesenkt gehalten hatte, erhob ihn nun, um zu sehen, mit wem er es zu thun hätte. Dieser Commissär war ein Mann von widerlicher Miene, mit spitziger Nase, gelben, hervorstehenden Backenknochen, kleinen, aber forschenden und lebhaften Augen, ein Mann, dessen Physiognomie eine Mischung von Marder und Fuchs zu sein schien. Sein von einem langen Halse getragenes Haupt trat, sich wiegend, aus seinem schwarzen Gewande beinahe mit derselben Bewegung hervor, die man bei der Schildkröte wahrnimmt, wenn sie den Kopf aus ihrer Schale herausstreckt.

Er fing damit an, daß er Herrn Bonacieux nach Namen und Vornamen, Alter und Domicil fragte. Der Angeklagte antwortete, er heiße Jacques Michel Bonacieux, sei einundfünfzig Jahre alt, Krämer, der sich vom Geschäfte zurückgezogen, und wohne in der Rue des Fossoyeurs, Nro. 11.

Statt mit dem Verhör fortzufahren, hielt ihm der Commissär nun eine lange Rede über die Gefahr, die ein unbedeutender Bürger laufe, wenn er sich in die öffentlichen Angelegenheiten mische. Diese Predigt verband er mit einer Erläuterung, worin er von der Macht und den Handlungen des Herrn Kardinals, dieses unvergleichlichen Ministers, dieses Besiegers früherer Minister, dieses Beispiels zukünftiger Minister sprach, von einer Macht und von Handlungen, denen Niemand ungestraft in den Weg trete.

Nach diesem zweiten Theil seiner Rede heftete er seinen Sperberblick auf den armen Bonacieux, und forderte ihn auf, den Ernst seiner Lage in Betracht zu ziehen.

Die Betrachtungen des Krämers waren alle angestellt. Er wünschte den Augenblick zum Teufel, wo Herr La Porte den Gedanken gehabt hatte, ihn mit seiner Pathin zu verheirathen, und mehr noch den Augenblick, wo eben diese Pathin in die Garderobe der Königin aufgenommen wurde.

Der Grundstoff im Charakter von Meister Bonacieux war verhärtete Selbstsucht, vermischt mit schmutzigem Geiz und gewürzt mit außerordentlicher Feigheit. Die Liebe, die ihm seine junge Frau eingeflößt hatte, war ein ganz secundäres Gefühl und konnte mit den aufgezählten Gefühlen nicht in die Schranken treten.

Herr Bonacieux überdachte sich in der That, was man ihm so eben gesagt hatte.

»Aber, mein Herr Commissär,« sprach er schüchtern, »glaubt mir, daß ich mehr als irgend ein Mensch das Verdienst der unvergleichlichen Eminenz, von der wir regiert zu werden die Ehre haben, kenne und zu schätzen weiß.«

»Wirklich?« fragte der Commissär mit etwas zweifelhafter Miene. »Aber wenn dem in der That so ist, wie kommt ihr in die Bastille?«

»Wie ich hieher komme, oder vielmehr, warum ich hier bin,« erwiederte Bonacieux, »das kann ich Euch unmöglich sagen, weil ich es selbst nicht weiß; aber sicherlich nicht, weil ich den Herrn Kardinal beleidigt habe, wenigstens nicht wissentlich.«

»Ihr müßt doch ein Verbrechen begangen haben, da Ihr hier des Hochverraths angeklagt seid.«

»Des Hochverraths!« rief Bonacieux erschrocken. »Des Hochverraths! wie sollte ein armer Krämer, der die Hugenotten haßt und die Spanier verabscheut, des Hochverraths angeklagt sein? Bedenkt doch, mein Herr, dies ist in der That rein unmöglich.«

»Herr Bonacieux,« sprach der Commissär, und schaute dabei den Angeklagten an, als ob seine kleinen Augen die Macht besäßen, in der Tiefe der Herzen zu lesen, »Herr Bonacieux, habt Ihr eine Frau?«

»Ja, mein Herr,« antwortete der Krämer, am ganzen Leibe zitternd, denn er fühlte, daß in diesem Punkte der böse Knoten der ganzen Angelegenheit liegen mußte; »das heißt, ich hatte eine.«

»Wie? Ihr hattet eine! Was habt Ihr gemacht, wenn Ihr sie nicht mehr besitzt?«

»Man hat sie mir entführt, mein Herr.«

»Man hat sie Euch entführt?« sprach der Commissär. »Ah!«

Bonacieux fühlte bei diesem Ah, daß sich die Angelegenheit immer mehr verwickelte.

»Man hat sie Euch entführt?« versetzte der Commissär; »und wißt Ihr, wer der Mann ist, der diesen Raub begangen hat?«

»Ich glaube. Ihn zu kennen.«

»Wer ist es?«

»Bedenkt, daß ich nichts behaupte, mein Herr Commissär, sondern nur vermuthe.«

»Wen habt Ihr im Verdacht? Antwortet offenherzig.«

Herr Bonacieux war in der größten Verlegenheit; sollte er Alles leugnen oder Alles sagen? Leugnete er Alles, so konnte man glauben, er wisse zu viel, um zu gestehen; sagte er Alles, so war dies ein Beweis von gutem Willen. Er entschloß sich, Alles zu sagen.

»Ich habe,« sprach er, »einen großen Mann von bräunlicher Gesichtsfarbe und stolzer Miene im Verdacht, der ganz aussieht, wie ein vornehmer Herr; er folgte uns wiederholt, wie es mir vorkam, wenn ich meine Frau vor der Pforte des Louvre erwartete, um sie nach Haus zu begleiten.«

Der Commissär schien sich etwas beunruhigt zu fühlen.

»Und sein Name?« sprach er.

»Ah, was seinen Namen betrifft, den weiß ich nicht. Aber wenn ich ihm je begegne, und wäre es unter tausend Menschen, werde ich ihn sogleich wieder erkennen, dafür stehe ich Euch.«

Die Stirne des Commissärs verfinsterte sich.

»Ihr werdet ihn unter tausend Menschen wieder erkennen, sagt Ihr?« fuhr er fort.

»Das heißt, erwiederte Bonacieux, welcher einsah, daß er einen falschen Weg eingeschlagen hatte, »das heißt …«

»Ihr habt mir geantwortet, Ihr würdet ihn wieder erkennen,« sprach der Commissär, »schon gut, das ist für heute genug. Ehe wir weiter gehen, muß Jemand davon in Kenntniß gesetzt werden, daß Ihr den Räuber Eurer Frau kennt.«

»Aber ich habe Euch nicht gesagt, ich kenne ihn!« rief Bonacieux in Verzweiflung. »Ich sagte Euch im Gegentheil …«

»Führt den Gefangenen ab,« sprach der Commissär zu den Wachen.

»Und wohin soll man ihn führen?« fragte der Gerichtsschreiber.

»In einen Kerker.«

»In welchen?«

»Oh, mein Gott! in den nächsten besten, wenn er nur fest ist,« erwiederte der Commissär mir einer Gleichgültigkeit, die den armen Bonacieux schaudern machte.

»Wehe, wehe!« sprach er zu sich selbst, »das Unglück lastet auf meinem Haupt; meine Frau wird ein furchtbares Verbrechen begangen haben; man hält mich für ihren Mitschuldigen und bestraft mich mit ihr. Sie wird gesprochen, sie wird eingestanden haben, ich sei mit Allem vertraut; eine Frau ist so schwach! Ein Kerker! der nächste beste! so geht es! eine Nacht ist bald vorüber, und dann morgen Galgen und Rad! Oh! mein Gott, mein Gott, erbarme Dich meiner!«

Ohne im Geringsten auf das Klagegeschrei des Meisters Bonacieux zu hören, ein Geschrei, woran sie übrigens gewöhnt sein mußten, nahmen die zwei Wachen den Gefangenen beim Arm und führten ihn weg, während der Commissär in Eile einen Brief schrieb, auf den der Gerichtschreiber wartete.

Bonacieux schloß kein Auge; nicht als ob sein Kerker zu abscheulich gewesen wäre, sondern weil seine Unruhe zu groß war. Er blieb die ganze Nacht auf seiner Bank, er zitterte bei dem geringsten Geräusche, und als die ersten Strahlen des Tages in seine Kammer drangen, kam es ihm vor, als hätte das Morgenroth eine Leichenfärbung angenommen.

Plötzlich hörte er die Riegel klirren und sprang erschrocken auf. Der Unglückliche glaubte, man komme, um ihn zu holen und nach dem Schaffot zu führen. Aber als er statt des erwarteten Henkers seinen Commissär und seinen Gerichtsschreiber vom vorigen Tage erscheinen sah, war er sehr geneigt, ihnen um den Hals zu fallen.

»Eure Angelegenheit hat sich seit gestern Abend sehr verwirrt, mein braver Mann,« sagte der Kommissär, »und ich rathe Euch, die Wahrheit unumwunden zu gestehen, denn nur Eure Reue vermag den Zorn des Kardinals zu beschwören.«

»Ich bin bereit. Alles zu sagen,« rief Bonacieux, »wenigstens Alles, was ich weiß. Fragt, ich bitte Euch.«

»Vor Allem: wo ist Eure Frau?«

»Ich sagte Euch doch, man habe sie mir entführt.«

»Ja, aber seit gestern Mittag um fünf Uhr ist sie durch Eure Hülfe entflohen.«

»Meine Frau ist entflohen?« rief Bonacieux. »Oh, die Unglückliche! Mein Herr, wenn sie entflohen ist, so bin ich nicht Schuld, ich schwöre es Euch.«

»Was hattet Ihr dann bei Herrn d’Artagnan, Eurem Nachbar zu thun, mit welchem Ihr an diesem Tag eine lange Konferenz hieltet?«

»Ach! ja, Herr Commissär, ja, das ist wahr, und ich gestehe, daß ich Unrecht hatte. Ja, ich bin bei Herrn d’Artagnan gewesen.«

»Und was war der Zweck Eures Besuches?«

»Ich wollte ihn bitten, mir meine Frau aufsuchen zu helfen. Ich glaubte mich berechtigt, sie zurückzufordern; aber ich täuschte mich, wie es scheint, und bitte um Vergebung.«

»Was antwortete Herr d’Artagnan?«

»Herr d’Artagnan hat mir seinen Beistand zugesagt; aber ich sah bald ein, daß er mich verrieth.«

»Ihr wollt der Justiz eine Lüge aufschwatzen! Herr d’Artagnan hat einen Vertrag mit Euch abgeschlossen, hat kraft dieses Vertrags die Polizei, welche Eure Frau verhafteten, in die Flucht gejagt, und alle Nachforschungen vereitelt.«

»Herr d’Artagnan hat meine Frau entführt? Ei, ei, was sagt Ihr mir da?«

»Zum Glück ist Herr d’Artagnan in unsern Händen und Ihr sollt ihm gegenüber gestellt werden.«

»Ah! meiner Treu, das ist mir ungemein lieb;« rief Bonacieux, »es soll mir gar nicht leid thun, ein bekanntes Gesicht zu sehen.«

»Laßt Herrn d’Artagnan eintreten,« sprach der Commissär zu den zwei Wachen.

Die Wachen ließen Athos eintreten.

»Herr d’Artagnan,« sprach der Commissär, sich an Athos wendend, »erklärt, was zwischen Euch und diesem Herrn vorgefallen ist.«

»Aber Ihr zeigt mir ja gar nicht d’Artagnan,« rief Bonacieux.

»Wie, das ist nicht d’Artagnan?« sprach der Commissär.

»Keineswegs,« antwortete Bonacieux.

»Wie heißt dieser Herr?« fragte der Commissär.

»Ich kann es Euch nicht sagen, ich kenne ihn nicht.«

»Wie, Ihr kennt ihn nicht?«

»Nein!«

»Ihr habt ihn nie gesehen?«

»Doch; aber ich weiß nicht, wie er heißt.«

»Euer Name?« fragte der Commissär.

»Athos«, antwortete der Musketier.

»Das ist kein Menschenname, sondern der Name eines Berges,« rief der arme Untersuchungsrichter, der den Kopf zu verlieren anfing.

»Es ist mein Name,« sprach Athos ruhig.

»Aber Ihr sagtet doch, Ihr hießet d’Artagnan?«

»Ich?«

»Ja, Ihr!«

»Man hat zu mir gesagt: Ihr seid Herr d’Artagnan? ich erwiederte: Ihr glaubt? Meine Wachen meinten, sie wüßten es gewiß; ich wollte ihnen nicht widersprechen; überdies konnte ich mich täuschen.«

»Mein Herr, Ihr beleidigt die Majestät der Justiz!«

»Durchaus nicht,« entgegnete Athos gelassen.

»Ihr seid Herr d’Artagnan?«

»Seht, Ihr sagt es mir noch einmal.«

»Nun ich sage Euch, mein Herr Commissär,« rief Bonacieux, »daß man hier keinen Augenblick zweifeln darf. Herr d’Artagnan wohnt in meinem Hause, und ich muß ihn folglich kennen, obgleich er mir meinen Miethzins nicht bezahlt, und gerade aus diesem Grunde. Herr d’Artagnan ist ein junger Mann von kaum neunzehn bis zwanzig Jahren, und dieser Herr ist gewiß dreißig Jahre alt. Herr d’Artagnan steht bei den Garden des Herrn des Essarts, und dieser Herr bei der Musketiercompagnie des Herrn von Treville. Schaut die Uniform an, mein Herr Commissär, schaut die Uniform an.«

»Es ist wahr,« murmelte der Commissär, »es ist bei Gott wahr!«

In diesem Augenblicke wurde die Thüre rasch geöffnet, und ein von einem Gefangenenwärter der Bastille eingeführter Bote übergab dem Commissär einen Brief.

»Oh! die Unglückliche!« rief der Commissär.

»Wie? was sagt Ihr? von wem sprecht Ihr? Hoffentlich nicht von meiner Frau?«

»Im Gegentheil gerade von ihr. Eure Angelegenheit steht ganz schön!«

»Ah,« rief der Krämer in Verzweiflung, »macht mir das Vergnügen und sagt mir, wie sich meine Angelegenheit durch das verschlimmern kann, was meine Frau thut, während ich im Gefängniß sitze.«

»Weil das, was sie thut, die Folge eines unter Euch abgekarteten höllischen Planes ist.«

»Ich schwöre Euch, Herr Commissär, daß Ihr in einem gewaltigen Irrthume befangen seid; daß ich nicht das Mindeste von dem weiß, was meine Frau thun sollte; daß ich dem, was sie gesagt hat, völlig fremd bin, und daß ich sie, wenn sie Dummheiten begangen hat, verleugne, verfluche.«

»Ei,« sprach Athos zu dem Commissär, »wenn Ihr mich hier nicht braucht, so schickt mich irgendwo hin. Dieser Herr Bonacieux ist ein sehr langweiliger Geselle.«

»Führt die Gefangenen in ihre Kerker zurück,« sprach der Commissär, mit derselben Geberde Athos und Bonacieux bezeichnend, »und man bewache sie mit der größten Strenge!«

»Wenn Ihr indessen mit Herrn d’Artagnan zu thun habt,« sagte Athos mit seiner gewöhnlichen Ruhe,« so sehe ich nicht ganz ein, warum ich seine Stelle vertreten soll.«

»Thut, was ich gesagt habe,« rief der Commissär, »und beobachtet das tiefste Stillschweigen, hört Ihr?«

Athos folgte den Wachen mit einem Achselzucken, und Herr Bonacieux mit einem Klagegeschrei, das einem Tiger hätte das Herz zerreißen mögen.

Man führte den Krämer in denselben Kerker, wo er die Nacht zugebracht hatte, und ließ ihn hier den ganzen Tag. Den ganzen Tag weinte Herr Bonacieux, wie ein wahrer Krämer, denn er war durchaus kein Mann vom Schwerte, wie er uns selbst gesagt hat.

Abends gegen neun Uhr, in dem Augenblick, wo er sich entschloß, zu Bette zu gehen, hörte er Tritte in der Hausflur. Diese Tritte näherten sich seinem Kerker, die Thüre wurde geöffnet, die Wachen erschienen.

»Folgt mir,« sagte ein Gefreiter, der hinter den Wachen ging.

»Euch folgen!« rief Bonacieux, »Euch folgen, zu dieser Stunde! und wohin denn, mein Gott?«

»Wohin wir Euch zu führen den Befehl haben.«

»Aber das ist keine Antwort.«

»Es ist die einzige, die wir Euch geben können.«

»Ach! mein Gott, mein Gott,« murmelte der arme Krämer, »diesmal bin ich verloren.«

Und er folgte maschinenmäßig ohne Widerstand den Wachen, die ihn holten. Er ging durch dieselbe Flur, durch die er bereits gegangen war, durchschritt einen ersten Hof und dann ein zweites Hauptgebäude. Vor dem Thore des Einfahrthofes fand er einen von vier Reitern umgebenen Wagen. Man ließ ihn in diesen Wagen einsteigen, der Gefreite setzte sich neben ihn. Man verschloß den Kutschenschlag mit einem Schlüssel, und Beide befanden sich in einem fahrenden Gefängnisse.

Das Gefährt setzte sich langsam wie ein Leichenwagen in Bewegung. Durch das geschlossene Gitter gewahrte der Gefangene die Häuser und das Pflaster, mehr nicht. Aber als wahrer Pariser erkannte Bonacieux jede Straße an den Ecksteinen, an den Schilden, an den Laternen. Als sie zu St. Paul gelangten, wo man die Verurtheilten der Bastille hinrichtete, war er einer Ohnmacht nahe und bekreuzte sich zweimal. Er glaubte, der Wagen würde hier halten, aber er ging weiter. Später erfaßte ihn abermals ein gewaltiger Schrecken, als er an dem Kirchhof St. Jean vorüberfuhr, wo man die Staatsverbrecher beerdigte. Ein einziger Umstand beruhigte ihn einigermaßen, nämlich daß man ihnen vor der Einscharrung gewöhnlich den Kopf abschnitt, und sein Kopf saß noch auf seinen Schultern. Als er aber sah, daß der Wagen die Straße nach der Grève einschlug, als er die spitzigen Dächer des Stadthauses bemerkte und wahrnahm, daß man unter der Arcade einbog, da glaubte er, jetzt sei Alles aus. Er wollte dem Gefreiten beichten; da ihm dieser aber alles Gehör verweigerte, so stieß er ein so erbarmungswürdiges Geschrei aus, daß ihm der Gefreite erklärte, wenn er nicht aufhöre, ihm die Ohren voll zu schreien, so werde er ihm einen Knebel anlegen. Diese Drohung beruhigte Bonacieux einigermaßen. Wollte man ihn an der Grève hinrichten, so lohnte es sich nicht der Mühe, ihn zu knebeln, da man die Richtstätte beinahe erreicht hatte. Der Wagen fuhr in der That über den unseligen Ort hin, ohne anzuhalten. Jetzt war nichts mehr zu befürchten, als die Croix-du-Trahoir, und der Wagen nahm seinen Weg wirklich gerade in dieser Richtung.

Diesmal konnte man nicht mehr zweifeln. Auf der Croix-du-Trahoir wurden Verbrecher untergeordneten Ranges hingerichtet. Bonacieux hatte sich des St. Paul oder des Grève-Platzes würdig gehalten. An der Croix-du-Trahoir sollten sein Leben und sein Schicksal sich endigen! Er konnte das unglückliche Kreuz noch nicht sehen, aber er hatte ein Gefühl, als ob es ihm entgegen käme. Als nur noch etwa zwanzig Schritte zurückzulegen waren, hörte er ein Geräusch und der Wagen hielt stille. Das war mehr, als der arme, durch die rasch auf einander erfolgten Gemüthsbewegungen niedergeschmetterte Krämer zu ertragen vermachte. Er stieß einen schwachen Seufzer aus, den man für den letzten Athemzug eines Sterbenden hätte halten können, und sank in Ohnmacht.

21. Die Gräfin von Winter

Inhaltsverzeichnis

Den ganzen Weg entlang ließ sich der Herzog über Alles von d’Artagnan Bericht erstatten, nicht über Alles, was vorgefallen war, sondern über das, was d’Artagnan davon wußte. Indem er die Mittheilungen des jungen Mannes mit seinen Erinnerungen zusammenhielt, konnte er sich einen genauen Begriff von der Lage machen, von deren Mißlichkeit ihm der Brief der Königin, so kurz er auch war, einen Maßstab gab. Er wunderte sich besonders darüber, daß es dem Kardinal, dem so viel daran liegen mußte, daß der junge Mann England nicht erreichen konnte, nicht gelungen war, ihn auf dem Wege aufgreifen zu lassen. Als er sein Erstaunen hierüber kund gab, erzählte ihm d’Artagnan von den Vorsichtsmaßregeln, die er genommen, und wie er durch die aufopfernde Ergebenheit seiner drei Freunde, die er blutend und zerstreut auf der Straße zurückgelassen, mit einem Degenstiche sich durchgeschlagen, der durch das Billet der Königin gedrungen war, und den er dem Grafen von Wardes mit so furchtbarer Münze zurückbezahlt hatte. Während der Herzog auf diese Erzählung hörte, die mit der größten Einfachheit vorgetragen wurde, schaute er d’Artagnan mit erstaunter Miene an, als könnte er nicht begreifen, wie er so viel Muth, so viel Klugheit, so viel Ergebenheit mit einem Gesichte zusammenreimen sollte, das kaum zwanzig Jahre andeutete.

Die Pferde gingen wie der Wind, und in wenigen Minuten befanden sie sich vor den Thoren von London. D’Artagnan hatte geglaubt, der Herzog würde in der Stadt etwas langsamer reiten; aber dem war nicht so. Er setzte seinen Weg in größter Eile fort und kümmerte sich nicht darum, ob er die Leute auf der Straße niederwarf. Wirklich ereigneten sich mehrere Unfälle dieser Art während des Rittes durch die Stadt. Aber Buckingham drehte nicht einmal den Kopf um zu sehen, was aus denjenigen, welche er niederritt, geworden war. D’Artagnan folgte ihm mitten unter Schreien, welche viel Aehnlichkeit mit Verfluchungen hatten.

Im Hof seines Hotels sprang Buckingham von seinem Pferd, warf ihm gleichgültig den Zügel auf den Hals und stürzte nach der Treppe. D’Artagnan that dasselbe, jedoch mit etwas mehr Unruhe für diese edlen Thiers, deren Verdienst er würdigen gelernt hatte; aber zu seiner Befriedigung bemerkte er, daß drei bis vier Bedienten aus den Küchen und Ställen herbeiliefen und sich sogleich der Pferde bemächtigten.

Der Herzog ging so rasch, daß d’Artagnan Mühe hatte, ihm zu folgen. Er durchschritt nach einander mehrere Salons von einer Eleganz, von der selbst die vornehmen Herren Frankreichs keinen Begriff hatten, und gelangte endlich in ein Schlafgemach, das zugleich ein Wunder von Geschmack und Reichtum war. Im Alkoven dieses Gemachs war eine in der Tapete angebrachte Thüre, welche der Herzog mit einem kleinen goldenen Schlüssel öffnete, den er an einer Kette von demselben Metall am Halse trug. Aus Bescheidenheit war d’Artagnan zurückgeblieben. Aber in dem Augenblick, wo Buckingham die Schwelle dieser Thüre überschritt, drehte er sich um und sprach, als er das Zögern des jungen Mannes wahrnahm:

»Kommt, und wenn Ihr die Ehre habt, vor Ihrer Majestät erscheinen zu dürfen, so sagt ihr, was Ihr hier seht.«

Ermuthigt durch diese Aufforderung, folgte d’Artagnan dem Herzog, der die Thüre hinter sich schloß.

Beide befanden sich nun in einer kleinen mit persischer Seide tapezierten und mit Gold gestickten Kapelle, welche mit einer großen Anzahl von Kerzen stark beleuchtet war. Ueber einer Art von Altar und unter einem Prachthimmel von blauem Sammet, überragt von weißen und rothen Federn, gewahrte man ein Porträt in natürlicher Größe, Anna von Oesterreich so vollkommen ähnlich darstellend, daß d’Artagnan unwillkürlich einen Schrei des Erstaunens ausstieß. Man hätte glauben sollen, Ihre Majestät wäre im Begriff zu sprechen.

Auf dem Altar und unter dem Porträt stand das Kistchen, welches die diamantenen Nestelstifte enthielt.

Der Herzog näherte sich dem Altar, kniete davor nieder, wie ein Priester vor dem Christusbilde, und öffnete das Kistchen.

»Seht,« sprach er, indem er eine große ganz von Diamanten funkelnde blaue Bandschleife hervorzog, »seht, hier sind diese kostbaren Nestelstifte, mit denen ich mich begraben zu lassen geschworen hatte. Die Königin hat sie mir gegeben, die Königin nimmt sie mir wieder, ihr Wille geschehe, wie der Wille Gottes, in allen Dingen.«

Dann küßte er alle diese Stifte, von denen er sich trennen sollte, einen um den andern. Plötzlich stieß er einen furchtbaren Schrei aus.

»Was gibt es?« fragte d’Artagnan unruhig. »Was ist Euch, Mylord?«

»Alles ist verloren!« rief Buckingham, indem er todesbleich wurde; »zwei von diesen Nestelstiften fehlen; es sind nur noch zehn.«

»Hat Mylord sie verloren, oder glaubt er, man könnte sie ihm gestohlen haben?«

»Man hat sie mir gestohlen,« erwiederte der Herzog, »und das ist ein Streich des Kardinals! Seht, die Bänder, an denen sie befestigt waren, sind mit der Scheere durchschnitten.«

»Sollte Mylord vermuthen, wer den Diebstahl begangen hat? … Vielleicht sind sie noch in den Händen der Person.«

»Geduld!« rief der Herzog. »Ich trug diese Nestelstifte nur ein einziges Mal vor acht Tagen auf einem Ball des Königs in Windsor. Die Gräfin von Winter, mit der ich gespannt war, näherte sich nur auf diesem Ball. Diese Annäherung war eine Rache der eifersüchtigen Frau. Seitdem habe ich sie nicht wieder gesehen. Sie ist eine Agentin Richelieus.«

»Also gibt es auf der ganzen Welt Agenten von ihm?« rief d’Artagnan.

»Oh! ja, ja,« sprach Buckingham vor Zorn mit den Zähnen knirschend; »ja, er ist ein furchtbarer Gegner. Doch wann soll der bewußte Ball stattfinden?«

»Nächsten Montag.«

»Nächsten Montag! Fünf Tage also? Das ist mehr Zeit als wir brauchen. Patrice!« rief ver Herzog, die Thüre der Kapelle öffnend, »Patrice!«

Der Kammerdiener erschien.

»Meinen Juwelier und meinen Sekretär!«

Der Kammerdiener entfernte sich mit einer Geschwindigkeit, und Schweigsamkeit, woraus sich erkennen ließ, daß er an blinden und stummen Gehorsam gewöhnt war.

Aber obgleich man den Juwelier zuerst gerufen hatte, erschien doch der Sekretär vor diesem. Dies war ganz einfach, denn er wohnte im Hotel. Er fand Buckingham in seinem Schlafzimmer vor einem Tisch sitzend und eigenhändig einige Briefe schreibend.

»Herr Jakson,« sprach er, »Ihr begebt Euch stehenden Fußes zum Lordkanzler und sagt ihm, daß ich ihn mit Vollziehung dieser Befehle beauftrage. Ich verlange, daß sie sogleich bekannt gemacht werden sollen.«

»Aber, gnädigster Herr, wenn der Lordkanzler mich nach den Motiven fragt, die Eure Herrlichkeit zu so außerordentlichen Maßregeln veranlassen konnten, was soll ich antworten?«

»So habe es mir gefallen, und ich habe Niemand über meinen Willen Rechenschaft zu geben.«