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Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Leseprobe HC 119

1.

2.

3.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2664

 

Hinter dem Planetenwall

 

Arun Joschannan gilt als ehrlicher Politiker – doch er hat interstellare Feinde

 

Hubert Haensel

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1470 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5057 christlicher Zeitrechnung. Das heimatliche Solsystem verschwand vor mehr als drei Monaten spurlos von seinem angestammten Platz im Orionarm der Milchstraße.

Ehe die Liga Freier Terraner ins Chaos sinken konnte, mussten eine neue Regierung und ein neuer Zentralplanet gefunden werden. Überraschend fällt die Wahl auf die Hauptwelt der Plejaden, Maharani, und noch weitaus überraschender setzt sich der dortige Regierungschef Arun Joschannan sogar als neuer Erster Terraner durch.

Joschannan bewegt sich nun in einer politisch brisanten Situation: Nicht nur die Arkoniden wittern eine Chance für mehr Macht, während sich viele andere mit Terra verbündete Welten auch um ihre eigene Zukunft sorgen.

Immerhin scheint festzustehen, dass hinter allen merkwürdigen Vorkommnissen des letzten halben Jahres die Superintelligenz QIN SHI steckt, die sich aber bislang nie leibhaftig gezeigt hat.

Nicht zuletzt deswegen muss Arun Joschannan sich um eher handfeste politische Dinge kümmern. Eines davon ist die Eastside-Konferenz, die an einem besonderen Ort stattfinden soll: HINTER DEM PLANETENWALL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Arun Joschannan – Der Erste Terraner legt Wert auf den Erfolg der Eastside-Konferenz.

Ipthey-Hüriit – Der Blues-Admiral versucht, seinen menschlichen Verhandlungspartner zu verstehen.

Henar Maltczyk – Als Sekretär des Ersten Terraners zählt er nicht zu dessen vorbehaltlosen Bewunderern.

1.

 

Admiral Ipthey-Hüriit neigte den Tellerkopf leicht nach vorn. Aus allen vier Augen betrachtete er das Konglomerat der Holoschirme, das brodelndes Chaos zeigte: Der Weltraum brannte. Rings um die APAS I musste das Raum-Zeit-Gefüge jäh aufgebrochen sein. Wo vor wenigen Sekunden der Weltraum gewesen war, herrschten nun reißende, aufgewühlte Energieströme, ein endloser Ozean aus Rottönen aller nur denkbaren Schattierungen.

... von einem Ende der Unendlichkeit zum anderen, ging es Ipthey-Hüriit durch den Sinn. Sogar der Tod wirkt noch faszinierend.

Mit einer ungehaltenen Geste vertrieb er diese Überlegung, denn sie war nur eine Ausgeburt der humpelnden Kreatur der Unsicherheit. Ipthey-Hüriits Hals verkrampfte sich, als würden ein halbes Dutzend Hände die Muskelstränge zusammendrücken.

Ich sollte es machen wie manche Terraner. Wie Reginald Bull! Genau, der Terranische Resident beherrscht das ... Ein helles Lachen kam aus dem zahnlosen Mund, und für einen Moment wusste der Admiral nicht, wohin mit der groben Hornzunge. Sein Lachen war selbst für einen Apaso schrill, überschritt beinahe die Obergrenze des Hörbaren. Reginald Bull würde die Rote Kreatur des brennenden Alls mit einem Fußtritt in den ... Ipthey-Hüriit brachte den Gedanken wieder nicht zu Ende. Er riss die Hände hoch, und seine Finger verkrampften sich um den schmalen Rand des Kopfes.

Vergeblich suchte er nach einem Hauch von Schwärze in dem Toben der Elemente. Er sah nur Weltuntergang und dass sein Flaggschiff mittendrin steckte.

»Wo bleiben die Messdaten?«, rief Ipthey-Hüriit, ohne den Blick von der Hologalerie abzuwenden. »Finden wir größere Strukturen, an denen wir uns orientieren können?«

»Nichts, Admiral. Da ist gar nichts mehr ...«

Er spreizte die drei Daumen der rechten Hand und legte die vier Finger eng aneinander, als wolle er mitten hineingreifen in das Chaos auf den Schirmen und ein Stück davon herausreißen. Der Weltraum war vor seinen Augen zerflossen, als hätte ein paranormaler Künstler ganz verschiedene Farbschattierungen verdünnt und mit Schwung zusammengeschüttet. Dicke, zähflüssige Ströme rannen langsam dahin. Andere sprudelten, scheinbar mit explodierenden Luftblasen durchmischt.

Daneben tobten Wirbel, in denen sich alles vermengte, als hätte der Schöpfer dieses albtraumhaften Szenarios einen gewaltigen Rührlöffel hineingestoßen ...

... und rührte nun um wie in einem Mannschaftskessel voller Muurt-Würmer.

Ipthey-Hüriit erwischte sich bei einer absonderlichen Regung. Der Anblick des brennenden Weltraums gefiel ihm, er hatte etwas Morbides und Faszinierendes zugleich.

 

*

 

Während der Alarm in der höchsten Tonlage wimmerte, taxierte Ipthey-Hüriit abwechselnd mit jeweils zwei gegenüberliegenden Augen die vermischte Wiedergabe aus optischer Erfassung und verzerrten Ortungsbildern. Der Eindruck, von den Energiewirbeln erfasst und mitgerissen zu werden, bereitete ihm Übelkeit.

Einen Sturm wie in diesen Minuten hatte er bislang nicht erlebt, dabei war er in den letzten Jahren in Dutzende schwere Hyperorkane geraten. Alle hatte er überstanden.

»In einigen Frequenzbereichen versagt bereits die Außenbeobachtung!« Die Stimme des Ortungsoffiziers wurde mitten im Satz dumpfer und langsamer und war am Ende nur mehr ein tiefes Brummen, jede Silbe fast zur Unverständlichkeit gedehnt, als sei der Sprecher in einen anderen Zeitablauf geraten.

Ipthey-Hüriit fühlte ein Prickeln unter der Haut, dass er sich am liebsten den Raumanzug vom Leib gerissen und mit allen vierzehn Fingern durch den blauen Körperflaum gekratzt hätte. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren.

»Paratronschirm auf Maximallast! Höchstmögliche Beschleunigung! – Egal, wohin ... nur weg von hier!«

Nicht, weil ich es so will, sondern weil ich Verantwortung für die Besatzung trage.

Furcht? Davon spürte er nichts. Eher Interesse. Neugierde, was kommen würde. Im schlimmsten Fall darauf, wie es sein mochte, den Tod vor sich zu sehen. Und danach? Viele Terraner glaubten an ein Weiterleben nach ihrem Ende. Wirklich unwahrscheinlich, erschien es Ipthey-Hüriit, war das keineswegs. Nur befremdlich für ihn. Früher wären solche Überlegungen für einen Jülziish undenkbar gewesen, doch die Zeiten änderten sich, wie sich alles veränderte, sogar der Weltraum.

Die Rote Kreatur des brennenden Alls tobte. Irgendwo in den brodelnden Energieschwaden glaubte Ipthey-Hüriit, ein grelles Aufleuchten wahrzunehmen. Es schien anzuwachsen und sich unregelmäßig auszubreiten. Wie einen Wall schob dieses Leuchten die Feuerwoge vor sich her.

Warnanzeigen, wohin er schaute. Überall im Schiff gab es Fehlfunktionen und Ausfälle.

»Fluchtgeschwindigkeit!«

Niemand bestätigte den Befehl.

»Weg hier ...!« Das »Egal wie« verschluckte er unausgesprochen. Die APAS I hatte keine Chance, dem Verderben zu entkommen.

Ipthey-Hüriit blickte dem Tod entgegen. Vielleicht hatten die Religionen der Terraner recht, die vom Leben nach dem Tod sprachen. In seinem Kopf wirbelten diese Überlegungen durcheinander. Wie viele Terraner waren tot gewesen und trotzdem für kurze Zeit ins Leben zurückgekommen? Die Bewusstseinsprojektionen, von der Superintelligenz ES abgesondert, waren ein Beispiel, die »Konzepte«. Seit er davon erfahren hatte, sammelte Ipthey-Hüriit solche Episoden der terranischen Geschichte, aber nun bedauerte er, längst nicht alle Daten durchgearbeitet zu haben.

Eine gewaltige Brandungswelle rollte heran. Gegen diese entfesselte Energie gab es keinen Schutz. Unüberschaubar wuchs die Woge vor der APAS auf; sie würde nur Atome von dem Flaggschiff und seiner Besatzung übrig lassen.

Ist es das, was die Terraner unter Weiterleben verstehen? Verweht als winzige Bausteine neuer Materie, zurückverwandelt in Energie?

Ein vielstimmiger gellender Aufschrei hallte durch die Zentrale – und erstarb, als das tobende rote Meer ausgelöscht wurde.

Plötzlich war gleißende Helligkeit überall. Es gab nichts anderes mehr, nur dieses alles durchdringende, Materie fressende Licht.

Voller Entsetzen registrierte Ipthey-Hüriit, dass sich das Schiff auflöste.

Auch seine Arme ... sein Leib ... Panik stieg in ihm auf. Zugleich erlosch sein Bewusstsein im Nichts.

 

*

 

Erst schien es sehr weit weg zu sein, doch wurde das an- und abschwellende Wimmern schnell lauter. Nichts nahm Ipthey-Hüriit wahr außer diesem schrecklichen Ton, der ihn unaufhaltsam ins Bewusstsein zurückholte.

Der Alarm heulte durch das Schiff!

Schlagartig kehrte Ipthey-Hüriits Erinnerung an den Flug seines Flaggschiffs quer durch das halbe Territorium der Jülziish und den permanenten Hypersturm wieder.

Einzelne Felder der Hologalerie erwachten zu neuer Funktion. Da ein optischer Effekt, dort verwaschene Ortungswerte, die teils nicht einmal umgerechnet waren, sondern nur als mathematische Kolonnen wiedergegeben wurden.

Das Toben des Sturmes beherrschte erneut die Wahrnehmung – ein hyperphysikalisch aufgewühltes Gebiet über dreißigtausend Lichtjahre hinweg. Wer keine zeitraubenden Umwege akzeptieren wollte, dem blieb nur die Wahl, mitten hindurchzufliegen.

Neue Positionsdaten verrieten, dass die APAS I mehr als einige Millionen Kilometer vom Kurs abgekommen war. Wenn Ipthey-Hüriit den Vergleich richtig zog, befand sich das Schiff weiter vom vorherigen Standort entfernt, als er jemals vermutet hätte.

Mindestens achtzig Lichtjahre!

Sein Blick glitt über die Hologalerie, deren anfängliche Lücken sich allmählich schlossen. In einem Bereich zeichnete sich Weltraumschwärze ab, verschwand hinter brodelnden Energieschleiern und wurde kurz darauf wenigstens teilweise wieder sichtbar.

Gleichzeitig kehrte die übliche Geschäftigkeit in die Zentrale zurück. Der Admiral nahm es eher beiläufig zur Kenntnis. Von der Besatzung seines Flaggschiffs durfte er eingespielte Perfektion erwarten.

Andernfalls standen für jeden Gescheiterten vierzehn Anwärter bereit, die es sich als Ehre anrechneten, auf einem Apaso-Kampfraumer modernster Bauart Dienst zu tun. Ein diskusförmiges Superschlachtschiff, 1800 Meter durchmessend und rund 775 Meter von Pol zu Pol, das machte Eindruck. Selbst Terraner schätzten diesen Schiffstyp, in dieser Zeit mehr denn je.

Sie lassen sich ihr Heimatsystem entführen und ihre Heimatflotte gleich mit.

Mitleid oder Verständnis? Ipthey-Hüriit war sich keineswegs sicher, was er für die Liga Freier Terraner empfand. Eigentlich sollte er über solche Begriffe gar nicht nachdenken.

Im Hintergrund des Zentralegeschehens wurde die Schadenskontrolle abgewickelt. Alles Routine, tausendfach geübt. Ipthey-Hüriit hörte nur mit einem Ohr hin, zumal nichts bedrohlich klang.

»Was ist mit den Schäden in den Triebwerksbereichen und bei den Paratron-Projektoren?«, fasste er nach. »Wie viel Spielraum bleibt uns?«

»Überlichtflug ist möglich, die Reichweite wird aber kontinuierlich sinken.«

»Schaffen wir es, das Sturmgebiet zu verlassen?«

»Im derzeitigen Zustand eher nicht. Keineswegs alle erforderlichen Reparaturen können im freien Raum vorgenommen werden.«

»Wo sind die nächsten Sonnen und Planeten? Nachdem unsere Koordinaten schon errechnet wurden, gehe ich davon aus, dass markante Objekte ...«

»Wir befinden uns rund zweiundachtzig Lichtjahre von unserer letzten Position entfernt!«, erklang ein Zwischenruf von der Ortung.

Ipthey-Hüriit ließ den flachen Kopf ein wenig pendeln. Deutlicher wollte er seinen Unwillen nicht ausdrücken. »Wenn es einen Bezug für die Positionsdaten gibt, müssen Sonnen angemessen worden sein«, sagte er.

»Das Helaron-Duo konnte eindeutig identifiziert werden«, kam die Feststellung. »Außerdem drei weitere Sonnensysteme. Die massiven Störungen durch den Hypersturm haben in den Bereichen so etwas wie eine vorübergehend beruhigte Zone entstehen lassen.«

Ipthey-Hüriits Blick wanderte wieder zur Panoramagalerie. Der schmale Streifen Weltraum erschien ihm wie ein Wolkenaufriss während eines heftigen Gewitters.

»Ist das Helaron-Duo für uns erreichbar?«

»Ein Versuch erscheint wenig empfehlenswert, die Distanz ist zu groß. Wesentlich näher liegt eines der anderen Sonnensysteme.«

»Wie weit ...?«

»Rund neun Lichtmonate. Es handelt sich um eine bislang unbenannte Sonne mit mehreren Planeten. Die Störungen in der Ortung nehmen bereits wieder zu.«

Abschätzend schabte Ipthey-Hüriit mit der Hornzunge über die Wulstlippen. Die APAS I war von den Sturmausläufern entstofflicht und im Raum versetzt worden, ohne nennenswert Schaden zu nehmen. Allzu leicht hätte das Schiff für immer in übergeordneten Dimensionen verwehen können; es gab viele vermisste Raumschiffe, deren Verbleib nie geklärt worden war.

»Der Sturm verdichtet sich wieder, Admiral. Eine der angemessenen Sonnen verschwindet aus der Ortung. Wenn wir länger warten ...«

»Ich bin mir des Risikos bewusst!«, unterbrach Ipthey-Hüriit. »Wie viel Zeit bleibt?«

»Keine, wenn die Hochrechnung der Positronik verlässlich ist. Im Schutz eines Sonnensystems ...«

»... werden wir nur wenig sicherer vor dem Orkan sein. Aber nach einer Landung können wir die erforderlichen Reparaturen erledigen. Beschleunigung mit Höchstwert! Übergang in den Linearflug bei Minimum Eintrittsgeschwindigkeit!«

Während das Superschlachtschiff an Fahrt gewann, zog sich der Weltraum wieder zu. Nur mehr ein winziges Fleckchen lichtloser Schwärze zeichnete sich zwischen erneut heranpeitschenden Energiewolken ab. Immer neue Aufrisse des Paratronschirms leiteten die auftreffenden Gewalten in den Hyperraum ab.

Monoton kämpfte der Schiffskoloss gegen die Sturmfront an. Es war eine scheinbare Ruhe, mehr nicht. Die Anzeigen der Absorber und Stabilisatorfelder verrieten, dass nur die hochgezüchtete Technik des Superschlachtschiffs diese Gleichmäßigkeit vorgaukelte. Tatsächlich trieben die tobenden Elemente die APAS I schon wieder vor sich her. Es würde nur noch Minuten dauern, bis der gewaltige Diskus vollends zum Spielball der Naturgewalten wurde.

Der Übertritt in den Linearraum erfolgte vorher.

Auch dort zeigte sich keineswegs das gewohnte Bild: Energieschwaden peitschten in Böen heran – das war der beste Vergleich, den Ipthey-Hüriit für die optische Wahrnehmung hatte. Der Zielstern in der Fronterfassung blieb ein verzerrter, kaum wahrzunehmender Fleck.

Die Rote Kreatur des brennenden Alls war ein verwüstender Hypersturm der Kategorie acht mit permanenten Mittelwerten um die hundert Meg. Für die Raumfahrt bedeutete er ein tückisches, schon lange bestehendes Hindernis; für die Milchstraße wohl nur eine vorübergehende Erscheinung wie viele andere Sturmfronten.

Vereinzelte Spitzenwerte bis zu 200 Meg traten auf. In derart extrem starken Orkanen kam es häufig zu willkürlichen Entstofflichungseffekten, die sogar ganze Sonnensysteme aus dem Raum-Zeit-Gefüge herausreißen konnten.

Solange der Sturm nur unwesentlich abflaute, als hole er lediglich neuen Atem, war die APAS I nicht einmal im Überlichtflug sicher.

Admiral Ipthey-Hüriit neigte dankbar den Kopf, als das Flaggschiff aus dem Linearraum ins Standarduniversum zurückglitt. Ob damit schon viel gewonnen war, würde sich erst herausstellen. Hyperorkane konnten monatelang mit Spitzenwerten toben.

 

*

 

Das namenlose System bestand aus vier Planeten, von denen nur der zweite über eine dichte Atmosphäre verfügte. Admiral Ipthey-Hüriit war trotzdem nicht auf dieser Welt gelandet. Weil die Lufthülle lediglich einen sehr geringen Sauerstoffanteil auswies, aber hohe Werte an Edelgasen und Methan. Vor allem jedoch, weil sich in der Atmosphäre stärkste Gewitterstürme entluden ...

... eine Interaktion mit den Partikelströmen des Hyperorkans, das stand mittlerweile fest. Seitdem die fünfdimensionalen Energien wieder tobten, schien der Planet in grellen Farben zu glühen.

Auch die Sonne zeigte heftige Turbulenzen. Gewaltige Protuberanzen griffen weit in den Raum hinaus. Zeitweise hatte es den Anschein, als wollten eruptive Sonnenfackeln die innere Welt verschlingen.

Zwei Monde umkreisten den dritten Planeten auf weit entfernten Bahnen. Auf dem äußeren, einer zerklüfteten Felswüste, war die APAS I vor zwei Tagen niedergegangen.

Ipthey-Hüriit war versucht gewesen, das System nach einer Kreatur der Zuflucht zu benennen oder nach der namenlosen Kreatur der Hoffnung. Letztlich hatte er darauf verzichtet, weil die Hoffnung auf einen baldigen Weiterflug zusehends geschwunden war. Und was die Zuflucht anbelangte, steckte eher die gefleckte Kreatur der Trugbilder dahinter, denn ohne den Schutz des Paratronschirms wäre die APAS I zum Totenschiff geworden. Der auftreffenden harten Strahlung hätte nicht einmal die isolierende Mehrschichtbauweise der Schiffszelle lange standgehalten.

Die Reparaturarbeiten schritten zügig voran. Dem Admiral wurde die Zeit dennoch bereits qualvoll lang. Auf Berichte gestrandeter Besatzungen, Tage wären ihnen wie Ewigkeiten erschienen, hatte er stets mit kühler Ignoranz reagiert. Besonders arkonidische und terranische Einheiten schienen diese Art der Ungeduld für sich gepachtet zu haben. Aber nun erging es ihm ähnlich, Ipthey-Hüriit ertappte sich zum dritten Mal an diesem Tag dabei, dass sein Blick die Datums- und Zeitanzeige suchte.

Unverändert der 2. Januar 1470 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Als sei die Zeit eingefroren.

»Morgen, spätestens übermorgen werden die Schäden so weit behoben sein, dass wir starten können«, meldete ein Offizier der Schadenskontrolle.

Leicht spöttisch bog Ipthey-Hüriit den Hals nach hinten und presste die Lippen aufeinander. Einen Kommentar hielt er für überflüssig.

»Verzeih, Admiral. Natürlich müssen wir ein neuerliches Abflauen des Orkans abwarten. Wenn wir unter den gegebenen Umständen starten ...«

»... wäre die APAS schon nach wenigen Lichtmonaten ein Wrack«, unterbrach Ipthey-Hüriit den Offizier schroff. »Hoffnungen, die sich nicht erfüllen, sind die schlimmste Gefahr. Jeder sollte sich darauf einstellen, dass wir länger auf dem Mond ausharren müssen.«

»Ortung!« Der Ruf hallte aus allen Akustikfeldern durch die Zentrale.

Ipthey-Hüriit ignorierte den Offizier, der zu einer Bestätigung ansetzte, und sah auf. Die Wiedergabe auf der Hologalerie ließ kaum etwas erkennen.

»Im Bereich des äußeren Planeten«, wurde die Meldung ergänzt. »Die erfassten Daten werden erst noch umgesetzt, aber ... Diskusschiffe!«

»Ausgeschlossen!«, widersprach Ipthey-Hüriit. »Kein Schiff könnte den momentanen Bedingungen trotzen.«

»Die Bauweise ist unverkennbar. Größenerkennung und Typ-Klassifizierung sind noch nicht möglich ...«

»Eine Rettungsflotte, obwohl wir keinen Notruf gesendet haben?«, unterbrach Ipthey-Hüriit erstaunt.

»Die Datenumsetzung wird überspielt!«, meldete die Ortung anstelle einer Antwort.

Verzerrte Schemen, mehr zeigte die optische Darstellung nicht. Drei schwer zu identifizierende düstere Flecken inmitten des Hyperorkans. Während Ipthey-Hüriit versuchte, den ausgefransten Konturen eine bekannte Form zuzuordnen, erschien in der Projektion ein vierter Schatten. Sekunden darauf verdichtete sich der fünfte.

»Das ist Unsinn!«, sagte der Admiral. »Ein Schiff allein wäre schon nahezu eine Unmöglichkeit. Aber fünf?«

»Es sind sechs mittelgroße Diskusschiffe. Die Ortungsdaten werden interpoliert.«

Ungläubig wiegte Ipthey-Hüriit den Kopf. Kein galaktisches Volk baute seine Raumschiffe in Diskusform, von den kleinen Space-Jets der Menschenvölker abgesehen. Der Typ des Diskusschiffs schien den Jülziish vorbehalten zu sein.

Handelte es sich tatsächlich um eine eigene kleine Flotte, die ebenfalls vor dem Toben der Roten Kreatur Zuflucht suchte?

Endlich erschienen von der Hauptpositronik eingeblendete Maßangaben – nichts über Energieversorgung oder Masse, keine Typerkennung, sondern einfach nur die Maßangaben als Zirkawerte. Rund 640 Meter Durchmesser und eine Höhe von 270 bis 280 Metern. Das waren standardisierte Größenverhältnisse.

»Die Schiffe befinden sich allem Anschein nach im Anflug auf den äußeren Planeten! Die Distanz ist zu groß, Aussagen über eine mögliche Landeabsicht können nicht getroffen werden.«

Also doch eine eigene Flotte? In Ipthey-Hüriits Überlegungen schwang ein Unterton der Anerkennung mit. Zugleich ein Hauch von Unzufriedenheit. Diese sechs Schiffe trotzten dem Orkan, und das war etwas, das die APAS trotz modernster Bauart so nicht konnte.

Aus einer Apaso-Werft stammten sie gewiss nicht. Aber welches Jülziish-Volk schickte sich damit an, die technologische Führung zu übernehmen, womöglich die Vorherrschaft? Latoser? Tentra? Ipthey-Hüriit glaubte eigentlich nicht an eine solche Entwicklung. Lediglich den Gatasern traute er Innovation und Geheimhaltung gleichermaßen zu.

»Sollen wir Funkkontakt aufnehmen, Admiral? Wenn die Schiffe ihren Kurs beibehalten, werden sie in Kürze die größtmögliche Annäherung überschreiten.«

Nur für einen Moment zögerte Ipthey-Hüriit.

»Keinen Funkkontakt!«, entschied er.

Ein überraschter Aufschrei hallte aus den Akustikfeldern. »Schweres Geschützfeuer! Sie schießen im Salventakt!«

 

*

 

Zwei Stunden später ...

Ob es gut gewesen war, keinen Funkkontakt aufzunehmen, vermochte der Admiral nach wie vor nicht zu sagen. In dieser Hinsicht war er sich so unschlüssig wie nie zuvor. Andererseits konnte er das jederzeit nachholen – sobald er mehr über die sechs Diskusraumer wusste.

Sie waren ihm nicht geheuer. Für kurze Zeit war er sogar bereit gewesen zu glauben, dass es sich keineswegs um Schiffe eines Jülziish-Volks handelte. Im schlimmsten Fall hatten Fremde diese Schiffe gekapert und für ihre Bedürfnisse umgerüstet.

Ein Unding?

Was in der Galaxis war eigentlich normal? Über Jahrhunderte hinweg gewachsene Strukturen veränderten sich manchmal innerhalb weniger Tage. Wie sich an Terra gezeigt hatte, sogar binnen Stundenfrist.

Die Galaxis befand sich im Umbruch. Ob das gut war oder schlecht, wollte Ipthey-Hüriit nicht einschätzen, dafür fehlten ihm die Informationen. Begonnen hatte alles mit dem Verschwinden des Solsystems und der BASIS. Das war der sichtbare Effekt. Die Voraussetzungen dafür mussten indes schon sehr viel eher geschaffen worden sein.

Wenn Ipthey-Hüriit sich vorstellte, dass seine Heimatwelt Apas einfach verschwand und nicht nur der Planet, sondern die rote Riesensonne Pahl mit allen elf Welten, überlief ihn ein Schauder. Apas war das Zentrum von mehr als tausendachthundert Sonnensystemen. Niemand sollte ihm erzählen, dass in einem solchen Fall kein Machtvakuum entstünde. Das musste die zwangsläufige Folge sein. Selbst in der Zeit der Zusammenarbeit aller im Galaktikum würden einige Brudervölker nicht davor zurückschrecken, sich ihren Anteil zu sichern.

Und da sollte das Fehlen des Solsystems keine tiefen Spuren in das Machtgefüge der Liga Freier Terraner gerissen haben? Eine Schutzbehauptung. Die Diplomatie täuschte Ruhe und Gelassenheit vor, doch hinter den Kulissen brodelte es wahrscheinlich längst.

Er erschrak über sich selbst. Ließ er sich plötzlich von Gefühlen leiten?

Die sechs unidentifizierten Raumschiffe waren die Ursache dafür. Inzwischen stand fest – trotz der Störungen durch den tobenden Orkan –, dass sie mit ihren Geschützsalven mindestens zwanzig Asteroiden vernichtet hatten. Ihre Flugmanöver dabei hatten Ipthey-Hüriit ein verständnisloses Kopfschütteln entlockt. Inzwischen wusste er, dass ihn sein Gespür nicht trog, die Auswertung zeigte, dass jedes dieser Schiffe mit 200 Kilometern pro Sekundenquadrat beschleunigt hatte – selbst die APAS erzielte maximal drei Viertel dieses Wertes. Dazu die beinahe unglaubliche Kernschussweite. Die Asteroiden waren über eine Entfernung von grob gemessen vier Millionen Kilometern hinweg pulverisiert worden. Vergleichsweise lächerlich nahm sich dagegen die APAS mit nur zwei Millionen Kilometern Feuerdistanz aus.

»Admiral!« Die Stimme des Ortungsoffiziers riss Ipthey-Hüriit aus seinen Überlegungen. »Das ist verrückt ... absolut unmöglich.«

Die neuesten Ortungsdaten wuchsen zu erschreckenden Bildsequenzen zusammen. Standbilder waren es aufgrund der größeren Distanz, und sie veränderten sich sprunghaft.

»Die Umsetzung ist korrekt«, versicherte der Offizier, als wisse er, welche Zweifel Ipthey-Hüriit sofort erwog.

Die Bilder waren nicht eingefärbt, dafür war die Qualität zu schlecht. Unübersehbar trotzdem der erratisch springende Tryortan-Schlund, der sich urplötzlich am Rand des Systems gebildet hatte.