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EXTRA

 

 

Hauch der ESTARTU

 

Neue Hoffnung für die Mom'Serimer – sie glauben an eine Rückkehr in die NACHT

 

von Bernhard Kempen

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

Epilog

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nach vier langen Jahren ist die Gefahr für die Terraner und ihre Verbündeten endlich beseitigt. Die Terminale Kolonne TRAITOR ist abgezogen, die Welten der Milchstraße sind wieder frei. Für die Menschen beginnt Ende des Jahres 1347 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, was dem Jahr 4934 alter Zeitrechnung entspricht, eine Epoche des Aufräumens, des Wiederaufbaus, des Schließens alter Wunden.

Und es beginnt eine Zeit der Abschiede und der Umwälzungen. Viele der Verbündeten suchen nun, nach dem Ende der kosmischen Geschehnisse, neue Ziele und neue Aufgaben.

Zu diesen Verbündeten gehören die Mom'Serimer, die einst auf der SOL eine neue Heimat fanden, nachdem ihre alte der Vernichtung anheimfiel. Ein halbes Jahrhundert lang haben sie die Geschichte des legendären terranischen Fernraumschiffes mitgeprägt, um das sich so viele Legenden ranken wie um kein anderes terranisches Schiff.

Nun haben viele von ihnen die SOL verlassen und sich auf dem Planeten Neu-NACHT niedergelassen. Dort suchen sie nach einer neuen kosmischen Aufgabe – und sie spüren den HAUCH DER ESTARTU ...

Prolog

Als der Puls noch schlug

Vor 7 Millionen Jahren

 

Der Planet brannte.

Energiestrahlen zogen Schneisen der Verwüstung durch die Städte. Kernbrandbomben rissen glühende Wunden in die Landschaft. Lava ergoss sich über die Ebenen. Rauch und Asche trübten die Atmosphäre.

Die Überlebenden flohen in panischer Angst, doch sie fielen ebenfalls dem gnadenlosen Angriff des Feindes zum Opfer. Nur wenigen gelang es, sich mit Raumschiffen vor dem Inferno in Sicherheit zu bringen. Doch sobald sie den Weltraum erreicht hatten, vergingen auch sie im Feuer der feindlichen Flotte.

Als sich die todbringenden Angreifer zurückzogen, war der Planet nur noch ein schwelender Schlackeklumpen. Seine Bevölkerung war nahezu vollständig ausgelöscht worden.

Eines der Raumschiffe, die von der Oberfläche geflohen waren, trieb durch den luftleeren Raum. Der Rumpf war durch eine Explosion aufgerissen, und ein Schwarm aus winzigen Gestalten begleitete das Wrack. Die Körper waren in der Kälte des Weltraums schockgefroren. Sie wiesen schwere Verwundungen und Verbrennungen auf.

Doch nicht alle waren tot.

Noch nicht ganz.

Der verbrannte Planet rotierte ein paar Mal um seine Achse, während das Raumschiff weiter davontrieb.

Irgendwann leuchtete in der Nähe ein heller Punkt auf, und mitten im Nichts dehnte er sich zu einer gleißenden Spirale aus. Das Gebilde verharrte eine Weile, als wollte es sich einen Überblick verschaffen. Kurz darauf setzte es sich in Bewegung und näherte sich dem Schwarm, der das Raumschiffswrack begleitete.

Zunächst kaum merklich, änderten sich die Flugbahnen einiger der gefrorenen Gestalten. Einer nach dem anderen stürzten die fast toten Körper in die rotierende Spirale aus Licht. Sie verschwanden einfach darin, als hätte ein Schwarzes Loch sie geschluckt.

Nachdem das leuchtende Gebilde auch den letzten Überlebenden der Katastrophe in sich aufgenommen hatte, zog es sich wieder zu einem Punkt zusammen, der schließlich erlosch.

 

*

 

»Ich biete euch das ewige Leben!«, verkündete eine körperlose Stimme.

Jon'ho Sarenti kam schlagartig zu Bewusstsein. Eben noch hatte er zusammen mit den anderen Flüchtlingen in dem kleinen Raumschiff um sein Leben gebangt. Dann eine schwere Erschütterung, grelles Licht und unerträgliche Hitze, gefolgt von der kurzen Empfindung eisiger Kälte. Schließlich gar nichts mehr.

Und nun war er von einem Sternenmeer umgeben. Zahllose Lichtpunkte zogen an ihm vorbei. Er blickte sich um und sah überall das gleiche Bild. Ein Gefühl sagte ihm, dass er selbst nur noch ein Lichtpunkt war.

»Als Gegenleistung erwarte ich, dass ihr in meine Dienste tretet«, fuhr der unsichtbare Sprecher fort.

Jon'ho suchte nach dem Ursprung der Stimme und ordnete sie einer der helleren Sternenballungen zu. Gleichzeitig erkannte er ein Muster in den Bewegungen. All die Lichtpunkte schienen in einer flachen Spirale um dieses leuchtende Zentrum zu kreisen. Wie eine Galaxis im Zeitraffer ...

»Was ist geschehen?«, fragte eine andere Stimme. Jon'ho richtete den Blick auf einen Lichtpunkt, den er intuitiv als ihren Ausgangspunkt erkannte. Er war sich nicht sicher, aber die Stimme klang wie die des Piloten, der das Fluchtraumschiff von der Planetenoberfläche gestartet hatte.

»Ihr seid tot«, antwortete der Unbekannte. »So gut wie tot. Deshalb unterbreite ich euch dieses Angebot.«

»Wie kann ich tot sein, wenn ich immer noch in der Lage bin, zu denken und zu sprechen?«, fragte der Pilot.

»Ich habe nur eure Bewusstseine geweckt und in dieses Kontinuum außerhalb von Zeit und Raum geholt. Ihr seid eine äußerst widerstandsfähige Lebensform. Nach dem Angriff auf euer Raumschiff seid ihr nicht ganz gestorben, sondern nur in Kältestarre verfallen. Würde man eure Körper bergen und auftauen, hättet ihr keine Überlebenschance. Ihr würdet kurz darauf euren schweren Verletzungen erliegen. Ich biete euch eine andere Möglichkeit – nicht nur ein neues Leben, sondern die Unsterblichkeit.«

»Warum tust du es nicht einfach?«, fragte eine andere Stimme, wahrscheinlich einer der Flüchtlinge, die Jon'ho nicht persönlich kannte. »Warum stellst du uns vor die Wahl?«

»Weil die Unsterblichkeit ein Fluch sein kann«, antwortete der Unbekannte. »Weil ihr vielleicht eines Tages, irgendwann in sehr ferner Zukunft, mich verfluchen werdet. Denn es ist die absolute Unsterblichkeit, die ich euch verleihen würde.«

»Alles, was lebt, kann auch getötet werden«, wandte der Pilot ein.

»Aber nicht, wenn es bereits tot ist. Eure Körper werden sterben, doch euer Geist wird in ihnen weiterleben. Selbst wenn ihr in einer Sonne verglüht, wäre euer Bewusstsein auf ewig an die Asche gefesselt. Nur ein Unsterblicher wie ich könnte euch erlösen und euch den endgültigen Tod bringen.«

»Wie sieht die Gegenleistung aus, von der du gesprochen hast?«, dachte Jon'ho konzentriert.

Als nichts geschah, vermutete er zunächst, dass sein Gedanke ungehört verhallt war. Doch dann wurde ihm klar, dass sich die körperlose Wesenheit nur etwas Zeit ließ, bevor sie antwortete.

»Ihr sollt mir helfen, weitere Opfer des Krieges zu verhindern, in dem eure Heimatwelt vernichtet wurde. Ich brauche euch als Wächter, die ihre Aufgabe mit großer Geduld und voraussichtlich über einen sehr langen Zeitraum erfüllen.«

»Weil wir nichts mehr zu verlieren haben, würdest du uns wieder zum Leben erwecken, wenn wir dir dienen«, stellte der Pilot fest.

»Zum ewigen Leben«, bekräftigte der Unbekannte.

»Ich hätte nie gedacht, dass es mir einmal so schwerfallen würde, mich zwischen Leben und Tod zu entscheiden«, sagte ein anderer von Jon'hos Artgenossen.

»Deshalb gebe ich euch so viel Zeit in diesem zeitlosen Augenblick.«

»Ich will leben!«, meldete sich die Stimme des Piloten.

Jon'ho dachte nach. Letztlich lief alles auf die Entscheidung zwischen einer ungewissen Zukunft und gar keiner Zukunft hinaus. Im Grunde war es kaum anders als das Leben, das er bisher geführt hatte.

Er brauchte nicht lange zu überlegen. Schließlich fiel auch er in den Chor der anderen Stimmen ein, die den Satz des Piloten wie ein Echo wiederholten.

»Ich will leben!«

1.

Nach dem Sturm

15. März 1348 NGZ

 

Der Regenbogen leuchtete wieder.

Fast drei Jahre lang hatten die Bewohner von Terrania auf dieses Symbol der Hoffnung verzichten müssen. Nun erstrahlte die Holoprojektion über der Waringer-Akademie in neuem Glanz.

Perry Rhodan ließ noch einmal den Blick über den Rainbow-Dome schweifen, die kreisförmige Anlage, deren Gebäudeteile wie eine Tropfenkrone angeordnet waren. Er drehte sich um, als er hinter sich ein leises Summen hörte.

»Hallo, Malcolm«, sagte er zu dem sargähnlichen Gebilde, das durch die Tür auf die Terrasse hinausschwebte. »Hast du auch das Bedürfnis verspürt, ein wenig frische Luft zu schnappen?«

Rhodan wusste, dass der Wissenschaftler ihm die saloppe Begrüßung nicht übel nehmen würde.

»Du weißt, dass mir Veranstaltungen mit Smalltalk und Entertainment zuwider sind«, gab Malcolm Scott Daellian zurück.

Sie hatten gemeinsam am Festakt anlässlich der offiziellen Wiedereröffnung der bedeutendsten technischen Hochschule von Terra teilgenommen. Rhodan hatte als Resident der Liga Freier Terraner eine angemessen salbungsvolle Ansprache gehalten, während sich Daellian mit ein paar kurzen und sachlichen Bemerkungen begnügt hatte.

»Und du solltest wissen, dass die Terraner in der Zeit des Wiederaufbaus Signale wie diese brauchen.« Rhodan nahm einen Schluck vom gatasischen Züyglürii-Cocktail, den er vom anschließenden Empfang mitgenommen hatte.

»Ich bin Wissenschaftler und kein Politiker«, drang die synthetische Stimme aus dem Medotank. Das achteckige Prisma enthielt die Überlebenstechnik für das Gehirn des Mannes, dessen Körper bei einer schweren Reaktorkatastrophe zum größten Teil vernichtet worden war. »Aber du hast recht. Es hat lange genug gedauert, die Waringer-Akademie nach dem Angriff der Mikro-Bestien vollständig zu restaurieren.«

»Die Belagerung durch die Terminale Kolonne ist nicht spurlos an Terra vorbeigegangen. Der TERRANOVA-Schirm hat die Erde drei Jahre lang vor der Vernichtung bewahrt, aber in dieser Zeit wurde nicht nur die Akademie in Mitleidenschaft gezogen.«

Rhodan blickte erneut auf die architektonische Umsetzung eines Regentropfens, der auf eine Wasseroberfläche traf, und kratzte sich gedankenverloren an der linken Schulter. »Hast du schon über meinen Vorschlag nachgedacht?«

Es dauerte eine Weile, bis Daellian antwortete. Dem knapp zwei Meter hohen Kasten war keine Regung anzumerken. Ein unversehrter Mensch hätte vielleicht mit einem tiefen Atemzug oder einer anderen Verlegenheitsgeste reagiert.

»Nach den anstrengenden Vorbereitungen für den Zeitsprung über 20 Millionen Jahre und der Retroversion der Negasphäre brauche ich dringend eine Erholungspause«, sagte er schließlich. »All das liegt erst ein Vierteljahr zurück. Vorher war ich seit 1335 Residenz-Minister für Wissenschaft und Technologie und habe in diesem Amt gleichsam nebenbei die Waringer-Akademie geleitet. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich die Kraft aufbringe, diese Aufgabe wieder in vollem Umfang zu übernehmen. Außerdem hat Baldwin Carapol die Sache ganz gut im Griff.«

»Das genügt mir vorläufig«, sagte Rhodan. »Mehr kann ich nicht von dir verlangen.« Insgeheim war ihm allerdings klar, dass Daellians gedämpft klingendes Lob für seinen Nachfolger eine große Auszeichnung darstellte.

»Danke!«, kam es aus dem Medotank. »Ich musste von der Party flüchten, weil mir der Leiter der mathelogischen Fakultät auf die Nerven gegangen ist. Warum fragt er nicht gleich Carapol? Der ist doch jetzt Minister! Der Mann verlangt, dass sein Budget ...«

»Entschuldige bitte«, unterbrach Rhodan ihn. Die Komeinheit seines schlichten, aber eleganten Anzugs gab ein dringliches Tonsignal von sich. »Dieser Anruf scheint wichtig zu sein. Außerdem bin ich als Resident der falsche Ansprechpartner für dein Problem. Wie du schon sagtest, das ist letztlich Baldwins Sache. Oder wende dich an den Wirtschaftsminister. Homer weiß bestimmt Rat.«

»Schon gut. Ich wollte nur etwas Smalltalk betreiben«, erwiderte Daellian.

Die Komeinheit piepte erneut. »Schlechter Zeitpunkt, Malcolm.« Rhodan hoffte, dass Daellian die Zurückweisung nicht falsch verstand. Seit seinem Unfall litt der Wissenschaftler unter posttraumatischen Belastungsstörungen und geriet immer wieder in schwere psychische Krisen.

So leid es Rhodan tat, aber er konnte sich nicht um alles kümmern.

Er aktivierte die Komeinheit und entfernte sich ein paar Schritte von Daellian. »Hier Rhodan. Was gibt es?«

»Hier Kellind«, antwortete ihm eine weibliche Stimme. »Ich habe hier jemanden, der dich dringend sprechen möchte.«

»Davon gibt es etliche«, gab Rhodan zurück. »Allein hier in der Waringer-Akademie dürften es um die hundert sein.«

»In diesem Fall geht es um gute zweihunderttausend Anfragen. 75.000 plus 125.000, um genau zu sein.«

Rhodan verstand sofort, worauf sie anspielte. Dies war die Zahl der Mom'Serimer, die sich auf Neu-NACHT angesiedelt hatten, und die Zahl jener, die in der Scherbenstadt zurückgeblieben waren.

»Wo bist du?«

»Dort, wo ich hingehöre, an Bord der SOL«, antwortete Fee Kellind. »Wir werden in wenigen Minuten im Solsystem eintreffen.«

»Worum geht es?«

»Um die Projektorstation eines Hyperkokons und einen Wächter, der den Hauch der ESTARTU gespürt hat.«

Rhodan wurde hellhörig. »Ich trinke nur noch meinen Cocktail aus, dann mache ich mich unverzüglich auf den Weg.«

»Gut«, bestätigte Fee Kellind und unterbrach die Verbindung.

»Malcolm.« Der Terranische Resident wandte sich wieder dem Medotank zu, der sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt hatte. »Ich glaube, diese Sache könnte auch für dich interessant sein.«

2.

Wächter in der Sonne

Vor fast 17 Jahren

 

Etwas hatte sich verändert.

Für Jon'ho Sarenti war es zunächst nur ein unbestimmtes Gefühl. Er war soeben aus einem sehr langen, tiefen und traumlosen Kälteschlaf erwacht. Er brauchte eine Weile, um sich zu orientieren.

Er blickte zur Zeitanzeige über der Liegemulde. Die Automatik hatte ihn vor Ablauf des üblichen Wartungsintervalls geweckt. Ein deutlicher Hinweis, dass eine ungewöhnliche Situation eingetreten war.

Er versuchte, sich bewusst auf die Natur der Veränderung zu konzentrieren, die er gespürt hatte. Es fiel ihm schwer, weil es für ihn keine direkten Wahrnehmungen gab. Es fühlte sich anders als in einem lebenden Körper an. Eher so, als wäre man der Lenker eines Fahrzeugs. Irgendwann hatte man die vage Empfindung, dass »etwas« anders war. Erst nach einer Weile nahm man ein ungewohntes Geräusch wahr oder bemerkte ein Instrument, das nicht den üblichen Wert anzeigte.

Jon'ho erteilte seinem toten Körper die Anweisung, sich von der Kälteschlafliege zu erheben. Als er sich auf diese Bewegung konzentrierte, wurde die ungewohnte Empfindung deutlicher – ein Gefühl der Unsicherheit. Als hätte das Fahrzeug die Bodenhaftung verloren. Jon'ho musste unablässig subtile Korrekturbefehle geben, um seinen Körper im Gleichgewicht zu halten. Er tat es automatisch, da er schon eine Ewigkeit in diesem toten Körper existierte und ihn fast so gut wie einen lebenden lenken konnte.

Aber nur fast.

Er spürte Erschütterungen, die durch den Boden der Station liefen. Die normalen Vibrationen der technischen Anlagen konnte auch ein lebender Körper kaum wahrnehmen. Doch dieses Zittern fühlte sich ungewöhnlich stark an. So etwas hatte Jon'ho noch nie erlebt, seit er der Wächter der Station war. Es erinnerte ihn an etwas aus der Zeit, als er noch wirklich gelebt hatte. Eine Explosion, eine Katastrophe, die dazu geführt hatte, dass ...

Jon'ho zwang sich, die Erinnerungen zu verdrängen, und gab sich einen Ruck. Er existierte hier und jetzt, und er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Als Wächter der Projektorstation. Er musste nach dem Rechten sehen, wenn die Automatik ihn weckte.

Er setzte seinen Körper in Bewegung und trat durch den Eingang zum Tiefschlafraum auf den Korridor hinaus. Einmal in Gang gesetzt, lief sein Körper fast wie von selbst weiter, und er musste nur noch kleine Korrekturbefehle geben.

Als er am Fenster vorbeikam, seiner einzigen Verbindung zur Außenwelt, bemerkte er eine weitere Veränderung. Eine halbe Ewigkeit lang hatte dahinter ein grellweiß glühendes Feuer gelodert. Immer wieder hatte er stundenlang auf die wabernden Energien hinausgestarrt, die schemenhafte Strukturen bildeten und sofort wieder zerflossen. Doch nun strahlte die Glut in rötlichen Farbtönen.

Jon'ho drängte alle Fragen nach den Ursachen dieser Veränderungen in den Hintergrund seines Bewusstseins.

Schließlich betrat er die Zentrale. Sofort erkannte er, dass die Systeme verrückt spielten. Auf den Konsolen blinkten Warnsignale, kaum ein Instrument zeigte Normalwerte an.

»Was ist geschehen?«, fragte er in den Raum.

»Notfallsituation«, antwortete ihm die Stimme des Stationscomputers. »Der Betrieb lässt sich nur durch extrem erhöhte Energiezufuhr aufrechterhalten. Gleichzeitig droht die Gefahr des Ausfalls verschiedener Systeme durch die übermäßige Belastung.«

»Wie würde sich eine Abschaltung dieser Systeme auswirken?«

»Option undurchführbar«, entgegnete der Computer. »Der Betrieb muss aufrechterhalten werden.«

Jon'ho warf einen Blick auf verschiedene Anzeigen, die immer höhere kritische Werte erreichten. »Die Station könnte vernichtet werden, wenn die Reaktoren oder die Projektoren durchbrennen.«

»Gefahr durch Überlastung gegeben«, bestätigte der Computer. »Trotzdem muss der Betrieb aufrechterhalten werden.«

Genau das hatte auch der körperlose Auftraggeber vor einer halben Ewigkeit eindringlich betont. Doch was war zu tun, wenn unbekannte Umstände die weitere Erfüllung dieser Aufgabe verhinderten? Jon'ho rang sich zu einer Entscheidung durch.

»Systeme abschalten!«

Eine besonders heftige Erschütterung lief durch die Station.

»Befehl nicht ausführbar«, widersprach der Computer und bekräftigte erneut seine Direktive: »Der Betrieb muss aufrechterhalten werden.«

Jon'hos erster Impuls war, die Bedenken ernst zu nehmen, da er gar nicht in der Lage war, die technischen Funktionen der Station in vollem Umfang zu begreifen. Doch dann wurde ihm bewusst, dass das Steuersystem der Station vor einem logischen Dilemma stand, das es nicht aus eigener Kraft lösen konnte.

Aus diesem Grund gab es einen Wächter an Bord der Station. Der Auftraggeber hatte bewusst auf die Kombination von natürlicher Intelligenz und Kybernetik ohne künstliche Intelligenz gesetzt. Außerdem hatte er den Wächtern ein letztes Mittel in die Hand gegeben, das sie jedoch nur im äußersten Notfall und nach reiflicher Überlegung einsetzen sollten.

Genau dieser Fall war nun eingetreten.

»Überrangbefehl«, sagte Jon'ho. »Systeme herunterfahren, dann Notsprung!«

»Erneute Bestätigung und Autorisierung.« Der Computer hielt sich strikt ans Protokoll.

»Überrangbefehl«, wiederholte Jon'ho und nannte eine Ziffernfolge. »Sämtliche Projektionssysteme abschalten.«

Der Computer befolgte die Anweisung.

3.

NACHT-Gedanken

15. März 1348 NGZ

 

Nur ein einziges Licht brannte in der Nacht.

Perry Rhodan blickte von der Serafin-Kerze auf und hob den Kopf. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die ihn umgebende Dunkelheit zu gewöhnen. Selbst jetzt konnte er die über einhunderttausend Augenpaare der Mom'Serimer nur erahnen, die von ihren Behausungen in der Scherbenstadt auf die einzige Lichtquelle im riesigen Saal blickten.

Sie hatten alle anderen Lichter gelöscht, während sich vier Personen rund um die einsame Kerze versammelten.