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  MICHEL
PETRUCCIANI

LEBEN GEGEN DIE ZEIT

benjamin halay

Mit einem Essay von Roberto Saviano

Aus dem Französischen und neu bearbeitet von Karl Lippegaus

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© Christian Rose

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© Coll. Benjamin Halay

Unveröffentlichte Komposition Michel Petruccianis

essay

KNOCHEN AUS GLAS

von roberto saviano

Sein Großvater stammte aus Neapel, Antoine, der Vater seines Vaters, genannt Tony. Der kleine Junge beobachtete ihn, wenn er musizierte, bewegte sich ganz zum Rhythmus der Musik, und alle glaubten, er spiele nur. Seine Eltern gaben ihm nicht den Namen des Großvaters, aber er hatte dessen Talent geerbt. Und Tony bemerkte es als Erster. Sein Vater war »ein sehr ängstlicher Mensch, zurückhaltend, sehr italienisch. Zu Hause durfte man nicht viel über persönliche Dinge und auch nicht über Geld sprechen«, erinnert sich Michel Petrucciani. Sein Großvater war Gitarrist, sein Vater ebenfalls.

Die Familie Petrucciani musste mit dem Gitarrenspiel und Schneiderarbeiten der Mutter drei Kinder ernähren. Manchmal gab es zum Abendessen nur Milchkaffee, aber sonst fehlte es an nichts. Telefon, Auto, schöne Möbel. Eines Tages gab es sogar einen Fernseher. Keinen kleinen, bei dem man sich die Augen verdirbt, sondern einen riesigen. Michel setzte sich davor und sah den ganzen Tag fern. Das Fernsehen nahm ihn völlig gefangen und veränderte ihn für immer.

Als kaum Vierjähriger sah Michel eines Abends ein Konzert von Duke Ellington, weil sein Vater den Fernseher angelassen hatte. In dem Kind ging eine Veränderung vor, die man als eine Art Verzauberung beschreiben könnte. Er wollte unbedingt ein Klavier. Der Vater konnte ihm keines kaufen, obwohl die Familie sehr um Michel besorgt war. Denn er war mit einer Krankheit geboren, die den unaussprechlichen Namen »Osteogenesis imperfecta« trägt. Wenn man diesen Begriff hört, kann sich kaum jemand etwas darunter vorstellen, während ihr volkstümlicher Name im Gegenteil erschreckend bildhaft ist: »Glasknochenkrankheit«.

Michels Knochen sind zerbrechlich wie Glas, sie dehnen sich in den Gelenken, drohen zu brechen und zu splittern. Andauernd, bei jeder kleinsten Bewegung. Die Knorpel schwinden. Bei Michel brachen die Knochen zum ersten Mal am 29. Dezember 1962 in dem hübschen südfranzösischen Städtchen Orange. Es war der Tag seiner Geburt. Michel ist bereits mit gebrochenen Knochen auf die Welt gekommen, und seitdem ging es bei ihm unaufhörlich darum, wie die unzähligen Brüche heilen könnten.

Das Klavier, das ihm sein Vater schließlich schenkt, ist verstimmt und klingt ganz anders als in dem Konzert von Duke Ellington. Der kleine Michel macht es kaputt wie ein Spielzeug, das nicht funktioniert. Deshalb besorgt ihm sein Vater ein Klavier bei der amerikanischen Militärbasis, wo manchmal die alten Klaviere ausgemustert werden. Michel, der zu Hause unterrichtet wird und die Lehrer mit seiner Frechheit zur Verzweiflung bringt, bekommt Klavierstunden. Zehn Jahre lang erhält er eine klassische Ausbildung am Konservatorium, die er mit einem Diplom abschließt. Jazz darf er nur als Sport betreiben. Dahinter steckt der sehr reale, praktische Gedanke, dass Jazz seine Muskeln stärken kann, die seine schwachen Knochen zusammenhalten. So setzt man Michel ans Schlagzeug und er tritt mit seinem Vater und seinen Brüdern auf.

Michel Petrucciani leidet an einer seltenen Krankheit, die ihm unendliche Schmerzen bereitet und seine ganze Kindheit mit ständigen Krankenhausaufenthalten überschattet; er bleibt ein Zwerg. Als Erwachsener misst er kaum einen Meter und wiegt zwischen fünfundzwanzig und zuletzt vierzig Kilo, als sein Bauch schon weiter vorstand als sein Kinn. Monate im Bett, der Körper im Gipsbett, das Rückgrat im Stützkorsett, der Hals fixiert. So verbringt Michel die endlosen Zeiten der Bettlägerigkeit damit, das Einzige zu betrachten, das an seinem Körper nicht zerbrechlich ist: die Hände. Seine Hände sind sogar ziemlich groß. Seine Hände sind sein Schicksal. Der einzige Teil seines Körpers, mit dem er sein Leben gestalten kann, um sich nicht unterkriegen zu lassen. Mit seinen Händen kann er die Spielregeln ändern. Etwas entstehen lassen. Das Klavier ist sein Territorium, die Hände seine Waffen. Wenn er auf dem Klavierschemel sitzt, reichen seine Füße nicht bis zu den Pedalen am Boden. Sein Vater konstruiert ihm aus Holz eine Art bewegliches Parallelogramm, damit Michel die Pedale bedienen kann.

Sobald er achtzehn wird, sucht Michel das Weite. Von Paris aus, wo er seine ersten Konzerte gegeben und erste Erfolge erzielt hat, fliegt er, ohne ein Wort Englisch zu können und ohne Geld für die Reise, in die USA. Angesichts der vollendeten Tatsachen sorgt Tony dafür, dass der Scheck, den Michel auf dem Weg in das Geburtsland des Jazz heimlich an sich genommen hat, gedeckt ist. Dort wird er als der genialste nichtamerikanische Jazzmusiker empfangen und als einer, dem ein Platz unter den Großen gebührt.

Petrucciani geht nach Big Sur, an die wilde Küste Kaliforniens, wo Kerouac und Henry Miller gelebt haben. Hier ließ Orson Welles für sich und seine Frau Rita Hayworth eine riesige Villa errichten. Michel nistet sich im Haus eines bettelarmen Freundes ein und wird von der ansässigen Hippie-und Künstlergemeinde als einer der ihren aufgenommen.

Michel schlägt sich damit durch, dass er für Kost und Logis täglich einige Stunden in einer Privatklinik für Superreiche Klavier spielt. Er begegnet Erlinda Montaho, in die er sich so heftig verliebt, dass er um ihre Hand bittet. Sie aber willigt schließlich nur ein, damit er die Greencard bekommt. Eine ähnliche Geschichte wie in dem gleichnamigen Film, bemerkt Petruche später, allerdings mit dem Unterschied, dass Gérard Depardieu kein Zwerg und Andie McDowell keine Navajo-Indianerin ist. Das Leben überflügelt die Fantasie, und bei Michel Petrucciani tut es das in großem Stil.

Eines Tages wird er mit Charles Lloyd bekanntgemacht, einem der größten Saxofonisten aller Zeiten. Dieser selbstquälerische schüchterne Musiker hatte in einem Quartett mit Keith Jarrett große Erfolge gefeiert. Dann aber hängte er plötzlich sein Instrument an den Nagel, weil ihn die Welt der Plattenfirmen und Musiker abstieß. Er zog sich in die Einsamkeit der Natur zurück, um zu meditieren, und arbeitete als Immobilienmakler. Die Berühmtheit seines Kollegen am Klavier war einer der Gründe für seinen Rückzug, und deshalb wird Lloyd neugierig, als der seltsame Gast sagt, er sei Pianist. Bei den Konzerten hilft Erlinda ihrem Mann, der so viel wiegt wie ein dreijähriges Kind, auf die Bühne, und auch im Hause Lloyds nimmt sie ihm die Krücken ab und setzt ihn so, dass er spielen kann. Charles Lloyd ist von Michels Musik gefesselt. Bereits wenige Tage später hat er ein Konzert in Santa Monica organisiert, bei dem beide zum ersten Mal gemeinsam auftreten. Der ungefähr dreißig Jahre ältere Saxofonist trägt seinen Mitspieler im Arm herum und stellt ihn überall als das »Wunderkind aus Frankreich« vor, das ihn dazu gebracht hat, wieder auf die Bühne zurückzukehren. Ein seltsames Wunder, das wie ein kalifornischer Mythos klingt, wäre Michel mit seinem unverwüstlichen Humor und seiner mediterranen Vitalität nicht genau das Gegenteil. Petrucciani lässt das Talent von Charles Lloyd wieder aufleben, der ihn seinerseits der Welt bekannt macht.

Als die beiden 1982 beim Festival von Montreux auftreten, hat Petruccianis Karriere gerade erst begonnen. Von diesem Zeitpunkt an feiert er in der ganzen Welt triumphale Erfolge, seine Technik verbessert sich ständig, und seine Musik wird freier und reicher. Er improvisiert oder komponiert, ausgehend von den Themen großer Jazzmusiker wie Bill Evans oder Miles Davis, aber auch von volkstümlichen Liedern wie Besame mucho.

Petruche erreicht alles und spielt mit Jazzlegenden wie Dizzy Gillespie und Wayne Shorter, mit Stan Getz und Sarah Vaughan, mit Stephane Grappelli und vielen anderen. Er gibt Konzerte in der Carnegie Hall in New York und vor Papst Johannes Paul II. Seine Diskografie umfasst etwa dreißig Alben der bekanntesten Labels, und in Paris wird er mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet. Alles innerhalb von weniger als zwanzig Jahren. Als könnte nichts ihn aufhalten, als sprudle in diesem kleinen zerbrechlichen Körper eine unerschöpfliche Quelle.

Wenn er spielt, scheint er manchmal zu ersticken, gewürgt von der Position, die er an der Tastatur einnehmen muss. Dann hebt er, ganz gefangen von seinem Spiel, den Kopf, als würde er auf eine imaginäre Partitur blicken, die nur er lesen und nur er so schnell verändern kann. Er streckt die Zunge heraus, als müsste er nach Luft schnappen und sich konzentrieren. Auch Michael Jordan, der größte Korbjäger der amerikanischen NBA, hatte die Angewohnheit, wie ein durstiger Hund die Zunge heraushängen zu lassen. Petruccianis Zunge ist kleiner, aber sie zeigt sich im Augenblick des größten Pathos, der höchsten Konzentration, wenn er nach Atem ringt.

Michels Spiel versetzte die Welt in Staunen. Einfache Gemüter glaubten, er sei nur bekannt als eine Art geschickter Krüppel, aus dem trotz allem ein guter Pianist geworden war. Wahr ist genau das Gegenteil. Er war ein großartiger Jazzpianist, und der bizarre Anblick der Verrenkungen seines winzigen Körpers drohte manchmal von der Musik abzulenken. Er musste seinen Händen auf der Tastatur folgen, denn eine Verkalkung hinderte ihn daran, seine Arme auszubreiten, sodass er auf dem Klavierschemel hin und her rutschte, um die hohen Töne zu erreichen und dann wieder zu den tiefen zu wechseln. Ihn spielen zu sehen, vermittelte oft den Eindruck, als wäre für ihn der Druck auf die Tasten wie das Besteigen eines schwindelerregend hohen Berges. Seine Musik hat Millionen von Herzen bewegt, seine Konzerte waren überall große Ereignisse, er aber bevorzugte Einladungen an weniger spektakuläre Orte. Der Jazz sollte alle erreichen. Auf der Höhe seines Ruhms gab er sogar in Aversa ein Konzert, an das ich mich erinnere. Das Tagebuch seines Lebens war voller Noten. Überall.

Doch am 6. Januar 1999 starb Michel Petrucciani. Die Lungenentzündung, die seinen Tod verursachte, war anscheinend indirekt dadurch ausgelöst worden, dass sein Brustkorb im Laufe der Jahre eingesackt war und seine kleinen Knochen die inneren Organe erdrückt hatten. Michel hatte nie daran gedacht, dass er früh sterben könnte. Denn er liebte nicht nur die Musik, von der er sagte, Talent bedeute nichts anderes, als die Musik so bedingungslos zu lieben, dass man zehn Stunden am Tag spielt und den Eindruck hat, nur zehn Minuten gespielt zu haben. Er hat auch jede Minute seines Lebens leidenschaftlich gelebt. Über seine körperlichen Defizite konnte er ebenso lachen wie über die der anderen, er reiste gern um die ganze Welt, liebte schöne Häuser und hätte sich am liebsten überall, wo es ihm gefiel, ein weiteres gekauft. Gott sei Dank verwaltete er sein Geld nicht allein, sonst hätte er es schnell verschwendet. Er scharte gern Freunde um sich, und vor allem liebte er die Frauen. Und die Frauen liebten ihn. Michel hatte viele Frauen als Freundinnen, Ehefrauen und Geliebte. Nach Erlinda heiratete er in New York Gilda Buttà, eine wunderschöne Sizilianerin und klassische Pianistin. Dann Marie-Laure und schließlich Isabelle, die bis zuletzt an seiner Seite war. Michel behauptete von sich, sie alle geliebt und zu allen die Freundschaft aufrechterhalten zu haben, aber mit keiner hielt er es länger als fünf Jahre aus.

Man fragt sich oft, wie es Petrucciani, abgesehen von seinem großen Talent als Musiker, gelingen konnte, anziehend auf so viele und so schöne Frauen zu wirken. Dazu kursierten die üblichen Gerüchte über die besonderen sexuellen Fähigkeiten eines Zwerges. Anekdoten, die von denjenigen verbreitet wurden, die nicht verstehen, was Schönheit ist. Es war nicht seine Musik, die die Frauen wie die Flöte eines Schlangenbeschwörers fesselte und einlullte. Die Wahrheit steckt in dem Satz einer seiner verliebten Freundinnen: »Wenn ich Michel sah, sah ich alles, was er sich vorstellte. All das, was Michel war. Und das ist wunderschön.« Schönheit liegt nicht nur in den Gesichtszügen und Körperformen, in der Eleganz, dem Licht und der Ausstrahlung. Sie liegt in der Fähigkeit, sichtbar zu machen, was man selbst ist. Dem zu ähneln, was man sich vorstellt, das zu zeigen, was man wirklich ist. Jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, was Schönheit ist, denke ich an Petrucciani.

Michel hatte sogar zwei Kinder. Das eine von ihnen, Alexandre, hat die Krankheit seines Vaters geerbt, aber in einem Dokumentarfilm sieht man ihn bei seinem Vater am Klavier auf dem Schoß sitzen. Zwei, die sich wie Vater und Sohn lieben, aber darüber hinaus auch die Musik und das Talent gemeinsam haben. Manch einer hat die Entscheidung kritisiert, ein Kind in die Welt zu setzen, wenn die Gefahr besteht, dass es die eigene Krankheit erbt. Und als dieser Fall eintrat, wollten einige Michel Schuldgefühle einjagen. Wie aber hätte ein Komponist der Lebendigkeit auf den Gedanken kommen können, dass ein Risiko ein ausreichender Grund sei, um nicht neues Leben hervorzubringen? Er hätte es sich nie vergeben, wenn er der Entstehung neuen Lebens keine Chance gelassen hätte. Er liebte das Leben zu sehr, um es nicht teilen und weitergeben zu wollen. Die Musik hat ihn die Schöpferkraft des Lebens gelehrt.

Denn Musik ist für Michel Leben, das Leben selbst, nicht ein edles Surrogat, sondern der unendliche Reichtum der Schöpfung, deren Wert und Schönheit der Mensch, dieser Scherz der Natur, zu erkennen vermag. Für ihn entsprachen die Farben Noten. Über einen G-Akkord improvisiert er eine grüne Ebene, die an eine sonnendurchflutete Landschaft der Provence erinnert. Und dank der Musik gelingt es ihm nicht nur, sein körperliches Leiden in den Hintergrund zu drängen – wie es auch Stevie Wonder mit seiner Blindheit gelungen sein soll –, sondern auch all das vom Leben zu bekommen, was jeder andere sich gewünscht hätte. »Meine Philosophie besteht darin, mir ein schönes Leben zu machen und mir von niemanden verbieten zu lassen, das zu tun, was ich will.«

Nachdem er bei einem Konzert eine Stunde lang ununterbrochen gespielt hat, hält Michel inne und fragt ins Publikum: »Ça va?« Das Publikum lacht. Das ist Michels Art, zu danken und seine Zuhörer gleichzeitig auf den Arm zu nehmen, denn sie machen sich Sorgen um ihn, fragen sich, wie er das leisten kann, während er trotz seiner physischen Schmerzen nie so glücklich ist, wie wenn er spielt. Nicht der Erfolg und nicht einmal die Befriedigung darüber, dass er immer besser geworden ist, tun ihm gut, sondern einfach die Musik. »Es ist wie körperliche Liebe, wie das Erreichen eines Orgasmus: aber es ist erlaubt, und man kann es öffentlich tun.«

~ roberto saviano

vorwort

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Wer ist Michel Petrucciani? Für mich ist er mein Vater, mein Held, mein Vorbild, mein Stolz und mein Lebensmut. Aber für die anderen? Vielleicht eine Hoffnung, eine Emotion, ein geteiltes Gefühl oder das, was man ein »Genie« nennt.

Ich war zu jung, um verstehen zu können, wer er wirklich war. Ich fragte mich damals, warum er allein vor Tausenden von Leuten spielte und warum wir allesamt zwei Stunden lang auf unseren Stühlen sitzen bleiben mussten. Dass er am Klavier saß, war mir wohlvertraut. Wenn ich auf dem Teppich im Wohnzimmer spielen konnte, während er komponierte, war das schon wie ein Konzert. Heute ist mir klar, welches Glück es war, einen so begabten Vater wie ihn zu haben.

Seine Musik ist nicht auf den Jazz beschränkt. Es ist eine völlig offene Musik, offen für alle und jeden. Um einen Musikstil genießen zu können, muss man ihn zunächst verstehen, die Phrasierung, die Rhythmik, das Melodische. Im Jazz scheint mir das besonders entscheidend, weil es hier immer eine erst zu entschlüsselnde Architektur gibt, mit dem Frage-und-Antwort-Spiel zwischen den Musikern. Im Spiel meines Vaters verflüchtigt sich all diese Komplexität. Man hört nicht mehr Jazz, sondern eine totale Musik. Man spürt auch nicht mehr die Jahre immenser Arbeit, die zu ihr hingeführt haben: Alles erscheint so einfach und evident.

Dennoch sah sich mein Vater nicht als einen vollendeten Künstler. Nie war er zufrieden, auch wenn einige sein Niveau für gleichsam unerreichbar hielten wie eine Art weit entfernten Leuchtturm. Er selbst dachte von sich nie, er sei im Hafen angekommen. In meinen Augen macht das seine größte Begabung aus: immer weiter gehen zu wollen, besser zu werden, immer und noch mehr zu arbeiten, um sich einem Ziel anzunähern, das in die Ewigkeit weist.

Heute – gebeten, über meinen Vater zu sprechen – sehe ich ihn immer mit den Augen eines Kindes. Er war lustig, lachte stets und war sehr gelassen. Obwohl ihm das Leben nicht gerade die besten Karten in die Hand gegeben hatte, um trumpfen zu können. Aber dank seiner Courage und seines Optimismus ließ er nie den Kopf hängen. Er hat dem Leben diesen Humor und diese mitreißende Freude entrissen, die man in der Mehrzahl seiner Kompositionen erlebt.

Die Musik ist eine Sprache, eine Unendlichkeit an Worten und Nuancen, mit ihrer Hilfe kann man der Welt mitteilen, was sich in unserem Geist und unserem Herzen bewegt. Durch sie können wir einen Menschen besser verstehen, weil sie der Ausdruck seiner Gefühle ist, seiner innersten Wünsche. Wenn ich heute meinem Vater lausche, nehme ich sein Glück wahr, aber ich höre auch eine Vergangenheit, melancholisch und voll von Hoffnung, einen Kampf zwischen der Freude und der Traurigkeit, einen Kampf, den wir alle teilen.

Ich glaube, die Botschaft, die mein Vater übermitteln wollte, ist die von Mut und Hoffnung. Alles ist möglich, wenn man seinen Weg findet, das menschliche Wesen hat keine Grenzen. Ob er groß, klein, schön oder hässlich geboren wurde, ist dabei nicht so wichtig. Alles, was sich einer ersehnt, kann er durch Willen und Arbeit erlangen. Michel ist dafür ein perfektes Beispiel. Das wäre diese Lektion, von der ich mir wünschte, das Publikum nähme sie von ihm an, mehr noch als die Schönheit und die Intensität seiner Musik.

Für jede andere Person aber, außer mir: Wer war Michel Petrucciani?

Ich lade Sie ein, ihn mit diesem Buch zu entdecken, das sein Leben nachzeichnet und seine Musik durch den Blick von Benjamin Halay erklärt, einem Musikkenner und Freund.

~ alexandre petrucciani

vorwort

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© Jérôme Macé

Das Dasein besteht aus Begegnungen, aus sich kreuzenden Wegen. Einige von ihnen erhellen unseren Horizont, sie regen unser Denken an, bringen uns einer Wahrheit näher, die uns dahin führt, das Leben mehr zu lieben und sich das Beste von ihm zu erhoffen. Michel Petrucciani war ein solcher Botschafter, ein Kämpfer um sein Leben, der ungeachtet allen Unglücks seiner Behinderung eine vitale Energie und eine außergewöhnliche Schöpferkraft entwickelte.

Ich begegnete ihm zum ersten Mal in Toulon, als ich dort mit meiner Gruppe ein Konzert gab. Er war gekommen, um gegen Ende des Abends bei uns mitzuspielen, ein kleiner Mann von dreizehn Jahren mit jenem damals schon berühmten Lächeln und einem unglaublich tiefen Blick; sein Vater trug ihn wie ein kleines Kind an den riesigen Konzertflügel.

Dieses Klavier schien das kleine Wesen aus Glas mit seinen Zähnen (Zähnen aus Elfenbein) zu verschlingen. Als dieser ungleiche Kampf begann, schien in den ersten Takten von »All the Things You Are« dieser zarte David für Goliath nur ein kleiner Bissen zu sein. Selten zuvor jedoch war das majestätische Instrument auf einen solchen Meister getroffen. Ab dem Ende des Intros wichen Zweifel und Besorgnis dem Gefühl einer Offenbarung. Keine Worte können stark genug sein, um diesen Eindruck einer titanischen Kraft, gepaart mit der Anmut eines Engels, eines himmlischen Wesens wiederzugeben, einer höheren Intelligenz in musikalischer Gestik. Schon kneteten seine langen Finger die Klangmasse, um ihr improvisierte Melodien zu entlocken, die er auf geniale Weise miteinander verwob. Michel Petrucciani spielte nicht Klavier, er spielte sich. Er machte keine Musik, er sprach durch sie.

Die ersten Noten, die wir bei dieser Gelegenheit miteinander wechselten, waren für mich nicht nur das Versprechen einer neuen und starken musikalischen Freundschaft, sondern vor allem der Beginn eines großen und schönen menschlichen Einverständnisses. Seine größte Qualität als Jazzmusiker war sein perfektes rhythmisches Platzieren, sein intensiver und lebendiger Swing, verbunden mit einer außergewöhnlichen Anschlagskultur. Michel Petruccianis und mein Leben kreuzten sich mehrere Male, vor allem in New York, als ich einige Monate lang in der Stadt lebte. Er wohnte schon dort und spielte mit dem Saxofonisten Charles Lloyd.

Wir waren uns bei einer Jubiläumsparty des Plattenlabels Blue Note wiederbegegnet. Bei diesem Ereignis kamen alle großen Namen und Legenden des Jazz zusammen. Michel und ich waren die einzigen Franzosen unter den Gästen. Wir waren wie zwei Kinder, die mit der Nase am Schaufenster einer Konditorei kleben. Michel war bereits mit der New Yorker Jazzszene vertraut und stellte mir seine neuen Musikerfreunde vor. Ich begegnete meinen wieder, Tony Williams, Billy Hart, Art Blakey … Dann bot sich uns eine Gelegenheit, miteinander aufzutreten, diesmal in Gesellschaft sehr illustrer Gäste. Michel war die Attraktion des Abends. Kaum hatte er zu spielen begonnen, versammelten sich alle ums Klavier, um das Phänomen zu bewundern oder zu entdecken. Er schien so glücklich. Mit einem großen Lächeln schaute er mich an, als wolle er sagen: »Nicht schlecht, wir kleinen Frenchys!«

Während des Jazzfestivals im korsischen Calvi wurde unsere Freundschaft Jahr für Jahr am Strand neu besiegelt. Es war fast zehn Jahre hindurch unser Treffpunkt. Sein Sohn Alexandre, meine Zwillingstöchter Sarah und Natacha, meine Stiefsöhne David und Thomas bauten Sandburgen, während wir unseren musikalischen Träumen nachjagten. Auf dem kleinen Instrument von Thomas begann auch Alexandre Geige zu spielen. Das Geschrei der Möwen wollte er nachahmen, »wie der Freund von Papa mit der Geige«.

Später fanden unvergessliche Begegnungen mit Michel und Stéphane Grappelli statt; einmal standen wir alle drei gemeinsam auf der Bühne des Festivals in Nizza. Dann gab es diesen magischen Abend beim Festival von Vienne, als der eine im Garten, der andere im Hof musizierte und wir beide nicht wussten, dass wir etwas zusammen spielen würden. Wir winkten uns zu. Als wir das Podium betraten, sahen wir uns plötzlich mit neuntausend Zuschauern konfrontiert. Der Abend war ausverkauft. Michel schlug die ersten Akkorde von »Solar« an, dann spielten wir anderthalb Stunden lang über dieses Thema. Für mich war dies der bewegendste Moment unter meinen Begegnungen mit Michel. Wie auf dem Höhepunkt einer gemeinsamen sinnlichen Erfahrung schienen wir gemeinsam zu atmen, schauten in dieselbe Richtung, ein Moment geteilter Gnade. Michel hatte seinen »Hofstaat« und manchmal konnte dieser auf seine Laune schlagen, aber er wusste das immer in den Griff zu kriegen dank seines Herumgewitzels, wie ein kleiner Pariser Straßenbengel, voll mit Jazzer-Anekdoten aus verräucherten Clubs. Er besaß diesen verzweifelten Humor, mit dessen Hilfe man auch über ein noch so zerbrechliches Leben die Oberhand bewahrt.

Wie oft habe ich erlebt, dass er sich einen Finger brach oder das Steißbein, mitten im Chorus, und dann spielte er weiter, als sei nichts gewesen, nur mit verzerrtem Gesicht im Moment des Bruchs.

Ein paar Monate lang erzählte Michel mir von dieser Schule, die er im Departement Loir-et-Cher gründen wollte. Ich war seinerzeit schon weit mit meinem eigenen Projekt eines Zentrums für improvisierte Musik in Dammarie-les-Lys. Michel war zwar ein außergewöhnlicher Künstler, besaß jedoch keinen großen Sinn für Organisation und Administration. Den Bau seiner zukünftigen Schule hatte er einem Team von Leuten übertragen, die mir mehr das gute Geschäft zu wittern schienen als wirklich engagiert für seine pädagogischen Ziele waren. Das ganze Projekt wog immer schwerer und wurde immer unrealistischer. Eine Woche vor Neujahr kam Michel mit Francis Dreyfus, um mich im Petit Journal Montparnasse zu erleben. Nachdem er gehört hatte, dass mein Projekt einer Jazzschule tatsächlich Formen annahm, und weil er sich der Schwierigkeiten mit seinen eigenen Plänen bewusst war, schlug mir Michel vor, wir sollten uns zusammentun und eine einzige große Jazzschule gründen. Er kam mir sehr müde vor, er arbeitete und reiste viel, schonungslos. Seine Asthmaanfälle wurden immer häufiger und heftiger. Trotzdem machte er unerschütterlich weiter mit dem Feiern. Übrigens wollte er am nächsten Tag nach New York und dort Silvester feiern.

Einige Tage später rief mich Michel aus den USA an. Er war wegen seines Asthmas in ein Krankenhaus eingeliefert worden. In der Woche darauf stand ein Konzert im Théâtre des Champs-Élysées auf dem Programm, aber er fühlte sich dazu nicht in der Lage. Er bat mich, ihn zu vertreten. Eine Woche später, als ich zurück in mein Haus nach Barbizon fuhr, hörte ich im Radio, dass er gestorben war. Das Telefon klingelte, die Journalisten bestürmten mich wie seine Familie mit Fragen nach unseren Erinnerungen. Ich befand mich in einem Schockzustand, war wie betäubt …

Wenn ich heute nach Hause heimkehre, begrüßt mich die kleine Wohnzimmerlampe, die mir Michel einmal zum Geburtstag geschenkt hat. Wie er ist sie aus Glas und schon oft zerbrochen, aber noch immer erhellt sie mein Nachsinnen über einen außergewöhnlichen Menschen, der uns eine große Lektion der Freundschaft, der Musik und des Lebensmutes gab.

Diese Biografie ist eine wunderbare Hommage und zeichnet den unglaublichen Lebensweg dieses großen, außergewöhnlichen kleinen Mannes nach, der für immer in unseren Herzen bleiben wird.

~ didier lockwood

an den leser

Für diese in Zuneigung geschriebene Biografie war Streben nach Wahrhaftigkeit maßgebend. Jede Ähnlichkeit mit der Hauptfigur dieses Buches ist nicht zufällig. Was die anderen betrifft … zu keiner Zeit will mein Bericht einen Menschen grob behandeln oder ihm schaden, wer immer es sei.

»Wenn die Lüge nur ein Gesicht hätte wie die Wahrheit, da wäre es nicht so schlimm; denn wir könnten das Gegenteil von dem, was der Lügner sagt, als richtig annehmen; aber die Gegenseite hat hunderttausend Gesichter und einen unendlich weiten Spielraum.«

~ montaigne, essais, i. ix, die lügner

Diese Biografie steckt voller Früchte des Zufalls und am Rande Aufgegabeltem, aber dass sie nicht rein chronologisch geriet, ist kein Zufall, sondern ganz und gar meine Absicht. Ich habe mein Buch in der Art eines Jazzstandards konstruiert, mit einer Einleitung, dem Hauptthema mit Variationen und einer Coda. Möge es allen, die an Leben und Werk Michel Petruccianis interessiert sind, auch dank seines Anhangs als Quelle für weitere Forschungen dienen. ~ benjamin halay

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© Benjamin Halay

Philippe, Michel und Louis Petrucciani, 1965 (von links nach rechts) Michel Petrucciani und Benjamin Halay, Universität Tours, Musikwissenschaftl. Institut, 22. September 1997

einleitung

»Kein Wunder: Er hat sich nicht damit begnügt, mit einem Talent geboren zu sein, er hat sich ein Schicksal geschmiedet.« ~ le matin, schweiz

»Offensichtlich macht seine Physiologie aus ihm einen Prototyp (…) Für MP läutet der Wecker um 5 Uhr morgens sechs- oder siebenmal in der Woche. Abzählen der blauen Kacheln in der ersten Person.« ~ le figaro

»Er, der oft sagt, dass ›nur der Himmel die Grenze‹ sei, hat dennoch einige kalte Schweißausbrüche erlebt, Augenblicke, in denen seine verrückte Wette plötzlich verloren schien.« ~ le monde

»Wunderkind: Als Erstes würde ich jetzt gerne meine Mutter in die Arme nehmen.« ~ libération

Die Presse ist einhellig begeistert und stürzt sich auf das Phänomen, auf das die Welt wie mit den Augen verwöhnter Kinder schaut. Es ist der immer gleiche unabänderliche Ablauf. Die Medien senden die Nachricht von ihrem Sendemast herab, das Publikum schnappt das prägende Merkmal des Genies auf und stürzt sich vampirhaft darauf. Der Mann, von dem in den einleitenden Zitaten die Rede ist, trägt dieselben Initialen wie der Pianist und Komponist Michel Petrucciani, es ist die Rede von Michael Phelps, dem amerikanischen Schwimmer und vierzehnfachen Olympiasieger. Michel Petrucciani beschließt das 20. Jahrhundert, Michael Phelps eröffnet das 21. Man hätte den Vergleich auch mit Usain Bolt ziehen können, dem jamaikanischen Sprinter mit den goldenen Schuhen. Nur mit dem Unterschied, dass wie bei Michael Phelps im Schwimmsport – »1,93 Meter bei 84 Kilo Gewicht, einem Armspannweite von zwei Metern und einem Paar Schwimmflossen Größe 49« (Le Figaro) – noch nie ein Künstler so viele Bemerkungen zu seinem Körperbau über sich ergehen lassen musste wie Michel Petrucciani.

»Da ist zunächst der physische, emotionale Schock angesichts dieses kleinen Menschen, der kaum einen Meter groß ist und sich mit Mühe fortbewegt, während er sich auf Kinderkrücken stützt.« (Le Point) »Dieses einen Meter zehn große Genie gibt uns die größte Lektion, und zwar die einer unendlichen Menschlichkeit, die der Erfolg nicht erschüttert hat.« (L’Humanité Dimanche) Wie die meisten von uns repräsentieren weder Michael Phelps noch Michel Petrucciani einen Kanon des Schönen oder Hässlichen. Umberto Eco, Autor einer Geschichte der Schönheit und einer Geschichte der Hässlichkeit, schrieb: »Der allgemeine Geschmack korrespondiert mit dem künstlerischen Geschmack seiner Zeit.« Bei diesen beiden Künstlern haben wir es mit Unförmigkeit und ästhetischer Bedingtheit zu tun. Sie verleiten den Menschen in seiner Verlegenheit und eingefahrenen Art zum Stammeln oder dazu, sich mit einem scherzhaften Spruch aus der Affäre zu ziehen. Ich bin nie zu Schwimmwettkämpfen gegangen, aber wie oft musste ich, wenn wir Petruccianis Konzerte verließen, beim Hinausgehen unsäglich dumme und deprimierende Kommentare vernehmen: »Wie toll er spielt, aber um Gottes willen, ist der Kerl hässlich!« »Verheiratet ist er? Mit einer Frau im Bett kann ich ihn mir kaum vorstellen!« »Anfangs hatte ich Mitleid mit ihm, aber danach vergisst man, dass er ein Zwerg ist.« »Mit Petrucciani ist es ein bisschen wie im Zirkus!« … Ganz zu schweigen von schändlichen Kommentaren und geschmacklosen Scherzen bekannter Personen in den Medien.

In der modernen Gesellschaft artikuliert sich im Lachen auf zynische Weise die Haltung der Verzweifelten, wie der Autor und Filmemacher Chris Marker konstatierte: »Wenn ein Spaßvogel Nicolas Sarkozy mit dem Pianisten Michel Petrucciani vergleicht und Martine Aubry mit einer Tabaksdose, entfesselt er eine Rohheit, die nichts Humorvolles mehr hat. Über den Präsidenten einer Republik zu lachen, weil er klein ist, über einen toten Künstler, weil er körperbehindert war, und über eine Frau in politischer Verantwortung, weil sie keine Wespentaille hat; über eine Schwäche zu lachen, über ein Gebrechen, derweil man sich für kritisch gegenüber den Mächtigen hält; kurz, über alles zu lachen außer über sich selbst, vielleicht ist das dem Menschen eigen – aber es ist auf jeden Fall der Tod des Humors.«1 In den Siebzigerjahren wurde einer der ersten Auftritte Michel Petruccianis bei einer Messeausstellung in Montélimar als etwas Staunenswertes angekündigt: »Besondere Attraktion, die Vorstellung eines Wunderkindes.« Genug! Soll man denken, dass die Leute nur kommen, um sich ein Phänomen anzusehen, wie den Gitarristen und Posaunisten Ray R. Myers (1911–1986), den »Krüppel von Lancaster«, den Schauspieler und Musiker Johnny Eck (1911–1991), genannt »der lebende halbe Mensch«, den Trompeter James Elroy, den österreichischen Geigenvirtuosen Rudi Sartoni, »der armlose Xylophon- und Violinkünstler«, den Multiinstrumentalisten John Owenel, bekannt als »das Wunder ohne Arme«, das unglaubliche Schicksal des verkrüppelten Geigers Carl Herrmann Unthan (1848–1929), der von Johann Strauß für eine Konzertreihe engagiert wurde, oder Adrien, den Zwerg aus Béarn. Eine Postkarte wirbt für ihn: »Niemals seit Menschengedenken hat sich ein so kleiner Neuling dem Publikum vorgestellt; empfangen wurde er mit enthusiastischem Beifall, einhelligem Lob sowohl in der Presse wie vom Publikum in Luné-ville.« Ernest Martin schrieb in seiner 1880 erschienenen Geschichte der Monstren: »Die Zwerge, die der menschlichen Rasse entstammen, sind Wesen, die in ihrer Entwicklung angehalten und in ihrer Vitalität behindert wurden; sie sind, in einem Wort, Monstren.« Seit den Anfängen der wissenschaftlichen Forschung durch den Anatomen Andreas Vesalius und Ambroise Parés Abhandlung Von Monstren und Wunderkindern aus dem Jahr 1573 hat die Teratologie (Lehre von den Fehlbildungen) Gestalt angenommen, falls man das Studium von Geburtsfehlern an menschlichen Wesen so nennen will. Trotz unbestreitbarer wissenschaftlicher Fortschritte schwanken die Menschen bis heute unausweichlich irgendwo zwischen Voyeurismus und Mitleid. Als Michel Petrucciani am 6. September 1994 am Klavier von Horowitz spielte, schrieb Le Matin, die Tageszeitung der romanischen Schweiz, gleich im zweiten Absatz: »Indes bereitete nichts diese beiden Monstren darauf vor, sich zu kreuzen.« Fällt Ihnen auf, dass man über einen sich in seiner Kunst selbst übertreffenden Künstler oft sagen hört: »Das ist ungeheuerlich!«? Ist es abergläubische Angst, die Menschen zu diesem Ausdruck greifen lässt? Übrigens schrieb Michel Petrucciani selbst in einem Brief an den Figaro vom 7. Mai 1998: »Der Jazz liegt im Sterben. All die großen Monstren sind tot: Parker, Miles Davis, Monk, Bill Evans, Duke Ellington. Es bleiben nur noch zwei oder drei wie Sonny Rollins, Keith Jarrett.« Das dritte Monstrum ist er. Aus Schamgefühl will er es nicht sagen.

Michel Petrucciani »hasst sein physisches Handicap, mit der Folge, dass die ihm gewogenen Journalisten es den Fotos überlassen, den Lesern, die ihn nicht auf einer Bühne gesehen haben, mitzuteilen, dass er nicht einmal einen Meter groß ist, sich auf kleinen Krücken fortbewegt oder von einem Musiker aus seinem Trio ans Klavier getragen wird.« (Télérama) Anlässlich des historischen Solokonzerts im Théâtre des Champs-Élysées am 14. November 1994 begann Francis Marmande den letzten Absatz seines Artikels in Le Monde mit den Sätzen: »Ein kleinwüchsiger Torero namens Chicuelo II besaß in den Fünfzigerjahren die Gabe, den Menschen vor dem Hintergrund von Tod und Freude etwas zu geben. Mit der Stille spielte er niemals. Bald schon wurde er vermisst.« Die Karriere war sehr kurz für diesen spanischen Matador, der bei einem Flugzeugunglück am 21. Januar 1960 sein Leben ließ. Wie für Michel Petrucciani, dessen Laufbahn am 6. Januar 1999 endete. Petrucciani und seine Krankheit sind nicht voneinander zu trennen, jetzt, wo er nicht mehr da ist, aber seine Antworten gegenüber den Medien waren stets bissig, wenn auch zutiefst fair: »Letztlich hat man sich immer mehr für den Pianisten, für meine Musik interessiert und sich nicht mehr so sehr mit dem Zustand meines Körpers befasst.« (L’Évènement du Jeudi)

Neben seinem überreichlichen musikalischen Talent besaß Michel Petrucciani die Gabe einer fast animalischen Anziehungskraft – man hat sie oder man hat sie nicht. Wenigen Menschen war es so wie ihm gegeben, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er war wie das zentrale Ornament in einem Perserteppich, auf das alle Blickachsen zulaufen. Er war ein Mensch mit Stil, er besaß Genie, eine komplexe Persönlichkeit, und einige wollten ihn für sich vereinnahmen, zu ihrem Profit und um sich mit ihm zu schmücken.

Der Künstler allein, ohne sein Werk, ist noch nichts, und ein Werk muss gepflegt werden wie ein Garten. Michel Petrucciani hat sein Werk zu seinem meisterlichen Abbild geformt und sein Selbstbild auf seine Kompositionen projiziert. Jedes Werk zeigt uns den Menschen, damit wir erfahren, wer er war, mit dem Wissen über die Existenz, die er führte. In den Überschriften der folgenden Kapitel verbirgt sich daher stets eine Anekdote oder etwas Erlebtes. Die Musik lebte in Michel Petrucciani wie eine Art innerer Phonograf. Während man ihn auf der Bühne erlebte, blickte man in den Himmel. Wenn man ihm lauschte, vernahm man die Sterne. Hier ist seine Geschichte.

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© D.R.

Vor dem Konzert, Sorgues 1987

1. kapitel

ORACLE’S DESTINY

die gabe der wiege

Michel Petrucciani wird als einer der großen Künstler des ausgehenden 20. Jahrhunderts in Erinnerung bleiben. Warum? Mit seiner komplexen Persönlichkeit, die Bewunderung hervorruft und inspiriert, macht er die Welt staunen. Seine erfinderische Kunst feiert den Moment des Augenblicks, in den wir uns versenken. Er ist ein Drittel italienisch, ein Drittel französisch und ein Drittel amerikanisch – das steigert seinen Willen, im Einzigartigen vielseitig zu sein, seinen Durst nach Reisen und dem Anderswo. Time Is Jazz. Wolfgang Amadeus Mozart, Charlie Parker, Michel Petrucciani haben zusammengerechnet 105 Jahre gelebt. Ein Jahrhundert für drei Leben. Schmetterlinge, die nur einen Tag leben, Nachtgeschöpfe, schlaflos außer im Puppenzustand, dem sie entschlüpfen werden. Für Paris ist 1962 ein sehr gutes Jazzjahr. Besser als 1959, als im Laufe von vier Monaten nacheinander Lester Young, Sidney Bechet, Boris Vian und Billie Holiday starben! 1962 gibt es Jazzkonzerte in den großen Sälen von Paris, das Olympia empfängt am 24. April Louis Armstrong, am 5. Mai Count Basie, vom 17. bis 25. Mai Ray Charles, am 17. November John Coltrane sowie am 22. und 23. Dezember Cannonball Adderley.

Er heißt Michel. Schon mit diesem Vornamen schwebt er über den anderen, zwischen Gott und der Welt. Er ist Anführer und zugleich Beschützer, wie der Engel gleichen Namens. In seinen verborgenen Bedeutungen schwingen große Versprechen mit: Hyperaktivität, Schaffenskraft, Eroberungsund Verführungslust, Flinkheit, lebhafte Intelligenz und Freiheitsliebe. Der Schriftsteller Christian Bobin sagte einmal: »Was eine Mutter mit einem Vornamen anstrebt, lässt sie zwischen Körper und Seele ihres Kindes gleiten, gut verborgen, wie man ein Säckchen Lavendel zwischen zwei Laken steckt.«

Im Zeichen des Steinbocks mit Aszendent Zwillinge kommt Michel Yves Petrucciani am 28. Dezember 1962 um 15 Uhr zur Welt, in Orange, das die Stadt der Prinzen des Vaucluse genannt wird. Sein Körper ist eine nicht zu behebende Pfuscharbeit, ausgeführt wie an jährlich rund fünfzig Kindern in Frankreich, doch das ahnen seine Eltern noch nicht. Erst sein ständiges Weinen alarmiert die Mutter, die mit ihm zum Arzt geht. Diagnose: Osteogenesis imperfecta, bekannt unter dem Namen Lobstein-Krankheit oder Glasknochenkrankheit2. Und dann hatte sich auch noch eben dieser schreckliche und erschütternde Vorfall ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben: Das belgische Ehepaar Jean und Suzanne Vandeputte wird gemeinsam mit ihrem Arzt Dr. Casters von der Anklage freigesprochen, ihre derart missgebildete Tochter nach der Geburt vergiftet zu haben (siehe Jacques Paulus und Jean Rozet: Der Thalidomid-Prozess, Gallimard 1963). Der Prozess vom November 1962 vor dem Schwurgericht in Lüttich wird von einem großen Medieninteresse begleitet. Er löst ein beängstigendes Echo in den französischen Zeitungen aus. Der France-Observateur titelt mit »Mörder aus Barmherzigkeit, die tragischen Angeklagten«, L’Express wetterte bereits im Juni: »Muss man die Monstren töten?« Verursacher dieser schweren Missbildung war ein Beruhigungsmittel für Schwangere: Thalidomid. Es stößt heute, fünfzig Jahre später, trotz 10 000 missgebildeter Kinder erneut auf zunehmendes Interesse in der Forschung, wie Paul Benkimoun in seinem Artikel »Die ewige Wiederkehr des Thalidomid« (Le Monde vom 10. April 2010) nachwies.

Die Eltern Petrucciani jedoch lieben das Leben mehr als alles auf der Welt und heißen ihr drittes Kind Michel von ganzem Herzen willkommen. Es gilt, den Schwierigkeiten ins Auge zu sehen, denn Michel wird nicht zur Schule gehen und nicht mit seinen Kameraden herumtollen können. Den Unterricht erhält er zu Hause von Privatlehrern. Die Osteogenesis imperfecta ist damals eine seltene und noch kaum erforschte Krankheit, »extrem variabel in ihrer Ausprägung von einer Familie zur anderen; die Krankheit überträgt sich von Generation zu Generation nach einem Modus dominanter Autosomen: Die Person, die von der Glasknochenkrankheit betroffen ist, trägt ein Risiko von eins zu zwei, dass sie bei einer Schwangerschaft auf ihr Kind übertragen wird. In zahlreichen Fällen jedoch handelt es sich um einen genetischen Unfall, Mutation genannt, der urplötzlich in einer Familie auftauchen kann, in der das Leiden bis dahin unbekannt war.«3 Lange Knochen verformen sich, kleinere Glieder werden eingebogen, die Wirbel können platt werden, eine Reduktion der Körpergröße ist die Folge. Ganz unterschiedliche Brüche ergeben sich während der Kindheit. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts konnte der dänische Wikingerführer Ivar Ragnarsson, genannt Ivar der Knochenlose, wegen seiner zerbrechlichen Gliedmaßen nicht gehen und musste von seinen Leuten auf einem Schild getragen werden. In seiner Abhandlung Von der Erforschung der Wahrheit kommt der Philosoph Nicolas Malebranche auf die Geschichte eines Menschen zu sprechen, der »so viele Brüche hatte wie ein Delinquent, der vom Rad genommen wird«. Das Schicksal der Familie Petrucciani ist für immer eingemeißelt in den Marmor des Leids. Fleisch von ihrem Fleische ist befallen, doch stolz richten sich die Eltern wieder auf, um ihren jüngsten Sohn wie die beiden ersten großzuziehen. Es gibt keine Sonderbehandlung, sondern Strenge und Forderung.

Wurzeln. Die Familie Petrucciani vereinigt vielfarbige Herkünfte in sich. Die Zusammensetzung: Antoine, genannt Tony, der Vater; Anne, genannt Anna, die Mutter; Philippe, der älteste Sohn; Louis, der mittlere, und Michel, der jüngste. Der Großvater väterlicherseits war Schneider in Toulon, er sang volkstümliche Melodien und begleitete sich dazu auf der Gitarre. Philippe Petrucciani, der älteste Bruder, erinnert sich an die Kleiderpuppe ohne Kopf und die Kostüme im Atelier seines Großvaters. Antoine Alexandre Joseph wurde am 4. November 1936 in Toulon geboren und war durch seine Eltern neapolitanischer Herkunft. Das Familienoberhaupt agiert wie ein Kommandeur, er steht im Ruf eines jähzornigen Miesepeters. Als Gitarrist begeistert sich Tony für den Jazz, aber auch für traditionelle Musik und die italienische Kanzone. Vielleicht von Haus aus ist er etwas machohaft, auch erregbar bis zur Überempfindlichkeit. Wer ihn nicht kennt, mag von seiner Strenge zunächst abgestoßen sein, doch er wird den Geist der Petrucciani-Kinder prägen. Er verlangt viel, ist ein Perfektionist, der nicht den kleinsten Chorus à la Wes Montgomery dem Zufall überlässt. Hinter seiner Strenge aber steht eine Leidenschaft, die er allen seinen drei Söhnen mitzugeben versteht: etwas zu geben, um glücklich zu sein. Um es in den Worten von Jules Renard zu sagen: Tony hat zwei Leben, seines und das seiner Söhne. Die Mama, Anne Viviane Chamaillard, deren Vater bei der Marine ist, kommt am 9. September 1930 in Brest in der Bretagne zur Welt. Sanft und fürsorglich wacht sie über ihren Kleinsten und hütet ihn wie ihren Augapfel, manche sprechen dabei von ihr wie von einer Heiligen. Vielleicht ahnt sie, dass ihr dieser Sohn allzu früh wieder genommen werden wird, während sie sich hingebungsvoll um ihn kümmert. Michel besitzt Charakterzüge beider Elternteile. Wenn Häfen, wie der Sänger Bernard Lavilliers behauptet, weiblich oder männlich sind, dann ist Brest die Mutter und Neapel der Vater. Michel navigiert zwischen Anna und Tony, so wie er viel später zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich pendeln wird. Michel Petrucciani hat etwas von der denkenden Erde und etwas vom tanzenden Meer. 1989 wird er das Album Music seiner Mutter widmen: »Ich widme diese Musik meiner Mutter Anne.« Und 1991 das Album Playground seinem Vater: »Meinem Vater Tony Petrucciani gewidmet, der mir alles beibrachte, was ich weiß.«

Philippe kommt am 10. März 1957 zur Welt, in Toulon wie sein Bruder Louis, der am 9. April 1958 geboren wird. Philippe ist von ruhigem Temperament und auf Beständigkeit aus, obwohl er als Ältester genau weiß, was er will. Im Gegensatz zu Louis ist er einnehmend, manchmal labil, aber voller Humor, auf der Suche nach seiner eigenen Freiheit und stets beim Hinterfragen. Beide Brüder werden später mit Michel zusammenarbeiten, Philippe als Komponist und Arrangeur vor allem für das Album Marvellous und Louis als Kontrabassist, unter anderem auf einer Japantournee mit Lenny White im August 1994. Philippe lernt in jungen Jahren Gitarre, rechtsherum, obwohl er Linkshänder ist. Louis verliebt sich rasch in den Kontrabass, die Großmutter im Reich der Musik, so dargestellt in Piccolo, Saxo et Compagnie, einer musikalischen Fabel von Jean Brousolle und André Popp aus dem Jahr 1956. In den 1960er-Jahren ist der Alltag nicht leicht, die Familie zieht mehrfach um und vor Michels 18. Geburtstag haben sie sechsmal die Adresse gewechselt. 1962 arbeitet Tony als Lagerverwalter auf dem Luftstützpunkt Caritas in Orange, die Familie wohnt bis 1964 im Gebäude A der Siedlung Argensol, rue de l’Argensol, dann unter der neuen Adresse Villa La Ribambelle, rue du Languedoc in Orange von 1964 bis 1971.

In dieser Zeit beginnt Michel seine Familie immer mehr in Erstaunen zu versetzen. Mit vier Jahren sitzt er hinter der Tür zum Musikzimmer. Sein Vater will ihm mit Blick auf dessen Krankheit seine Passion nicht unbedingt übertragen. Freunde des Vaters kommen vorbei. Weil Tony der Anblick seines Sohnes etwas unangenehm ist, soll er sich nicht zeigen. Michel aber fühlt sich angezogen von der Musik und bittet seine Mutter, ihn ins Souterrain zu bringen und hinter der Tür zu verstecken. Tony kommt ihm auf die Schliche und ertappt Michel hinter der Tür dabei, wie er der Musik lauscht. Tony gefällt nicht, dass sein Sohn ungehorsam ist, doch da erwidert Michel, er könne alles nachsingen, was sein Vater eben geübt habe, und schlägt den Takt dazu. Er nimmt die Besen des Schlagzeugs und wiederholt die Chorusse der beiden Stücke, die sein Vater gespielt hat. Sein gutes Gehör und Gedächtnis irritieren den Vater, der sofort beschließt, seinem Jüngsten zu helfen. Er fragt ihn, welches Instrument er gern spielen würde. Michel schwelgt in Harmonien und liebt alle Musikinstrumente; er weiß nicht recht, was er sagen soll. Schlagzeug und Klavier ziehen ihn gleichermaßen an. Zu Weihnachten schenken ihm seine Eltern ein Spielzeugklavier. Er nimmt einen Hammer und schlägt das Ding kurz und klein – er wünscht sich ein anständiges Instrument und nicht solchen Kinderkram. Also schafft Tony, der noch auf der amerikanischen Airbase in Orange arbeitet, ein richtiges Standklavier herbei, »total verfault, ganz klebrig vor lauter Bier«. Und er erfindet eine Holzkonstruktion, damit sein kleiner Sohn mit den Füßen an die Pedale kommt. Ab diesem Moment muss Tony klar gewesen sein, wohin die Reise geht. Nicht zu vergessen das Schlagzeug, das Michel früh spielen lernt, und später sogar der Kontrabass, neben den er sich auf den Boden legt.

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© Philippe Petrucciani

Philippe, Michel und Louis Petrucciani, 1965 (von links nach rechts)

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© Philippe Petrucciani

Michel Petrucciani am Klavier, Montélimar 1968

Michel macht atemberaubende Fortschritte. Im Verlauf des Jahres 1970 wird er sich seines Talents wirklich bewusst. In einem Interview sagte der junge Petrucciani: »Ich weiß noch, dass ich im Alter von acht Jahren unter Tränen zu meinem Vater sagte: ›Ich höre endlos Musik in meinem Kopf. Er ist wie ein Radio, das immer eingeschaltet ist.‹ Für mich war das ein echter Albtraum. Doch mein Vater antwortete mir: ›Das ist gut. Mach was aus dieser Gabe.‹« Es erinnert an jene erstaunliche, aber wahre Anekdote von dem Patienten, dem sein Zahnarzt vor dem Wochenende eine Plombe einsetzt. Unerklärlicherweise verwandelt sich der Zahnersatz in einen Radioempfänger. Der Unglückliche hört mehrere Tage lang einen Sender in seinem Kopf und glaubt verrückt zu werden. Es ist nicht überliefert, ob er sich in der Nähe von Allouis befand, unter dem Langwellensender mit seinen zwei Millionen Watt!

Kurswechsel, die Wellen, die das Jahr 1971 schlägt, verdienen unsere Aufmerksamkeit. Wind bläht die Segel des Petrucciani-Schiffes mit Kommandant Tony auf der Brücke. Die ganze Besatzung zieht um in die rue Pierre Julien 124 in Montélimar etwa vierzig Kilometer nördlich von Orange. Tony eröffnet die Musikalienhandlung, von der er immer geträumt hat, in einer Straße, die nach einem der größten französischen Bildhauer des 18. Jahrhunderts benannt ist. Die Wohnung liegt oben, das Ladenlokal darunter. – Monsieur Petrucciani Special Music – Tel. (75) 01-38-79. Tony richtet das Haus ein: Er bricht einige Wände durch, um die Zimmer der Kinder miteinander zu verbinden, und richtet ein Musikzimmer ein, in dem Michel Klavier üben kann.

Philippe Petrucciani erinnert sich an das mit Musikinstrumenten dekorierte Schaufenster. Geige, Kontrabass, Cello und Schlagzeug begeistern die Kinder auf der Straße. Ihre geröteten Gesichter kleben am erleuchteten Kellerfenster wie die Bettelkinder vor der Backstube in Arthur Rimbauds »Effarés«. Tony und Anna bringen Schwung in ihren Laden. Sie tapezieren die Wände mit Plattenhüllen.