Angela Troni

Der entlaufene Weihnachtskater

Eine Liebesgeschichte

Impressum

Angela Troni, Der entlaufene Weihnachtskater

 

ISBN 978 - 3 - 8412 - 0489 - 9

 

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Oktober 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Originalausgabe erschien 2012 bei Rütten & Loening, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

 

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Umschlaggestaltung Büro Süd

unter Verwendung eines Katzenportraits von

Seraphin-Art/​Sabine Vicinus und einer Illustration

von UrchenkoJulia/​iStockphoto

 

E-Book Konvertierung: le-tex publishing services GmbH,
www.le-tex.de

 

www.aufbau-verlag.de

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Inhaltsübersicht

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Dank

Prolog

Wohlig rekelt sich Kater Flo auf dem Kaminsims, dessen Wärme auf seinen Körper abstrahlt, ehe er sich zusammenrollt und den Kopf auf die Vorderpfoten legt. Endlich Ruhe und Frieden!

Von seinem Lieblingsplatz aus sieht er zu, wie die Schneeflocken draußen vor dem Fenster über den Dezemberhimmel tanzen. Die Rasenfläche im Garten leuchtet weiß, und die Zweige der Bäume und Sträucher biegen sich unter ihrer Last, seit es am frühen Nachmittag endlich angefangen hat zu schneien. Im Schnee sind noch immer die Spuren seines letzten Reviergangs zu erkennen. Die wirbelnden Flocken findet er ja ganz spaßig, auch wenn er sie nicht richtig fangen kann, weil sie sich immer gleich in Luft auflösen, sobald er doch mal eine erwischt hat. Auf das unangenehm kalte Nass an seinen Pfoten bei seinem täglichen Rundgang könnte er hingegen gut verzichten.

Im Wohnzimmer riecht es angenehm nach Tannennadeln, und auch ein Rest Bratenduft liegt noch immer in der Luft. Ein erster Weihnachtsabend, wie er perfekter nicht sein könnte.

Wieso die Menschen immer so ein Bohei darum machen, ob es an Weihnachten schneit oder nicht? Flo weiß es nicht. Das Wichtigste für ihn an diesem Fest ist und bleibt immer noch zweierlei: zum einen die Berge aus herumliegendem Geschenkpapier, in denen man sich so wunderbar vergraben kann und die so schön knistern, wenn man hineinbeißt und sie in tausend Einzelteile zerfetzt. Und zum anderen der Entenbraten, von dem er wie jedes Jahr auch diesmal ein ordentliches Stück abbekommen hat. Sein Bauch spannt ein bisschen, so viel hat er gefressen, aber er ist nun mal kein Kostverächter, und wenn sich schon mal eine solche Köstlichkeit in seinen Futternapf verirrt 

Davon abgesehen ist der Mäusefang im Winter einfach zu beschwerlich.

Verdient hat er sich den servierten Braten dieses Jahr allemal, denn die letzten vierzehn Tage zählten zu den härtesten in seinem Leben. Und der elfjährige Kater hat wahrlich schon einiges erlebt. Umzugschaos, gestresste Menschen, die sein Leben durcheinanderbringen, Revierkämpfe mit kraftstrotzenden Rivalen – da hat er sich ein bisschen Erholung und gutes Futter über die Feiertage verdient.

Sein Blick fällt auf die beiden Menschen, die aneinandergekuschelt auf dem Sofa sitzen und leise miteinander reden. Von dem Punsch auf dem Wohnzimmertisch steigt Dampf auf, und ein zarter Duft weht zu dem Kater herüber. Er seufzt wohlig und schließt die Augen.

Die zwei gehören einfach zusammen, auch wenn es eine Weile gedauert hat, bis sie es beide gemerkt haben. Aber zum Glück gibt es ja ihn, der ihnen selbstlos den rechten Weg gewiesen hat.

Alles ist gut.

1.

Gar nichts war gut. Kater Flo rümpfte die Nase und wandte sich von der grünen Plastikschale ab, die so stark nach Chemie roch, dass sie den Duft seines Futters überlagerte. Sein Napf war offenbar in einem dieser riesigen braunen Pappungetüme verschollen, die überall in der fremd riechenden Wohnung gestapelt waren. Genauso wie sein Katzenbett, das er schmerzlich vermisste. Von dem warmen Kaminsims, auf dem er sich im Winter so gerne zusammenrollte, ganz zu schweigen.

Als Katrin gestern mit der Transportbox angerückt war, die ihn seit je in höchste Alarmbereitschaft versetzte, hatte er für einen Moment befürchtet, er müsse wieder zum Tierarzt, und war erst mal geflohen. Der kugelrunde ältere Herr mit kreisrundem Fellausfall am Hinterkopf und dem starren weißen Zelt, in dem er allerlei Gerätschaften verbarg, war gewiss kein Unmensch. Er konnte gut mit Tieren umgehen, auch wenn er schrecklich roch, nach Medizin und Angst und … Hund. Aber wenn er mit seinem Pikseisen anrückte, war es bei Flo mit der Beherrschung vorbei.

Ein Besuch bei Dr. Herberger war dem Kater diesmal erspart geblieben, allerdings wusste er nicht, ob die muskelbepackten Kerle, die am frühen Morgen die Wohnung gestürmt und eines seiner Lieblingsteile nach dem anderen weggetragen hatten, das bessere Los waren. Fast hätten sie ein Brett auf ihn fallen lassen; in letzter Sekunde hatte Flo sich unters Bett retten können. Allerdings nicht lange, denn kurz darauf hatten die Männer es in seine Einzelteile zerlegt und ihn seiner schützenden Höhle beraubt. Als Katrin ihn daraufhin erneut in den Transportkorb gebeten hatte, war er zum ersten Mal in seinem Leben freiwillig hineingegangen.

Obendrein war Kater Flo vergangene Nacht kaum zur Ruhe gekommen, weil er in dem ganzen Durcheinander keine einzige Ecke gefunden hatte, die er auch nur entfernt als Schlafplatz hätte akzeptieren können. Außerdem war es furchtbar kalt gewesen. Die Heizung hatte sich am späten Abend automatisch ausgestellt, und auf der Fensterbank hatte es gezogen. Und nun vermieste ihm Katrin auch noch das Frühstück, indem sie ihm sein Futter in einer ausgedienten Obstschale vorsetzte.

Das ist unter meiner Katzenwürde, dachte er verärgert. Das lasse ich mir als echte Europäisch Kurzhaar nicht bieten! Sein Magen signalisierte unzweifelhaft erhöhte Bereitschaft zur Nahrungsaufnahme, aber es gab Grenzen.

Schnurstracks eilte er mit senkrecht aufgerichtetem Schwanz, dessen weiße Spitze zitterte, ins Bad und machte sich daran, ein Zeichen zu setzen. Vor dem Katzenklo, versteht sich. Davon abgesehen, dass er der begriffsstutzigen Katrin eine unmissverständliche Botschaft übermitteln wollte, sah er es als langjähriger Freigänger beim besten Willen nicht ein, eine mit Streusand gefüllte Plastikkiste zu benutzen, in der man seine Hinterlassenschaften nicht anständig verscharren konnte. Zumal die winzigen Körnchen immer zwischen den Pfoten hängen blieben und unangenehm juckten.

Kater Flo war noch nicht ganz fertig mit seiner Unmutsäußerung, da ging das Licht an, und Katrin stieß bei seinem Anblick einen spitzen Schrei aus.

»Du kleine Kröte! Pinkelst hier einfach in mein neues Bad!«, fuhr sie ihn an. Ihre schrille Stimme schmerzte empfindlich in seinen Ohren.

Hilfe, dachte er, wieso ist die Frau denn auf einmal so hysterisch? Sie war doch bisher immer ganz nett. Hat sie heute Nacht etwa genauso schlecht geschlafen wie ich? Irgendwie wirkt sie komplett überfordert. Hat ihr die Ortsveränderung etwa auch so sehr zugesetzt? Weiter kam er nicht mit seinen Überlegungen, denn …»Na warte, mein Freundchen, dir werde ich helfen!« Von der Waschmaschine, hinter deren Schaufenster sich so oft verlockend bunte Sachen drehten, die man aber nie fangen konnte, nahm sie ein Handtuch und schleuderte es ihm entgegen.

Sie musste wirklich sehr schlecht geschlafen haben.

Doch Katrin war eben nur ein Mensch und damit viel zu langsam für den schwarz-weißen Kater, der ihr längst durch die Beine geflitzt war. Hinter dem Stapel aus Umzugskartons im Flur suchte er Zuflucht und duckte sich vorsorglich, auch wenn er sicher war, dass sie ihn nie dort finden würde. Auf ihre Nase war im Gegensatz zu seiner eben kein Verlass.

Mit gespitzten Ohren lauschte Flo, wie Katrin die Lache auf den Fliesen fluchend beseitigte. Dabei überlegte er, wie er diesem Chaos hier entkommen könnte. Schließlich war er von Anfang an gegen eine Ortsveränderung gewesen. Nur leider hatte ihn niemand gefragt, ob er aus der gemütlichen Dreizimmerwohnung mit Garten und Katzenklappe in diese winzige, unangenehm nach Farbe und Lösungsmittel riechende Bude umziehen wollte. Noch dazu ohne Olaf.

Der war nämlich ein echter Katzenmensch. Katrin war durchaus nicht unnett, aber manchmal etwas schwer von Begriff. Olaf hatte sofort erkannt, dass Kater Flo ein Feinschmecker war und es nicht mochte, wenn die angebrochene Dose mit dem Futter auf der Fensterbank in der Sonne stand – statt im Kühlschrank, wo sie hingehörte. Aber nun war Olaf verschwunden, und er saß hier mit Katrin zwischen gefühlten tausend Kisten.

Der schwarz-weiße Kater hatte seit Wochen geahnt, dass eine Veränderung anstand, weil seine beiden Dosenöffner sich auf einmal so seltsam verhalten hatten. Zum einen hatten sie plötzlich kaum noch gestritten, was wirklich sehr ungewöhnlich war, wenn auch sehr angenehm für seine sensiblen Ohren. Zum anderen hatten sie eines Tages alle Möbel in der gesamten Wohnung und sogar im Keller mit gelben und roten Zetteln versehen. Kater Flo hatte mehrfach daran geschnuppert, war jedoch zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen. Vorsorglich hatte er sich an allen Möbelstücken noch mal ausgiebig gerieben und sie so markiert. Man konnte ja nie wissen.

Als Olaf und Katrin dann auch noch angefangen hatten, den kompletten Hausstand einzupacken, rechnete der Kater mit nichts Gutem.

Bei strömendem Regen und eisigen Temperaturen waren Flo und Katrin am vergangenen Morgen nun in die Zweizimmerwohnung gezogen. Olaf dagegen war auf Nimmerwiedersehen verschwunden und hatte zu Flos Ärger alle Möbel mit rotem Zettel mitgehen lassen. Darunter auch sein Lieblingsstück, einen alten, abgewetzten Cordsessel. Der hatte immer so lecker nach Minze gerochen, seit Katrin mal eine Tasse Tee darauf verschüttet hatte.

Der Kater war der Verzweiflung nahe.

Allerdings hatte er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es sich nur um ein Missverständnis handelte und Olaf jeden Moment vorbeikam, um ihn von seinem Schicksal zu erlösen. Selbst beim kleinsten Geräusch im Treppenhaus huschte er daher zur dunkelbraun gestrichenen Wohnungstür und lauschte aufmerksam. Aber bisher hatten die Schritte alle nicht geklungen wie das vertraute Stampfen seines Lieblingsmenschen. Das hätte Flo nämlich aus allen Geräuschen dieser Welt herausgehört.

Resigniert drehte er sich zweimal um sich selbst und kringelte sich in seinem Versteck auf dem unangenehm kalten Fliesenboden zusammen. Katzen sind bekanntlich sehr geduldig und können lange reglos verharren, bis sie im richtigen Moment vorschnellen und ihre Beute packen. Diese Eigenschaft machte sich Flo nun zunutze und beschloss, abzuwarten und erst mal den fehlenden Schlaf nachzuholen. Schließlich war er mit seinen elf Jahren nicht mehr der Jüngste, und so ein Umzug ging an die Katzensubstanz.

 

»Wieso passt das denn nicht zusammen?«

Katrin fluchte zum wiederholten Mal an diesem späten Sonntagmorgen. Seit geschlagenen eineinhalb Stunden versuchte sie nun, die Schlafzimmerkommode zusammenzubauen – ohne jede Chance auf Erfolg. Ohne Montageanleitung war das auch eine überaus große Herausforderung. Olaf hätte aus den verschieden großen Brettern und Schrauben sicher längst ein fertiges Möbelstück gezaubert. Oder er hätte die Anleitung mit seinem Hightech-Handy im Internet gesucht. Mit ihrem alten Knochen dagegen konnte sie gerade mal telefonieren und SMS verschicken. Und im Umgang mit Hammer und Schraubenzieher wollte sich ihr Talent einfach nicht entfalten.

»Es muss auch so gehen«, sagte Katrin mit Nachdruck zu sich selbst. »Olaf gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht in meinem Leben!« Sie atmete tief durch und startete einen neuen Versuch.

Kurz darauf biss sie sich auf die Unterlippe, um die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. Sie war überfordert. Nicht nur mit dem Umzug und dem Kater, der ihr im Laufe der Jahre fremd geworden war, sondern auch mit ihrer neuen Lebenssituation. Für sie war ein Traum geplatzt. Und sie hatte nicht mal genügend Zeit gehabt, um die Scherben zusammenzukehren. Alles war so schnell gegangen.

Sie musste nun ohne den Mann an ihrer Seite klarkommen. Nach über acht Jahren würde das sicher nicht leicht werden. Aber alleine zu sein war immer noch besser, als sich ständig gegenseitig Vorwürfe und Vorhaltungen zu machen. Olaf und sie passten eben nicht zusammen, ihre Lebensentwürfe waren zu verschieden. Dabei hätte alles perfekt sein können. Vermutlich zu perfekt.

Katrin hatte sich die Zukunft schon in den schillerndsten Farben ausgemalt. Erst die Hochzeit, dann die Schwangerschaft und zwei Jahre Elternzeit. In ihrem Job als Buchhalterin bei einem Autozulieferer wäre das problemlos möglich gewesen, denn ihr Chef war sehr familienfreundlich und flexibel.

Aber dann, an einem sonnigen Junitag, als sie gemeinsam im Garten die Laubhecken zurückgeschnitten hatten, war die Situation endgültig eskaliert. Katrin konnte sich noch an jedes Detail erinnern, sogar an die rotweißkarierte Bluse, die sie getragen hatte, und dass Olaf einen Dreitagebart hatte. Wie schon so oft hatte sie gestichelt, dass es allmählich an der Zeit sei, zu heiraten und an Nachwuchs zu denken. Normalerweise zog Olaf sich dann immer mit einem Witz aus der Affäre oder wechselte zielsicher das Thema. Diesmal jedoch reagierte er ungewohnt heftig.

»Wie oft willst du dieses Thema denn noch diskutieren?«, blaffte er mit hochrotem Kopf los. »Ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst mich nicht so unter Druck setzen. Jetzt reicht’s!«

Völlig verdattert ließ Katrin die Heckenschere sinken. »Was soll das heißen, jetzt reicht’s? Ständig sagst du, du brauchst noch ein bisschen Zeit, aber mir läuft allmählich die Zeit davon. Ich werde nicht jünger und möchte in der Kita nicht für die Großmutter meiner Kinder gehalten werden. Mir reicht’s auch langsam.« Sie hatte sich immer mehr in Rage geredet und funkelte ihn herausfordernd an.

»Ich will nun mal … « Weiter kam er nicht.

»Na klar«, fiel sie ihm ins Wort. »Was ich will, ist ja nicht maßgebend. Du denkst immer nur an dich und deine Karriere. Ich kann das echt nicht mehr hören. Wie es mir geht, ist dir doch egal!« Dabei kam sie ihm mit der Heckenschere gefährlich nahe.

Olaf riss ihr das Gartengerät aus der Hand. »Wer hat denn seinen Willen durchgesetzt? Oder hab ich meine Pläne etwa nicht für dich auf Eis gelegt?«

»Pah! Willst du mir jetzt die Schuld dafür in die Schuhe schieben, dass du in Deutschland geblieben bist? Das ist ja wohl das Letzte! Tu doch, was du nicht lassen kannst!«

»Wenn das so ist, dann kann ich ja mein Zeug packen und gehen. Mir stinkt’s eh schon seit langem. Ich hab weder Lust auf dein ständiges Genörgel noch auf Kinder.« Damit warf er ihr die Heckenschere vor die Füße und ließ sie stehen.

Mit offenem Mund starrte Katrin ihm nach. Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein, war ihr erster Gedanke. Dann wurde ihr klar, was Olaf gerade gesagt hatte, und ein Schauer kroch ihr über den Rücken. So heftig hatten sie bisher erst einmal gestritten, und damals hatte sie sich geschworen, dass es nie wieder vorkommen werde. Nun war der Eid gebrochen.

Erst war sie versucht, ihm nachzulaufen, doch stattdessen griff sie zur Heckenschere und schnitt weiter. Wie ein Roboter. Dass ihr dabei Tränen über die Wangen liefen, merkte sie nicht einmal.

Im Nachhinein konnte sich Katrin ihr Verhalten nicht mehr erklären, aber auch wenn sie in dem Moment versucht hätte, mit Olaf zu sprechen, wäre nichts anders gewesen. Er war tatsächlich gegangen und erst spätabends betrunken zurückgekommen. Sie hatten erneut leidenschaftlich gestritten und sich anschließend ebenso leidenschaftlich versöhnt.

Das war nun genau ein halbes Jahr her. Sie hatten zunächst tatsächlich wieder zueinander gefunden, aber der Frieden täuschte. Der Bruch war da, und sie hatten es nicht geschafft, den Riss wieder zu kitten. Anfang November hatte Olaf ihr dann eröffnet, dass er sich trennen wolle, weil er sich sein Leben anders vorgestellt habe. Er wollte noch mal ins Ausland, etwas wagen. Hier hatte er das Gefühl zu versauern. Resigniert hatte Katrin eingewilligt, denn sie hatte gespürt, dass sich bei ihm ein Schalter umgelegt hatte.

Sie strich sich die blonden, schulterlangen Haare hinters Ohr und beschloss, den Zusammenbau zu vertagen, bis Peter vorbeikam. Der Mann ihrer besten Freundin Louisa hatte versprochen, ihr zu helfen, obwohl er als Filialleiter eines Elektromarktes im Dezember besonders eingespannt war. Sie überließ die Kommode ihren Einzelteilen, ging in die Küche und machte sich daran, die Umzugskartons mit dem Geschirr und den Gläsern zu leeren.

Das Klingeln ihres Handys riss Katrin aus ihren trüben Gedanken.

Katrin nickte dankbar. Dann sagte sie schnell: »Danke, du rettest mich vor dem Hungertod.«

»Kein Problem, ich werde mir die Nase zuhalten, wenn’s zu schlimm wird«, sagte Louisa und bahnte sich einen Weg in die Küche, wo sie den Topf auf den Herd setzte. »Wie ich dich kenne, hast du wieder mal gar nichts im Haus«, sagte sie fröhlich und begann den Kühlschrank mit Milch, Butter, Joghurt, Wurst und Käse zu füllen.

Louisa winkte ab. »Kein Problem. Das Fest der Nächstenliebe steht schließlich vor der Tür.«

Das Geräusch der sich öffnenden Kühlschranktür hatte Kater Flo aus seinem Versteck gelockt, der Louisa nun auffordernd um die Beine strich und seinen Kopf an ihrer Strumpfhose rieb. Dabei schnurrte er so laut wie ein Dieselmotor.

Katrin schnaubte. »Von wegen! Den ganzen Tag versteckt er sich, und fressen tut er auch nicht. Dafür hat er mir heute Morgen ins Bad gepinkelt. Als hätte ich nicht schon genug Sorgen.«

»Wieso überlässt du den Kater denn nicht Olaf, wenn du dich alleine so schwer mit ihm tust?«, unterbrach Louisa den Versöhnungsversuch.

Niemals hätte sie zugegeben, dass sie Flo als Druckmittel benutzt hatte, in der Hoffnung, Olaf würde es sich noch einmal überlegen. Doch ihr Plan war nicht aufgegangen. Nun saß sie knapp zwei Wochen vor Weihnachten da – ohne Mann und die Aussicht auf ein Kind, dafür mit einem rebellischen Kater. Beim Gedanken an das bevorstehende Fest wurde ihr ganz übel, denn nach Beschaulichkeit und Harmonie stand ihr ganz und gar nicht der Sinn.