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EXTRA

 

 

Das Andromeda-Monument

 

Ein längst gescheitertes Projekt in Andromeda – und der Sprung durch die Zeiten, der die Gegenwart bedroht

 

von Wim Vandemaan

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Jetztzeit: August 1345

Tiefe Vergangenheit:

Tiefe Vergangenheit:

Jetztzeit: August 1345

Tiefe Vergangenheit:

Irgendwann

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Es ist eine Zeit der Finsternis für die Galaxis: Im Auftrag der Chaosmächte besetzt die Terminale Kolonne TRAITOR alle Schlüsselsysteme der Milchstraße. Perry Rhodan aber gelingt es, das Solsystem zu einer Festung zu machen, an der sogar hunderttausend feindliche Raumschiffe versagen. Der TERRANOVA-Schirm umgibt das ganze Sonnensystem wie eine schützende Kugel.

Zusätzlich gestärkt wird der Schirm durch die mentalen Kräfte des Nukleus, einer der Menschheit wohlgesinnten Geistesmacht. Diese wiederum erhält Unterstützung durch die Menschheit selbst: An sogenannten Tankstellen spenden sie freiwillig Mentalenergie.

Das Verfahren ist allerdings nicht ganz ungefährlich, sondern öffnet das Tor zu einer anderen Welt – einer Welt für DAS ANDROMEDA-MONUMENT ...

Jetztzeit: August 1345

Der Feuerbrunnen an der Thora Road

 

Der Feuerbrunnen an der Thora Road loderte in den Abend. Roya setzte sich auf die Tribüne und schaute den Flammen zu. Ein Roboter, möglicherweise auch ein Posbi, kurvte auf seinem Luftkissen herum und schob ein Antigravwägelchen vor sich her, über dem ein mattgelber Lampion pendelte. Der Roboter trug ein Käppchen in den Nationalfarben des terranischen Bundesstaates Italien auf dem Kopfteil und sang eine schmachtende Melodie. Dann plauderte er mit ein paar anderen Schaulustigen am Brunnen, verkaufte hier und da etwas und schwebte endlich vor Roya.

Der Roboter bot ihr mit einem altertümelnden Akzent Speiseeis an. Signora. Signorita. Roya fuhr sich über die Stirn und wischte den Schweiß mit dem Handrücken fort, dann leckte sie kurz über die salzige Haut. Die Wetterkontrolle von Terrania City hatte den August auf heiß gestellt, heiß und schwül.

Als wäre dieses Jahr 1345 NGZ nicht hitzig genug.

Die Entscheidungen der Wetterbehörde waren ihr nach wie vor rätselhaft. Die Trivid-Meteorologen erklärten zwar wortreich, warum dieses oder jenes Wetter verfügt wurde, aber diese Erklärungen wirkten auf Roya immer wie die Verlautbarungen einer esoterisch-technoiden Religion. Warum ließ man nicht einfach die Erde das Wetter regulieren? Viel schlimmer als die Behörde würde sie es kaum machen.

Schließlich hatte sie immer noch ein paar Jahrmillionen Jahre länger Übung im Wettermachen als die diplomierten Klimamechaniker.

Oder die Wetterbehörde war mit den robotischen Eisverkäufern im Bund, mit den Fruchtjongleuren und ihren ambulanten Miniaturgärten und mit den Getränkehändlern der Stadt. Alle machten guten Umsatz, auch jetzt, spät am Abend noch.

Ein Prallschirm lag um den Feuerbrunnen. Die durchsichtige Blase hielt die zusätzliche Hitze von den Betrachtern fern. Es war auch so heiß genug. Roya fühlte sich matt.

»Signora?«

»Vanille, zwei Kugeln, bitte«, bestellte sie, mehr, um den Verkäufer loszuwerden als aus Appetit.

»Warum nur Vanille?«, fragte der Roboter. Er hatte seine Stimme so moduliert, dass sie zugleich enttäuscht und verheißungsvoll klang. »Ich habe Eis in einhundertvierundachtzig Geschmacksrichtungen, davon allein Sechsundsechzig terranische.« Er begann mit einer Aufzählung und ließ dazu das Aroma der genannten Früchte aus einer kleinen Drüse strömen.

»Hast du Eis mit Fisch- und Lakritzgeschmack?«, unterbrach sie ihn.

»Nein. Ist mir bislang entgangen. Nach meinen Informationen gehört die Geschmacksrichtung ›Fisch mit Lakritz‹ nicht zu den Arrangements, die von Humanoiden bevorzugt werden.«

»Deine Informationen sind veraltet«, klärte sie ihn auf.

»Peinlich«, gestand der Eisverkäufer ein. »Wenn du dich ein paar Minuten geduldest, synthetisiere ich dir deinen Wunsch.«

»Lass gut sein. Vanille tut es auch«, tröstete sie ihn.

Der Roboter überreichte ihr eine gefüllte Waffel. Roya tippte mit dem kleinen Finger der linken Hand, in dem ihr Kreditmelder saß, in das Kreditschema, das ihr vom Maschinenwesen projiziert wurde, und begann, am Vanilleeis zu lecken. Der Roboter bedankte sich höflich, zog weiter und sang etwas, das wie »Furniculi, Furnicula« klang, fremdländisch, uralt, mediterran.

Seit dem Hyperimpedanz-Schock hatte es einige Schübe von Retrodesign in der Modewelt gegeben. Whistler hatte klobige Roboter auf den Markt gebracht, die sich auf Rollen bewegten und Qualm ausstießen, als würden sie mit Dampfkraft betrieben. Stojj, die verhutzelte Pressesprecherin der Roboterfirma, hatte mit ernstem Blick in die Trivid-Kameras verkündet: »Die Kosmokraten können die Naturgesetze so weit zusammenstauchen, wie sie wollen. Was aus dem Hause Whistler stammt, bleibt jederzeit funktional!«

Ein herber Schlag für die Kosmokraten, fand Roya, zumindest für alle diejenigen unter ihnen, die terranisches Werbetrivid schauten.

Sie dachte eine Weile über die Kosmokraten und die damit zusammenhängenden Gegenstände nach. Waren eigentlich die Hohen Mächte ebenfalls von der Erhöhung der Hyperimpedanz betroffen? Wenn ja: Wieso schwächten sie sich selbst? Aber wenn nein: Schwächten die Kosmokraten dann nicht dieses Universum im Kampf gegen die Chaosmächte?

Mit Sicherheit war es falsch, den Hohen Mächten menschliche Motivationen und Denkweisen zu unterstellen. Wahrscheinlich hätte eine Katze oder eine Schnecke auch Probleme, die Spielzüge von zwei Schachspielern zu beurteilen oder die Figuren, die Hüdö-Spieler in einem Fünferturnier gegeneinander tanzten.

Darienne Roya sah dem Flammenspiel zu. Hinter dem Brunnen erhoben sich einige Wohngebirge der Stadt, die Silhouetten dunkel, zehntausende Fenster erleuchtet. Terrania brauchte eigentlich keinen Sternenhimmel, die Stadt war ihr eigenes Firmament.

Terrania hatte ja auch keinen echten Sternenhimmel mehr. Bis auf die solaren Planeten waren alle Sterne jenseits des TERRANOVA-Schirms verschwunden, und alles, was geliefert wurde, war ein künstlicher Ersatz. Kalt. Und einsam.

Royas Blick glitt weiter, wie verzaubert über das Lichtermeer der niemals schlafenden Megalopolis Terrania. Manche Fassaden waren von hunderte Meter hohen, animierten Reklamen gefüllt. Auf einer Wand wurde im Stil einer Peking-Oper für ein China-Restaurant am Saturn Way geworben. Roya sah dem Spiel eine Weile zu. Hatte sie Hunger?

Ja und nein.

Der Tag an der Universität war nicht allzu anstrengend gewesen; sie war danach noch zum Training gegangen.

Also eher nein als ja.

Das Eis sättigte sie bereits. Sie blickte dem Strom der Gleiter nach, die in mehreren Etagen über dem Boden der Thora Road dahinglitten, umso schneller, je höher sie flogen. Die Thora Road war eine der Hauptverkehrsadern der Stadt, die große Ost-West-Tangente im Süden der Metropole. Sie erstreckte sich über 145 Kilometer vom Handels- und Zivilhafen Atlan Port im Osten bis zum Ringwall des Terrania Space Ports im Westen, der den Raumhafen von der Stadt abschirmte. Manchmal, wenn dieser Teil der Thora Road schon im Schatten der Nacht lag, spiegelte der obere Teil der CREST Sol noch wider – oder besser der Nachbau der CREST IV, der wie sein legendäres Vorbild zweieinhalb Kilometer durchmaß und den Hafenwall hoch überragte.

Doch von allen Lichtern, Laternen und grellbunten Werbeholos, die durch die Straßen vagabundierten, besaß keines eine so magische Anziehungskraft wie der Feuerbrunnen.

Roya glaubte nicht, dass Sibylsko und Kriecvert, die Brunnenbauer, ihr Werk mit einer schwach hypnosuggestiv wirksamen Aura umgeben hatten, wie es manche andere Künstler taten. Das war nicht nötig. Das Feuer selbst zog die Menschen an, und nicht nur sie. Die Flammen bewegten sich langsam wie schläfrige Raubtiere. Die Gespräche um den Brunnen waren längst verstummt. Roya sah einen Haufen Unither, die mit verknäulten Rüsseln dahockten und monoton brummten; einige Menschenpärchen saßen Arm in Arm und beschnupperten sich im Schein des Brunnens; eines der Pärchen hatte die Schnupperphase abgeschlossen und ging zu weiterführenden Tätigkeiten über.

Roya überlegte, ob es sich bei den brummenden Unithern um Bürger von Terrania handelte oder um Touristen, die von der Invasion TRAITORS überrascht worden waren und nun auf Terra festsaßen, unfreiwillige Exilanten in einer ihnen fremden Welt.

Sibylsko und Kriecvert hatten auf etlichen Planeten im Einflussbereich der Liga Freier Terraner ihre Feuerbrunnen errichtet, aber der Brunnen von Terrania galt als ihr reifstes Werk. Er war kleiner als der Brunnen auf Ferrol; seine Flammen waren nicht künstlich koloriert wie auf Plophos, und er war – anders als die berühmte Flammenkarawane auf Nosmo – nicht mobil, sondern stationär.

Es war ein geradezu bescheidener Feuerbrunnen, schnörkellos. Der Brunnen war seit etlichen Wochen Royas Lieblingsort in Terrania, war es schon gewesen vor ihrer Aufnahme in die Legion der Globisten.

Eine Familie mit vier oder fünf Kindern tauchte auf, zwei Frauen, ein Mann. Die Kinder steckten in Blumenkleidern und dufteten nach Rosen. Die beiden Frauen trugen Glastücher vor dem Gesicht. Allen hing ein Familienamulett um den Hals, das im gleichen Takt blinkte und ihre Zusammengehörigkeit zeigte. Die Flammen des Brunnens spiegelten sich in den Glastüchern, die nur von innen durchsichtig waren. Die Kinder versuchten unter Gekreisch, den Vater zu fangen. Er wich ihren Händen aus, drehte und wendete sich wie ein Hüdö-Tänzer. Oder wie ein Torero. Toreros ... ihre Studenten hatten Roya ausgelacht, als sie ihnen erzählte, dass vor Urzeiten auf Terra Wirbeltiere im Rahmen einer sportliche Veranstaltung ermordet worden waren.

»Nichts als die Wahrheit. Wer es nicht glaubt, schaut im HistNet nach.«

»Damals«, hatte Feremyn bemerkt, »hätten sich die Terraner auf der Stelle den Chaosmächten angeschlossen.«

»Kluger Schachzug.« Gelächter in der Runde.

Roya kaute selbstversunken den letzten Rest der Waffel. Sie schmeckte leicht nach Zimt.

Es war kurz vor 22 Uhr Ortszeit. Sie überlegte, ob sie noch eine Lern-Einladung an ihre Studenten ausschicken sollte; in manchen Nächten waren die Diskussionen sehr ergiebig.

Vielleicht sollte sie noch mal zum Training. Oder auf den Friedhof gehen. Sie mochte die Stimmung dort, den Engel mit der Posaune am Ost-Eingang; die Stille unter dem Schallmantel; die wispernden Gräber.

Ihr Vater hatte allerdings ein stummes Grab gewählt. Manchmal bedauerte sie es; sie sehnte sich sehr nach seiner Stimme. Nicht einmal ein Hologramm war dort eingerichtet; sein Grab bestand aus schlichter, ebener Erde. Gras.

Wenn sie mit ihm sprach, war es nur ein Monolog.

Als die Liga-Regierung den Schirm am 3. März 1312 NGZ zum ersten Mal aktiviert hatte, war Roya noch nicht geboren, aber ihre Mutter ging schon mit ihr schwanger, wenn auch von einem anderen Mann als dem, den Darienne Roya später und bis heute – an seinem Grab – ihren Vater nannte.

Sie war geboren worden und aufgewachsen unter dem Kristallschirm. Sie hatte laufen und sprechen gelernt, unter seinem Licht war sie beschult worden und hatte zum ersten Mal mit einem jungen Mann geschlafen. Ferdinand. Auf der Wanderveranda am Haus ihres Vaters.

Kristallkind.

Die Kindheit war eine leuchtende Erinnerung. Sie hatte das Gefühl, als Globistin dem Kristallschirm etwas zurückzugeben, Schulden zu begleichen.

Wie auf ein Stichwort baute sich wenige Meter über Straßenniveau ein Holo-Kubus auf, und Homer G. Adams erschien darin, zugleich überlebensgroß und unscheinbar, denn er stand, wie es seine Art war, ein wenig gekrümmt, als fiele es ihm schwer, den großen Schädel aufrecht zu halten, ein alter Mann.

Tatsächlich war Adams der älteste lebende Terraner, etwas über 3000 Jahre alt, und Roya wusste, dass selbst unter ihren Studenten einige der Meinung waren, Homer wäre mit dem Verfasser der Odyssee identisch oder das einzige Führungsmitglied der LFT, dessen Vorfahren, Adam, namentlich in den Schriften des Alten Testamentes erwähnt waren.

Roya lächelte. Terranische Geschichte verkam immer mehr zu einer Geheimwissenschaft. Die jetzigen Bewohner der Erde waren Nachkommen von Neueinwanderern, ihnen fehlte der Bezug zur Ära vor der Gründung der Liga.

Nur die Handvoll Aborigines ragte aus der terranischen Urzeit hervor, wie Adams und Rhodan, Bull, Tifflor. Roya lächelte, als sie daran dachte, dass ihre Studenten kaum um die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Aborigine wussten, das sie mit einigem Spott auf die – O-Ton des Trivid-Talkers Schakoll auf Sendekanal Monggon 14 – »zellaktivierte Elite« der Menschheit anwandten: eine kulturell statische Gemeinde auf dem Kontinent Australien.

Aborigines – Ureinwohner. Die, die von Anfang an da gewesen sind.

Homers Rede war wie immer sachlich, präzis, beinahe mathematisch. »Wer den Schirm stärkt, stärkt die Gemeinschaft. Wer die Gemeinschaft stärkt, stärkt sich selbst.« Das klang wie eine Formel. War es wohl auch. »Wer den Schirm stärkt, schützt alle. Wer alle schützt, schützt sich selbst.«

Egoismus als Treibstoff für den Gemeinsinn. Adams war ein Mann, der keine Illusionen mehr nötig hatte.

Es überraschte Roya nicht, dass sich ihr Kom in genau diesem Moment meldete und das Zeichen gab. Sie wurde zum Einsatz gerufen.

Also würde sie nicht mehr zum Training gehen.

Sie schluckte den letzten Rest der Waffel, warf noch einen Blick auf den Feuerbrunnen und machte sich dann auf den Weg zu ihrer Heimstatt, ihrem Einsatzort. Zum Stadion der Sterne.

Tiefe Vergangenheit:

Die Malerin und ihr Modell

Erste Sitzung

 

Faktor I hatte ihn beauftragt, das kleine Sternenreich der Viuthom auszulöschen – die Gleichung in diesem Sternensektor ein wenig einzukürzen, hatte er es Molat gegenüber genannt.

Molat hatte den Auftrag mit einer kurzen Verbeugung entgegengenommen. Wer oder was die Viuthom waren, hatte er in einer Datenbank recherchieren müssen.

Ein junges, unbedeutendes Volk an der Peripherie Karahols, der »Zweiten Insel«, wie die Tefroder ihre Heimat nannten, während ältere, in den beinahe unendlichen Sternenweiten entstandene Völker sie als Hathorjan kannten.

Die Viuthom hatten vor wenigen Jahrhunderten erst den Transitionsantrieb entdeckt und bislang nicht mehr als ein Dutzend Planeten in der stellaren Nachbarschaft kolonisiert.

Die Datenbank lieferte keinerlei Hinwiese darauf, womit sich die Viuthom den Zorn von Faktor I zugezogen hatte.

Molat tippte auf ihre bloße Existenz. Dasein als Verbrechen; die Strafe: Tod.

Faktor I wurde ohne Zweifel wahnsinnig. Die Zweite Insel hätte eine bessere Führung verdient, eine Führung, die es verstand, aus der Komplexität der überlichtschnell verkehrenden Zivilisationen Gewinn zu schlagen, eine Führung, die nicht auf restlose Kontrolle und Verödung setzte.

Irgendwann würden die Völker der Insel nach einer solchen Führung rufen.

Molat würde sie erhören.

Bis dahin war ein Putsch gegen Faktor I aussichtslos. Molat gehorchte. Sein Gehorsam war die beste aller Tarnungen.

Dass Molat persönlich an dem Feldzug gegen die Viuthom teilnahm, an ihrer Exekution, hatte einen triftigen Grund, von dem Faktor I allerdings nichts ahnte. Nach geheimdienstlichen Informationen lebte auf Bufftum, der Heimatwelt der Viuthom, einer der letzten Dye Karahols. Vielleicht sogar der letzte.

Die Tefroderflotten stießen unmittelbar ins Herz des Viuthom-Sternenreiches vor; Molat hatte den amtlichen Namen des Staates längst vergessen. Seine Verbände zerstörten die wenigen Raumforts und sprengten die Schiffe der Viuthom aus dem Raum; sie hätten Bufftum vom Raum aus zu Asche brennen können; aber Molat befahl, Bodengruppen ausschleusen.

»Bodentruppen?«, fragte Admiralin Spenentia Drugk.

Molat lachte leise. »Verspüren Sie das Bedürfnis, mit mir über Militärstrategie zu diskutieren, Admiralin?«

»Nein, Maghan.«

»Schade. Man wird nicht dümmer, wenn man miteinander spricht.«

Drugk neigte ihren Kopf mit den glutroten Haaren.

»Vielleicht besprechen wir strategische Fragen nach dem Einsatz in meiner Kabine. Ich bin sicher, wir werden auf vielen Ebenen voneinander profitieren.«

Drugk neigte ihren Kopf erneut, eine plötzliche Röte auf den Wangen.

Eine Schlampe, die erst jetzt die Konsequenzen ihrer Nachfrage erfasst.

Die Bodentruppen kämpften sich zur Burg Cudsch vor, der tausendäugigen. Die Viuthom leisteten einen ebenso heroischen wie unergiebigen Widerstand. Nichts langweilte Molat mehr als Helden.

Die Tefroder griffen die Burg nicht mit großkalibrigen Strahlengeschützen aus dem Orbit an. Sie quälten sie vom Boden aus mit Nadelstichen zu Tode. Molat sah jedes einzelne ihrer kybernetisch-positronischen Augen brechen. Er hörte den letzten, telepathischen Schrei, mit dem die Pseudo-Seele des Bauwerks starb – Tempel und Regierungspalast, Wallfahrtsort und Bibliothek in einem, das Herzstück der Viuthom-Kultur.

Trinar Molat betrat die Ruine – die Leiche der Burg – als Erster, gesichert von tief gestaffelten Schutzschirmen, umringt von einem Kordon Kampfroboter.

Sie fanden den Dye – oder die Dye, wie er später begriff – dort, wo der Geheimdienst sie vermutet hatte: in einem fünfdimensionalen Stasisfeld im Archivbereich der Burg. Molat war erstaunt über die ausgereifte Ingenieurskunst dieser Gefängnis-Apparatur. Im Vergleich zu den primitiven Überlichttriebwerken der Viuthom war das Fesselfeld schiere High-Tech. Das konnte keine Viathom-Technologie sein. Das war etwas anderes, Fremdes ...

Ein Team der nachgerückten tefrodischen Wissenschaftler desaktivierte das Feld. Das Wesen darin sank brummend zu Boden.

Es bestand aus einem Gewirr von Gliedmaßen, in dessen Mitte ein kissenförmiger Leib federte. Molat wusste kaum etwas über die Dye. Sein Schutzschirm blieb aktiviert; die tefrodischen Roboter hatten sicherheitshalber auf das Wesen angelegt.

»Wer sind Sie?«, fragte das Wesen sehr leise. Es klang wie das Rascheln von trockenem Laub.

»Mein Name ist Molat. Ich könnte dich töten.«

»Dann töten Sie mich.«

»Ich könnte dich leben lassen.«

»Dann lassen Sie mich leben.«

Molat lachte leise. »Ich habe gehört, dass Wesen deiner Art über eine Gabe verfügen, die mein Interesse weckt. Ihr könnt Bilder malen, die die Zukunft zeigen. Ist das ein Gerücht oder entspricht das den Tatsachen?«

»Es entspricht ihnen.« Das Wesen richtete sich knisternd auf. Seine Gliedmaßen waren dürr und grau; es roch nach trockenem Holz. Der Körper – oder Kopf – wies keinerlei Sinnesorgane auf. Die Stimme erklang aus einem gitterförmigen Organ an der Unterseite des Körperkissens.

»Willst du für mich arbeiten, Dye?«

»Mein Selbstzeichen ist Pri, Tochter und Mutter«, erwiderte das Wesen. »Ich male.«

»Du wirst mich malen«, stellte Molat sicherheitshalber klar.

»Ich werde dich malen, wie du sein wirst«, bestätigte Pri.

»Du wirst mich Maghan nennen!«, befahl er ihr.

Sie streckte eines ihrer Gliedmaßen aus; es sah aus wie ein knochendürrer, überlanger Arm; an seinem Ende bewegten sich zehn oder mehr Finger, dünn und blütenweiß, alle wiesen auf ihn. »Hast du die Burg Cudsch getötet?«

Molat nickte.

Pri reagierte nicht.

Sie ist blind, erkannte er. »Ja, das habe ich«, sagte er laut.

»Maghan«, sagte sie, knickte ihre Gliedmaßen ein und senkte das Körperkissen fast bis zum Boden, »ich werde Euch malen, wie Ihr sein werdet.«

Die Roboter flogen einen Container in die Trümmer der Burg, richteten ihn nach den Bedürfnissen der Malerin ein und brachten ihn in Molats Flaggschiff.

Die Flotte sprengte den Planeten Bufftum, da hatte sich Molat schon zwischen die Schenkel der Admiralin gelegt, genoss ihre Wärme und das Blut ihrer Lippen und zeugte einen Nachkommen mit ihr.

»Trage es aus, Admiralin«, befahl er ihr, »und melde mir die Geburt!«

Noch nackt verneigte sich die Admiralin vor ihm. Dann kleidete sie sich an und verließ den Raum.

Irgendwo im Schiff befand sich Pri, die blinde Malerin. Molat lächelte in Gedanken daran, wie er ihr bald Modell sitzen würde. Er, der Faktor, ihr, der vielleicht letzten Dye der Zweiten Insel. Seinem Eigentum.

 

 

Rhodan, als Virus betrachtet

 

Roya forderte ein Gleitertaxi, wies sich als Globistin aus und schaute aus der Kuppel, als der Pilot den steilen Weg auf die vierte Ebene wählte.

Der Boden der Thora Road blieb unter ihnen zurück. Links und rechts ragten die Gebäudezeilen weiter in den Nachthimmel. Roya blickte auf die Fassaden der Wohntürme, auf die Mosaike aus Licht und Finsternis; auf Holowände, die so taten, als öffnete sich hinter ihnen der Leerraum zwischen den Galaxien; auf die vereiste Seitenfläche eine Hochhauses, deren Schwerkraftvektor so eingestellt war, dass man auf der Fassade Schlittschuh laufen konnte.

Die Thora Road war endlos lang, 145 Kilometer, und damit die zweitlängste Straße Terranias nach der Aldebaran Tangente, der großen Nord-Süd-Achse der Stadt.

Ab und an blitzte eine freischwebende Funkboje auf, die hier oben den Verkehr regelte. Robuste, vorsintflutlich anmutende Geräte, die als Backup einsprangen, wenn das Terrania Traffic Control System Ausfälle in Teilen seines fein gesponnenen Netzes verzeichnete. Des von NATHAN gesponnenen Netzes. Solche Defizite waren in Zeiten der gestiegenen Hyperimpedanz zwar nicht an der Tagesordnung, aber auch nicht ganz selten.

NATHAN, der gute Geist der Erde, musste sich psychisch amputiert vorkommen. Dement.

Roya seufzte. Die Politik der Kosmokraten schlug genauso auf den Alltag durch wie die Steuerpolitik der Liga. Beide, fand Roya, folgten nicht unbedingt dem Prinzip der Menschenfreundlichkeit als ihrem Leitstern.

Der Antigravkorridor über der Thora Road verlief sechzehnspurig und auf vier Ebenen. Das Taxi glitt auf der vierten, der obersten Ebene, 50 Meter über Bodenniveau.